Der Stand der Dinge Theorie und Praxis eines ... - Kulturserver NRW

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crew aus der Garage gegenüber. Der Lärm der Mopeds erinnert an den Lärm der bombardierenden Flugzeuge von 1943 und ist zugleich, wie die Abgase der Zweitakter, ein Zeichen aus der Gegenwart. Denn die Mopedfreaks sind nun einmal wirklich – und "Bruckhausen ist halt gewalttätig", wie spontan einer der Beleuchter seine Zustimmung zur vorgeschlagenen Szene begründete. Den Applaus der Operetten- Zuschauer unterbricht Marcel Schäfer mit der über den Lärm der Mopeds geschrieenen Information, daß noch vor der Premiere der Bruckhausener Land des Lächelns- Inszenierung der Librettist dieser Operette, der deutsche Jude Fritz Löhner-Beda, in Auschwitz ermordet wurde. Der Stadtteilrundgang endet im alten Nazi-Bunker am Heinrichplatz. 3. Theaterspiel im Bunker Ästhetisch verbleibt das abschließende Theaterspiel vielleicht am deutlichsten innerhalb präexistenter Formen. Inhaltlich unternimmt es den extremsten Versuch einer Einverleibung des zumeist von solchem Spiel getrennten realen Lebens. Die Texte der Schauspieler bestehen fast ausschließlich aus in den Gesprächen mit in Bruckhausen lebenden und/oder arbeitenden Menschen gewonnenen Aussagen, die Figuren sind Konglomerate aus den in jenen Gesprächen präsenten Charakteren. Eine Einfühlung im klassischen Sinne findet nicht statt, ebensowenig aber herrscht eine distanzierte Spielweise vor. Die auf der Bühne präsenten Figuren sind vielmehr Resultat einer sympathetischen Aneignung des Fremden, resultierend aus der Erfahrung vieler Berührungen dieses Fremden mit dem eigenen Erleben der Theatermacher. Aus welchem Impuls sich die das Spiel beendende gewaltsame Zerstörung der gesamten Bühnenszenerie ergibt: aus einem im Textmaterial erspürten Potential oder aus der eigenen Aggression angesichts des Scheiterns im Versuch, das Leid anderer zu erforschen, es zu nicht zu repräsentieren, aber es in die eigene Form aufzunehmen und so eine Anklage gegen seine Ursachen zu formulieren, diese Frage bleibt offen. Was bleibt dann? Was ist entstanden? Es bleibt der Auftrag, weiterhin den Standort der Peripherie einzunehmen. Und es bleibt der Auftrag zu steter Selbstreflexion der eigenen theoretischen und künstlerischen Praxis. Entstanden ist die Aufforderung, die eingegangene Arbeit in professioneller Weise fortzusetzen, Bedingungen herzustellen, die dafür nötig sind. Entstanden ist das Bewußtsein vom Maßstab Qualität: in einem gesellschaftlichen Kontext, der sich auf allen Ebenen auszeichnet durch Unreflektiertheit, Unprofessionalität, inkonsequentes Denken und daraus resultierend beliebiges bzw. in jeder Hinsicht systemkonformes Handeln. Es gilt präzise zu sein im Bemühen nach Erkenntnis und kompromißlos auf dem Weg dorthin und darin, ebenso präzise im Versuch, hierbei mit dem Wissen anderer zu arbeiten. Den Respekt vor dem Leid, dem Leben, dem Wissen der von den gesellschaftlich vorherrschenden Mechanismen Marginalisierten zu bewahren und noch zu steigern. Die eigene theoretische
Begriffsarbeit und künstlerische Formgebung demgegenüber gering zu achten und zugleich in höchstem Maße zu achten, als das Wertvollste, was nicht nur dem Theoretiker und dem Künstler gegeben ist im Bemühen, nicht nur (nicht selbst) verschuldetes Elend, sondern seinen Ursprung zu erkennen, ihn nicht nur zu erkennen, sondern ihn bloßzustellen und damit auch ihn und die von hier aus produzierten Effekte anzuklagen und weiter noch anzugreifen. Ohne die Illusion eines Tätersubjekts hinter all den zu durchschauenden Mechanismen und ohne die Illusion eines undeformiertüberlegenen Bewußtseins derer, die objektiv nur Opfer sind, vielmehr im Angesicht mit der Beschränktheit auch ihrer wie der eigenen Erkenntnisfähigkeit und in der Erwartung stetigen Scheiterns, trotzdem immer wieder neue Attacken zu fahren gegen die Ursachen des Elends dieser Welt. © Christian Schoppe, Stefan Schroer
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