Von Unkel zur Erpeler Ley - Rheinkiesel
Von Unkel zur Erpeler Ley - Rheinkiesel
Von Unkel zur Erpeler Ley - Rheinkiesel
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07<br />
Juli 2007<br />
11. Jahrgang<br />
Wandertip<br />
<strong>Von</strong> <strong>Unkel</strong><br />
<strong>zur</strong> <strong>Erpeler</strong> <strong>Ley</strong><br />
10 Seiten Veranstaltungstips<br />
• Bonn • Königswinter • Oberpleis • Bad Honnef<br />
• Rheinbreitbach • <strong>Unkel</strong> • Erpel • Linz<br />
Natur Ritterliche Wanzen<br />
Rheinbreitbach<br />
<strong>Von</strong> der „Villa Julia“ zum Burghotel<br />
Ihr Recht Mitfahrer: Wer zahlt,<br />
wenn es kracht?<br />
Kieselchen Holz und Kohle
Liebe Leserin,<br />
lieber Leser,<br />
na klar, die beiden markanten<br />
Brückentürme auf der Titelseite<br />
unserer heutigen Ausgabe kennen<br />
Sie gut! Unübersehbar stehen sie<br />
schließlich seit über neun Jahrzehnten<br />
zu Füßen der <strong>Erpeler</strong> <strong>Ley</strong><br />
an der viel befahrenen Bundesstraße<br />
42. Waren Sie übrigens<br />
schon einmal auf der <strong>Erpeler</strong> <strong>Ley</strong>?<br />
Es muß ja nicht immer gleich der<br />
Rheinsteig sein, wenn Sie in unserer<br />
Region eine kleine Wanderung<br />
unternehmen wollen. Heute stellen<br />
wir Ihnen mit vielen Einzelheiten<br />
eine reizvolle Tour vor, die<br />
wir mit freundlicher Genehmigung<br />
des Verlags der neuen Publikation<br />
„Tippeltouren: Das Siebengebirge“<br />
entnommen haben. Unser<br />
Weg führt uns <strong>Von</strong> <strong>Unkel</strong> <strong>zur</strong><br />
<strong>Erpeler</strong> <strong>Ley</strong>. Ausführliche Informationen<br />
darüber finden Sie auf<br />
den Seiten 4 bis 7.<br />
Auch da oben auf der Plattform<br />
mit der wundervollen Aussicht auf<br />
das Rheintal gibt es sie gewiß,<br />
diese kleinen Tierchen, die zum<br />
Teil ganz zu Unrecht in einem<br />
außerordentlich schlechten Ruf<br />
stehen: Die Rede ist von den<br />
Wanzen. Dabei gibt es durchaus<br />
schön anzusehende Exemplare,<br />
die Ulrich Sander Ihnen heute –<br />
auch im Bild – vorstellt. Sein<br />
Thema in diesem Heft ist Rauchschwarz,<br />
rot und ritterlich –<br />
gemeint ist damit die Ritterwanze,<br />
das „Insekt des Jahres 2007“ (Seite<br />
8/9).<br />
Zurück führt unser Weg in Richtung<br />
Siebengebirge. In Rheinbreitbach<br />
machen wir Station, wo Sie<br />
heute ein Anwesen kennenlernen<br />
werden, das eine außerordentlich<br />
wechselvolle Geschichte aufzuweisen<br />
hat: <strong>Von</strong> der Villa Julia zum<br />
Burghotel haben Jan Wosczyna<br />
und Paulus Hinz ihren Beitrag<br />
überschrieben, der auf den Seiten<br />
12/14 mit einem markanten<br />
Gebäude in dem kleinen Örtchen,<br />
das sich gern „Das Fenster zum<br />
Siebengebirge“ nennt, bekanntmacht.<br />
Erschöpft von der anstrengenden<br />
Wanderung bis nach Rheinbreitbach<br />
lassen Sie sich anschließend<br />
dankbar in die weichen Polster des<br />
Autos sinken, das ein guter Bekannter<br />
steuert, der Sie freundlicherweise<br />
mitnimmt. Doch Vorsicht:<br />
Wer haftet eigentlich, wenn<br />
der Mann am Steuer fahrlässig<br />
einen Verkehrsunfall verursacht,<br />
bei dem Sie – wie auch immer –<br />
zu Schaden kommen? Gefahr<br />
für Beifahrer hat Rechtsanwalt<br />
Christof Ankele seinen Aufsatz auf<br />
Seite 15 überschrieben, in dem er<br />
Herausgeber:<br />
Redaktion:<br />
Editorial<br />
über die Frage der Haftung in<br />
einem solchen Falle informiert.<br />
Jetzt ist sie wieder in vollem<br />
Gange, die Zeit der Grill- und<br />
Sommerfeste. Zum zünftigen<br />
Grillen benötigt man Kohle – aber<br />
keine beliebige, sondern eben<br />
Grillkohle. Wo kommt die eigentlich<br />
her? Aufklärung gibt unser<br />
Kieselchen in <strong>Von</strong> Holz und<br />
Kohle auf den Seiten 16/17.<br />
Ich freue mich, wenn es mir<br />
gelungen ist, Ihr Interesse für den<br />
einen oder anderen Beitrag in diesem<br />
Heft zu wecken.<br />
Viel Spaß bei der Lektüre<br />
wünscht<br />
Impressum<br />
Titelbild:<br />
Erwin Bidder<br />
(Das Motiv zeigt die Türme der<br />
Ludendorff-Brücke, im Hintergrund<br />
die <strong>Erpeler</strong> <strong>Ley</strong>)<br />
Erscheinungsweise:<br />
monatlich, jeweils zum Monatsende<br />
Redaktions- und<br />
Anzeigenschlusstermin:<br />
15. des Vormonats<br />
Verteilte Auflage:<br />
15.000 Exemplare<br />
Druckunterlagen:<br />
nach Absprache (auch als pdf-,<br />
eps-, tif- oder jpg-Datei)<br />
Verlag, Vertrieb und Anzeigenverwaltung<br />
Quartett-Verlag Erwin Bidder, Im Sand 56,<br />
53619 Rheinbreitbach, Tel. 0 22 24 / 7 64 82,<br />
Fax 90 02 92, E-Mail info@rheinkiesel.de<br />
RA Christof Ankele, Erwin Bidder (verantwortlich),<br />
Julia Bidder, Paulus Hinz, Ulrich G. Sander, Jan Wosczyna<br />
Gestaltung: DesignBüro Blümling, Köln, mail@bluemlingdesign.de<br />
Illustrationen: Bachem-Verlag, Deutsche Steinkohle, Erwin Bidder,<br />
Heimatverein Rheinbreitbach/Franz-Josef Federhen,<br />
Pixelio/Michael Murmann, Ulrich G. Sander, Schloß<br />
Arenfels (Archiv), Peter Squentz, Tourismus Trier<br />
Anzeigen: Erwin Bidder (Verlag), Tel.: (0 22 24) 7 64 82<br />
Abonnements: Jahresbezugspreis € 20,- (Zustellung per Post),<br />
Bestellungen sind an den Verlag zu richten<br />
Druck: Krahe-Druck GmbH, <strong>Unkel</strong>,<br />
Tel.: (0 22 24) 7 58 44, krahe@krahe-druck.de<br />
Internet: www.rheinkiesel.de<br />
erstellt von Rhein@Net Ansgar Federhen<br />
Beilagen- Maßhemden-Heckmann<br />
hinweis: (Teilbeilage)<br />
Juli 2007 3
Wandertips<br />
<strong>Von</strong> <strong>Unkel</strong><br />
<strong>zur</strong> <strong>Erpeler</strong> <strong>Ley</strong><br />
Wanderführer gibt es jede Menge; darunter etliche ausgezeichnete,<br />
die wir Ihnen bereits vorgestellt haben. Neu auf<br />
dem Markt und außergewöhnlich empfehlenswert ist „Das<br />
Siebengebirge“ von Peter Squentz. Daraus bringen wir hier<br />
mit freundlicher Genehmigung des Bachem-Verlags auszugsweise<br />
und textlich leicht gekürzt die Tour Nr. 13, die<br />
über eine Distanz von 12 km führt und etwa 4 Stunden<br />
Wanderzeit erfordert. Angaben zum Buch selbst finden Sie<br />
am Ende dieses Beitrags.<br />
So malerisch liegt Erpel im Schutz<br />
und im Schatten der <strong>Erpeler</strong> <strong>Ley</strong>,<br />
daß mancher gleich vorüber fährt,<br />
geradewegs ins wohlbekannte<br />
<strong>Unkel</strong> mit seiner schmucken Altstadt.<br />
Wir aber knüpfen alle Perlen<br />
zwischen den Rheinkilometern<br />
633 und 637 auf eine Schnur und<br />
folgen ihr, was trotz des nahen<br />
Rheins doch allerlei an Kraxelei<br />
bedeutet. <strong>Unkel</strong> kehren wir dabei<br />
zunächst den Rücken. Vom Bahnhof<br />
folgen wir der „Siebengebirgsstraße“<br />
nach Süden, unterqueren<br />
linker Hand die Gleisanlage und<br />
folgen, wieder links, der „Scheurener<br />
Straße“, am Bahnhof und<br />
dem Fruchtsaft- und Naturkosthersteller<br />
„Haus Rabenhorst“ vorüber,<br />
bis an die Umgehungsstraße.<br />
