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doppelseitige - Bundeskonferenz für Erziehungsberatung

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5.1.1<br />

gewonnenen Erkenntnissen besteht zwar ein Grundkonsens der verfahrensbeteiligten<br />

professionellen Akteure in diesem Arbeitsfeld, Konflikte nicht durch<br />

fachliches Handeln zu verstärken, sondern mit den Eltern produktiv an einer<br />

Lösung zu arbeiten. Es gibt jedoch unterschiedliche Einschätzungen dazu, wie<br />

das gelingen kann. Insbesondere die folgenden drei Vorgehensweisen werden<br />

diskutiert:<br />

• Gemeinsame Verfahren, die das elterliche Konfliktverhalten positiv beeinflussen<br />

können, werden vereinbart.<br />

• Sehr klar fixierte Verfahren mit der Festlegung von Zielen werden vorgegeben;<br />

Umgangskontinuität ist dabei nur eine von mehreren Zielperspektiven.<br />

• Den Eltern wird gemeinsam die Haltung vermittelt, dass alle Kinder ohne<br />

Ausnahme mit beiden Eltern Kontakt haben sollten; Ziel ist es, die Eltern<br />

zu überzeugen, sich auf Umgangskontakte zu einigen.<br />

Hinweis:<br />

Bei allen Vorteilen, die interdisziplinäre Kooperation verspricht, hat das Forschungsprojekt<br />

aber auch gezeigt, dass eine solche Verständigung mit von<br />

vornherein verabredeten Interventionszielen dazu führen kann, dass Eltern die<br />

Kooperation als gegen sich gerichtet erleben und sich von den Fachkräften<br />

distanzieren. Eine gemeinsame Haltung wird von den Eltern vor allem dann<br />

kritisch bewertet, wenn sie annehmen, die Professionellen folgten ausschließlich<br />

gesetzlichen Normen und vernachlässigten individuelle Bedürfnisse und<br />

Belastungen der Kinder oder Besonderheiten im Kontext häuslicher Gewalt.<br />

Des Weiteren ist die letzte der oben beschriebenen Vorgehensweisen – Umgang<br />

ohne Ausnahme – im Fachdiskurs umstritten. Wissenschaftliche Erkenntnisse<br />

zeigen, dass es keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen Umgang und<br />

Kindeswohl gibt. Beispielsweise wird bei lang anhaltenden Konflikten der<br />

Umgang <strong>für</strong> Kinder tendenziell zu einer Belastung (vgl. Kindler 2009).<br />

KooperationspartnerInnen haben also die Aufgabe, einerseits zu analysieren,<br />

wie Eltern in die Lage versetzt werden können, den Rechtsanspruch des Kindes<br />

auf Umgang anzuerkennen und diesen Anspruch umzusetzen. Andererseits<br />

kann nicht auf eine differenzierte Entscheidung im Einzelfall verzichtet werden.<br />

Es ist also empfehlenswert zu überdenken, wie weitgehend KooperationspartnerInnen<br />

bzw. Arbeitskreise eine gemeinsame Haltung öffentlich vertreten<br />

sollen und inwiefern dies Einzelfallentscheidungen einschränken darf.<br />

Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass auch in Kooperationsbeziehungen<br />

Konflikte unvermeidbar sind und nicht in allen Fragen Konsens hergestellt<br />

werden kann. Umso bedeutsamer scheint es demnach zu sein, eine Konfliktkultur<br />

innerhalb der Kooperation zu etablieren.<br />

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass auf der einen Seite grundsätzlich<br />

von einem hohen Nutzen und damit von der Notwendigkeit fallübergreifender<br />

Kooperation auszugehen ist. Auf der anderen Seite bestehen die Risiken<br />

darin, dass intransparente Kooperationsbeziehungen das Misstrauen fördern<br />

können. Deshalb erscheint es sinnvoll, den betroffenen Eltern Kooperationsvereinbarungen<br />

zugänglich und damit transparent zu machen.<br />

Hinweis:<br />

Ein weiteres Risiko muss ebenfalls abgewogen werden: Im Rahmen fallübergreifender<br />

Kooperation besteht die Gefahr, dass Informationen über die Familie<br />

auf informellem Weg weitergegeben werden. Rechtliche Voraussetzung<br />

einer Datenweitergabe ist jedoch die Einwilligung des Betroffenen, wenn nicht<br />

aus Gründen einer Kindeswohlgefährdung eine gesetzliche Offenbarungsbefugnis<br />

vorliegt.<br />

5.1.2 Fallbezogene Kooperation und Koordination<br />

Fallübergreifende Kooperation kann die fallbezogene Zusammenarbeit der<br />

Professionellen nicht ersetzen. Die Kooperation im Einzelfall wird in fallübergreifenden<br />

Arbeitskreisen lediglich präzisiert und allgemein verbindlich<br />

gemacht und verbessert. Bei einer fallbezogenen Kooperation steht insbesondere<br />

die Kindperspektive im Zentrum. Dies geschieht mit dem Ziel, sich die<br />

unterschiedlichen Fachkenntnisse nutzbar zu machen und die Eltern zu einer<br />

Konfliktlösung bzw. Verhaltensänderung anzuregen.<br />

Hinweis:<br />

Zu beachten ist, dass fallbezogene Kooperation datenschutzrechtlichen Bestimmungen<br />

unterliegt (s. Kapitel 5.3.1). Fallbezogene Kooperation findet in<br />

spezifischen Gesprächen zur Fallübergabe, Weiterverweisung und zur Rückmeldung<br />

an Jugendamt und Gericht statt.<br />

Wie bereits angedeutet bietet der frühe Termin nach § 155, Abs. 2 FamFG bietet<br />

eine gute Möglichkeit, mit der fallbezogenen Kooperation zu beginnen.<br />

Hinweis:<br />

Eltern, die eine Vielzahl an Professionellen mit ihrem Konflikt befassen, sind<br />

häufig besonders unzufrieden mit der Situation, so die Forschungsergebnisse<br />

des Projekts »Kinderschutz bei hochstrittiger Elternschaft«. Auch wenn kein<br />

ursächlicher Zusammenhang zwischen der hohen Beteiligung von Professionellen<br />

und der hohen Unzufriedenheit der Eltern erkennbar ist, sollte im<br />

Einzelfall entschieden werden, wie die Anzahl von Professionellen weitgehend<br />

gering gehalten werden kann.<br />

52 Arbeit mit hochkonflikthaften Trennungs- und Scheidungsfamilien: Eine Handreichung <strong>für</strong> die Praxis 53 Arbeit mit hochkonflikthaften Trennungs- und Scheidungsfamilien: Eine Handreichung <strong>für</strong> die Praxis<br />

5.1.2

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