Dokumentation Fachtag „Sucht und Familie“ - Agethur
Dokumentation Fachtag „Sucht und Familie“ - Agethur
Dokumentation Fachtag „Sucht und Familie“ - Agethur
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Dokumentation</strong><br />
<strong>Fachtag</strong> <strong>„Sucht</strong> <strong>und</strong> <strong>Familie“</strong><br />
Entwicklungswege für Kinder aus suchtbelasteten Familien<br />
in Thüringen<br />
am 16. Februar 2013<br />
Wissenschaftliche Leitung:<br />
Dr. med. Ekkehart D. Englert, HELIOS Klinikum Erfurt
<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />
Impressum:<br />
<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie – Entwicklungswege für Kinder aus suchtbelasteten<br />
Familien<br />
am 16. Februar 2013<br />
im HELIOS Klinikum Erfurt<br />
© Fachverband Drogen- <strong>und</strong> Suchthilfe e.V., Odeonstr. 14, 30159 Hannover,<br />
Tel.: 0511/ 18333, Fax: 0511/ 18 326, E-Mail: mail@fdr-online.info<br />
Verantwortlich: Charlotte Stamm<br />
Redaktion: Charlotte Stamm<br />
Bilder: Marina Knobloch<br />
Thüringer Fachstelle Suchtprävention<br />
Dubliner Str. 12, 99091 Erfurt<br />
Tel.: 0361/ 3 46 17 46<br />
Fax: 0361/ 3 46 20 23<br />
E-Mail: praevention@fdr-online.info<br />
www.thueringer-suchtpraevention.info<br />
Juni 2013<br />
Wir bedanken uns für die Förderung durch das<br />
Thüringer Ministerium für Soziales, Familie <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
Werner-Seelenbinder-Str. 6<br />
99096 Erfurt<br />
HELIOS Klinikum Erfurt<br />
Nordhäuser Str. 74<br />
99089 Erfurt<br />
Wir bedanken uns außerdem für die Unterstützung des „R<strong>und</strong>en Tisches Kinder aus suchtbelasteten<br />
Familien in Thüringen“.<br />
SiT<br />
S u c h t h i l f e in T h ü r i n g e n<br />
gemeinnützige<br />
Gesellschaft mbH<br />
Eine gemeinsame Veranstaltung der Thüringer Fachstelle Suchtprävention, des Helios-Klinikums Erfurt,<br />
der Landesvereinigung für Ges<strong>und</strong>heitsförderung Thüringen e.V. <strong>und</strong> des Thüringer Ministeriums<br />
für Soziales, Familie <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit im Rahmen des Thüringer Ges<strong>und</strong>heitszieleprozesses <strong>und</strong> der<br />
b<strong>und</strong>esweiten Aktionswoche für Kinder aus Suchtfamilien<br />
23
Inhalt<br />
<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />
Eröffnung der Veranstaltung .............................................................................................. 2<br />
Moderation der Veranstaltung ............................................................................................ 3<br />
Grußworte zum <strong>Fachtag</strong> ..................................................................................................... 4<br />
1. Dr. med. Ekkehart D. Englert: Drogenkonsum in der Schwangerschaft –<br />
Medizin im Blick ......................................................................................................... 7<br />
2. Dr. med. Eva Hammerstein: Psychosoziale Ressourcen – Familie im Blick ........ 15<br />
3. Christa Gattwinkel: Von einer Idee zu einer festen Einrichtung – Praxis im<br />
Blick .......................................................................................................................... 25<br />
4. Thüringen im Blick – Modellprojekte stellen sich vor ............................................ 32<br />
4.1 Charlotte Stamm: Der R<strong>und</strong>e Tisch Kinder aus suchtbelasteten Familien .................. 32<br />
