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Ausgabe lesen - Rheinkiesel

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Oberkassel<br />

Das Grab im<br />

Steinbruch<br />

Ein schier unglaublicher Zufall rettete einst das Leben des<br />

Steinbrechers Engelbert Nolden im Basaltsteinbruch am<br />

Stingenberg in Oberkassel (rheinkiesel 8/2011). Doch Enkel<br />

Karl Schumacher weiß noch von einem weiteren, geradezu<br />

sensationelles Erlebnis zu berichten: Es war Engelbert<br />

Nolden, der den „Oberkasseler Menschen“ entdeckte.<br />

Ein Aufseher hatte den glücklichen<br />

Ausgang des Vorfalls in der Felswand<br />

beobachtet. Er ließ meinen<br />

Großvater am nächsten Tage zu<br />

sich kommen, unterhielt sich mit<br />

ihm über persönliche Dinge und<br />

fragte auch nach den persönlichen<br />

Verhältnissen, etwa der Zahl seiner<br />

Kinder. Das war sehr ungewöhnlich,<br />

denn für Gespräche dieser<br />

Art hatte man im rauen Alltagsbetrieb<br />

des Steinbruchs im Allgemeinen<br />

wenig Verständnis. Am<br />

14 September 2011<br />

Schluß des Gesprächs sagte der<br />

Vorgesetzte: „Engelbert, so viel<br />

Glück hat man nicht ein zweites<br />

Mal, und aus diesem Grund wirst<br />

Du ab sofort nicht mehr in der<br />

Wand arbeiten. Du sollst künftig<br />

Aufgaben im Grundbereich wahrnehmen.“<br />

Diese Mitteilung hörte mein<br />

Großvater mit gemischten Gefühlen,<br />

denn die Brecherarbeit in der<br />

Wand brachte relativ viel Geld ein.<br />

Der Einsatz im Tiefplateau dagegen<br />

wurde in der Regel geringer bezahlt.<br />

Doch seine Sorgen erwiesen<br />

sich als unbegründet, denn er wurde<br />

mit der Versetzung zum Vorarbeiter<br />

befördert. Somit lag sein<br />

Lohn sogar noch höher als zuvor.<br />

Fund im Februar<br />

Einige Wochen später, es war an<br />

einem naßkalten Tag im Februar<br />

1914, beauftragte Großvater einige<br />

Arbeiter damit, einen kleinen<br />

Erdhügel einzuebnen, der die<br />

Anlegung eines Weges behinderte.<br />

Nach kurzer Zeit stießen Hacken<br />

und Schaufeln auf einige flache<br />

Basaltplatten, die schnell weggeräumt<br />

waren. Darunter befand<br />

sich eine ungewohnt rötliche Sandschicht.<br />

So etwas hatte noch keiner<br />

im Steinbruch gesehen. Nach<br />

vorsichtiger Entfernung des roten<br />

Sandes erschienen zwei menschliche<br />

Schädel und einige Skelettreste.<br />

Großvater ließ die Arbeiter<br />

eine andere Tätigkeit verrichten<br />

und holte eine Munitionskiste aus<br />

Holz. Dann legte er mit einer Maurerkelle<br />

die restlichen Knochenstücke<br />

frei und legte alle Knochen<br />

in die Kiste. Ihm war klar, hier war<br />

etwas Besonderes geschehen. Das<br />

mußte man unbedingt einem Sachkundigen<br />

zeigen. Als sachkundig<br />

auf fast allen Gebieten galten<br />

seinerzeit die Dorfschullehrer.<br />

Nach Feierabend besuchte Groß-<br />

Am Kriegersgraben steht<br />

in Bonn-Oberkassel dieses<br />

Denkmal für den Menschen<br />

von Oberkassel<br />

vater den Oberkasseler Volksschullehrer<br />

Franz Kissel und erzählt von<br />

dem abenteuerlichen Fund. Noch<br />

am gleichen Abend gingen beide –<br />

ausgerüstet mit einer Stall-Laterne<br />

– zur Kiste mit den Skeletten und<br />

zur Fundstelle. Herr Kissel war der<br />

Meinung, daß es sich vielleicht<br />

um ein keltisches oder germanisches<br />

Grab handeln könne. Jedenfalls<br />

sorgte er dafür, daß ein Wissenschaftler<br />

des Rheinischen Landesmuseums<br />

in Bonn die Grabstätte<br />

und die gefundenen Skelettreste<br />

untersuchte. Das Ergebnis war bekanntlich<br />

eine Sensation: Experten<br />

stellten fest, daß das Grab aus<br />

der jüngeren Altsteinzeit stammte<br />

und die Bestattung etwa 12.000<br />

Jahre vor Christus erfolgt war.<br />

Ungleiches Paar<br />

Im Grab lagen die Skelette eines<br />

über 50 Jahre alten Mannes, einer<br />

etwa 20-jährigen Frau sowie die<br />

Überreste eines vermeintlichen<br />

Wolfskiefers. Nach derzeitigem<br />

Kenntnisstand galt der Wolfskiefer<br />

als hundeähnlich und somit als<br />

eines der ältesten Hausiere der<br />

Welt. Als Grabbeigaben fanden<br />

sich ferner Tierreste und zwei kleine<br />

geschnitzte Gegenstände. Das<br />

Grab von Oberkassel ist bisher das<br />

einzige seiner Art im Rheinland. •<br />

Karl Schumacher

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