Wir kommen unter(!) ihr hindurch<br />
und 100 Meter weiter mitten in<br />
das malerische Winzerdörfchen<br />
Scheuren, 1286 als „Scuren“ schon<br />
erwähnt, seit 1905 und per „Vereinigungsvertrag“<br />
der schönste<br />
Teil von <strong>Unkel</strong>. Der Mittelpunkt<br />
des Dörfchens ist die spätgotische<br />
St. Josephs-Kapelle mit dem barocken<br />
Türmchen.<br />
Blick auf die „Herrlichkeit Erpel“<br />
Sie ist so klein, so dominant, wie<br />
sie da leuchtend gelb mit ihrem<br />
Chor in den Dorfplatz ragt, daß<br />
man ihren eigentlichen Namen<br />
gleich begreift. In Scheuren heißt<br />
sie nur: der Dom. Ihr gegenüber<br />
steht der „Pütz“, der wiederhergestellte<br />
Brunnen, und die Barbarafigur<br />
erinnert daran, daß man zwischen<br />
Scheuren und Rheinbreitbach<br />
sein Geld auch lange Zeit im<br />
Erzbergbau verdiente (Einzelheiten<br />
hierzu siehe rheinkiesel März-<br />
Ausgabe 2002).<br />
Zum „<strong>Unkel</strong>er<br />
Sonnenberg“<br />
<strong>Von</strong> den fünf Sträßchen, die hier<br />
sternförmig zusammenlaufen, folgen<br />
wir der „Bergstraße“ zum Ort<br />
hinaus, und kommen zwischen<br />
buntem Fachwerk aufwärts. Nach<br />
kurzem Aufstieg folgen wir am<br />
Bildstock von 1719 rechts dem<br />
holzgeschnitzten Hinweis „Bruchhausen“.<br />
So geht es rasch zum<br />
Dorf hinaus, der Weg dreht sich<br />
links um den Berg entlang der<br />
alten Trockenmauern in der Weinterrasse.<br />
Zur Rechten folgt bald<br />
lichter Wald, es geht vorbei an<br />
einer Bank und einem Kreuz von<br />
1986. Oben erreichen wir an der<br />
Rückfront eines steinernen Schuppens<br />
den „Sonnenberg“, wie die<br />
Südseite des Elsbergs als Weinlage<br />
heißt. Hier gehen wir nun links<br />
und wandern weiter längs der<br />
Trockenmauern durch die letzten<br />
Reben. Im Brachland weiter oben<br />
wird der Weg ein wenig flacher,<br />
hier ist die Kuppe mit Robinien<br />
bestanden, später auch Eichen darunter.<br />
So erreichen wir die Höhe<br />
und die freie Flur. Zur Linken liegen<br />
sieben Berge, gerade vor uns<br />
fern ein achter, der auf der Linken<br />
angeknabbert ist. Das ist der<br />
Meerberg, einer der großen Basaltsteinbrüche<br />
auf der Linzer Höhe.<br />
Ein wenig links der „Haanhof“<br />
und die Allee von Hohenunkel.<br />
Wir halten uns nun rechts und<br />
wandern ein Stück weit am Waldrand<br />
entlang, keine 100 Meter bis<br />
an ein Holzkreuz aus dem Jahr<br />
2000 mit gereimtem Trost.<br />
Hier haben wir den Rheinsteig erreicht<br />
und folgen ihm nach rechts,<br />
was auch bedeutet, rasch hinab.<br />
Für Kilometer wandern wir nun<br />
mit seinem weiß-blauen Symbol.<br />
In einer Kehre passieren wir in der<br />
Trockenmauer einen gelben Bildstock<br />
von 1843 mit einer Muttergottes<br />
und einem „Ave Maria“<br />
zwischen zwei Linden. Unten dann<br />
4 Juli 2007
Wandertips<br />
erreichen wir die Straße, folgen ihr<br />
nur einen Steinwurf weit nach<br />
links, hinauf und bis an eine kleine<br />
Parkbucht. Ihr gleich gegenüber<br />
springt ein kleiner Wasserfall von<br />
der Höhe der Felsen hinab in ein<br />
steingefaßtes Becken. Das ist die<br />
„<strong>Unkel</strong>er Schweiz“.<br />
Auf dem Weg<br />
zum „Stux“<br />
Links neben dem Becken folgen<br />
wir dem alten Hinweis „Orsberg“<br />
und dem Rheinsteig mit sicherem<br />
Handlauf hinauf. Bald überqueren<br />
wir die Wasserrinne, die das<br />
Schauspiel der Kaskade speist, und<br />
wandern weiterhin bergauf auf<br />
Hoch über dem Rheintal: Das<br />
Gipfelkreuz auf der <strong>Erpeler</strong> <strong>Ley</strong><br />
diesem schmalen Steig im Buchenwald.<br />
Vor dürrem Fichtenholz beschreibt<br />
der Rheinsteig eine Kehre<br />
nach rechts, wir wandern weiterhin<br />
bergauf in der Flanke des<br />
Hähnerbachtals, bis wir einen<br />
breiten Weg erreichen. Hier ignorieren<br />
wir den Hinweis auf „Orsberg“<br />
und wandern weiter mit<br />
dem Steig bis an ein Wegedreieck<br />
neben einer Bank. Dies ist der<br />
Standort „Mühlenfeld“ (124 Meter<br />
über N.N. mit Anschluß an den<br />
Bhf. <strong>Unkel</strong> über „RV“). Wir wandern<br />
weiter, halblinks steigend<br />
(„<strong>Erpeler</strong> <strong>Ley</strong>“).<br />
Der schmale Rheinsteig bringt uns<br />
um den Berg herum und in den<br />
Wind des Rheintals. Den massigen<br />
Antennenmast des so genannten<br />
„Fernsehfüllsenders“ im Nacken<br />
schauen wir ins Tal hinab, ins<br />
Quertal gegenüber bis nach<br />
<strong>Unkel</strong>bach.<br />
Hier oben sind wir auf dem „Stux“<br />
und also 142 Meter hoch (Einzelheiten<br />
siehe rheinkiesel Novemberausgabe<br />
1999). Mit dem Rheinsteig<br />
geht es weiter, geradewegs am<br />
Rand der Abrißkante des Geländes,<br />
im Wald vorbei an einem<br />
alten Grundstück, bald bei der<br />
leichten Gabelung nach rechts<br />
durch dichten Buchenhaubergwald.<br />
Der Pfad führt sacht hinab<br />
und in ein Quertal, dem er dann<br />
nach rechts folgt, weiter sacht<br />
hinab, bis wir wenig später, inmitten<br />
aufgelassener Gärten, das<br />
Kerbtal verlassen und mit dem<br />
Rheinsteig in der Flanke wieder<br />
aufwärts steigen, zum Wald hinaus<br />
und abwärts bis zum ersten Haus<br />
Juli 2007 5
Wandertips<br />
am Rand von <strong>Unkel</strong>-Heister (Nr.<br />
40). Gegenüber Haus 38 steht ein<br />
markantes Steinkreuz von 1750,<br />
das die Herkunft des Gekreuzigten<br />
auf der bekannten Tafel über dem<br />
Kopf (nach Lukas 23, 38) gemäß<br />
der Formulierung des Johannes<br />
(„Iesvs Nazarenvs Rex Ivdaeorvm“,<br />
19, 19) gleich zweifach benennt:<br />
„INNRI“. Hier führt uns<br />
dann der Rheinsteig wieder auf die<br />
Höhe. Doch vorher folgen wir den<br />
gelben Zeichen des Rheinsteig-<br />
Zugangswegs im weiten Bogen<br />
rechts hinab bis an den „Stuxhof“<br />
und die alte Wasserburg von<br />
Vilzelt oder Vilszelt. Der schmucklose,<br />
doch imposante Quaderbau<br />
an einem alten Arm des Rheins<br />
wird urkundlich 1290 schon<br />
erwähnt (Einzelheiten <strong>zur</strong> Burg<br />
siehe rheinkiesel Märzheft 2001).<br />
<strong>Von</strong> hier aus fällt der Blick auf die<br />
waagerechten Felsschichten des<br />
Stuxs, ältestes devonisches Gestein,<br />
400 Jahrmillionen alt, der Urgrund<br />
des Rheinischen Schiefergebirges,<br />
durch den sich die vulkanischen<br />
Gesteinsflüsse des Siebengebirges<br />
erst vergleichsweise spät,<br />
vor etwa 25 Millionen Jahren, ihre<br />
Wege brachen.<br />
Hier könnte man den Rundweg<br />
gut „halbieren“: quer über die<br />
Eisenbahn hinweg und immer<br />
weiter bis zum Rhein und rechts<br />
<strong>zur</strong>ück nach <strong>Unkel</strong>. Wir aber wandern<br />
weiter, also erst <strong>zur</strong>ück, und<br />
bei dem Kruzifix dann mit dem<br />
Die Türme der Ludendorff-Brücke, im Hintergrund die <strong>Erpeler</strong> <strong>Ley</strong><br />
Rheinsteig neben einem Siefenlauf<br />
hinauf („Orsberg 0,8“). Hinter<br />
einem ersten Querweg wird die<br />
