Funktionelle Lebensmittel - Universität Paderborn
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<strong>Funktionelle</strong> <strong>Lebensmittel</strong><br />
- Konzepte und Ziele<br />
Helmut Heseker<br />
<strong>Universität</strong> <strong>Paderborn</strong>
Definition: Functional Food<br />
„Alle <strong>Lebensmittel</strong> mit zusätzlich zum Nähr- und<br />
Genußwert positiven Beeinflussung der individuellen<br />
Gesundheit oder Leistungsfähigkeit.“<br />
1. <strong>Lebensmittel</strong>, hergestellt aus natürlichen Zutaten<br />
2. konsumiert als Bestandteil der täglichen Nahrung<br />
3. Zusatznutzen (additive value):<br />
- Stärkung der Abwehrkräfte<br />
- Prävention spezifischer Erkrankungen<br />
- Rekonvaleszenz von bestimmte Erkrankungen<br />
- Kontrolle physischer oder mentaler Prozesse<br />
- Modifikation des Alterungsprozesses
Verbraucherinteresse an Functional Foods<br />
Prävention ernährungsbedingter/-mitbedingter<br />
Krankheiten (Adipositas, Allergien, Arteriosklerose<br />
und Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes mellitus,<br />
Hypertonie, Immunschwäche, Katarakte, Krebs,<br />
Osteoporose, Neuralrohrdefekte)<br />
erhöhte Lebens- und Gesundheitserwartung<br />
wachsendes Bedürfnis nach Fitness und<br />
Leistungsfähigkeit<br />
Reduktion von Kosten im Gesundheitswesen
Konzept für Functional Foods<br />
Kombination der<br />
positiven Eigenschaften<br />
von <strong>Lebensmittel</strong>n<br />
und<br />
von Arzneimitteln
Functional Food: Im Grenzbereich<br />
zwischen <strong>Lebensmittel</strong> und Arzneimittel<br />
§§ LMBG §§ AMG<br />
Landwirtschaftliche<br />
Rohprodukte<br />
Gesundheit<br />
Verarbeitete<br />
<strong>Lebensmittel</strong><br />
Angereicherte<br />
<strong>Lebensmittel</strong><br />
<strong>Funktionelle</strong><br />
<strong>Lebensmittel</strong><br />
traditionell<br />
aktuell<br />
Nahrungsergänzungsmittel<br />
Nutraceuticals<br />
Synthetische<br />
Arzneimittel<br />
Phytopharmaka<br />
Krankheit<br />
Ernährung Prävention Therapie
Functional Food: bisherige Konzepte<br />
Elimination und Reduktion<br />
unerwünschter Inhaltsstoffe:<br />
Fett<br />
Cholesterin<br />
Kochsalz<br />
Zucker<br />
Kalorien (Energie)
Functional Food: bisherige Konzepte<br />
Anreicherung von <strong>Lebensmittel</strong>n<br />
Vitamine<br />
Mineralstoffe<br />
Spurenelemente<br />
Ballaststoffe
Functional Foods in Deutschland<br />
Speisesalz mit Jod<br />
Kakaopulver (z.B. Ovomaltine)<br />
<strong>Lebensmittel</strong> mit Zuckeraustauschstoffen<br />
energiereduzierte <strong>Lebensmittel</strong><br />
diätetische <strong>Lebensmittel</strong><br />
Margarine mit hohem Gehalt an mehrfach ungesättigten<br />
Fettsäuren oder mit pflanzlichen Sterinen<br />
Sportlerlebensmittel<br />
<strong>Lebensmittel</strong> mit Zusatz von Vitaminen, Calcium<br />
Probiotische <strong>Lebensmittel</strong><br />
Isotonische Getränke<br />
Wellnessbrote mit ω-3-Fettsäuren oder Inulin und Glukane<br />
aber nicht Nahrungsergänzungsmittel in Pillen-, Tabletten, Kapselform
Anteile einzelner Inhaltsstoffe (2000)<br />
Laktobazillen<br />
10%<br />
Oligosaccharide<br />
