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Die Zeitschrift für stud. iur. und junge Juristen - Iurratio

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98<br />

Schwerpunkte<br />

vornehmen: Zunächst muss er die unrichtigen oder unvollständigen Angaben<br />

berichtigen oder ergänzen bzw. die unterlassenen Angaben nachholen <strong>und</strong><br />

sodann die hinterzogenen Steuern innerhalb einer vom Fiskus gesetzten Frist<br />

nachzahlen. 11 Dabei sind die Berichtigungserklärungen so zu gestalten, dass<br />

das betreffende Finanzamt ohne eigene größere Nachforschungen die ver-<br />

wirklichte Besteuerungsgr<strong>und</strong>lage aufklären kann (sog. „Materiallieferung“) 12<br />

3. DER ANZEIGEERSTATTER UND SEIN ADRESSAT<br />

Nicht jede beliebige Person kann ohne weiteres rechtswirksam eine Selbst-<br />

anzeige i. S. v. § 371 AO erstatten. Vielmehr bedarf der Anzeigeerstatter, der<br />

nicht schon Täter oder Teilnehmer der selbstanzeigefähigen Straftaten ist, ei-<br />

ner Bevollmächtigung durch die vorgenannten Personen. 13 Der Adressat der<br />

Selbstanzeige ist laut § 371 I AO „die Finanzbehörde“ i. S. v. § 6 II AO. Wäh-<br />

rend früher umstritten war, ob nur die zuständige Finanzbehörde 14 richtiger<br />

Adressat der Selbstanzeige sein kann, ist mittlerweile durch den B<strong>und</strong>esfi-<br />

nanzhof entschieden, dass auch eine Anzeigeerstattung gegenüber einer un-<br />

zuständigen Finanzbehörde den Anforderungen des § 371 AO gerecht wird. 15<br />

Für diese Ansicht kann vor allem der oben erwähnte Gedanke der Selbst-<br />

anzeige -bisher dem Fiskus verheimlichten Steuerquellen offenzulegen- an-<br />

geführt werden. 16 Denn ob der Anzeigeerstatter gegenüber der zuständigen<br />

oder einer unzuständigen Finanzbehörde relevante Angaben macht ändert<br />

nichts an der faktischen Offenlegung der Steuerquelle gegenüber dem Fiskus.<br />

Bei der Vornahme der Selbstanzeige ist darüber hinaus auf das -in der Pra-<br />

xis nicht selten auftretende- Problem des (rechtzeitigen) Zugangs der Anzei-<br />

geerstattung zu achten. Hierbei gilt der Gr<strong>und</strong>satz des § 130 BGB, wonach<br />

der Erklärende glaubhaft darlegen muss, dass die Anzeige derart rechtzeitig<br />

in den Machtbereich der Finanzbehörde gelangt ist, dass diese unter norma-<br />

len Umständen die Möglichkeit zur Kenntnisnahme von der Anzeigeerklä-<br />

rung hat. Für die Praxis gilt daher, dass der Einwurf in den Briefkasten der Fi-<br />

nanzbehörde der sicherste Weg ist, den (rechtzeitigen) Zugang zu gewährlei-<br />

sten. Aus der Anwendung von § 130 BGB darf allerdings nicht geschlossen<br />

werden, dass es sich bei der Selbstanzeigeerklärung um eine Willenserklärung<br />

handelt. Vielmehr stellt sie eine Wissenserklärung dar, was den Nachteil mit<br />

sich bringt, dass eine Anfechtung der Anzeigeerklärung nach §§ 119ff. BGB<br />

nicht möglich ist, aber andererseits den Vorteil hat, dass die Selbstanzeigeer-<br />

klärung nicht formbedürftig ist. So ist auch eine mündliche bzw. fernmünd-<br />

liche Erklärung zulässig, sollte aber zu Beweiszwecken protokolliert werden. 17<br />

C. AUSWIRKUNGEN DES BGH URTEILS V. 20.05.2010, 1 STR 577/09 18<br />

Der B<strong>und</strong>esgerichtshof hat mit seinem Urteil vom 20.05.2010 gr<strong>und</strong>legend<br />

11 Tipke/ Lang, Steuerrecht, 20. Auflage, § 23, Rn.57ff.; Joecks, in: Franzen/<br />

Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Auflage, § 371, Rn.96ff..<br />

12 BGH, NJW 1974, 2293; LG Stuttgart, wistra 1990, 72(72).<br />

13 BGH, wistra 1985, 74(74); Rolletschke, Steuerstrafrecht, 20. Auflage,<br />

S. 198, Rn.551.<br />

14 OLG Frankfurt, DStZ 1954,58; a. A. Joecks, in: Franzen/Gast/ Joecks,<br />

7. Auflage, § 371,Rn.93<br />

15 BFH, wistra 2008,316(316).<br />

16 BGHSt 37,340; Hüls/ Reichling, in: PStr 2008,142; Rolletschke, Steuerstrafrecht,<br />

20. Auflage, S.199, Rn.555.<br />

17 Joecks, in: Franzen/ Gast/ Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Auflage, § 371,<br />

Rn.65.<br />

18 Vgl. BGH, 1. StR 599/09, BB 2010, 2027(2027), wistra 2010,304(304).<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 2 / 2011<br />

den Tatbestand der Selbstanzeige verschärft. Wegen § 132 II GVG sind die In-<br />

stanzgerichte zwar nicht an die Entscheidung geb<strong>und</strong>en, nichtsdestotrotz darf<br />

dieses Urteil durchaus als Vorhut des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes ver-<br />

standen werden, welches am 17.03.2011 die zweite <strong>und</strong> dritte Beratung des<br />