4.2 Susanne Ilgen: Projekt „Kunterbunt“ - CWS GmbH .................................................... 33<br />
4.3 Jana Danzer: Projekt „mamamia“ Wendepunkt e.V. ................................................... 36<br />
4.4 Beate Kühnel & Lisa Schilling: Projekt „Jonathan“ - sabit e.V./SiT - Suchthilfe in<br />
Thüringen gGmbH ...................................................................................................... 38<br />
5. Praktisches „zum Anfassen“ - Fragecafé ............................................................... 41<br />
5.1 Gruppe 1 unter der Leitung von Projekt „Kunterbunt“ ................................................. 41<br />
5.2 Gruppe 2 <strong>und</strong> 3 unter der Leitung von Projekt „mamamia“ ......................................... 42<br />
5.3 Gruppe 4 unter der Leitung von Projekt „Jonathan“ .................................................... 44<br />
5.4 Fragecafé <strong>und</strong> Abschluss der Veranstaltung .............................................................. 46<br />
6. Kontakte der Referenten <strong>und</strong> Ansprechpartner ..................................................... 47<br />
1
Eröffnung der Veranstaltung<br />
Charlotte Stamm<br />
<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />
Mahr als 2,6 Mio. Kinder in Deutschland,<br />
über 48.700 Kinder in Thüringen leben in<br />
von Suchtkrankheit belasteten Familien.<br />
Ein Drittel dieser Kinder wird im Erwachsenenalter<br />
stofflich abhängig, ein Drittel<br />
dieser Kinder entwickelt psychische Störungen,<br />
ein Drittel kommt scheinbar ohne<br />
sichtbare Schädigungen davon.<br />
Sehr geehrte Damen <strong>und</strong> Herren, mein<br />
Name ist Charlotte Stamm. Im Namen der<br />
Thüringer Fachstelle Suchtprävention <strong>und</strong><br />
des Fachverbandes Drogen- <strong>und</strong> Suchthilfe<br />
e.V. begrüße ich Sie zur <strong>Fachtag</strong>ung<br />
<strong>„Sucht</strong> <strong>und</strong> Familie – Entwicklungswege<br />
für Kinder aus suchtbelasteten Familien in<br />
Thüringen“.<br />
2<br />
Ich begrüße insbesondere Staatssekretär<br />
Dr. Schubert, Frau Menzel-Zerkaulen,<br />
Frau Oehme-Fischer <strong>und</strong> Herrn Deutsch<br />
vom Thüringer Ministerium für Soziales,<br />
Familie <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit, Herrn Dr. Englert,<br />
Chefarzt der Kinder- <strong>und</strong> Jugendpsychiatrie<br />
des Helios Klinikums in Erfurt <strong>und</strong> Frau<br />
Hähnel, Geschäftsführerin der AGETHUR.<br />
Seien Sie herzlich willkommen.<br />
Die <strong>Fachtag</strong>ung ist eine gemeinsame Veranstaltung<br />
des Helios-Klinikums Erfurt, der<br />
Landesvereinigung – AGETHUR <strong>und</strong> der<br />
Thüringer Fachstelle Suchtprävention im<br />
Rahmen der B<strong>und</strong>esaktionswoche für Kinder<br />
aus suchtbelasteten Familien <strong>und</strong> des<br />
Thüringer Ges<strong>und</strong>heitszieleprozesses.<br />
Mein Dank gilt allen, die bei der Vorbereitung<br />
<strong>und</strong> Organisation der Veranstaltung<br />
geholfen haben – insbesondere Herrn Dr.<br />
Englert <strong>und</strong> dem Thüringer Ministerium für<br />
Soziales, Familie <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit für die<br />
finanzielle Unterstützung.<br />
Nun lassen Sie uns gemeinsam vergessenen<br />
Kindern eine Stimme geben. Begrüßen<br />
Sie mit mir die Moderatorin des ersten<br />
Teils der Veranstaltung Dr. Victoria Obbarius.
