Stabil <strong>und</strong> fragil zugleich: <strong>Unternehmenskultur</strong> <strong>gestalten</strong> <strong>und</strong> <strong>verändern</strong> Die Kultur eines Unternehmens ist ein gewachsenes Gebilde, das so schnell nicht ins Wanken gerät. Doch in Krisenzeiten zeigt sich, wie glaubwürdig die Gr<strong>und</strong>sätze <strong>und</strong> Werte einer Organisation sind – <strong>und</strong> sie bieten eine gute Gelegenheit, mit Althergebrachtem zu brechen. 2 Vera Sohmer arbeitet als freie Journalistin <strong>und</strong> schreibt unter anderem für die Handelszeitung, den Beobachter <strong>und</strong> die NZZ. wirkaufleute 1/11
FOTO: iSTOCKPHOTO/KUTAYTANIR; iSTOCKPHOTO/TOPSHOTUK ●Die Tücken der .......................... ungeschriebenen Regeln Wer die Stelle wechselt, erlebt oft sein blaues W<strong>und</strong>er: Distanzierte <strong>und</strong> zugeknöpfte Vorgesetzte, die man kaum ein - mal zu Gesicht bekommt. Und braucht man einen Termin mit ihnen, gleicht das Verfahren einem Staatsakt. Wie unkom - pliziert war das doch in der alten Firma! Man duzte den Chef, seine Tür stand im - mer offen. Ausserdem fragte er auch mal von sich aus, ob alles r<strong>und</strong> läuft. Tempi passati. Nach einigen Tagen weiss man: Jede Firma, jede Organisation tickt anders. Diejenigen, die schon lange im Be - trieb sind, kennen die – oft unausge - «Wie es um die hohen Werte wirklich steht, zeigt sich erst in der Praxis – wie unumstösslich <strong>und</strong> glaubwürdig sie sind, offenbart sich erst in Krisenzeiten.» spro chenen – Spielregeln <strong>und</strong> verhalten sich danach. Neulinge blicken nicht durch, <strong>und</strong> fragen sie mal nach, bekom - men sie allenfalls zu hören: «So machen wir das halt hier.» Man gibt den Neuen damit zu verstehen: Arrangieren Sie sich mit unseren Gepflogenheiten. Das wahre Gesicht zeigt sich in der Krise Diese Spielregeln verstehen zu lernen, heisst, sich eingehend mit der Kultur eines Unternehmens auseinanderzuset - zen. Mit jenen Normen, Werten <strong>und</strong> Ver - haltensweisen, die den Umgang zwischen Mitarbeitenden <strong>und</strong> Vorgesetzten bestimmen, aber auch den Umgang mit Kun den <strong>und</strong> zwischen Kollegen. Viele Un - ternehmen verpassen sich ein Leitbild, wirkaufleute 1/11 das ethische Gr<strong>und</strong>sätze <strong>und</strong> verantwor - tungsvolles Handeln über alles stellt. Solche Selbstdarstellungen lesen sich gut auf Internet-Seiten oder im Hochglanz-Prospekt: Da wird kollegialer Um - gang gepflegt, Innovation <strong>und</strong> Kreativität gross geschrieben, Wert gelegt auf eine offene Informationspolitik. Doch wie es um die hohen Werte wirklich steht, zeigt sich erst in der Praxis; wie unumstösslich <strong>und</strong> glaubwürdig sie sind, offenbart sich erst in Krisenzeiten. Läuft es harzig auf den Märkten, geraten Firmen <strong>und</strong> ihre Angestellten unter Druck. Das wirkt sich auf die Stimmung aus – <strong>und</strong> darauf, wie man miteinander um- geht. Denn Wirtschaftskrisen decken je - ne Dinge auf, die sich angesammelt haben auf dem weichen Polster gefüllter Auftragsbücher <strong>und</strong> unter dem Mantel ruhiger Zeiten. Experten sprechen dann vom gestörten «Courant normal», das Tagesgeschäft gerät aus dem Lot, Gewohntes gibt es nicht mehr, auf Liebgewonnenes muss verzichtet werden. Ver - unsicherung <strong>und</strong> Frustration können die Folge sein. Das zehrt an den Nerven, un - terschwellige Konflikte brechen auf. Und die Belegschaft kann sich in zwei Lager spalten: Auf der einen Seite diejenigen, die fest im Sattel sitzen oder es zumindest glauben. Auf der anderen Seite die potenziellen Kandidaten für den angekündigten oder erwarteten Stellenabbau. Es entsteht der «Insider-Outsider- TITELSTORY Effekt» – die Insider rotten sich zusammen <strong>und</strong> sorgen dafür, dass die Outsider draussen bleiben. Gefahr der Abwärtsspirale kennen «Zwangsläufig ist eine solche Entwicklung nicht», betont Urs Tschanz, Geschäftsführer der Personalentwicklungsfirma Diacova. Denn dort, wo man auch in wirt - schaftlich guten Zeiten auf Teamwork setzt <strong>und</strong> ein wertschätzendes Miteinan - der pflegt, raufen sich die Leute in Kri - sen zeiten eher zusammen. Mehr noch: Das ruppige Wirtschaftsumfeld gibt dem Teamgeist sogar noch Auftrieb. Kippt in einer Krisensituation hingegen die Stim - mung im Unternehmen, wird es heikel bis hoffnungslos. Denn der Mischung aus Resignation <strong>und</strong> Lethargie, Konkurrenz - kampf <strong>und</strong> Intrigen ist kaum beizukommen, die Abwärtsspirale kaum aufzuhal - ten. Tschanz empfiehlt deshalb dringend, sich niemals auf Kosten eines Kol legen oder einer Kollegin zu profilieren <strong>und</strong> nie - mals die Schwäche eines anderen zum eigenen Vorteil zu nutzen – auch dann nicht, wenn man Angst hat um sei ne Position <strong>und</strong> um seinen Job kämpft. Das vergifte das Klima <strong>und</strong> könne sich bis zum Mobbing hochschaukeln. Und wie verhalten sich Vorgesetzte rich tig, wenn eine Firma unter Druck gerät? Zum einen, sagt Tschanz, sollten sie offen kommuni - zieren, was los ist, selbst dann, wenn die Informationen noch nicht hun dert pro - ‰ 3