B<strong>und</strong>estages passiert hat. 19<br />

I. ABSCHAFFUNG DER TEILSELBSTANZEIGE<br />

Ursprünglich verstand der 5. Strafsenat des BGH die Formulierung „insoweit“<br />

in § 371 I AO so, dass schon bei unvollständigen Angaben eine Straffreiheit<br />

eintreten könne. 20 In solchen Fällen trat eine Straffreiheit aber nur entspre-<br />

chend der gemachten Teilangaben ein. Also bestimmte der Umfang der An-<br />

gaben auch den Umfang der Straffreiheit. Dabei wurde sogar angenommen,<br />

dass schon bei Angaben, welche bis zu 6% hinter den zutreffenden Beiträ-<br />

gen zurück blieben, Straffreiheit in vollem Umgang eintreten könne. 21 Folg-<br />

lich war schon durch eine sog. „Teilselbstanzeige“, also der unvollständigen<br />

Angabe von steuerlich relevanten Tatsachen, eine strafbefreiende Wirkung bis<br />

hin zur vollständigen Straffreiheit möglich.<br />

Seit dem 20.05. 2010 ist diese Möglichkeit -zumindest laut dem 1.Strafsenat-<br />

<strong>für</strong> den Steuerstraftäter nicht mehr gegeben. Der <strong>für</strong> Steuerstrafsachen zu-<br />

ständige Senat hat mit seiner Entscheidung eine Abkehr von der ursprüng-<br />

lichen Rechtsprechung vollzogen <strong>und</strong> hält die Teilselbstanzeige <strong>für</strong> nicht<br />

mehr ausreichend um Straffreiheit zu erlangen. 22 <strong>Die</strong> „Rückkehr zur Steuer-<br />

ehrlichkeit“ sei nicht vollzogen, wenn der Steuerstraftäter nur teilweise seine<br />

Angaben berichtige. 23 <strong>Die</strong>s werde auch schon durch die Nennung aller denk-<br />

baren Handlungsmodalitäten (berichtigen, ergänzen, nachholen) in § 371 I<br />

AO deutlich, wonach die vollständige Rückkehr zur Steuerehrlichkeit vom Ge-<br />

setzgeber gewollt sei. 24 Der Steuerstraftäter muss nunmehr „reinen Tisch“ ma-<br />

chen, wie es der Strafsenat selbst kaum plastischer formulieren konnte. 25<br />

Weiter meint der 1. Strafsenat, dass die Formulierung „insoweit“ in § 371 I<br />

AO entgegen der Auslegung des 5. Strafsenats 26 bedeute, dass der Steuerstraf-<br />

täter durch seine Nacherklärung keine Strafbefreiung <strong>für</strong> Nicht- Steuerstraftaten<br />

erlangen könne. 27 Demnach beziehe sich das „insoweit“ in § 371 I AO<br />

nicht auf den Umfang der gemachten Angaben, sondern allein auf den Umfang<br />

der Strafbefreiung. 28<br />

II. MoDIFIKATIoN DER SoG. „GESTUFTEN SELBSTANZEIGE“<br />

Oftmals erfolgt die Entscheidung eine Selbstanzeige zu erstatten unter dem<br />

Druck einer drohenden Tatentdeckung, welche einen Sperrgr<strong>und</strong> nach § 371<br />

II Nr.2 AO darstellt. Daraus folgt nicht selten, dass der Anzeigeerstatter im<br />

Zeitpunkt der Erklärung der Selbstanzeige nicht alle nachzuholenden Angaben<br />

machen kann, da die dazu notwendigen Unterlagen nicht vorhanden sind<br />

19 Vgl. BT- Drs. 17/5067.<br />

20 Vgl. BGH, 5 StR 392, 98 vom 13.10.1998, wistra 1999, 27(28).<br />

21 Vgl. OLG Frankfurt, NJW 1962, 974(974).<br />

22 Vgl. BGH, BB 2010, 2027(2027); wistra 2010, 304(304).<br />

23 Wulf, in: wistra 2010,286(289).<br />

24 Vgl. BGH 1 StR 577/09, Rn.9,11.<br />

25 Vgl. BGH 1 StR 577/09, Rn.8.<br />

26 Vgl. BGH 5 StR 392/98, wistra 1999,27(28).<br />

27 Vgl. BGH, wistra 1999,27(28).<br />

28 Vgl. BGH, wistra 1999,27(28).

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