Kunst als Handlungsfeld, Birte Kleine-Benne
Kunst als Handlungsfeld, Birte Kleine-Benne
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zeichnen, welches zunächst von einem strategischen Handeln zu unterscheiden ist:<br />
Multinationale Konzerne, Institutionen und Armeen agieren nach strategischen<br />
Entscheidungskriterien, indem sie einen abgesicherten Ort <strong>als</strong> statisch gebundene<br />
Basis (be-) setzen, um von hier aus zielgerichtet Beziehungen zu organisieren. Die<br />
strategische Handlungsweise stattet sich mit weitestgehenden Unabhängigkeiten,<br />
hermetischen Geschlossenheiten oder starken Isoliertheiten aus und grenzt sich<br />
scharf gegenüber wechselnden Umständen ab. „Als ‚Strategie‘ bezeichne ich eine<br />
Berechnung von Kräfteverhältnissen, die in dem Augenblick möglich wird, wo ein mit<br />
Macht und Willenskraft ausgestattetes Subjekt (ein Eigentümer, ein Unternehmen,<br />
eine Stadt, eine wissenschaftliche Institution) von einer ‚Umgebung‘ abgelöst werden<br />
kann. Sie setzt einen Ort voraus, der <strong>als</strong> etwas Eigenes umschrieben werden kann<br />
und der somit <strong>als</strong> Basis für die Organisierung seiner Beziehungen zu einer bestimmten<br />
Außenwelt (Konkurrenten, Gegner, ein Klientel, Forschungs-‚Ziel‘ oder ‚Gegenstand‘)<br />
dienen kann.“ 235 Die taktische Handlungsweise hingegen verzichtet auf den<br />
eigenen Ort und nutzt den Ort des Anderen. Eine sog. nomadische Mobilität und<br />
Ungebundenheit agiert statt mit fixierten Grenzziehungen und Geschlossenheiten mit<br />
dem Moment der Überraschung, mit dem Ziel, strukturelle Bedingungen und<br />
Verfestigungen zu unterlaufen und bestehende Verhältnisse zu torpedieren. Das<br />
wichtigste Instrument ist die List, die einem Virus vergleichbar in einem Programm<br />
Encodierungen vornehmen kann. „Als ‚Taktik‘ bezeichne ich demgegenüber ein<br />
Kalkül, das nicht mit etwas Eigenem rechnen kann und somit auch nicht mit einer<br />
Grenze, die das Andere <strong>als</strong> eine sichtbare Totalität abtrennt. Die Taktik hat nur den<br />
Ort des Anderen. Sie dringt teilweise in ihn ein, ohne ihn vollständig erfassen zu<br />
können und ohne ihn auf Distanz halten zu können. Sie verfügt über keine Basis, wo<br />
sie ihre Gewinne kapitalisieren, ihre Expansionen vorbereiten und sich Unabhängigkeit<br />
gegenüber den Umständen bewahren kann. Das ,Eigene‘ ist ein Sieg des Ortes<br />
über die Zeit. Gerade weil sie keinen Ort hat, bleibt die Taktik von der Zeit abhängig,<br />
sie ist immer darauf aus, ihren Vorteil ,im Fluge zu erfassen‘. Was sie gewinnt,<br />
bewahrt sie nicht. Sie muss andauernd mit den Ereignissen spielen, um ,günstige<br />
Gelegenheiten‘ daraus zu machen.“ 236 Die taktische Methode, ich fasse zusammen,<br />
greift „[u]ngebunden, mobil, offen gegenüber dem Fremden, sowie gefährlich,<br />
trickreich, listig, avantgardistisch usw.“ 237 in das Betriebssystem der <strong>Kunst</strong>, auch in<br />
das der Umweltsysteme ein, indem die künstlerischen Strategien in die Systeme<br />
entweder vereinbart implementiert oder überraschend eingeschleust werden und dort<br />
operativ agieren. „Hauptmerkmal dieser Guerilla“, ich greife vorweg, „ist ihr Verhältnis<br />
zur Ausstellung, zur Exposition, der Widerstand gegen jene Passivität, d.h. gegen die<br />
Reserviertheit, die man von einem ,Exponat‘ erwartet.“ 238<br />
235 Certeau 1988, S. 23.<br />
236 Certeau 1988, S. 23.<br />
237 Schuler 1995.<br />
238 Hollier 1993, S. 39.<br />
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