08.10.2013 Aufrufe

Der Stand der Dinge Theorie und Praxis eines ... - Kulturserver NRW

Der Stand der Dinge Theorie und Praxis eines ... - Kulturserver NRW

Der Stand der Dinge Theorie und Praxis eines ... - Kulturserver NRW

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

gebracht hat. Die nur mehr in Teilen existierende Schaufensterfront (eine geborstene<br />

Ecke ist mit Holz verrammelt) ist, wie in den letzten 20 Jahren des Leerstands dieses<br />

Lokals, von innen mit Packpapier verkleidet. Einige Zuschauer werden in das Innere<br />

des Lokals geleitet, die an<strong>der</strong>en bleiben draußen <strong>und</strong> schauen auf das Papier, bis es<br />

mit Beginn <strong>der</strong> Butoh-Performance zerrissen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Blick in das Lokal freigegeben<br />

wird. Zu sehen ist nun ein leerer, am Boden mit schwarzem, körnigen Material bestreuter<br />

Raum <strong>und</strong> auf einer etwas erhöhten Bühne im Schaufenster liegend ein (eigentlich<br />

nur fast) "nackter Mann!", wie es sich schnell in den umliegenden Teestuben<br />

herumspricht. Mit <strong>der</strong> bald darauf einsetzenden Musik – einer Mischung aus Industriegeräuschen<br />

<strong>und</strong> klassisch-musikalischen Tönen – sind zugleich Stimmen aus<br />

Bruckhausen: Zitate aus den geführten Gesprächen zu hören.<br />

<strong>Der</strong> nun einsetzende <strong>und</strong> über 20 Minuten andauernde Tanz von Harald Schulte<br />

konfrontiert die Betrachter mit einer von ihnen mehrheitlich wohl nie zuvor gesehenen<br />

Bewegungsform, die dennoch nicht so fern ihrer Realität gründet, wie gemeinhin<br />

vermutet. Erst gegen Ende <strong>der</strong> 1950er Jahre nämlich entstand im Japan <strong>der</strong> Nachkriegszeit<br />

<strong>der</strong> Butoh, ein mo<strong>der</strong>ner Tanz also, mit Wurzeln zwar im klassischen Noh<strong>und</strong><br />

Kabukitheater, aber ebenso im damals zeitgenössischen deutschen Ausdruckstanz<br />

<strong>und</strong> nicht zuletzt in <strong>der</strong> Körperlichkeit <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen landwirtschaftlichen <strong>und</strong><br />

industriellen Arbeit. Schockierend wirkt in diesem Tanz an diesem Ort also weniger<br />

eine unüberbrückbare Fremdheit in den Beweg-Gründen des Tänzers <strong>und</strong> seiner<br />

Betrachter, als die Expressivität des individuellen Ausdrucks, den <strong>der</strong> Butoh-Tanz<br />

anstrebt <strong>und</strong> den hier Harald Schulte im jahrelang verriegelten Schaufenster, im zwar<br />

noch von Montanindustrie umgebenen, auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> zu leistenden körperlichen<br />

Arbeit aber zugleich bereits weitgehend postindustriellen Bruckhausen für sich findet<br />

<strong>und</strong> für alle Bewohner dieses Ortes veröffentlicht – zu <strong>der</strong>en eigenen, Wort aber noch<br />

nicht körperlicher Ausdruck gewordenen, ihr Leiden konstatierenden aber (noch)<br />

nicht dagegen sich, wie <strong>der</strong> Körper des Tänzers, aufbäumenden Stimmen.<br />

2. Stadtteil-Führung<br />

<strong>Der</strong> Schauspieler Marcel Schäfer holt die Besucher <strong>der</strong> Butoh-Performance am Ladenlokal<br />

ab. Er führt sie über zwei Straßen <strong>und</strong> zwei Plätze zum Ort des dritten Teils<br />

<strong>der</strong> Aufführung, dem Kultur-Bunker am Heinrichplatz. Sich orientierend am studierten<br />

Wissen, aber auch in Aneignung <strong>der</strong> Kindheitserinnerungen <strong>eines</strong> in Bruckhausen<br />

aufgewachsenen Historikers, beschreibt er die heute sichtbare Außenseite des Ortes<br />

in seiner historischen Genese, läßt Vergangenheit <strong>und</strong> Gegenwart, objektives Wissen<br />

<strong>und</strong> subjektives Erleben in eins zusammenfallen. Das extremste Zusammenschießen<br />

dieser Ebenen geschieht auf einem Garagenhof, dem Platz, an dem früher<br />

das größte Theater Duisburgs (damals: Hamborns) stand. Bis zu seiner Zerstörung<br />

durch alliierte Bombenangriffe im zweiten Weltkrieg wurden hier Operetten aufgeführt.<br />

Diese historische Szenerie entsteht neu in einer zu den Klängen <strong>der</strong> letzten<br />

hier gezeigten Operette – Franz Lehars Land des Lächelns – pantomimisch gespielten<br />

Szene auf dem Dach genau <strong>der</strong> Garagenreihe, an <strong>der</strong>en <strong>Stand</strong>ort früher die<br />

Bühne begann. Das Licht zu dieser Szene erzeugt mit ihren Maschinen eine Moped-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!