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doppelseitige - Bundeskonferenz für Erziehungsberatung

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3.6<br />

3.6 Hochkonflikthaftes elterliches Verhalten und Kindeswohlgefährdung<br />

Hocheskalierte Elternkonflikte können eine erhebliche Belastung <strong>für</strong> die<br />

betroffenen Kinder darstellen: In der Scheidungsfolgenforschung besteht<br />

mittlerweile Konsens darüber, dass das Ausmaß elterlicher Scheidungs- und<br />

Trennungskonflikte maßgeblich da<strong>für</strong> mitverantwortlich ist, welches Belastungsniveau<br />

die Kinder erreichen. Ergebnisse zeigen auch, dass Kontakte<br />

mit dem getrenntlebenden Elternteil sogar zur Belastung <strong>für</strong> das Kind werden<br />

können, wenn das elterliche Konfliktniveau hoch ist und/oder ausgeprägte Loyalitätskonflikte<br />

beim Kind auftreten. Darüber hinaus liegen auch eine Reihe<br />

Forschungsergebnisse zu kindeswohlgefährdenden Folgen von Partnerschaftsgewalt<br />

vor (Kindler 2006).<br />

Es ist also sicher davon auszugehen, dass solche eskalierte Konflikte mit einer<br />

verringerten Fähigkeit der Eltern einhergehen, insgesamt kindeswohldienliche<br />

Bedingungen zu schaffen. Ein Hilfebedarf ist in allen betroffenen Fällen<br />

gegeben. Die Jugendhilfeangebote sollten v.a. die Kinder dabei unterstützen<br />

und sie ggf. in die Lage versetzen, möglichen Gefahren selbst aktiv zu begegnen<br />

und sich ihnen zu widersetzen.<br />

Dieses besondere elterliche Konfliktverhalten stellt fraglos einen Risikofaktor<br />

<strong>für</strong> die kindliche Entwicklung dar; die beschriebenen Entwicklungsrisiken<br />

<strong>für</strong> Kinder liegen latent oder manifest vor. Dies wirft die Frage auf, inwieweit<br />

damit auch die Gefahr einer Kindeswohlgefährdung besteht. Eine pauschale<br />

Antwort hierauf erscheint nicht möglich, ein schematisches Verhalten wenig<br />

sinnvoll. Vielmehr sollte im Einzelfall eine entsprechend abgestufte Prüfung<br />

stattfinden.<br />

Hinweis:<br />

Innerhalb des Forschungsprojekts wurden mögliche kindeswohlgefährdungsrelevante<br />

Kriterien unter Hochkonfliktbedingungen diskutiert. Der Projektbeirat,<br />

bestehend aus WissenschaflterInnen und VertreterInnen der Praxis,<br />

formulierte folgende Empfehlung: Die Gefährdungsschwelle des § 1666 BGB<br />

ist erreicht bzw. wurde überschritten, wenn in hochkonflikthaften Familien<br />

summarisch folgende vier Gefährdungskriterien vorliegen:<br />

1. Einschränkung der Erziehungsfähigkeit des hauptsächlich betreuenden<br />

Elternteils oder beider Elternteile aufgrund der kognitiven Verengung<br />

auf den Elternkonflikt,<br />

2. Behandlungsbedürftige Belastungssymptomatik des Kindes,<br />

3. Eingeschränkte Bewältigung altersentsprechender Entwicklungsaufgaben<br />

und<br />

4. Fehlentwicklungen in der Eltern-Kind-Beziehung.<br />

Eine deutliche Mehrheit hochkonflikthafter Familien bewegt sich allerdings<br />

unterhalb dieser Schwelle, ab der eine Kindeswohlgefährdung abgeklärt werden<br />

muss.<br />

Hinweis:<br />

Eine solche Abklärung ist bei folgenden Beobachtungen relevant:<br />

• Hinweise auf ein fortbestehend hohes Konfliktniveau der Eltern mit fortlaufender<br />

Einbindung der Kinder,<br />

• oder zusätzliche Hinweise auf Partnerschaftsgewalt,<br />

• oder erhebliche Belastungen, etwa in Form von Verhaltensproblemen<br />

(z.B. starkes Rückzugsverhalten, Devianz) der Kinder, wobei Eltern keine<br />

Hilfen <strong>für</strong> das Kind akzeptieren.<br />

Trifft dies zu, sollte eine erfahrene Fachkraft nach § 8a SGB VIII hinzugezogen<br />

werden, um eine Kindeswohlgefährdung auszuschließen.<br />

4 Beratung von hochkonflikthaften Eltern<br />

4.1 Besonderheiten der Beratung<br />

Dem Forschungsprojekt »Kinderschutz bei hochstrittiger Elternschaft« und<br />

anderen Studien zu Folge, gibt es Eltern, die als hochkonflikthaft bezeichnet<br />

werden können; und es gibt deren Kinder, die unter den besonderen Belastungen<br />

dieser Konflikte leiden. Aber gibt es auch spezifische Beratungsansätze,<br />

Methoden, Vorgehen, die als »Hochkonfliktberatung« bezeichnet werden<br />

können? Die Antwort darauf ist nicht ganz einfach.<br />

Viele MitarbeiterInnen von Erziehungs- oder Ehe- und Familienberatungsstellen<br />

machen schon lange Beratung von hochkonflikthaften Eltern. Es ist davon<br />

auszugehen, dass die Nachfrage danach im Rahmen der neuen Familiengesetzgebung<br />

noch steigen wird. Denn das neue Familienrecht ist in Bezug auf<br />

Kindschaftssachen von der Überzeugung geprägt, dass elterliche Einigungen<br />

durch entsprechende Unterstützung hilfreicher <strong>für</strong> die Kinder sind als juristische<br />

Entscheidungen über Umgangs- oder Sorgerechtsfragen; <strong>für</strong> die Beratungsstellen<br />

insbesondere in § 156 Familienverfahrensrecht (Meysen 2009).<br />

Auch andere psychosoziale Berufsgruppen wie MitarbeiterInnen des Jugendamtes<br />

und des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD), UmgangspflegerInnen,<br />

Verfahrensbeistände oder psychologische Sachverständige beraten solche Familien.<br />

Nicht zuletzt sind auch die juristischen Berufsgruppen der Richter-<br />

Innen und AnwältInnen bemüht, die streitenden Parteien mit mediativen<br />

Techniken zu einer einvernehmlichen Lösung zu bringen. Einige JuristInnen<br />

achten darauf, selbst solche Kompetenzen zu erwerben oder durch Fachleute<br />

in das Verfahren zu integrieren. Die Beratung von hochkonflikthaften Eltern<br />

findet also bereits häufig statt, und engagierte Beratungen <strong>für</strong> solche Familien<br />

werden praktiziert (vgl. Weber & Schilling 2006; Fichtner 2006). Das ist die<br />

gute Seite der Medaille.<br />

Die schlechte ist: Es gibt keine definierte Technik und kein feststehendes<br />

Beratungsverfahren, wie hocheskalierte Konflikte sicher gelöst werden können.<br />

Aber es gibt viele Erfahrungen mit dieser Arbeit, seitens der Beratungsstellen<br />

und seitens der Eltern. Diese werden im Folgenden zusammengestellt, um Orientierungshilfen<br />

<strong>für</strong> »Hochkonfliktberatung« zu geben.<br />

32 Arbeit mit hochkonflikthaften Trennungs- und Scheidungsfamilien: Eine Handreichung <strong>für</strong> die Praxis 33 Arbeit mit hochkonflikthaften Trennungs- und Scheidungsfamilien: Eine Handreichung <strong>für</strong> die Praxis<br />

4.1

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