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Daniel Hope Renée Fleming Danielle de Niese

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Titel<br />

Das Holz singt<br />

Measha Brueggergosman: Ich <strong>de</strong>nke ja, dass Singen viel leich-<br />

ter ist als Oboespielen. Und du hast bereits bei<strong>de</strong>s exzellent<br />

gemacht …<br />

Albrecht Mayer: Na ja, ich fürchte, von „bei<strong>de</strong>s exzellent gemacht“<br />

kann nicht wirklich die Re<strong>de</strong> sein. Als ich anfing, Gesang zu studieren,<br />

da hatte ich die Hoffnung, eines Tages Tenor zu wer<strong>de</strong>n.<br />

Aber meine Stimme ist dafür zu fragil. Als Stu<strong>de</strong>nt war ich an<br />

manchen Tagen sehr gut, aber oft auch das genaue Gegenteil. Nur<br />

in meinen Träumen habe ich eine so robuste Stimme, wie sie zum<br />

Beispiel das Genie Fritz Wun<strong>de</strong>rlich hatte. Ich hätte also, ohne je<br />

über die Stränge schlagen zu können, leben müssen, um überhaupt<br />

eine Chance zu haben. Insofern bin ich mit meiner Oboe sehr glücklich.<br />

Zumal da im besten Fall, wenn man ein bisschen lernt, seinen<br />

Körper wie ein Sänger einzusetzen, das Oboenspiel so etwas wie<br />

die Extension <strong>de</strong>s Singens ist.<br />

Brueggergosman: Dann lass’ uns über <strong>de</strong>n Klang <strong>de</strong>r Oboe im<br />

Verhältnis zur menschlichen Stimme sprechen. Wie schafft man es,<br />

auf <strong>de</strong>r Oboe zu klingen wie ein Mensch, <strong>de</strong>r singt?<br />

Mayer: Die meisten Instrumentalisten sprechen zwar darüber,<br />

„so zu spielen, wie man singt“, man hört das ständig, aber in <strong>de</strong>r<br />

Ausbildung wird lei<strong>de</strong>r viel zu selten gelehrt, worauf es dabei ankommt.<br />

Wie atmet ein Sänger? Wie benutzt er seine Stimmbän<strong>de</strong>r?<br />

Was hat es mit <strong>de</strong>r Stellung <strong>de</strong>s Kehlkopfs auf sich? Mit <strong>de</strong>n Resonanzräumen<br />

<strong>de</strong>s Körpers? Ein Bläser lernt das nicht. Nie. Das läuft<br />

mehr nach <strong>de</strong>m Motto: Nimm <strong>de</strong>in Instrument, blas rein, fertig,<br />

bumm, aus. Aber genau das – als Instrumentalist zu lernen, die<br />

Stimme zu benutzen –, das macht <strong>de</strong>n entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Unterschied<br />

aus.<br />

Brueggergosman: Du hast diese Prinzipien also als Sänger ent<strong>de</strong>ckt<br />

und dann auf die Oboe angewen<strong>de</strong>t …<br />

Mayer: Ja. Ein Beispiel: „Coperto“, ein Begriff aus <strong>de</strong>m Belcanto,<br />

<strong>de</strong>r „ge<strong>de</strong>cktes Singen“ meint. Das kann man auf <strong>de</strong>r Oboe auch<br />

machen. Damit verän<strong>de</strong>rt sich <strong>de</strong>r Klang in <strong>de</strong>r Höhe, <strong>de</strong>r normalerweise<br />

sehr spitz ist, ungemein. Hohe Töne klingen viel run<strong>de</strong>r, weil<br />

man Resonanzräume schafft, die vorher nicht da waren. Aber so<br />

etwas kann man nur machen, wenn man es als Sänger gelernt hat.<br />

Brueggergosman: Dein neues Album widmet sich erneut <strong>de</strong>r<br />

Musik Johann Sebastian Bachs, in <strong>de</strong>ssen Werken es häufig eine<br />

starke Verbindung von Gesang und Oboe gibt.<br />

Mayer: Bach hat die Oboe sehr geliebt und ständig eingesetzt,<br />

8 www.KlassikAkzente.<strong>de</strong><br />

auch die Oboe d’amore und sogar das Englischhorn. Das waren<br />

seine Lieblingsinstrumente neben <strong>de</strong>m Cembalo. Und in fast allen<br />

