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doppelseitige - Bundeskonferenz für Erziehungsberatung

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2.1<br />

Im Unterschied zur angloamerikanischen Forschung sind empirische Erkenntnisse<br />

und Theoriebildung zu hochkonflikthaften Familien in Deutschland wenig<br />

herausgearbeitet. Eine klare und verbindliche Definition, die ausschließlich<br />

auf diese Gruppe von Scheidungs- und Trennungsfamilien zutrifft, fehlt<br />

(Spindler 2008).<br />

Aufgabe des Forschungsprojekts »Kinderschutz bei hochstrittiger Elternschaft«<br />

war Hochkonflikthaftigkeit zunächst theoretisch zu beschreiben und daraufhin<br />

empirisch zu überprüfen (Fichtner u.a. 2010). Als hochkonflikthaft werden<br />

in dieser Studie jene Scheidungs- und Trennungsfamilien bezeichnet, in denen<br />

ein so hohes Konfliktniveau vorliegt, dass erhebliche<br />

• Beeinträchtigungen auf den Ebenen des Verhaltens und/oder der Persönlichkeit<br />

mindestens eines Elternteils,<br />

• Beeinträchtigungen der Beziehung zwischen den Eltern untereinander<br />

und zwischen ihnen und dem Kind sowie<br />

• Beeinträchtigungen der Nutzung von institutioneller Hilfe zur Klärung<br />

der Konfliktsituation<br />

vorhanden sind. Eine Reduktion der Konflikte und Klärung von Alltagsfragen<br />

erscheint auch mit rechtlichen und/oder beraterischen Hilfen deutlich erschwert.<br />

Eine Belastung der Kinder ist wahrscheinlich.<br />

Das elterliche Konfliktniveau 4 bildet den Kern dieser Definition. Belastungen<br />

der Kinder durch weitere Faktoren, wie Gewalt, psychische Erkrankungen<br />

oder Substanzmissbrauch seitens der Eltern können zusätzlich gegeben sein.<br />

Gemeinsam ist allen Definitionen die Unterscheidung zwischen vier verschiedenen<br />

Merkmalen der Hochkonflikthaftigkeit: individuelle Merkmale, Merkmale<br />

der Beziehungsdynamik sowie soziodemographische und hilfebezogene<br />

Merkmale. Zu den individuellen Merkmalen zählen Persönlichkeitseigenschaften<br />

und Verhaltensweisen der Eltern sowie deren elterliche Kompetenz.<br />

Die Beziehungsdynamik ist charakterisiert durch den Kommunikationsstil,<br />

die Konfliktthemen und die gegenseitigen Vorwürfe der Eltern. Als hilfebezogene<br />

Merkmale gelten Inanspruchnahme, Dauer und Verlauf professioneller<br />

Interventionen sowie deren Ergebnisse. Die konkreten Ausprägungen dieser<br />

Merkmale werden im Folgenden beschrieben.<br />

4 Die Gesamtstichprobe von 158 Elternteilen konnte mittels eines Sets von acht Items in drei Konfliktniveaus<br />

eingeteilt werden; davon sind 45 Elternteile als hochkonflikthaft einzustufen (vgl. Fichtner, u.a.<br />

2010)<br />

2.2 Merkmale hochkonflikthafter Eltern<br />

2.2.1 Individuelle Merkmale<br />

Persönlichkeitseigenschaften und Verhaltensweisen hochkonflikthafter Eltern<br />

In der Arbeit mit hochkonflikthaften Familien wird immer wieder die Frage<br />

nach spezifischen Persönlichkeitseigenschaften und Verhaltensweisen der Eltern<br />

gestellt.<br />

Hinweis:<br />

Die Forschungsergebnisse des Projekts »Kinderschutz bei hochstrittiger Elternschaft«<br />

zeigen sechs Eigenschafts- und Verhaltensmerkmale, die als typisch <strong>für</strong><br />

diese Gruppe von Trennungs- und Scheidungsfamilien gelten:<br />

• Reduzierte Offenheit <strong>für</strong> neue Erfahrung<br />

• Reduzierte Verträglichkeit<br />

• Als gering erlebte Selbstwirksamkeit in der elterlichen Beziehung<br />

• Unflexible Denkstrukturen<br />

• Wahrnehmungsverzerrungen<br />

• Eingeschränkte Emotionsregulation<br />

Im Folgenden werden diese Merkmale beschrieben:<br />

Reduzierte Offenheit <strong>für</strong> neue Erfahrung<br />

Die Offenheit <strong>für</strong> Erfahrung ist eine psychodiagnostische Dimension, die zur<br />

Beschreibung von menschlicher Persönlichkeit dienen kann. Hochkonflikthafte<br />

Mütter und Väter zeichnen sich durch ein schwaches Interesse an neuen<br />

Erfahrungen, Erlebnissen und Eindrücken aus. Traditionalismus, feste Ansichten<br />

und eine konservative Haltung sind bei dieser Gruppe von Scheidungseltern<br />

stärker ausgeprägt.<br />

Reduzierte Verträglichkeit<br />

Verträglichkeit bildet eine weitere Dimension zur Persönlichkeitsdiagnostik.<br />

Bei hochkonflikthaften Eltern ist sie eher gering ausgeprägt. Dies bedeutet,<br />

dass die Mütter und Väter eher zu Misstrauen und kühlen, kritischen Haltungen<br />

neigen. Kooperation, Vertrauen und Nachgiebigkeit sind bei hochkonflikthaften<br />

Müttern und Vätern seltener festzustellen.<br />

Als gering erlebte Selbstwirksamkeit in der Elternbeziehung<br />

Die erlebte Selbstwirksamkeit hochkonflikthafter Mütter und Väter meint die<br />

persönliche Überzeugung, gerade in eskalierenden Konflikten einen eigenen<br />

Handlungsspielraum zu bewahren. Je geringer ausgeprägt sie ist, desto mehr<br />

fühlen sich die Eltern der Konfliktdynamik sowie dem ehemaligen Partner<br />

ausgeliefert. In Familienkonstellationen mit hohem Konfliktniveau erleben Eltern<br />

sich selbst tendenziell als hilflos und ihre Handlungsmöglichkeiten als<br />

eingeschränkt.<br />

Unflexible Denkstrukturen<br />

Unflexible Denkstrukturen stehen hier <strong>für</strong> rigides Denken und Handeln in<br />

Konfliktsituationen. Dieses Persönlichkeitsmerkmal wurde überwiegend bei<br />

12 Arbeit mit hochkonflikthaften Trennungs- und Scheidungsfamilien: Eine Handreichung <strong>für</strong> die Praxis 13 Arbeit mit hochkonflikthaften Trennungs- und Scheidungsfamilien: Eine Handreichung <strong>für</strong> die Praxis<br />

2.2

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