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Kunst als Handlungsfeld, Birte Kleine-Benne

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eschreiben sein kann 139 – und weist nun molekulare Erschütterungen auf 140 .<br />

O’Dohertys kunsttheoretische Funktionsanalysen des White Cubes, welche Einheit<br />

durch Unterscheidung zwischen Text und Kontext ersetzen und damit das<br />

identitätische Prinzip durchbrechen – auf den differentialistischen Formbegriff, in<br />

dessen zweiseitiger Form die Fähigkeit zur Selbstreferenz bereits untergebracht ist,<br />

gehe ich in meinen Folgeausführungen ein –, machen gegenseitige Abhängigkeiten<br />

von auratischem und isoliertem Einzelwerk und seine wesentlich durch den White<br />

Cube vorgegebenen konstitutiven Möglichkeitsbedingungen beobachtbar.<br />

Dabei reicht dessen operative Dimension über die Modalitäten der Präsentation<br />

von <strong>Kunst</strong> weit hinaus und nimmt <strong>als</strong> Mechanismus konstitutiven Einfluss nicht nur<br />

auf die Produktion, sondern auch auf deren Rezeption, Dokumentation, Reproduktion<br />

und Publikation, wie sie in den neunziger Jahren Gegenstand werden sollen. Die<br />

<strong>Kunst</strong>produktionen der neunziger Jahre starten die Analyse konstitutiver sozialer,<br />

geschlechtlicher, religiöser, ethnischer und ökonomischer Bedingungen ihrer<br />

Entstehungsprozesse und eröffnen ein Feld für kontextuelle Raumauffassungen, zu<br />

denen – ebenfalls unter Einbindung von Komplexitätsüberlegungen – Nina Möntmann<br />

141 ausführt: Der soziale Raum der neunziger Jahre konstituiere sich nicht <strong>als</strong><br />

homogenes Gebilde oder Kategorie, sondern <strong>als</strong> ein sich ständig im Prozess<br />

befindliches Produkt sozialer Beziehungen und sozialen Handelns. 142 Zahlreiche<br />

künstlerische (wie auch kuratorische und publizistische) Aktivitäten thematisieren<br />

seither neben einer künstlerischen Praxis, die mit dem Potential der ästhetischen<br />

Erfahrung in performativen Inszenierungen die Position des Individuums in seiner<br />

sozialen Umgebung erforscht, das „institutionelle ‚support system‘ und die ihm<br />

zugehörigen Einstellungen zum Material“ 143 ; widmen sich der Frage nach der<br />

gesellschaftlichen Stellung und der Funktion von <strong>Kunst</strong>, ihrem Ausstellungsort und<br />

dessen Funktion im Ausstellungsbetrieb, der kuratorischen Praxis und den Bezügen<br />

zur Rezeption von <strong>Kunst</strong>. 144 Spezifische Institutionen 145 , diskursive Praxen,<br />

Strukturen, Regeln, Mechanismen und Machtverhältnisse, unter denen <strong>Kunst</strong><br />

produziert, präsentiert, rezipiert und gehandelt wird, werden <strong>als</strong> konstituierende<br />

Rahmenbedingungen untersucht. 146 Jene Aktivitäten bringen künstlerische Produktionsverfahren<br />

zur Anwendung, die an die ‚Post Studio Practices‘ der kritisch-<br />

139 Zu offenen und geschlossenen Systemen exemplarisch am Beispiel von John Cage und Bill Gates<br />

vgl. Daniels 2003, S. 62f.<br />

140 O’Doherty 1996, S. 88.<br />

141 Nina Möntmann (Jhg. 1969) ist <strong>Kunst</strong>historikerin und Kuratorin.<br />

142 Zur Konstruktion des sozialen Raumes durch künstlerische Praktiken, konkret des institutionellen<br />

Raumes bei Andrea Fraser, des urbanen Raumes bei Martha Rosler, des Handlungsraumes bei<br />

Renée Green und des kulturellen Raumes bei Rirkrit Tiravanija, vgl. Möntmann 2002. Zur vierfachen<br />

Differenzierung der Relation <strong>Kunst</strong> und öffentlicher Raum vgl. Oosterling 2001.<br />

143 Kemp 1996, S. 30. Kemp weist auf die Unüberschaubarkeit der Literatur zu dieser Themenkunst<br />

hin und empfiehlt Brüderlin 1996.<br />

144 Einen umfassenden Überblick über Ausstellungen und Projekte zwischen 1990 und 2000 bietet<br />

Kube Ventura 2002, S. 296f.<br />

145 Zu Foucaults Definition von Institution vgl. Foucault 1978, S. 125. Ich verweise außerdem auf<br />

Bürgers Definition der Institution <strong>Kunst</strong> <strong>als</strong> „kunstproduzierenden und distribuierenden Apparat <strong>als</strong><br />

auch die zu einer gegebenen Epoche herrschenden Vorstellungen über <strong>Kunst</strong>, die die Rezeption von<br />

Werken wesentlich bestimmen“. Bürger 1984, S 43f.<br />

146 Zur Kritik am Museum und einer erweiterten Institutionenkritik vgl. u.a. Schneede (Hg.) 2000.<br />

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