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Der Stand der Dinge Theorie und Praxis eines ... - Kulturserver NRW

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Auf den weitgehenden Ausfall dieser beiden Reproduktionsmechanismen reagieren<br />

die disparaten Erwartungshaltungen, die die Zukunft des Stadtteil <strong>und</strong> seiner Bewohner<br />

betreffen. Sie umfassen die Erwartung <strong>eines</strong> sozialen "Sturmes" <strong>der</strong>er, die von<br />

Armut nicht in erster Linie physisch bedroht, son<strong>der</strong>n sozial ausgegrenzt sind, <strong>der</strong><br />

repressiv nicht kontrollierbar sein werde. Sie umfassen auch die Erwartung <strong>eines</strong><br />

weiter friedlichen Miteinan<strong>der</strong>s armer <strong>und</strong> weniger armer Bevölkerungsschichten, die<br />

jeweils im Rahmen ihrer Möglichkeiten konsumatorisch teilhaben <strong>und</strong> Nachbarschaftshilfe<br />

teilweise an die Stelle von Erwerbsarbeit setzen <strong>und</strong> so den Ausfall sozialer<br />

Bindekraft des Integrationsagenten Produktion durch Nachbarschaft <strong>und</strong> Stadtteilpatriotismus<br />

kompensieren können. Diese Erwartungshaltung koexistiert mit <strong>der</strong><br />

Beobachtung, zumindest die überflüssige Wohnbebauung würde durch Zuzug einkommensstärkerer<br />

Menschen (<strong>und</strong> einhergehende Renovierungen) refunktionalisiert<br />

mit dem Ergebnis einer Verdünnung <strong>der</strong> sozialen Probleme des Stadtteils ohne Verdrängung<br />

<strong>der</strong> (problematischen) Restbevölkerung. Zwischen beiden Erwartungshaltungen<br />

steht die <strong>der</strong>jenigen, die – sei es resignativ, sei es vorwurfsvoll – meinen, daß<br />

sich nichts än<strong>der</strong>n werde in Bruckhausen, ein wenig mehr Leere, ein wenig mehr<br />

Armut bevorstehe, aber "keine Entwicklung" zu sehen sei. In den letzten 10 Jahren<br />

nicht <strong>und</strong> auch nicht in den nächsten.<br />

Diese Haltung wird nicht nur von denjenigen vertreten, die sich selber ihrer Chancen<br />

beraubt o<strong>der</strong> nur aller Chancen ledig sehen. Auch <strong>der</strong> vermeintliche Außenblick <strong>der</strong>jenigen<br />

Anwohner, die als regulär Erwerbstätige für sich selbst Entwicklungsmöglichkeiten<br />

sehen, können solche für ihre marginalisierten Nachbarn nicht erkennen. Die<br />

aber sind in den Augen jener daran selbst schuld: "Je<strong>der</strong> kann Haifisch werden", d. h.<br />

mächtiges Subjekt, Mitglied einer herrschenden (Räuber-)Klasse. Dieses <strong>der</strong> Motivationsterminologie<br />

s<strong>eines</strong> Arbeitgebers entnommene Motto <strong>eines</strong> jungen Bruckhausener<br />

Kaufmannes unterstellt, daß alle (aus sich) machen können, was sie wollen. Und<br />

daß, wer nichts aus sich machen konnte, nicht genug wollte.<br />

Stadtteilmanagement, Schule<br />

<strong>Der</strong> Eindruck <strong>der</strong> Leere ist als Wissen <strong>der</strong>jenigen, die in Bruckhausen unter ihr leiden,<br />

nicht von außen zu bestreiten. Er wird nicht wi<strong>der</strong>legt, noch zum alles halb so<br />

schlimm abgemil<strong>der</strong>t durch die Erfahrungen etwa idyllisch-dörflichen Lebens, sozialen<br />

Zusammenhalts, geschäftiger Aktivität <strong>und</strong> Kreativität, bürgerschaftlichen Engagements<br />

<strong>und</strong> engagierter Karrieren im gleichen Stadtteil. Er macht diese auch nicht<br />

halb so schön. Positive wie negative Erfahrungen <strong>und</strong> Zustandsbeschreibungen sind<br />

auch nicht in ein Nebeneinan<strong>der</strong> aufzulösen. Sie gehen jeweils aufs Ganze, d. h. wi<strong>der</strong>legen<br />

einan<strong>der</strong> zwar nicht, doch wi<strong>der</strong>sprechen sie sich. Die Disparatheit <strong>der</strong> Eindrücke<br />

ist auch keine Frage <strong>der</strong> Perspektive, noch macht sie diese Eindrücke gleichberechtigt:<br />

Das Schöne bleibt partikular; das gesellschaftliche Ganze ist doppelt so<br />

schlimm.

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