Steigung flacher, im Buchenwald<br />
<strong>zur</strong> Linken sehen wir tief in der<br />
Kerbe unter uns ein altes Brunnenhaus<br />
mit neugotischen Zinnen.<br />
Bald erreichen wir die ersten<br />
Streuobstwiesen auf der Höhe.<br />
Am Rand ist Orsberg kaum als<br />
Dorf noch zu erkennen, die erste<br />
Villa linker Hand erinnert immerhin<br />
mit den basaltenen Palisaden<br />
an den Basaltabbau der <strong>Erpeler</strong><br />
<strong>Ley</strong>. Im Ort dann kreuzen wir<br />
die „Rheinblickstraße“ und folgen<br />
gegenüber der „Kapellenstraße“,<br />
vorbei an einer Sitzgruppe mit<br />
einem Birnbaum und weiter bis<br />
an die Barockkapelle auf der<br />
Höhe, leuchtend gelb mit spitzem<br />
Turm und einem Datum („1708“)<br />
über der Tür.<br />
Wir wandern mit dem Rheinsteig<br />
links und folgen gegenüber dem<br />
Denkmal der kleinen „Brunnengasse“<br />
rechts („Zum Brünnchen“),<br />
kommen zwischen Gärten am<br />
letzten Gehöft vorbei und in die<br />
weite Quellmulde, wo bei der<br />
neuen Holzhütte des Junggesellenvereins<br />
das Brünnchen oder<br />
„Brönnchen“ in Basalt gefasst ist.<br />
Dahinter führt der Weg uns über<br />
eine Streuobstwiese (Hinweise<br />
beachten!) und schließlich wieder<br />
in den Wald, ohne noch an Höhe<br />
zu verlieren. Gut 100 Meter weiter<br />
kommt von rechts ein Hohlweg<br />
hinzu. Wir wandern weiter geradeaus,<br />
bis wir bei einer weitverzweigten<br />
Eiche auf die freie Feldflur<br />
stoßen („Zur <strong>Erpeler</strong>-<strong>Ley</strong>“).<br />
Und ob wir nun dem Rheinsteig<br />
folgen oder dem Rheinhöhenweg,<br />
bald unterqueren wir die Stromleitung<br />
und kommen rechts an das<br />
Gasthaus „Bergesruh“ (<strong>zur</strong> Geschichte<br />
des Hauses siehe rheinkiesel<br />
Märzausgabe 2006) und auf<br />
das Hochplateau der <strong>Ley</strong>, 191<br />
Meter hoch.<br />
Vorüber an dem schlichten Würfel<br />
für den Lehrer, Naturkundler und<br />
„Heimatfreund Hans Eich“, erreichen<br />
wir den Südrand des Plateaus<br />
mit dem schönsten Ausblick auf<br />
den Mittelrhein. Der Felsstein<br />
hinter uns erinnert an den Grafen<br />
Zeppelin, der hier am 2. August<br />
1909, und doch bei Donner,<br />
Sturm und Hagelschlag, den<br />
Anwohnern das kapitale Schauspiel<br />
einer veritablen „STURM-<br />
FAHRT“ bot.<br />
Abwärts <strong>zur</strong><br />
„Herrlichkeit Erpel“<br />
Für den Abstieg wählen wir zunächst<br />
die Auffahrt, die am Gasthaus<br />
mündet, und folgen etwa<br />
100 Meter weiter links den Abkürzungen<br />
(„RV“ und „Rheinsteig-<br />
Zugang“) und stehen so nach<br />
wenigen Minuten unten wieder<br />
an der Straße. Mit den Wanderwegezeichen<br />
folgen wir der „<strong>Erpeler</strong>-<strong>Ley</strong>-Straße“,<br />
überqueren<br />
links die eingekerbte Trasse, auf<br />
der die Züge einmal in den Berg<br />
gedonnert sind, wandern weiter,<br />
rechts vorbei an einer kleinen<br />
Wegkapelle mit zwei Stationen aus<br />
dem Sterben Jesu, überqueren nun<br />
die Eisenbahn, die heute noch verkehrt,<br />
und kommen halblinks mit<br />
der Straße „Am Schleidentor“<br />
gleich an den malerischen Markt-<br />
6 Juli 2007
Wandertips<br />
platz, den schönsten, wie es heißt,<br />
am ganzen Mittelrhein – und das<br />
bedeutet: mindestens bis Bingen –<br />
44 Meter rheinisches Fachwerk<br />
allein an der Bergseite!<br />
Auf dem Leinpfad<br />
längs des Rheins<br />
Wir folgen nun der „Kölner<br />
Straße“, vorüber an der Pfarrkirche<br />
St. Severin und dem barokken<br />
Rathaus, vorbei auch an Haus<br />
28 mit einer „historischen“ Wetterstation<br />
und bis ans „Neutor“ aus<br />
dem Jahre 1420. Noch in der<br />
Stadt verfolgen wir dann links den<br />
„Seilerpfad“, wechseln vor der<br />
Feuerwehr mit ihrem Turm von<br />
1914 hinüber auf die Feldseite der<br />
nur gedachten Mauer und „Am<br />
alten Wallgraben“ weiter, bis wir<br />
Buchtip: Das Siebengebirge<br />
23 interessante Tippeltouren legt Ihnen<br />
dieser neue Wanderführer aus dem<br />
Bachem-Verlag ans Herz. Eine davon<br />
haben Sie in unserem obigen Beitrag<br />
bereits kennengelernt. Wenn Sie 22<br />
weitere nachlesen (und nachwandern)<br />
möchten, empfehlen wir Ihnen<br />
Peter Squentz<br />
Das Siebengebirge<br />
Ein illustrierter Wanderführer,<br />
264 Seiten, kartoniert, mit vielen<br />
farbigen Abbildungen und Übersichten,<br />
Bachem-Verlag (2007),<br />
ISBN 978-3-7616-2048-9, € 14,95<br />
Julias Glosse<br />
Ein Bild des Jammers<br />
Das Leben hierzulande ist ein hartes<br />
Los und wahrlich kaum zu ertragen.<br />
Angefangen beim Wetter: Zu dumm,<br />
daß Petrus es uns nie recht machen<br />
kann, denn eigentlich ist es immer gerade<br />
unpassend, sei es zu heiß oder zu kalt,<br />
zu trocken oder zu naß, der Sommer zu<br />
kurz und zu kühl, der Winter zu lang und<br />
warm oder genau anders herum. Das Geld<br />
reicht nie, Kinder, Nachbarn und Kollegen können<br />
es einem sowieso nicht recht machen. In jedem<br />
Falle sind alle diese Widrigkeiten ausreichend Grund für ein<br />
unentwegtes Wehklagen: Mein Gott, hab’ ich es schwer im Leben!<br />
Heutzutage jammern selbst sonst recht stolze Besitzer eines Eigenheims<br />
(ach, diese Nebenkosten! Astronomisch!), BMW-Fahrer<br />
(und sei es nur über die hohen Benzinpreise – einfach sittenwidrig!)<br />
und diese fast schon mittellose Familie von gegenüber, die<br />
nur noch einmal pro Jahr in Urlaub fahren kann – statt wie in den<br />
letzten zehn Jahren zweimal per annum. Erschütternde Abgründe<br />
tun sich da auf, Schicksale, die einem das Herz zerreißen. Die<br />
völlig verarmte Familie, viel zu mittellos, die Stromrechnung für<br />
die komfortable Sauna im Keller zahlen zu können, die mittellosen<br />
Akademiker, die nun selber kochen müssen, weil das Geld<br />
nicht mehr für den täglichen Restaurantbesuch reicht. Skandalös!<br />
Merkwürdig ist nur, daß die Menschen, die allen Grund zum<br />
Jammern hätten, darauf offenbar verzichten können. Wem es wirklich<br />
dreckig geht, der beißt oft die Zähne zusammen. Da bleibt<br />
einem das Jammern über das Wetter oder die hohe Mehrwertsteuer<br />
im Hals stecken. Und es wird klar: Es hilft nicht wirklich<br />
weiter, sich in seinem vermeintlichen Elend zu suhlen. Aber keine<br />
Bange, ein Grund zum Jammern bleibt, wenn man einmal darüber<br />
nachdenkt, wie viele lautstarke Klagen mehr oder weniger<br />
grundlos erfolgen. Das ist nun wirklich ein Jammer!<br />
Julia Bidder<br />
rheinkiesel verlost 5 Exemplare des neuen Wanderführers!<br />
Rufen Sie an und verraten Sie uns: Wie nennen die<br />
Scheurener Bürger ihre St. Josephs-Kapelle?<br />
Tel. 0 22 24 / 7 64 82, Email: info@rheinkiesel.de<br />
die „Rheinallee“ (B 42) erreichen.<br />
Hier, wo sich die „Herrlichkeit<br />
Erpel“ von der Rheinschiffahrt<br />
verabschiedet, wechseln wir hinüber<br />
auf den Leinpfad und folgen<br />
ihm, den Rhein hinab, bis <strong>Unkel</strong>.<br />
Jenseits des Rheins liegt nun die<br />
neugotische Apollinaris-Kirche,<br />