Moderation der Veranstaltung<br />
Dr. Victoria Obbarius<br />
<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />
Ich möchte Sie auch nochmal ganz herzlich<br />
zu der heutigen Veranstaltung begrüßen!<br />
Ich freue mich sehr, dass Sie an diesem<br />
Samstag so zahlreich hier ins Helios-<br />
Klinikum gekommen sind, um mit uns gemeinsam<br />
über dieses wichtige Thema zu<br />
diskutieren.<br />
Wie Frau Stamm schon sagte, bin ich Mitarbeiterin<br />
bei der Landesvereinigung für<br />
Ges<strong>und</strong>heitsförderung Thüringen <strong>und</strong> koordiniere<br />
dort das Projekt „Psychische<br />
Ges<strong>und</strong>heit“ im Thüringer Ges<strong>und</strong>heitszieleprozess.<br />
Einer der Schwerpunkte dieses<br />
Projektes ist die Sensibilisierung von Akteuren<br />
<strong>und</strong> Fachkräften des Ges<strong>und</strong>heits-,<br />
Sozial- <strong>und</strong> Bildungswesens für die Notwendigkeit<br />
der Förderung psychischer<br />
Ges<strong>und</strong>heit in allen Lebensbereichen <strong>und</strong><br />
Altersgruppen. Dazu zählen natürlich auch<br />
besondere Zielgruppen wie die Kinder aus<br />
Suchtfamilien, die uns heute beschäftigen<br />
<strong>und</strong> deren psychosoziale Ressourcen von<br />
großer Bedeutung für ihre Entwicklung<br />
sind.<br />
Die AGETHUR hat darüber hinaus auch<br />
die Aufgabe der Koordinierungs- bzw. Geschäftsstelle<br />
des Thüringer Ges<strong>und</strong>heitszieleprozesses.<br />
Aus diesem Gr<strong>und</strong> sind<br />
3<br />
wir unter anderem auch in die Arbeit des<br />
Ges<strong>und</strong>heitszielbereichs <strong>„Sucht</strong>mittelmissbrauch<br />
reduzieren“ eingeb<strong>und</strong>en.<br />
Diese Arbeitsgruppe hatte im letzten Jahr<br />
ihren Schwerpunkt auf dem Thema „Kinder<br />
aus suchtbelasteten Familien“. Wenn<br />
Sie genaue Informationen zu den Zielen<br />
<strong>und</strong> Schwerpunkten dieser Arbeitsgruppe<br />
sowie zum Thüringer Ges<strong>und</strong>heitszieleprozess<br />
im Allgemeinen erhalten wollen,<br />
können Sie sich gerne am Stand der<br />
AGETHUR (www.agethur.de) informieren.<br />
Ich möchte nun gerne mit Ihnen in unser<br />
interessantes Programm für den heutigen<br />
Tag starten. Wir beginnen mit den Grußworten<br />
durch Herrn Dr. Ekkehart Englert,<br />
Chefarzt der Klinik für Kinder- <strong>und</strong> Jugendpsychiatrie<br />
<strong>und</strong> Psychotherapie hier<br />
im Helios Klinikum Erfurt sowie durch den<br />
Staatssekretär des Thüringer Ministeriums<br />
für Soziales, Familie <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit,<br />
Herrn Dr. Hartmut Schubert.<br />
Im Anschluss an die beiden Grußworte<br />
wird es zwei interessante Vorträge zum<br />
Thema geben. Die Mittagspause ist für<br />
12.30 Uhr geplant. Sie sind herzlich eingeladen,<br />
in der Pause einen kleinen Imbiss<br />
hier vor dem Raum einzunehmen, sich die<br />
Informationsstände anzusehen <strong>und</strong> miteinander<br />
in den Austausch zu treten.<br />
Nach der Stärkung machen wir dann mit<br />
dem ebenso spannenden <strong>und</strong> praxisorientierten<br />
Nachmittagsprogramm weiter,<br />
durch das uns Herr Dr. Englert führen<br />
wird. Ich wünsche uns nun allen eine gute<br />
Veranstaltung <strong>und</strong> übergebe das Wort an<br />
Herrn Dr. Englert <strong>und</strong> anschließend an<br />
Herrn Dr. Schubert.
