10 www.KlassikAkzente.<strong>de</strong> Trouvaillen <strong>de</strong>s Verismo: <strong>Renée</strong> <strong>Fleming</strong> Foto: Andrew Eccles / Decca
Verismo Decca CD 478 1533 Mit ihrem Album „Homage – The Age of the Diva“ hatte es sich bereits angekündigt: <strong>Renée</strong> <strong>Fleming</strong> ist – zumin<strong>de</strong>st auf CD und in ihren Opernrollen – die geborene Diva. Waren es auf „Homage“ noch Cileas Adriana und Puccinis Tosca, Korngolds Heliane und Massenets Cléopâtre, so heißen die Heldinnen ihres neuen Albums Lodolet ta, Zaza, Gloria und Iris … Nicht unbedingt Namen, die je<strong>de</strong>m Opernfreund geläufig sind. Es sei <strong>de</strong>nn, er ist ein ausgewiesener Spezialist und Liebhaber jener aufregen<strong>de</strong>n Epoche italienischer Bühnenwerke, die man gemeinhin unter <strong>de</strong>m Titel Verismo zusammenfasst und <strong>de</strong>ren Definition in etwa so lautet: Abgeleitet vom Italienischen „wahr“ ist <strong>de</strong>r Verismo eine seit <strong>de</strong>m ausgehen<strong>de</strong>n 19. Jahrhun<strong>de</strong>rt in <strong>de</strong>r italienischen Kunst, Literatur und Musik vorherrschen<strong>de</strong> Strömung, die <strong>de</strong>m <strong>de</strong>utschen Naturalismus sehr verwandt ist. Den Künstlern geht es hierbei vor allem um ein getreues Abbild <strong>de</strong>r Wirklichkeit menschlichen Lebens, vor allem in <strong>de</strong>ssen Schicksalhaftigkeit. Die Meister <strong>de</strong>r sogenannten „giovane scuola“, <strong>de</strong>r jungen Schule, wie etwa <strong>Renée</strong> <strong>Fleming</strong>, Sopran Coro e Orchestra Sinfonica di milano giuseppe Verdi Dirigent: Marco Armiliato Veröffentlichung: 18.September Leoncavallo, Mascagni, Cilea, Zandonai und Giordano waren in ihren Kompositionen bemüht, sich inhaltlich klar und <strong>de</strong>utlich von ihren Vorgängern abzugrenzen, <strong>de</strong>ren Hauptthemen sich um klassische Figuren o<strong>de</strong>r höfisches Leben drehten. Die Gestalten <strong>de</strong>s Verismo sind unglückliche Damen <strong>de</strong>s A<strong>de</strong>ls ebenso wie Kurtisanen, orientalische Schönheiten o<strong>de</strong>r Music HallSängerinnen und Fabrikarbeiterinnen. Mascagnis „Cavalleria rusticana“ und Leoncavallos „Pagliacci“ (Letzteres im Übrigen nach einer wahren Episo<strong>de</strong>!) sind die bekanntesten, ja die Para<strong>de</strong>beispiele für <strong>de</strong>n italienischen Verismo. Und wer sich einmal <strong>de</strong>n schmachten<strong>de</strong>n Melodien und herzzerreißen<strong>de</strong>n Arien, Duetten und Ensembles hingegeben hat, wird sich ihrem Zauber und ihrer Verführungskraft nur schwerlich wie<strong>de</strong>r entziehen können. Kurz und schmerzvoll sind sie in <strong>de</strong>r Regel, die Opern <strong>de</strong>s Verismo. Und wer sie singt, muss mehr tun als „nur“ zu singen – er muss <strong>de</strong>n Schmerz, das Leid, die unerfüllten Sehnsüchte und die tragischen Verstrickungen ihrer Heldinnen nachempfin<strong>de</strong>n, qua Cover lag bei Drucklegung noch nicht vor. LEIDENSCHAFT UND DRAMA Richard Strauss Der Rosenkavalier Decca DVD 074 3340 Blu-ray 074 3343 Die amerikanische Sopranistin <strong>Renée</strong> <strong>Fleming</strong> stürzt sich in das Abenteuer Verismo und ent<strong>de</strong>ckt dabei Erstaunliches. si das Drama in die Nähe <strong>de</strong>s wirklichen Lebens rücken. Nur so kann es uns heute noch berühren, nur so ist es bei aller Melodienseligkeit große Kunst. <strong>Renée</strong> <strong>Fleming</strong> hat das gewisse Etwas in Stimme und Persönlichkeit, mit <strong>de</strong>m sie genau diese musikalische Nach Schöpfung als einen zu Herzen gehen<strong>de</strong>n Akt präsentiert. Ob Schwester Angelikas berühren<strong>de</strong> Klage um das tote Kind, ob Fedoras halluzinatorische Vorahnung ihres eigenen To<strong>de</strong>s – <strong>de</strong>r amerikanische Superstar leiht dieser Musik <strong>de</strong>n Schmelz und die lei<strong>de</strong>nschaftliche Süße seines wun<strong>de</strong>rbaren Timbres. Und auch wenn es ans Sterben geht, wie in <strong>de</strong>r hier erstmals in <strong>de</strong>r originalen Fassung vorgestellten Schlussszene aus Puccinis „Manon Lescaut“ – „Sola, perduta, abbandonata“ –, ist es die hohe Kunst <strong>de</strong>r Charakterisierung, die <strong>Renée</strong> <strong>Fleming</strong> hier ebenso gekonnt und wohl dosiert einzusetzen weiß wie auf ihren an<strong>de</strong>ren Alben zuvor – seien es nun die Diven <strong>de</strong>s Belcanto o<strong>de</strong>r diejenigen <strong>de</strong>s Barock – o<strong>de</strong>r aber die großen Frauengestalten aus <strong>de</strong>r Fe<strong>de</strong>r Richard Strauss’. <strong>Renée</strong> <strong>Fleming</strong>, Sopran • Diana Damrau, Sopran Sophie Koch, mezzosopran • Franz Hawlata, Bass Jonas Kaufmann, Tenor • münchner Philharmoniker Veröffentlichung: 18.September Das neue Album „Verismo“ ist eine beeindrucken<strong>de</strong> Sammlung von bekannten und weniger geläufigen Kostbarkeiten dieser musikalischen Epoche – je<strong>de</strong>s einzelne Stück davon eine Trouvaille und wert, mit beson<strong>de</strong>rer Aufmerksamkeit angehört, genossen zu wer<strong>de</strong>n. Das Spektrum <strong>de</strong>r hier vorgestellten Ausschnitte reicht von Catalanis „La Wally“ (berühmt wur<strong>de</strong> das „Ebben! Andró lontano“ durch <strong>de</strong>n französischen KinoKultklassiker „Diva“) aus <strong>de</strong>m Jahre 1892 bis zu Puccinis unvollen<strong>de</strong>ter letzter Oper „Turandot“ aus <strong>de</strong>m Jahre 1926, mit welcher <strong>de</strong>r Komponist bereits weit über <strong>de</strong>n Verismo hinaus auf die Musik <strong>de</strong>r Zweiten Wiener Schule verwies. Und wenn – wie in <strong>de</strong>m hinreißen<strong>de</strong>n Duett „Bevo al tuo fresco sorriso“ aus Puccinis „La rondine“ – sich „Deutschlands schönste Stimme“, Jonas Kaufmann, mit <strong>de</strong>rjenigen von „Americas beautiful voice“ mischt, bleiben nun wirklich keine Wünsche mehr offen. Andreas Kluge www.renee-fleming.<strong>de</strong> www.KlassikAkzente.<strong>de</strong> 11