benannt nach dem Märtyrer<br />
Apollinaris, dessen Gebeine der<br />
Kölner Erzbischof Reinald von<br />
Daßel bei einer Pilgerreise mit sich<br />
führte (Einzelheiten <strong>zur</strong> Kirche<br />
siehe rheinkiesel, Juli 2006).<br />
Vorüber am Haus des Kanu-Klubs<br />
<strong>Unkel</strong> erreichen wir schließlich die<br />
innere Stadt mit dem Gefängnisturm<br />
des 16. Jahrhunderts.<br />
Auf der „Konrad-Adenauer-Promenade“<br />
wandern wir nun weiter,<br />
vorüber an der Kirche, dahinter, an<br />
der ersten Schiffsanlegestelle, wo die<br />
Promenade ihren Namen wechselt,<br />
halten wir uns rechts, vorbei<br />
an der Marienstatue und kommen<br />
in die „historische Altstadt“.<br />
So kommt uns in der „Kirchstraße“<br />
das „Schutzengelhaus“ von<br />
1738 gerade recht. Wer seine Aufmerksamkeit<br />
nicht nur der farbigen<br />
Madonna leiht, der entdeckt<br />
auch in der Schnitzerei des Fachwerks<br />
um die Ecke das Relief eines<br />
schützenden Engels. Links geht es<br />
weiter durch den Ort, vorbei<br />
am „Pütz“ von 1759 und der verlockend<br />
malerischen „Pützgasse“,<br />
hinweg über den „Willy-Brandt-<br />
Platz“, ehedem unterer Markt,<br />
und mit der „Frankfurter Straße“<br />
weiter, bis sie „Bahnhofstraße“<br />
heißt und uns <strong>zur</strong>ück zum Bahnhof<br />
bringt. Wer nach derart vielen<br />
Höhepunkten noch nach einer<br />
Pointe sucht, dem sei verraten,<br />
daß <strong>Unkel</strong> auch noch einen Tiefpunkt<br />
bieten kann: Hier ist der<br />
Rhein 12 Meter tief, die tiefste<br />
Stelle zwischen St. Goar und der<br />
Grenze zu den Niederlanden! •<br />
Juli 2007 7
Natur<br />
Rauchschwarz,<br />
rot und ritterlich<br />
Die Farbgebung ist bei den meisten auffällig. Geradezu<br />
phantasievolle Muster schmücken die Tierchen oft werden<br />
sie für „schöne Käfer“ gehalten, was sie aber ganz und gar<br />
nicht sind: die Wanzen. Rund 850 in Deutschland beheimatete<br />
Wanzenarten, eine vergleichsweise stattliche Zahl, leiden<br />
unter dem schlechten Ruf, den eine einzige Spezies, die parasitische<br />
Bettwanze, ihnen eingebrockt hat.<br />
Während dieser eine Lästling an<br />
Säugetieren und am Menschen<br />
Blut saugt und unscheinbar sowie<br />
flügellos ist, sind die meisten<br />
bunte und harmlose Pflanzensaftsauger.<br />
So auch die Ritterwanze,<br />
die vom „Kuratorium Insekt des<br />
Jahres für 2007 auserwählt<br />
wurde. Sie soll mit ritterlichen<br />
Tugenden einen Beitrag dazu leisten,<br />
das schlechte Image dieser<br />
Insektenordnung aufzubessern.<br />
Immerhin kann das nur 8 bis 14<br />
mm kleine Insekt tatsächlich mit<br />
einigen ritterlichen Eigenschaften<br />
aufwarten. Der wissenschaftliche<br />
Name „Lygaeus equestris deutet<br />
an, daß es sich um eine dunkle<br />
Gestalt (gr. lyga os: dunkel) mit<br />
ritterlichen (lat. equestris: zum<br />
Ritter gehörig) Merkmalen handelt.<br />
Dazu zählen neben der kontrastierenden<br />
rauchschwarzen und<br />
blaßroten Färbung auch ein markanter<br />
weißer Fleck auf den<br />
Deckflügeln. Abgesehen davon,<br />
daß viele Ritter diese Farben häufig<br />
in ihrem Schild führten, zeigt<br />
die Wanze auf ihrem Rücken auch<br />
eine Musterung die an ein schwarzes<br />
Kreuz erinnert.<br />
Mit welcher Waffe<br />
kämpft diese Wanze<br />
Ein Schwert trägt die Ritterwanze<br />
zwar nicht, doch sie ist deswegen<br />
nicht unbewaffnet. Wie alle<br />
Wanzen besitzt sie einen Stechrüssel,<br />
in den ein Röhrensystem<br />
integriert ist. Nach dem Anstechen<br />
der Wirtspflanze, im Falle<br />
der Ritterwanze gerne Löwenzahn,<br />
Schwalbenwurz (für uns<br />
Menschen und viele Tierarten giftig)<br />
oder diverse reife und unreife<br />
Samen, wird durch das Speichelrohr<br />
Verdauungssekret gepumpt,<br />
das die Nahrung vorverdaut und<br />
verflüssigt.<br />
Prächtig anzuschauen: Feuerwanzen stellen keine Gefahren für<br />
den Gärtner dar, denn sie ernähren sich von den abgefallenen Samen<br />
der Linden und Malven<br />
Durch den zweiten Kanal im<br />
Rüssel, das Saugrohr, wird der<br />
Nahrungssaft dann abgepumpt.<br />
Das Saugen an der giftigen<br />
Schwalbenwurz, die in trockenwarmen<br />
Lebensräumen zum Beispiel<br />
an Hängen des Rheintals<br />
oder in Trockenrasen vorkommt,<br />
führt dazu, daß die Wanzen selbst<br />
für bestimmte Tierarten ungenießbar<br />
werden. Insofern ist die<br />
auffällige Färbung als Warntracht<br />
zu verstehen, mit der die Wanze<br />
vor ihrem Gift warnt.<br />
8 Juli 2007
Natur<br />
Ob die mittelalterlichen Ritter<br />
unter ihrer kiloschweren Rüstung<br />
mit ihrem Schweißgeruch Gegner<br />
beeindrucken oder gar in die<br />
Flucht schlagen konnten, ist heute<br />
nicht mehr eindeutig zu klären.<br />
Fakt ist: Alle Wanzen haben <strong>zur</strong><br />
Abwehr Duftdrüsen (früher abwertend<br />
als Stinkdrüsen bezeichnet),<br />
die sich in den Flanken ihres<br />
Außenskeletts befinden und die<br />
sie gezielt einsetzen können. So<br />
berichtet ein Zoologe von einer<br />
Baumwanze, die ihn bei Annäherung<br />
auf etwa einen Meter mit<br />
fünf scharfen Strahlen beschoß,<br />
welche eine Reichweite von 15 bis<br />
20 cm erreichten.<br />
Für den Menschen sind die Sekrete<br />
weitgehend harmlos, manche<br />
jedoch sehr geruchsintensiv. Es<br />
handelt sich um Aldehyde, deren<br />
Aromen wir bei Zitrusfrüchten<br />
und Gewürzen wie zum Beispiel<br />
Zimt so lieben. Und tatsächlich<br />
duften manche Wanzen, wenn<br />
man sie ärgert, nach Zimt, Zitrone,<br />
Curry … Jedoch in so hoher<br />
Konzentration, wie im Wanzensekret<br />
ist das nicht jedermanns<br />
Sache – die Dosis macht das Gift!<br />
Räuberische Insekten, die es auf<br />
eine Wanze abgesehen haben,<br />
kommen nicht näher beziehungsweise<br />
suchen schnell das Weite.<br />
Ameisen und Laufkäfer, gefürchtete<br />
Beutegreifer im Insektenreich,<br />
werden mit dieser „Repellent-<br />
Funktion abgeschreckt. Das ist<br />
die erste Stufe der Abwehr.<br />
Beschuß mit<br />
lähmenden Folgen<br />
Sollte sich ein Feind dadurch noch<br />
nicht in die Flucht schlagen lassen,<br />
wird er mit einem Strahl aus der<br />
Drüse direkt beschossen. Dabei<br />
können manche Wanzen einen<br />
Winkelsektor von 90 Grad bestreichen.<br />
Die unter Beschuß liegende<br />
Fläche wird noch dadurch<br />
vergrößert, daß sich die Wanze<br />
gleichzeitig dreht. Der unmittelbare<br />
Kontakt mit dem Sekret<br />
führt <strong>zur</strong> Lähmung des Angreifers.<br />
Dafür ist weniger der betörende<br />
Duft, wie man zunächst vermuten<br />
würde, als vielmehr ein hoher<br />
Anteil von Kohlenwasserstoffen<br />
verantwortlich. Diese dienen als<br />
„Insekt des Jahres 200 “: die Ritterwanze<br />
Diffusionsbeschleuniger, die den<br />
Chitinpanzer der Insekten und<br />
Spinnen in kurzer Zeit durchdringen,<br />
ähnlich wie Kriech- und Lösungsmittel<br />
in Form von Kontaktspray,<br />
Waschbenzin oder Rostentferner<br />
uns Menschen oft aus der<br />