Grußworte zum <strong>Fachtag</strong><br />
Grußwort Dr. Ekkehart Englert<br />
Dr. Ekkehart Englert<br />
<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />
Sehr geehrte Damen <strong>und</strong> Herren, ich darf<br />
Sie ganz herzlich willkommen heißen, hier<br />
in unserem HELIOS Klinikum Erfurt. Ich<br />
freue mich, dass wir hier im Raum eine<br />
Mischung der verschiedensten Professionen<br />
versammelt haben: Ärzte, Psychologen,<br />
Lehrer, Sozialarbeiter, Vertreter der<br />
Landespolitik. Denn unserem heutigen<br />
Tagungsthema können wir nur mit einer<br />
interdisziplinären Sichtweise gerecht werden.<br />
Suchtbelastete Familien benötigen ein<br />
multiprofessionelles Helfersystem, daher<br />
ist es wichtig, dass wir über alle berufspolitischen<br />
Grenzen hinweg miteinander<br />
kommunizieren. Dazu soll dieser <strong>Fachtag</strong><br />
einen Beitrag leisten.<br />
Ich möchte mich an dieser Stelle auch bei<br />
der Geschäftsführung unseres Klinikums<br />
bedanken, die durch die großzügige finanzielle<br />
Unterstützung eine besonders gute<br />
Pausenversorgung ermöglicht hat.<br />
4<br />
Grußwort des Thüringer Staatssekretärs<br />
für Soziales, Familie <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit, Dr.<br />
Hartmut Schubert<br />
Dr. Hartmut Schubert<br />
Sehr geehrte Damen <strong>und</strong> Herren, ich freue<br />
mich, Sie heute zur <strong>Fachtag</strong>ung <strong>„Sucht</strong><br />
<strong>und</strong> Familie – Entwicklungswege für Kinder<br />
aus suchtbelasteten Familien in Thüringen“<br />
begrüßen zu dürfen <strong>und</strong> bedanke<br />
mich für die Einladung.<br />
Sucht ist ein gesellschaftliches Phänomen,<br />
dem wir uns mit allen Mitteln <strong>und</strong> Kräften<br />
stellen müssen. Sucht begegnet uns in<br />
verschiedenen Zusammenhängen <strong>und</strong><br />
Ausprägungen, sei es nun Alkohol-, Drogen-<br />
oder Arbeitssucht.<br />
Es gibt Spiel-, Sex <strong>und</strong> Internetsucht, bei<br />
fast allen Lebensäußerungen besteht auch<br />
die Gefahr, davon abhängig zu werden.<br />
Das Spektrum <strong>und</strong> somit die Gefahr ist<br />
also groß.<br />
Als Staatssekretär, der die Bereiche Soziales,<br />
Familie <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit vertritt,<br />
erlebe ich immer wieder, dass Sucht eine<br />
bedeutsame sozial-, familien- <strong>und</strong><br />
ges<strong>und</strong>heitspolitische Herausforderung<br />
darstellt. Denn Sucht zerstört die sozialen<br />
Bezüge, macht Familien kaputt <strong>und</strong> ruiniert<br />
die Ges<strong>und</strong>heit. Sie verursacht für<br />
den Einzelnen Leid <strong>und</strong> Not <strong>und</strong> kostet die<br />
Gesellschaft enorme Summen.<br />
Sehr geehrte Damen <strong>und</strong> Herren, damit<br />
komme ich zur Bedeutung der heutigen<br />
<strong>Fachtag</strong>ung.