20%<br />
andere<br />
10%<br />
Calcium<br />
20%<br />
Ballaststoffe<br />
40%
Von der Hypothese zu einer<br />
ernährungsbedingten Funktionsverbesserung<br />
Ernährungsepidemiologie Hypothese<br />
Konsistente Ergebnisse Prüfung der Hypothese<br />
- Biochemie/Molekularbiologie<br />
- Dosis-/Wirkungsbeziehungen<br />
Konsensus über die - Interventionsstudien<br />
Bedeutung<br />
des Zusammenhangs<br />
Empfehlung Neues funktionelles<br />
(DACH, SCF, DRI) <strong>Lebensmittel</strong>
Probiotika<br />
Vom Nahrungsmittel zum Functional Food<br />
Lebende, definierte Mikroorganismen, die nach Verzehr durch<br />
transiente Besiedelung des Dickdarms positive Wirkungen auf die<br />
Gesundheit ausüben sollen.<br />
verschiedende Genera: LC1, LGG u.a.<br />
Prebiotika<br />
Nicht- oder nur partiell verdauliche Zusatzstoffe, die im Dickdarm<br />
das Wachstum und die Aktivität ausgewählter Mikroorganismen<br />
selektiv ermöglichen/begünstigen sollen.<br />
Inulin, Neo-Zucker, Lactulose, Fructo/Galactooligosaccharide<br />
Symbiotika<br />
Eine Kombination aus Probiotika und Prebiotika
Inulin und Oligofruktose (FOS) und die<br />
Bilanz ihrer metabolischen Verwertung<br />
ca. 50 % als kurzkettige Fettsäuren, davon<br />
60 % Acetat, 10 % Propionat, 5 % Butyrat, 25 % Lactat<br />
metabolische<br />
Verwertung<br />
durch die Darmflora<br />
bis zu 40 % als bakterielle Biomasse (Ausscheidung)<br />
ca. 10 % als Gase (Wasserstoff, Kohlendioxid, Methan)<br />
physiologischer kalorischer Wert: ca. 1,5 bis 1,7 kcal / g
Die primären Fermentationsprodukte des bakteriellen<br />
Stoffwechsels im Dickdarm des Menschen nach Gabe<br />
prebiotischer Substrate<br />
BIOMASSE<br />
Harnstoff Fermentation<br />
Lactat<br />
nach Daniel, 2001<br />
Butyrat<br />
Propionat Acetat<br />
1 : 1 : 3<br />
ca. 200 bis 400 mmol / Tag<br />
GASE<br />
Substratinflux ( Atemluft)<br />
Konzentrierung<br />
Elektrolyt- und<br />
Wasserhomöostase
Postulierte Wirkungen der Pro- /Pre- und<br />
Symbiotika<br />
Nutritive Wirkungen:<br />
Produktion kurzkettiger Fettsäuren und Laktat, Vitamine<br />
Metabolische Wirkungen<br />
Verbesserte Laktose-Toleranz<br />
Metabolismus von primären und sekundäre Gallensäuren<br />
Antitumoraktivität<br />
Senkung des Cholesterolspiegels<br />
Verbesserung der Calciumresorption und -retention<br />
Immunologische Wirkungen:<br />
Entwicklung/Homöostase des intestinalen Immunsystems<br />
Protektive Wirkungen<br />
Aufnahme und Detoxifikation von Xenobiotika<br />
Reduktion der Ammonium- und Amin- Phenolresorption<br />
Schutz vor Kolonisierung mit pathogenen Mikroorganismen durch<br />
antimikrobielle Substanzen
Neuartige / funktionelle <strong>Lebensmittel</strong><br />
Experimentell gezeigte Wirkungen der Prebiotika<br />
(primär von Inulin und FOS in Humanstudien sowie in Tierexperimenten)<br />
Erhöhung des Stuhlgewichts<br />
Erhöhung der Stuhlfrequenz (Minderung der Obstipation)<br />
Erhöhung des HDL/LDL-Verhältnisses<br />
Reduktion der glykämischen Reaktion<br />
Reduktion der Plasmatriglyceride und Cholesterols<br />
Erhöhung der Calciumresorption und -retention<br />
Reduktion der Hyperproliferation im Dickdarm
