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Daniel Hope Renée Fleming Danielle de Niese

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AUFBRUCH INS BAROCK<br />

Für KlassikAkzente sprach <strong>de</strong>r Publizist, Autor und Mo<strong>de</strong>rator Roger Willemsen mit <strong>de</strong>m Geiger <strong>Daniel</strong> <strong>Hope</strong> über<br />

<strong>de</strong>ssen neues Album „Air“ – einen „Blick ins Herz von Bach“.<br />

Roger Willemsen: <strong>Daniel</strong>, was<br />

ist ein Air?<br />

<strong>Daniel</strong> <strong>Hope</strong>: (lacht) Ein Air hat<br />

etwas vom Lied, vom Wiegenlied.<br />

Ich meine nicht die musikalische<br />

Struktur, son<strong>de</strong>rn in seiner<br />

Art und Weise zu singen, in diesem<br />

Fall auf <strong>de</strong>r Geige, und für<br />

mich ist die Geige das Instrument,<br />

das <strong>de</strong>r menschlichen<br />

Stimme am ähnlichsten ist. Dies<br />

Gesangliche zieht sich durch<br />

das ganze Album.<br />

Willemsen: Und das Air ist die<br />

Essenz?<br />

<strong>Hope</strong>: Es erlaubt <strong>de</strong>n Blick ins<br />

Herz von Bach, und es gibt wohl<br />

kaum einen Menschen, <strong>de</strong>r auf<br />

dieses eine Stück nicht stark reagiert<br />

– es trifft einen direkt.<br />

Willemsen: Weil es einfach<br />

wun<strong>de</strong>rschöne Musik ist?<br />

<strong>Hope</strong>: Nicht nur, son<strong>de</strong>rn auch<br />

weil innerhalb <strong>de</strong>r Bögen, die<br />

Bach kennzeichnen, diese melancholische<br />

Art erscheint. Genau<br />

so reflektiert das Stück die<br />

ganze Barockzeit.<br />

Willemsen: Es geht Ihnen also<br />

nicht um die Gattung, es geht<br />

um <strong>de</strong>n Geist <strong>de</strong>s Air?<br />

<strong>Hope</strong>: Absolut, es geht um das<br />

Gefühl, das mir das Air vermittelt.<br />

Es ist auch das Sinnliche darin,<br />

das ich zu vermitteln suche.<br />

Willemsen: Zu <strong>de</strong>n glücklichen<br />

Momenten <strong>de</strong>r Musik gehört es<br />

immer, wenn das Geräusch <strong>de</strong>r<br />

Welt heruntergedrosselt wird.<br />

Dies ist so ein Stück. In welcher<br />

Verfassung müssen Sie sein, es<br />

zu spielen?<br />

<strong>Hope</strong>: Absolute Ruhe muss da<br />

herrschen, sogar Intimität. Bei<br />

Air – Baroque Violin<br />

Deutsche grammophon<br />

CD 477 8094<br />

<strong>Daniel</strong> <strong>Hope</strong>, Violine<br />

Veröffentlichung: 18. September<br />

solchen Stücken ist die Schlichtheit<br />

das Beeindruckendste. Diese<br />

Einfachheit scheint mir heilig,<br />

<strong>de</strong>shalb muss ich in einer reduzierten<br />

und ganz losgelassenen<br />

Stimmung sein. Sollte ich nur einen<br />

Moment lang an meine Persönlichkeit<br />

<strong>de</strong>nken, wäre ich in<br />

<strong>de</strong>r Sekun<strong>de</strong> weg.<br />

Willemsen: Sie hätten es vor<br />

zehn Jahren nicht so spielen<br />

können?<br />

<strong>Hope</strong>: Nein, da hätte ich immer<br />

versucht, etwas daraus zu machen<br />

statt einfach zu schauen,<br />

was da ist. Die eigene Persönlichkeit<br />

zeigt sich nur im Durchgang<br />

durch diese Schlichtheit,<br />

diese Transparenz.<br />

Willemsen: Daher die „Luft“ im<br />

Air?<br />

<strong>Hope</strong>: Ja, die Luft ist zum Beispiel<br />

im Klang. Ich spiele das<br />

Stück sehr luftig, mit viel Bogen<br />

und wenig Druck. Das passt genau.<br />

Willemsen: Haben Sie es in<br />

einem einzigen Take aufgenommen?<br />

<strong>Hope</strong>: Aber ja, das kann man<br />

nicht an<strong>de</strong>rs machen – das<br />

heißt, man kann es machen,<br />

aber ich nicht. Es ist Kammermusik,<br />

die feinste Art, die Essenz<br />

<strong>de</strong>r Musik. Das kann man<br />

nicht stückeln.<br />

Willemsen: Die Stücke <strong>de</strong>s<br />

Albums hängen auch durch ein<br />

Flair zusammen, durch Ihre Weise,<br />

Barock zu verstehen. Was<br />

macht diese Musik so frisch für<br />

Sie?<br />

<strong>Hope</strong>: Der Umbruch fasziniert<br />

mich, man fühlt <strong>de</strong>n Aufbruch<br />

<strong>Daniel</strong> <strong>Hope</strong><br />

Wann darf ich klatschen?<br />

ein Wegweiser für Konzertgänger<br />

rowohlt<br />

iSBn 978-3-498-00665-5<br />

aus <strong>de</strong>r Renaissance­Zeit. Plötz­ auf diesem Album ja selbst mit<br />