<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />
Das Thema „Kinder aus suchtbelasteten<br />
Familien“ gehört zu den Hauptfeldern der<br />
Thüringer Präventionsarbeit. Wie bereits in<br />
den letzten Jahren beteiligt sich Thüringen<br />
auch 2013 wieder an der b<strong>und</strong>esweiten<br />
Aktionswoche.<br />
Kinder sind unsere Zukunft – das ist offensichtlich.<br />
Goethe sagte einmal „Zwei Dinge<br />
sollen Kinder von ihren Eltern bekommen:<br />
Wurzeln <strong>und</strong> Flügel“. Die Problemlagen in<br />
von Suchtkrankheit belasteten Familien<br />
sind sehr individuell. Doch Wurzeln wie<br />
Geborgenheit, Sicherheit, Liebe, Zuverlässigkeit<br />
<strong>und</strong> Aufmerksamkeit können den<br />
Kindern vielfach nicht gegeben werden.<br />
Die Thüringer Landesregierung setzt sich<br />
seit mehreren Jahren unter anderem<br />
durch die Förderung von besonderen<br />
Gruppenangeboten für diese Kinder ein.<br />
Hier können Kinder <strong>und</strong> Jugendliche<br />
suchtkranker Eltern über ihre Sorgen<br />
sprechen <strong>und</strong> lernen wieder Kind zu sein.<br />
Die drei Thüringer Modellprojekte „Kunterbunt“<br />
in Schmalkalden, „Mamamia“ in Eisenberg<br />
<strong>und</strong> „Jonathan“ in Erfurt sind<br />
nachahmenswerte Beispiele in der Arbeit<br />
mit Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen aus von<br />
Suchtkrankheit belasteten Familien.<br />
Für diese Beratungslandschaft mit ihren<br />
verschiedenen Angeboten für Menschen<br />
in Konflikt- <strong>und</strong> Notlagen haben wir uns in<br />
den vergangenen Haushaltsberatungen<br />
immer stark gemacht. Es ist dem Thüringer<br />
Sozialministerium gelungen, harte<br />
Schnitte abzuwehren.<br />
Sehr geehrte Damen <strong>und</strong> Herren, um Kinder<br />
in ihrer Notlage wahrzunehmen <strong>und</strong><br />
ihnen Hilfe anbieten zu können, ist eine<br />
institutionenübergreifende Zusammenarbeit<br />
von entscheidender Bedeutung.<br />
Ich bin der Ansicht, diese Zusammenarbeit<br />
muss bspw. zwischen den verschiedenen<br />
Hilfesystemen, wie der Jugend- <strong>und</strong><br />
Suchthilfe, noch intensiviert werden. Bestehende<br />
Ressourcen werden auf diesem<br />
Wege freigesetzt <strong>und</strong> erleichtern so die<br />
5<br />
Arbeit mit der Zielgruppe, unseren Kindern.<br />
Ich freue mich darüber, heute durch die<br />
Informationsstände ein bereits bestehendes<br />
Thüringer Hilfesystem zu sehen. Diese<br />
<strong>Fachtag</strong>ung bietet die Möglichkeit sich<br />
zu informieren <strong>und</strong> miteinander ins Gespräch<br />
zu kommen.<br />
Sehr geehrte Damen <strong>und</strong> Herren, in diesem<br />
Zusammenhang möchte ich auch<br />
noch die Schulsozialarbeit ansprechen,<br />
die in den Haushaltsverhandlungen eine<br />
wesentliche Rolle gespielt hat.<br />
Der Thüringer Ministerin für Soziales, Familie<br />
<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit, Heike Taubert<br />
(SPD), ist es gelungen, den Kommunen<br />
eine zusätzliche, verlässliche Finanzierung<br />
für Schulsozialarbeit zu ermöglichen.<br />
Schulsozialarbeit ist eine wirksame präventive<br />
Leistung der Jugendhilfe für benachteiligte<br />
Kinder <strong>und</strong> Jugendliche sowie<br />
deren Familien. Sie ist damit ein wichtiges<br />
Angebot zur Bekämpfung von Kinderarmut<br />
<strong>und</strong> zur Gewährleistung gesellschaftlicher<br />
Teilhabe.<br />
In den Schulen erreichen wir alle Kinder.<br />
Dort wird maßgeblich über deren künftige<br />
Chancen entschieden. Für uns sind deshalb<br />
die Sicherung <strong>und</strong> der Ausbau der<br />
Schulsozialarbeit eine unverzichtbare sozialpolitische<br />
Leistung.<br />
Bezogen auf das Thema Sucht heißt das:<br />
Wenn ich früh Probleme bei Kindern <strong>und</strong><br />
Jugendlichen erkenne, dann kann ich<br />
schnell <strong>und</strong> angemessen reagieren. Und<br />
muss später nicht mit viel Geld <strong>und</strong> höherem<br />
Aufwand reparieren, was ich durch<br />
rechtzeitiges <strong>und</strong> wirksames Handeln hätte<br />
verhindern können. Etwa durch Schulsozialarbeit.<br />
Sehr geehrte Damen <strong>und</strong> Herren, die heutige<br />
<strong>Fachtag</strong>ung, veranstaltet von der Thüringer<br />
Fachstelle Suchtprävention des<br />
Fachverbandes Drogen- <strong>und</strong> Suchthilfe<br />
e.V., dem Helios Klinikum Erfurt <strong>und</strong> der<br />
Landesvereinigung für Ges<strong>und</strong>heitsförderung<br />
Thüringen e.V. - AGETHUR ist ein
<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />
Beispiel guter fach- <strong>und</strong> trägerübergreifender<br />
Zusammenarbeit.<br />
Ich bin überzeugt, dass sie dazu beiträgt,<br />
auf das Thema aufmerksam zu machen<br />
<strong>und</strong> zum Handeln ermutigt. In diesem Sinne<br />
ermutige ich Sie: Geben Sie „vergessenen<br />
Kindern“ eine Stimme.<br />
6<br />
Werden Sie Botschafter <strong>und</strong> tragen Sie<br />
Ihre heute gewonnenen Erkenntnisse in<br />
die Welt.<br />
Ich wünsche Ihnen eine interessante<br />
<strong>Fachtag</strong>ung!<br />
Vielen Dank.