224 Kantaten gibt es Oboensoli. Oft fängt die Oboe an, eine Arie zu<br />

gestalten, dann erst kommt die Solostimme. Und ich habe insgeheim<br />

immer gedacht: Mensch, diese Stimme will ich spielen! Als<br />

ich dann mit meinem Arrangeur Andreas Tarkmann versucht habe,<br />

Übertragungen zu machen, haben wir schnell gemerkt, dass es<br />

perfekt funktioniert.<br />

Brueggergosman: Diese Transkriptionen klingen überhaupt nicht<br />

gewollt ...<br />

Mayer: Nein, es sollte klingen wie für die Oboe gemacht. Was<br />

wahrscheinlich auch <strong>de</strong>shalb möglich ist, weil Bach selbst immer<br />

wie<strong>de</strong>r seine Kompositionen und Melodien in allen möglichen Varianten<br />

eingesetzt hat. Und wir mussten nirgends etwas Substanzielles<br />

verän<strong>de</strong>rn. Unser Ziel war es stets, ganz behutsam mit Bachs<br />

erhabenen Meisterwerken umzugehen.<br />

Brueggergosman: Der Clou hier ist natürlich <strong>de</strong>r Chor. Im Zusammenspiel<br />

mit <strong>de</strong>r menschlichen Stimme hast du auf <strong>de</strong>inen CDs<br />

bisher noch nicht agiert.<br />

Mayer: Ich wollte das schon immer tun, und hier hat es jetzt einfach<br />

gepasst. Bach selbst hat in seinem Choralwerk öfters die Oboe mit<br />

einem Chor gepaart, o<strong>de</strong>r ihr die Rolle <strong>de</strong>s „Cantus firmus“, also<br />

einer feststehen<strong>de</strong>n Melodie, die dann begleitend umspielt wird,<br />

zugewiesen. In <strong>de</strong>r Kombination mit <strong>de</strong>m English Chamber Orchestra<br />

hat sich die englische Chorformation Trinity Baroque als perfekt<br />

für das erwiesen, was wir vorhatten. Der Chor ist ganz schlank besetzt,<br />

mit zwei Sängern pro Stimme fast schon solistisch. Es gibt<br />

auch Passagen, wo wir ganz auf das Orchester verzichtet haben<br />

und nur <strong>de</strong>r Chor und die Oboe zu hören sind. Wichtig war, dass wir<br />

es geschafft haben, je<strong>de</strong> Art von „Wettbewerb“ zwischen Chor und<br />

Oboe zu vermei<strong>de</strong>n. Wir wollten kein gegenseitiges Übertönen, kein<br />

Ringen um die musikalische Vorherrschaft, son<strong>de</strong>rn einen Dialog.<br />

www.measha-brueggergosman.<strong>de</strong><br />

Measha Brueggergosman<br />

Dass die Oboe <strong>de</strong>r menschlichen Stimme so nahekommen kann wie kein an<strong>de</strong>res Instrument,<br />

ist fast schon eine Binsenweisheit. Dass es aber auch in <strong>de</strong>r Ausführung und in <strong>de</strong>r Herangehensweise enorme<br />

Parallelen zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Disziplinen gibt, enthüllt Albrecht Mayer im KlassikAkzente-Interview<br />

mit <strong>de</strong>r Sopranistin Measha Brueggergosman.<br />

TV-Tipp: Ab September mo<strong>de</strong>riert Measha Brueggergosman<br />

regelmäßig die Sendung „arte-lounge“. Zu <strong>de</strong>n ersten Gästen<br />

zählen <strong>Daniel</strong> <strong>Hope</strong> und Albrecht Mayer.<br />

Termine: www.arte-lounge.com

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