Weltweiter Vergleich der Adipositas-Prävalenz<br />
seit 1991 und später (BMI > 30)<br />
Prävalenz mit BMI>30 [%]<br />
40<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
Frankreich<br />
Niederlande<br />
Finnland<br />
Männer<br />
Frauen<br />
UK<br />
D (West)<br />
Tsch.-Rep.<br />
D (Ost)<br />
Rußland<br />
USA (wh)<br />
USA (mex)<br />
USA (bl)<br />
Kanada<br />
Australien
Verteilung des Körpergewichts deutscher Rekruten bei<br />
der Musterung: Vergleich 1957 und 1996<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
1957 1996<br />
40 60 80 100 120
[%]<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
Anteil übergewichtiger und adipöser<br />
Wehrpflichtiger in Deutschland<br />
1991-96 1997-99<br />
BMI >30<br />
BMI 25-30
Anforderungen an ein<br />
energiereduziertes <strong>Lebensmittel</strong><br />
kleinere Energiemenge pro Portion<br />
- geringer/reduzierter Gehalt an gesättigten Fettsäuren<br />
- Kohlenhydrate mit geringe Insulinwirkung<br />
höhere Nährstoffdichte<br />
sichere Bedarfsdeckung mit essentiellen<br />
Nährstoffen<br />
hohe Sättigungswirkung, gute Magenfüllung<br />
ausgezeichneter Geschmack (der Geschmack<br />
entscheidet!)<br />
kurzer, aber angenehmer Nachgeschmack
Obst, Gemüse und Krebs<br />
In Deutschland erkranken jedes Jahr 340.000 Menschen<br />
an Krebs; 210.000 sterben an den Krankheitsfolgen.<br />
Krebs steht an 2. Stelle der Todesursachen.<br />
30-40 % der Krebserkrankungen gehen auf das Konto<br />
falscher Ernährung.<br />
Von allen Nahrungsfaktoren, die mit Krebserkrankungen<br />
in Verbindung gebracht werden, ist die inverse<br />
Beziehung zwischen Obst-/Gemüseverzehr und<br />
Krebsrisiko die konsistenteste Beziehung.
Sekundäre Pflanzenstoffe<br />
Pflanzenstoff Wirkung<br />
Flavonoide (Beeren) antioxidativ<br />
Carotionoide (Karotten) antioxidativ, immunmodulatorisch<br />
Glucosinolate (Kohl) antikanzerogen<br />
Sulfide (Zwiebeln) antimikrobiell<br />
Phytosterine (Samen) Cholesterinspiegel-senkend<br />
Phytinsäure (Vollkorn) Blutglukosespiegel-senkend
Phenolsäuren<br />
Glucosinolate<br />
Sulfide<br />
Sekundäre Pflanzenstoffe und<br />
Kanzerogenese<br />
Prokarzinogene<br />
Karzinogene<br />
Glucosinolate<br />
Phenolsäuren<br />
Monoterpene<br />
nach Watzl und Leitzmann, 1995<br />
Tumorauslösung<br />
(Initiation)<br />
Radikale<br />
Zelle mit<br />
DNA-<br />
Schaden<br />
Carotinoide<br />
Polyphenole<br />
Flavonoide<br />
Monoterpene<br />
Tumorförderung<br />
(Promotion)<br />
Carotinoide<br />
Flavonoide<br />
Glucosinolate<br />
Tumor
Mögliche Wirkungen<br />
Sekundärer Pflanzenstoffe<br />
Sekundäre Pflanzenstoffe können fast auf jeder Stufe<br />
die Krebsentstehung hemmen.<br />
Sekundärer Pflanzenstoffe wirken antigenotoxisch,<br />
antioxidativ und immunmodulatorisch.<br />
Sekundäre Pflanzenstoffe beeinflussen das Blutgerinnungssystem<br />
positiv und wirken blutdrucksenkend.<br />
Vielversprechende Substanzen,<br />
„in den Flegeljahren der Pubertät“<br />
Es fehlen Bioverfügbarkeitsstudien!<br />
Es fehlen toxikologische Kenndaten!<br />
Es fehlen randomisierte, placebo-kontrollierte Studien!