Klemme helfen. Ameisen werden<br />
innerhalb weniger Minuten gelähmt,<br />
wenn das wanzliche<br />
“Kontaktspray sie trifft. Wird das<br />
Spray vom Angreifer eingeatmet,<br />
dauert es gar nur Sekunden.<br />
Bei soviel ritterlicher Wehrhaftigkeit<br />
wird man nicht vermuten,<br />
daß sie sich auch von einer zarten<br />
Seite zeigen können: quasi als<br />
Minnesänger. Wie hinlänglich bekannt,<br />
erzeugen Heuschrecken,<br />
Zikaden und manche Käfer Laute,<br />
doch Ritterwanzen, die einen Balz-<br />
Juli 2007 9
Natur<br />
gesang anstimmen, überraschen<br />
auch noch manche Fachleute.<br />
Kein Wunder, denn der Gesang ist<br />
sehr leise und für den Menschen<br />
nur unter Laborbedingungen hörbar.<br />
Er wird vermutlich nur vom<br />
artgemäßen Partner verstanden<br />
und dient der Vermeidung von<br />
Fehlpaarungen. Es ist aber noch<br />
ein großes Rätsel, wie dies den<br />
„Rittersleut möglich ist, da bislang<br />
weder am, noch im oder<br />
unter ihrem Harnisch Hörorgane<br />
entdeckt wurden.<br />
Ein Hauch von<br />
Kannibalismus<br />
Ritterwanzen sind nicht besonders<br />
häufig, gelten aber noch nicht als<br />
gefährdet. Weitaus häufiger und<br />
bekannter, da sie vor allem in Ortschaften<br />
auftreten, sind die Feuerwanzen,<br />
manchmal auch als Feuerkäfer<br />
bezeichnet. Die sehr geselligen<br />
Tiere, die Mauerfüße, Baumwurzeln<br />
und sonnenbeschienene<br />
Stellen am Boden in Scharen<br />
schon im zeitigen Frühjahr bevölkern,<br />
haben ebenfalls eine schwarzrote<br />
Musterung. Allerdings fehlt<br />
ihnen der weiße Punkt der Ritterwanzen.<br />
Die ebenfalls völlig harmlosen<br />
Tierchen saugen gerne an<br />
abgefallenen Lindenfrüchten und<br />
anderen Pflanzenarten.<br />
In gleicher Farbgebung, die sich<br />
bei Wanzen offenbar bewährt hat,<br />
allerdings in apartem Streifenmuster,<br />
präsentiert sich die<br />
Streifenwanze. Im Sommer finden<br />
sich meist mehrere Vertreter dieser<br />
hübschen Art auf Doldenblüten<br />
ein, wo sie Pflanzensaft saugen.<br />
Nur selten bemerkt man, daß die<br />
Unterseite zwar die gleiche Farbkombination<br />
aufweist, aber dennoch<br />
ein überraschend anderes<br />
Design: statt Streifen viele feine<br />
schwarze Punkte! Wer das überprüfen<br />
will, muß das Insekt von<br />
der Blüte „pflücken und umdrehen,<br />
dabei freilich riskieren, daß<br />
die Finger streng parfümiert riechen<br />
… Die im Vergleich mit den<br />
Ritterwanzen doppelt so breite<br />
Streifenwanze sieht zwar sehr ritterlich<br />
aus, ist aber dennoch nicht<br />
näher mit ihnen verwandt. Die<br />
Farben signalisieren aber gleichfalls<br />
allen Fressfeinden: Vorsicht<br />
Ekelgeschmack und Gift!<br />
Die Rote Mordwanze, die größte<br />
einheimische Wanzenart mit<br />
schwarz-roter Musterung signalisiert<br />
vor allem Wehrhaftigkeit. Sie<br />
könnte man als den Raubritter der<br />
Wanzenwelt bezeichnen. Mit ihrer<br />
Die Rote Mordwanze kann sich mit einem Stechapparat verteidigen<br />
und dem potentiellen Fressfeind sehr schmerzhafte Stiche beibringen<br />
Körperlänge von rund zwei Zentimeter<br />
sieht sie aus wie eine große<br />
Ausgabe der Ritterwanze. Sie ist<br />
eher selten und tritt bei uns nur in<br />
den wärmsten Gebieten, typischerweise<br />
oft in Weinbergslagen auf, so<br />
zum Beispiel in den rechtsrheinischen<br />
Hängen an der Rheinbrohler<br />
<strong>Ley</strong>, der <strong>Erpeler</strong> <strong>Ley</strong> oder<br />
in <strong>Unkel</strong>.<br />
Sie ist alles andere als ein harmloser<br />
Pflanzensauger, sondern gehört<br />
zu der Familie der Raubwanzen,<br />
die Insekten erbeuten<br />
(darunter auch manche Schädlinge),<br />
anstechen und aussaugen.<br />
Der dolchartige Stechrüssel sieht –<br />
selbst für Menschen – respekteinflößend<br />
aus. Er erinnert in seinen<br />
Dimensionen nicht nur an die<br />
Spritzennadel, die uns bei einem<br />
Arztbesuch eventuell erwartet,<br />
sondern tut auch mindestens so<br />
weh. Selbst leidenschaftliche Insektenfreunde<br />
überlegen sich lieber<br />
zweimal, ob und wie sie die Mordwanze<br />
anfassen, um sie unter dem<br />
Risiko, einen schmerzhaften Stich<br />
zu erleiden, anhand der Details<br />
auf Rücken- und Bauchseite von<br />
nah verwandten Schwesterarten<br />
zu unterscheiden.<br />
Feuerwanzen<br />
sind gesellig<br />
Die Rote Mordwanze schreckt<br />
nach eigenen Beobachtungen übrigens<br />
auch nicht davor <strong>zur</strong>ück,<br />
Artgenossen auszusaugen. Angesichts<br />
dieser kannibalistischen<br />
Züge trägt sie ihren Namen also<br />
zu Recht. Die Raubwanzen können<br />
ebenfalls Geräusche erzeugen,<br />
indem sie mit der Spitze des<br />
Rüssels über eine quergeriefte<br />
Rinne auf der Unterseite zwischen<br />
den Vorderhüften kratzen. Das hat<br />
schon etwas Gruseliges, so als<br />
würde gerade der Dolch gewetzt!<br />
Ob räuberisch oder ritterlich, stinkig<br />
oder duftig, in Tarn- oder<br />
Warnfarben: Gegen die menschliche<br />
Übermacht, vor allem in<br />
Form von Zerschneidung der<br />
Landschaft und massiven Lebensraumzerstörungen<br />
in Deutschland<br />
haben die Schutzstrategien der<br />
Wanzen nichts ausrichten können.<br />
Ein Drittel der artenreichen<br />
Gruppe gilt aktuell als gefährdet.<br />
Wie lang die „Roten Listen“ der<br />
bedrohten Arten bei uns noch<br />
werden, hängt davon ab, wie<br />
(raub- ) ritterlich wir uns zukünftig<br />
gegenüber den Geschöpfen der<br />
heimischen Natur verhalten. •<br />
Ulrich Sander<br />
10 Juli 2007
Buchtip<br />
Mutmacher<br />
Mit der Lektüre dieses ungewöhnlichen<br />
Büchleins<br />
begeben Sie sich vermutlich<br />
auf unbekanntes Terrain.<br />
Es erzählt Geschichten<br />
von Menschen, die ein<br />
behindertes Kind haben.<br />
Wer sich an das Thema heranwagt,<br />
hat einiges zu gewinnen<br />
– zum Beispiel eine<br />
ungewöhnliche Sicht auf<br />
das Leben. Denn es sind<br />
nicht etwa Leidensgeschichten,<br />
die hier aufgezeichnet<br />
sind – eher ist schon das<br />
Gegenteil der Fall.<br />
Es sind die Erfahrungsberichte<br />
von Eltern und Großeltern, die in manchmal zu Herzen<br />
gehenden, bisweilen sehr persönlichen Worten ihr Leben mit<br />
einem behinderten Kind oftmals sehr eindringlich schildern.<br />
Das treibt dem Leser bisweilen die Tränen in die Augen, doch<br />
das Wort „Mitleid“ werden Sie hier vergeblich suchen. Eher<br />
schon werden Sie erfahren von beglückenden Augenblicken, die<br />
der Durchschnittsmensch nicht für möglich hält.<br />
Die Herausgeberin, Doris Stommel-Hesseler, ist selbst Mutter<br />
eines behinderten Jungen. Sie weiß also nur zu gut, wovon sie<br />
und andere schreiben.<br />
Doris Stommel-Hesseler<br />
In mir ist Freude<br />
284 Seiten, broschiert, mit vielen farbigen Abbildungen,<br />
Doris-Verlag, ISBN 978-3-9810623-0-4, € 16,90<br />
Zu beziehen in jeder Buchhandlung oder<br />
direkt beim Verlag: Doris-Verlag<br />
Mittelsaurenbach 4, 53809 Ruppichteroth<br />
Tel. 0 22 95 / 53 64, Fax 90 36 58<br />