lich treten da Einzelpersonen barockem Schlagzeug, Bass­<br />

hervor, Wan<strong>de</strong>rmusiker zum Beitrommel, Tamburin und an<strong>de</strong>spiel,<br />

die durch Europa ziehen rem. Diese Musik ist drei­, vier­<br />

und ganz an<strong>de</strong>re Musik mitbrinhun<strong>de</strong>rt Jahre alt, aber <strong>de</strong>r<br />

gen, wie Matteis. Es war eine Groove ist absolut mo<strong>de</strong>rn.<br />

Zeit <strong>de</strong>r Bewegung. Diese Musik Ich habe das Gefühl, dass man<br />

hat Vielfalt, Esprit, Vitalität, und im Barock mehr Risikobereit­<br />

vieles wur<strong>de</strong> durchaus auf <strong>de</strong>n schaft zeigte als in <strong>de</strong>r Renais­<br />

Effekt zugeschrieben. Man wollsance. Die Spontaneität, die<br />

te gefallen, wollte wie<strong>de</strong>r beauf­ zum Individuellen dazugehört,<br />

tragt wer<strong>de</strong>n.<br />

wur<strong>de</strong> frei und stark. Ich habe<br />

Willemsen: Nehmen wir Falco- so viel Musik für dieses Album<br />

nieri, <strong>de</strong>r an mehreren europä- studiert, so viel gehört und in<br />

ischen Höfen gastiert hat, nach Partituren verfolgt, und überall<br />

Portugal und Spanien kam – bin ich Individuen begegnet.<br />

heute wür<strong>de</strong>n wir „Weltmusik“ Willemsen: Wenn ich mir die<br />

nennen, was er vermittelte, Aufführungspraxis damals anse-<br />

o<strong>de</strong>r?<br />

he, könnte ich fragen: Nehmen<br />

<strong>Hope</strong>: Natürlich. Das sind die Sie diese Musik ernster, als sie<br />

großen Crossover­Pioniere, die sich selbst genommen hat?<br />

über die Horizonte schauten, <strong>Hope</strong>: (lacht) Schwer zu sagen –<br />

von überall Impulse aufnahmen wir können vermuten. Viele <strong>de</strong>r<br />

und sie zu ihrem eigenen Stil reisen<strong>de</strong>n Musiker haben die<br />

verschmolzen. Diese Leute hat­ Musik als täglich Brot gesehen,<br />

ten <strong>de</strong>n wahren Sinn <strong>de</strong>s Cross­ als Gel<strong>de</strong>rwerb. Sie wur<strong>de</strong>n<br />

over verstan<strong>de</strong>n, lange bevor es nicht angehimmelt wie später<br />

das Wort gab.<br />

Mozart und Beethoven, son<strong>de</strong>rn<br />

Willemsen: Musik aus einer Auf- sie sahen sich als Dienstleister<br />

bruchszeit also?<br />

für König o<strong>de</strong>r A<strong>de</strong>l, vor allem<br />

<strong>Hope</strong>: Und ob, und wie schön:<br />

Man höre sich nur die Stücke<br />

mit ihrer Tanzmusik.<br />

von Falconieri an, da ist Rhyth­ Lesen Sie die Fortsetzung<br />

mus drin, das hat einen Groove, <strong>de</strong>s Gesprächs unter<br />

ja, es ist „funky“ und hat eine<br />

hohe Improvisationsqualität. Es<br />

www.daniel-hope.<strong>de</strong><br />

war damals nicht Wunsch, es Zeitgleich zur neuen CD<br />

war Gesetz, dass man improvi­ erscheint auch das neue<br />

sieren konnte, genau wie beim Buch von <strong>Daniel</strong> <strong>Hope</strong><br />

Jazzmusiker.<br />

Willemsen: Der barocke Basso<br />

continuo und Keith Jarretts linke<br />

„Wann darf ich klatschen?“<br />

Hand sind also verschwistert?<br />

Spaß mit Satie:<br />

<strong>Hope</strong>: Unbedingt. Wir arbeiten<br />

JeAn yVeS THiBAuDeT<br />

www.KlassikAkzente.<strong>de</strong> 21

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