Sekundäre Pflanzenstoffe<br />
Für die gesundheitlichen Wirkungen<br />
von Obst und Gemüse<br />
können keine einzelnen Inhaltsstoffe<br />
verantwortlich gemacht werden.<br />
Vermutlich senkt die Vielfalt<br />
an Inhaltsstoffen inklusive Ballaststoffe,<br />
resistente Stärke<br />
und essentielle Nährstoffe<br />
das Krankheitsrisiko!
Anforderungen an ein altersgerechtes<br />
Fleischgericht<br />
kleinere Portionsgröße (z.B. 120 g 80 g)<br />
höhere Nährstoffdichte (Vitaminanreicherung)<br />
leicht kau- und schluckbar auch bei<br />
Zahnprothesen (z.B. püriertes Fleisch)<br />
gut gewürzt (der Geschmack entscheidet!)<br />
Ähnlichkeit in Geschmack, Geruch und<br />
Aussehen mit einem traditionellen Produkt
Ausblick<br />
kommerzielle <strong>Lebensmittel</strong>produktion ist von großer<br />
ökonomischer Bedeutung mit hoher Wertschöpfung<br />
durch rückgängige Bevölkerung und kaum steigerbaren<br />
individuellen Verzehr zeigt <strong>Lebensmittel</strong>markt nur<br />
begrenztes Wachstum<br />
Gewinne sind durch Reduktion der Produktionskosten<br />
sowie Diversifizierung im <strong>Lebensmittel</strong>angebot zu<br />
erreichen<br />
>> Schaffung neuer Bedürfnisse und neuer Bedarfe:<br />
„besondere“ und „gesündere“ <strong>Lebensmittel</strong>,<br />
über § 1 LMBG hinaus
9<br />
8<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
Umsätze von Functional Foods<br />
in Japan und USA (1995)<br />
Mrd US$<br />
Japan USA
Europamarkt für funktionelle Milchprodukte<br />
(nach Frost&Sullivan Nr. 3681-88, Juli 2000)<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
Mrd US$<br />
1999 2006
Zukünftige funktionelle <strong>Lebensmittel</strong><br />
entwickelt auf der Basis von Erkenntnissen der<br />
modernen Ernährungswissenschaft über kausale<br />
Zusammenhänge zwischen Nahrungsinhaltsstoffen<br />
und Gesundheit bzw. Fehlernährung<br />
funktionelle <strong>Lebensmittel</strong> mit höherem Gesundheitswert:<br />
intrinsische Anreicherung mit Vitaminen,<br />
Spurenelementen, sekundären Pflanzeninhaltsstoffen,<br />
Polyenfettsäuren, Ballaststoffen<br />
produziert mit Hilfe der modernen Biotechnologie<br />
einschließlich gentechnischer Verfahren
Langfristige Entwicklung<br />
<strong>Funktionelle</strong> <strong>Lebensmittel</strong> sind nur Zwischenstufe,<br />
in Zukunft:<br />
Berücksichtigung der genetischen Variabilität<br />
durch Erfassung des individuellen Genprofils<br />
auf das Genprofil zugeschnittene individualisierte<br />
Ernährungsweise mit optimierten <strong>Lebensmittel</strong>n<br />
zur Minimierung individueller nutritiv bedingter<br />
Risiken