eMail: DoSto-He@t.-online.de<br />
Dichter und Demokrat<br />
Geliebt als Volksheld und<br />
politischer Märtyrer,<br />
verehrt als feinsinniger<br />
Dichter und mutige<br />
Kämpfernatur, geachtet<br />
als Wissenschaftler –<br />
vielfältig sind die Attribute,<br />
die seine Zeit<br />
Gottfried Kinkel zugeschrieben<br />
hat. Unter<br />
anderem gründete er<br />
1840 gemeinsam mit<br />
seiner Frau Johanna den „Maikäferbund“, einen spätromantischen<br />
Dichterkreis, der allerdings nur bis 1848 existierte.<br />
Heute ist Kinkel nur noch Experten, bestenfalls noch einigen<br />
Heimatforschern ein Begriff. Der 1815 als Sohn eines protestantischen<br />
Pfarrers in Bonn-Oberkassel geborene Kinkel ist in Vergessenheit<br />
geraten. Dabei war er zu seiner Zeit durchaus eine<br />
schillernde, äußerst populäre Persönlichkeit.<br />
Die Bonner Edition Lempertz hat mit einem lesenswerten<br />
Band dem Demokraten, der für seine Überzeugung sogar ins<br />
Zuchthaus ging und später mit seiner Familie in die USA auswanderte,<br />
wieder in das Bewußtsein der Öffentlichkeit gerückt.<br />
Die Darstellung des bewegten Lebens des Bonner Professors<br />
wurde ergänzt durch eine reiche Auswahl seiner Gedichte, autobiographische<br />
Schriften, landeskundliche und journalistische<br />
Arbeiten.<br />
Hermann Rösch<br />
Gottfried Kinkel<br />
152 Seiten, gebunden, mit vielen Abbildungen,<br />
Edition Lempertz, ISBN 978-3-933070-85-2, € 24,95<br />
Juli 2007 11
Rheinbreitbach<br />
<strong>Von</strong> der<br />
„Villa Julia“<br />
zum Burghotel<br />
In Rheinbreitbach kennt das repräsentative Gebäude jeder,<br />
weil es „schon immer“ dort stand. Manchem mag es aber<br />
auch erst aufgefallen sein, als er auswärtige Gäste in einem<br />
Hotel vor Ort unterbringen mußte. Oder vielleicht auch, weil<br />
er als Grundschüler immer über die Mauer klettern mußte<br />
um den Ball zu holen, der wieder einmal sein Ziel verfehlt<br />
hatte und im Garten des Anwesens gelandet war.<br />
Wechselvoll ist die Geschichte der<br />
ehemaligen „Villa Julia“ in Rheinbreitbach.<br />
Jahrzehnte später als<br />
„Haus Elisabeth“ nicht nur den<br />
Einheimischen bekannt. Heute<br />
hält es als „Burghotel Ad Sion“ für<br />
Gäste seine Pforten geöffnet.<br />
In den langen Jahren seines Bestehens<br />
hat das Gebäude sich dennoch<br />
kaum verändert. Menschen<br />
haben übrigens an diesem Platz<br />
nachweislich schon vor über eintausend<br />
Jahren gelebt. An der<br />
Stelle, wo das Haus errichtet<br />
wurde, fand man bei Bauarbeiten<br />
um 1900 Urnen aus einem Reihengrab,<br />
die aus der Zeit Chlodwigs,<br />
also etwa um 500 n. Chr.,<br />
stammten.<br />
Das Bauwerk in seiner heutigen<br />
Form entstand vermutlich 1867.<br />
Zu dieser Zeit wurde nämlich der<br />
Turm errichtet, der das Haus so<br />
einzigartig macht. Es gab auf<br />
diesem Gelände allerdings schon<br />
einen Vorgängerbau: Auf einer<br />
Zeichnung aus dem Jahre 1839,<br />
einer Ansicht des Siebengebirges<br />
mit Rheinbreitbach im Vordergrund,<br />
ist ein Haus an besagter<br />
Stelle zu erkennen. Zu dieser Zeit<br />
war das Gebäude als „Villa Julia“<br />
bekannt.<br />
In den Diensten des Kaisers:<br />
Hauserwerber Dr. Paul Stephan<br />
Markant: Trutzig ragt der Turm in die Höhe<br />
Aufwendiger<br />
Lebensstil<br />
1885 kaufte Carl Coerper das<br />
Anwesen und ließ es als „Villa<br />
Coerper“ eintragen. Er starb bereits<br />
gegen Ende des Jahrhunderts.<br />
Einige Jahre später kaufte der<br />
Jurist Dr. Paul Stephan das Haus.<br />
Neben einer erneuten Namensänderung<br />
des Gebäudes – fortan<br />
trug es denn Namen „Haus<br />
Stephan“ – nahm dieser auch<br />
einige bauliche Veränderungen<br />
vor. Dr. Stephan selbst war offenbar<br />
ein bemerkenswerter Mensch.<br />
Nach seinem Studium in Berlin<br />
promovierte er und kam – schon<br />
recht wohlhabend – nach Köln<br />
und später wie geschildert nach<br />
Rheinbreitbach. Er war als persönlicher<br />
Rechtsberater von Kaiser<br />
Wilhelm II tätig. Zu der Villa in<br />
Rheinbreitbach kam er etliche<br />
Jahre nach der Ehelichung der<br />
ältesten der vier Töchter des Vorbesitzers<br />
Coerper, nach dem Tode<br />
des Schwiegervaters, durch Kauf<br />
des Anwesens.<br />
Bis zum Jahre 1901 hatte Dr.<br />
Stephan den Grundbesitz auf fast<br />
zwei Hektar Grundstücksfläche<br />
erweitert. Er richtete unter anderem<br />
eine Bibliothek, einen Billardsaal,<br />
einen Wintergarten und einen<br />
Tennisplatz inklusive Tennishaus<br />
ein. Als man diesen unterkellerte<br />
um dort Obst zu lagern, wurden<br />
die zu Beginn dieses Aufsatzes erwähnten<br />
Urnen entdeckt. Die Ära<br />
des „Haus Stephan“, die vom aufwendigen<br />
Lebensstil der Familie<br />
und interessanten Gästen (darunter<br />
Prinz Adalbert von Preußen) geprägt<br />
war, endete mit dem Tod von<br />
Dr. Paul Stephan im Jahre 1924.<br />
Vor neuen Aufgaben<br />
Mit einem neuen Besitzer begann<br />
am 30. Juli 1928 für das Anwesen<br />
eine neue Epoche: Nachdem es<br />
jahrelang als Villa einer wohlhabenden<br />
Familie gedient hatte,<br />
wurde es ab diesem Zeitpunkt ein<br />
12 Juli 2007
Rheinbreitbach<br />
Rheinbreitbach<br />
Verbandsheim für Mitglieder des<br />
Reichsverbandes der Katholischen<br />
Kaufmännischen Gehilfinnen und<br />
Beamtinnen (kurz: KKF Verband).<br />
Dort sollte neben religiöser sowie<br />
beruflicher Weiterbildung auch die<br />
Erholung nicht zu kurz kommen.<br />
Erst geraume Zeit nach der festlichen<br />
Einweihung des Verbandsheimes<br />
am 26. August 1928 bekam<br />
es im Rahmen einer weiteren<br />
Feier seinen neuen Namen: „Haus<br />
Elisabeth“. Zwei Frauen standen<br />
für den neuen Namen Pate. Zum<br />
einen die Heilige Elisabeth von<br />
Rheinbreitbach aufgenommen<br />
hatte, wirkte sie zunächst als ambulante<br />
Krankenschwester. Später<br />
übernahm sie die Leitung des<br />
Kindergartens.<br />
Nachdem 1933 die Nationalsozialisten<br />
an die Macht gekommen<br />
waren, brachen für das Haus<br />
Elisabeth harte Zeiten an. Die<br />
schwersten Herausforderungen<br />
sollten aber noch kommen. Denn<br />
im Zweiten Weltkrieg wurde das<br />
Haus von einem Flakregiment requiriert<br />
und einige Soldaten im<br />
Gebäude untergebracht. Da diese<br />
Buchtip: Haus Elisabeth<br />
Wollen Sie mehr über<br />
die spannende Geschichte<br />
des Hauses erfahren<br />
Das Heimatheft „Haus Elisabeth:<br />
Häuser erzählen Geschichte“ von<br />
Franz Josef Federhen aus dem<br />
Jahr 2001 bietet neben vielen<br />
Detailinformationen von den<br />
einzelnen Stationen des Anwesens<br />
auch zahlreiche alte Aufnahmen<br />
des Gebäudes. So kann man<br />
sich noch besser in die damalige<br />
Zeit <strong>zur</strong>ückversetzen.<br />
u dieser eit war das Gebäude als „Villa Julia“ bekannt<br />
Thüringen, zum anderen die Gattin<br />
des damaligen Kölner Regierungspräsidenten,<br />
Frau Elisabeth<br />
Elfgen.<br />
Am 15. Dezember 1928 übernahmen<br />
Steyler Schwestern die Leitung<br />
