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„Selbstmord, Freitod, Suizid, Selbsttötung“

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Tod als unwiderrufliches Ende der eigenen Existenz begriffen. Eine strafende Instanz<br />

außerhalb des Weltlichen gibt es für viele Menschen nicht mehr. So sah schon<br />

Nietzsche im Selbstmord „den höchsten Ausdruck selbstbestimmten Lebens“. Auch<br />

wenn er dabei noch den moralisch belasteten Begriff verwendete, wird doch deutlich,<br />

welches Gewicht er der Entscheidungsfreiheit des Menschen über sein eigenes Leben<br />

zusprach.<br />

Im Zuge dieser Veränderungen entwickelte sich der Begriff „<strong>Freitod</strong>“. Dieser spricht dem<br />

Menschen die Fähigkeit zu, sich aus freiem Entschluss für den Tod und damit gegen<br />

das Leben zu entscheiden. Gleichzeitig verbindet sich mit dieser Handlung die<br />

Assoziation einer heroischen Tat. Je nach Kontext wird der Mut oder die<br />

Opferbereitschaft des Handelnden, beides gesellschaftlich positiv bewertete<br />

Charakterzüge, in den Vordergrund gestellt. Selbsttötung wird nicht länger als<br />

verachtetes Verhalten, sondern als eine zu bewundernde Tat angesehen. Dabei kann<br />

sie aus Liebe, Verzweiflung, Treue oder ähnlichem begangen worden sein.<br />

In unserem heutigen Verständnis ist die Selbsttötung eine Folge psychischer Prozesse<br />

und Zwänge, denen der <strong>Suizid</strong>ent unterlag. Aufgabe der Gesellschaft ist es, dem<br />

Menschen in verschiedensten Lebenslagen Unterstützung zu bieten und Perspektiven<br />

für sein Leben aufzuzeigen, wenn er selbst keine mehr sieht. Ein soziales Hilfsnetzwerk<br />

soll demnach Selbsttötung verhindern. Die Gleichsetzung dieser Handlung mit<br />

ehrbarem Verhalten ist dabei nicht hilfreich.<br />

Gegen die Verwendung des <strong>Freitod</strong>begriffes spricht auch die heutige wissenschaftliche<br />

Debatte über den freien Willen. Die Neurobiologie ist überzeugt davon, dass der<br />

Willensakt die Folge von ständigen Gehirnprozessen sei. Jeder Handlung gehe ein<br />

Motiv voraus, welches im Gehirn gebildet und gegen andere Motive abgewogen werde.<br />

Welches Motiv sich durchsetzt, sei stets auch von genetischen Vorgaben,<br />

frühkindlichen Erfahrungen und weiteren sozialen Einflüssen abhängig. Die Philosophie<br />

dagegen vertritt in breitem Maße die Ansicht, der Mensch habe das Potential, einen<br />

freien Willen zu entwickeln. Frei sei der Wille erst dann, wenn ein Vorhaben durch gute<br />

Selbstwahrnehmung verstanden, gegen andere Vorhaben abgewogen und für gut<br />

geheißen wird. Damit wäre der Mensch in der Lage, trotz körperlicher Impulse eine<br />

andersartige Entscheidung zu treffen.<br />

Auf der Suche nach einem moralfreien Begriff für die Handlung des Sich selbst töten<br />

hat sich besonders in der wissenschaftlichen Fachsprache die Formulierung „<strong>Suizid</strong>“<br />

durchgesetzt. Das aus dem Lateinischen stammende Wort bildet eine Ableitung von<br />

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