des Hauses, welche sie nach<br />
drei Jahren an Augustiner-Cellitinnen<br />
abgaben. <strong>Von</strong> 1933 bis zu<br />
ihrem Tod im März 1985 lebte und<br />
arbeitete hier Schwester Hildebrandis,<br />
die vielen Breitbachern<br />
noch in guter Erinnerung ist.<br />
Nachdem sie ihre Tätigkeit in<br />
Beginn einer neuen Epoche: Das Burghotel Ad Sion<br />
einen eigenen Heimleiter einsetzten,<br />
kam es in der Folgezeit zu<br />
einem zähen Kampf zwischen diesem<br />
und der zivilen Hausleitung.<br />
Hauptsächlich ging es dabei um<br />
Lebensmittel oder Brennstoffe. Es<br />
ist aktenkundig, daß die Hausverwaltung<br />
oftmals Angst hatte, in ein<br />
Wirtschaftsvergehen hineingezogen<br />
zu werden.<br />
1944 diente das Haus dann den<br />
zuvor dort stationierten Soldaten<br />
zu Urlaubszwecken. Damit es nicht<br />
angegriffen wurde, brachte man<br />
Aus der Reihe: „Rheinbreitbacher Heimathefte“<br />
Franz Josef Federhen: „Haus Elisabeth: Häuser erzählen Geschichte“<br />
64 Seiten, broschiert, mit vielen einfarbigen Abbildungen,<br />
edition wolkenburg Rheinbreitbach, ISBN 3-934676-04-9, € 5,-<br />
<strong>zur</strong> Täuschung ein rotes Kreuz auf<br />
weißem Grund auf dem Dach an.<br />
Am 9. März 1945 mußte die<br />
Hausgemeinschaft in einen nahegelegenen<br />
Bergwerksstollen fliehen,<br />
da Rheinbreitbach von diesem<br />
Zeitpunkt von Truppen der Alliierten<br />
besetzt war. Mit einigen<br />
anderen Dorfbewohnern überstanden<br />
sie dort die letzten Kriegstage.<br />
Als sie nach drei Tagen und<br />
Nächten wieder zum Haus Elisabeth<br />
<strong>zur</strong>ückkehrten, bot sich ihnen<br />
ein bestürzendes Bild. Zwar schien<br />
das Haus auf den ersten Blick<br />
kaum zerstört, jedoch hatten<br />
mehrere Artillerieeinschläge auf<br />
dem Dach dazu geführt, daß das<br />
Haus unbewohnbar war. Doch damit<br />
nicht genug: Plünderer hatten<br />
die Gunst der Stunde genutzt.<br />
Regenwasser sickerte durch die<br />
Löcher im Dach und zerstörte<br />
langsam das Parkett und auch die<br />
meisten noch verbliebenen Möbel.<br />
Mit dem Wirtschaftsaufschwung<br />
in Deutschland in den Fünfziger<br />
Jahren kamen wieder bessere<br />
Zeiten für das Haus Elisabeth. Es<br />
gab sogar wieder Hausgäste, denn<br />
unter der Schirmherrschaft der<br />
Frau des ersten Bundespräsidenten,<br />
Elly Heuss-Knapp, entstand<br />
ein Müttergenesungswerk, das erholungssuchende<br />
Mütter nach<br />
Rheinbreitbach brachte.<br />
In den Siebzigern hatte sich wieder<br />
einmal einiges im Haus geändert.<br />
Hausgäste und die Mütterkuren<br />
gab es nicht mehr. Stattdessen<br />
schuf man Einrichtungen<br />
<strong>zur</strong> Erholung für Senioren und im<br />
Laufe des Jahrzehnts führte man<br />
Sozial-, Pflege- und Ethikseminare<br />
im Haus durch.<br />
In den Jahren nach der Wiedervereinigung<br />
zog die Bundesregierung<br />
in die neue Hauptstadt Berlin<br />
um. Dies hatte <strong>zur</strong> Folge, daß eine<br />
Reihe von Gästen ausblieb, die aus<br />
Bildungsmotiven oder aus beruflichen<br />
Gründen die Gastlichkeit des<br />
Hauses mit seinen vielen Tagungsräumen<br />
genutzt hatten.<br />
Zurück zu den<br />
Wurzeln<br />
Am 1. Januar 2004 begann ein<br />
weiteres Mal ein neues Kapitel in<br />
der Geschichte des Hauses. Aus<br />
dem Tagungszentrum entstand ein<br />
Hotel und das Haus erhielt einen<br />
neuen, klangvollen Namen, der damit<br />
zu den Wurzeln des Anwesens<br />
<strong>zur</strong>ückkehrt. Dieser stammt aus<br />
der Anfangszeit der Geschichte des<br />
Gebäudes. Bis zum Jahre 1803 gehörten<br />
Teile des späteren Grundbesitzes<br />
von diesem Haus zum<br />
Kloster Ad Sion in Köln, das<br />
Mechthild von Sayn um 1250 gestiftet<br />
und mit einem Hof in Breitbach<br />
bedacht hatte. •<br />
Jan Woscz na Paulus Hinz<br />
Juli 2007 13
Ihr Recht<br />
Gefahr für<br />
Beifahrer<br />
Meist sitzt der Autofahrer allein in seinem Gefährt, und vielleicht<br />
liegt es daran, daß ein Mitfahrer im Regelfall mehr als<br />
eine Bereicherung als ein Risikofaktor empfunden wird. Ein<br />
Bewußtsein für die Probleme, die so ein Beifahrer mit sich<br />
bringen kann, sollte jedoch bei jedem Wagenlenker vorhanden<br />
sein.<br />
mitgenommen, empfindet es der<br />
Fahrer als ungerecht, wenn ihn<br />
sein Beifahrer wegen eines erlittenen<br />
Schadens auf Schadenersatz in<br />
Anspruch nimmt.<br />
Die Rechtsprechung geht in Ausnahmefällen<br />
davon aus, daß derjenige,<br />
der sich zu einem Anderen<br />
ins Auto setzt und sich kostenlos<br />
befördern läßt, mit dem Fahrer<br />
eine Art stillschweigende Vereinbarung<br />
trifft: Der Beifahrer befreit<br />
den Fahrer von seiner Haftung<br />
ihm gegenüber in Fällen, in denen<br />
Das Straßenverkehrsgesetz (StVG)<br />
bestimmt in 7, daß der Halter<br />
eines Kraftfahrzeugs verpflichtet<br />
ist, einem Menschen die Schäden<br />
zu ersetzen, die bei dem Betrieb<br />
dieses Fahrzeugs entstehen, es sei<br />
denn, bei dem Unfall war höhere<br />
Gewalt im Spiel.<br />
Ist bei dem Unfall nicht der<br />
Halter, sondern ein Dritter der<br />
Fahrzeugführer (das heißt der<br />
Fahrer) gewesen, ist auch dieser<br />
zum Schadenersatz verpflichtet,<br />
außer er trug keine Schuld an dem<br />
Schaden.<br />
Sowohl der Halter als auch der<br />
Fahrer eines Kraftfahrzeuges haften<br />
demnach gegenüber den Insassen<br />
in ihrem eigenen Fahrzeug.<br />
Es kommt daher durchaus vor,<br />
daß die Ehefrau, die mit im Auto<br />
bei einem von ihrem Ehemann als<br />
Halter und Fahrer verursachten<br />
Unfall gesessen hat, ihren Mann<br />
auf Schadenersatz verklagt. Dies<br />
ist beileibe kein Zeichen mangelnder<br />
ehelicher Zuneigung oder<br />
Solidarität, denn mitverklagt wird<br />
die Kfz-Haftpflichtversicherung Wer haftet im Falle eines Falles, wenn der Beifahrer zu Schaden kommt<br />
des Ehemannes. Die Haftpflichtversicherung<br />
kommt nämlich<br />
auch für Schäden von Insassen im<br />
eigenen Fahrzeug auf, soweit der<br />
Unfall auf ein Verschulden des<br />
Fahrers <strong>zur</strong>ückzuführen ist.<br />
Bei niedrigen Schadenersatzansprüchen<br />
ist dieses Vorgehen in<br />
intakten Ehen nicht zu empfehlen,<br />
denn die Zahlung der Haftpflichtversicherung<br />
führt üblicherweise<br />
zu einer Minderung des<br />
Schadenfreiheitsrabattes und damit<br />
zu höheren Versicherungsbeiträgen<br />
für den Halter.<br />
Wird ein Freund oder Bekannter<br />
aus Gefälligkeit und unentgeltlich<br />
der Fahrer leicht fahrlässig einen<br />
Unfall verursacht.<br />
Dieser Verzicht des Beifahrers auf<br />
seine möglichen Ansprüche wird<br />
jedoch nur angenommen, wenn besondere<br />
Umstände vorliegen, die<br />
über das bloße Mitnehmen hinausgehen.<br />
In aller Regel ist schon das<br />
Bestehen einer Haftpflichtversicherung<br />
zugunsten des Geschädigten<br />
ein deutliches Indiz gegen eine derartige<br />
Haftungsbeschränkung.<br />
Wer ganz sicher gehen möchte,<br />
kann mit seinem Beifahrer eine<br />
schriftliche Vereinbarung treffen,<br />
die ihn von der Haftung für fahrlässige<br />
verursachte Schäden befreit,<br />
soweit diese nicht von Haftpflichtversicherungen<br />
gedeckt sind.<br />
Für Unfälle, die auf grob fahrlässiges<br />
oder vorsätzliches Fehlverhalten<br />
des Fahrers <strong>zur</strong>ückzuführen sind,<br />
haftet dieser gegenüber dem Beifahrer<br />
aber auch dann, wenn eine<br />
derartige schriftliche Vereinbarung<br />
besteht.<br />
Wer in Kenntnis der Trunkenheit<br />
eines Fahrers in einem Auto mitfährt,<br />
muß damit rechnen, daß<br />
ihm eine Mitschuld angerechnet<br />
wird, wenn ihm bei einem alkoholbedingten<br />
Unfall ein Schaden<br />
entsteht.<br />
Werden Kinder mitgenommen,<br />
sollte unbedingt auf die Verwendung<br />
des für das entsprechende<br />
Alter jeweils vorgeschriebenen<br />
Kindersitzes geachtet werden,<br />
denn der Fahrer ist auch insoweit<br />
für die Sicherheit der Insassen mitverantwortlich.<br />
•<br />
Rechtsanwalt Christof Ankele<br />
Kanzlei Schmidt Ankele,<br />
Bad Honnef<br />
Juli 2007 15
Kieselchen<br />
<strong>Von</strong> Holz und<br />
Kohle<br />
Was hat unser Bundespräsident mit einem leckeren Würstchen<br />
vom Grill zu tun Sein Nachname – Köhler – ist eine alte<br />
Berufsbezeichnung für Menschen, die Kohle herstellten. Und<br />
die ist jetzt im Sommer für Grillpartys heiß begehrt. Doch<br />
mit der Steinkohle, wie sie ein jeder kennt, hat die Grillkohle<br />
nichts gemein. Wie kommt das<br />
Hm, wie das duftet – wenn<br />
jemand im Sommer Holzkohle für<br />
einen Grillabend anzündet, läuft<br />
einem schon das Wasser im Mund<br />
zusammen. Ist es nicht herrlich,<br />
den Würstchen und Steaks beim<br />
Brutzeln zuzuschauen Fleisch, das<br />
auf einem Grill gart, schmeckt viel<br />
würziger als aus der Pfanne oder<br />
dem Ofen. Aber woher kommt<br />
eigentlich die Kohle, die im Grill<br />
vor sich hinglüht<br />
Heute kauft man Kohle einfach<br />
im Supermarkt. Fürs Grillen benutzen<br />
die meisten Menschen<br />
Holzkohle. Sie stammt aus großen<br />
Fabriken. Das war nicht immer so:<br />
Früher wachten Köhler über die<br />
Herstellung des schwarzen Brennstoffs.<br />
Das ist ein sehr alter Beruf,<br />
den man schon in der Eisenzeit<br />
kannte, also 1000 bis 500 Jahre<br />
vor Christi Geburt. Um Eisen zu<br />
schmelzen, braucht man sehr hohe<br />
Temperaturen – so hoch, daß ein<br />
normales Holzfeuer dafür nicht<br />
ausreicht. Kohle hingegen brennt<br />
noch viel heißer. Allerdings braucht<br />
man ein paar Tricks, damit man an<br />
den begehrten Brennstoff kommt.<br />
Alles fertig Das Grillfest kann beginnen<br />
Wenn man ein Stück Holz anzündet,<br />
verbrennt es zu Asche. Damit<br />
die Flamme ordentlich lodert,<br />
braucht man genügend Sauerstoff,<br />
also Luft. Ist genügend davon vorhanden<br />
– zum Beispiel beim Lagerfeuer<br />
– bleibt nur sehr feine Asche<br />
übrig. Mit ihr kann man nicht<br />
mehr viel anfangen. Ganz ohne<br />
Luft erstickt eine Flamme. Wenn<br />
beim Verbrennen nur ein bißchen<br />
Luft da ist – gerade so viel, daß<br />
das Feuer nicht ausgeht – dann<br />
„kokelt“ das Holz vor sich hin,<br />
verliert langsam Wasser und ein<br />
paar weitere Stoffe, bis es geradezu<br />
„eingedampft“ ist. Übrig bleiben<br />
schwarze, leichte Scheite – Kohle.<br />
Mit genügend Luft kann Kohle<br />
vollständig verbrennen, bis wiederum<br />
nur feine Asche übrig bleibt.<br />
Dabei kann die Kohle sehr heiß<br />
und so warm werden, daß sogar<br />
Eisen schmilzt. Allerdings glüht<br />
sie dabei nur – Rauch und offene<br />
Flammen gibt es beim Kohlefeuer<br />
nicht. Deshalb waren Kohlefeuer<br />
ideal für Schmiede, die heiße Feuer<br />
für ihr Handwerk brauchten. An<br />
offenen Flammen hätten sie sich<br />
aber nur verbrannt, und auch der<br />
Rauch hätte es den Schmieden<br />
schwer gemacht, Eisen zu formen.<br />
Um Kohle zu gewinnen, errichteten<br />
Köhler früher sogenannte<br />
Kohlenmeiler. Das waren kegelförmige<br />
Aufschüttungen, in denen<br />
Holz mit wenig Luft zu Kohle verbrannte.<br />
Dazu band der Köhler<br />
zunächst drei Fichtenstämme aneinander,<br />
die einen Schacht in der<br />
Mitte des Meilers bildeten. Ringsum<br />
schichtete er das Holz aus, aus<br />
dem Kohle werden sollte. Darüber<br />
deckte er ein Dach aus Laub, Heu,<br />
Stroh oder Schilf. Damit keine<br />
16 Juli 2007
Kieselchen<br />
Kommt die Kohle aus dem Stein<br />
Das obige Foto zeigt die Steinkohlegewinnung mit Hilfe mächtiger<br />
Maschinen in einem sogenannten Flöz. Braunkohle und Steinkohle<br />
bestehen auch aus verkokeltem Holz beziehungsweise<br />
Pflanzen. Allerdings waren es ganze sumpfige Gebiete mit riesigen<br />
Pflanzen, die „verkokelten“. Allerdings ist das schon sehr lange<br />
her. Und keine Bange, damals waren es keine Waldbrände, die das<br />
Holz vernichteten. Vielmehr sind Pflanzenreste ohne Luft jahrtausendelang<br />
vor sich hin „gegammelt“. Auf diese Weise wird<br />
zuerst einmal Torf aus den Pflanzen und nach vielen tausend<br />
Jahren Braunkohle und unter Umständen sogar sehr viel später<br />
Steinkohle. Weil in unserer Erde die ältesten Gesteinsschichten besonders<br />
tief liegen, baut man Steinkohle unter Tage ab, gräbt also<br />
tiefe Schächte wie im Ruhrgebiet. Braunkohle und Steinkohle benötigt<br />
man in großen Kraftwerken für die Herstellung von Strom.<br />
Luft mehr an das Holz gelang,<br />
dichteten die Köhler den Holzkegel<br />
von außen mit Erde ab.<br />
Dann schütteten sie glühende<br />
Kohlen vom vorigen Meiler durch<br />
den Schacht in das Innere und<br />
entzündeten so den Meiler.<br />
Dabei brauchte der Köhler ganz<br />
schön viel Geduld, denn je nach<br />
Größe des Kohlenmeilers dauerte<br />
es zwei bis vier Wochen, bis aus<br />
dem Holz Kohle wurde. In dieser<br />
Zeit lebte der Köhler ganz in der<br />
Nähe, denn etwa alle drei Stunden<br />
mußte er nach dem Meiler sehen.<br />
Mal mußte er Holz durch den<br />
Schacht nachfüllen, mal Luftlöcher<br />
durch das Erddach graben,<br />
mal Luftlöcher schließen. Ob das<br />
Holz richtig verkokelte, verriet<br />
ihm der Rauch, der durch den<br />
Schacht aufstieg: War er leicht<br />
bläulich, kam zu viel Luft an das<br />
Kohlenholz und die Scheite verbrannten<br />
ganz normal.<br />
Mittlerweile ist das Gewerbe des<br />
Köhlers fast ganz ausgestorben.<br />
Grillkohle, wie sie jeder kennt,<br />
wird in großen Fabriken aus Holz<br />
gewonnen. Das geht schneller und<br />
ist zudem praktischer, weil beim<br />
Verkokeln bestimmte Gase und<br />
einige andere Produkte entstehen,<br />
die man eigentlich gut gebrauchen<br />
kann, die aber beim Kohlenmeiler<br />
verlorengehen. Aber ein paar<br />
Namen – wie eben der des Bundespräsidenten<br />
Horst Köhler – erinnern<br />
noch an das alte Handwerk.<br />
Vielleicht denkt Ihr einmal daran,<br />
wenn Ihr ein leckeres Würstchen<br />
vom Grill verzehrt! •<br />
Einen guten Appetit wünscht<br />
Euer Kieselchen<br />
Juli 2007 17