<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />
1. Dr. med. Ekkehart D. Englert<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft<br />
– Medizin im Blick<br />
Die Schwangerschaft<br />
Drogenkonsum<br />
in der<br />
Schwangerschaft<br />
Dr. med. Ekkehart D. Englert<br />
Klinik für Kinder- <strong>und</strong> Jugendpsychiatrie,<br />
Psychotherapie <strong>und</strong> Psychosomatik<br />
HELIOS Klinikum Erfurt<br />
• Die meisten Autoren beschreiben eine erhöhte Rate an<br />
Schwangerschaftskomplikationen.<br />
• Häufig riskantes Sexualverhalten mit entsprechenden<br />
Infektionsrisiken:<br />
- venerischen Infektionen (z. B. Gonorrhoe),<br />
- Papillomavirusinfektion<br />
- Hepatitis-B / C-Infektion<br />
- HIV-Infektion.<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
Häufigkeit des<br />
Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />
Australische Untersuchung von Kennare et al. (2005):<br />
Repräsentative Datenerhebung von fast 90.000<br />
Schwangeren:<br />
• in 0,8% aller Fälle Konsum illegaler Drogen.<br />
Davon die am häufigsten missbrauchten Drogen:<br />
- Marihuana (39%),<br />
- Methadon (30%),<br />
- Amphetamine (14,6%) <strong>und</strong><br />
- Heroin (12,5%)<br />
- in 18,8% ein polyvalenter Drogengebrauch.<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
3<br />
5<br />
7<br />
Die Schwangerschaft<br />
• Für viele suchtmittelabhängige Frauen ist die<br />
Schwangerschaft ein unerwartetes <strong>und</strong> ungeplantes<br />
Ereignis.<br />
• Eine Schwangerschaft wird aufgr<strong>und</strong> der unter<br />
fortgesetztem Substanzkonsum häufigen Amenorrhoe<br />
bzw. Zyklusunregelmäßigkeiten erst spät bemerkt.<br />
• Die Mehrzahl setzt den Substanzkonsum in der<br />
Schwangerschaft <strong>und</strong> auch nach der Geburt fort.<br />
• Die meisten substanzabhängigen Frauen<br />
vernachlässigen ihre Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> bemühen sich<br />
kaum um eine adäquate Schwangerschaftsvorsorge.<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
Psychosoziale Bedingungen<br />
• Die Partnerbeziehungen drogenabhängiger Frauen sind<br />
instabil,<br />
• nur jeder zehnte Drogenkonsument ist verheiratet,<br />
• aber ca. ein Drittel der Frauen hat mindestens ein Kind.<br />
• Weibliche Drogenabhängige sind häufiger mit gleichfalls<br />
drogenabhängigen Partnern zusammen als männliche,<br />
was gleichzeitig die biologischen <strong>und</strong> die psychosozialen<br />
Risiken für die Kinder dieser Mütter vergrößert.<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
Häufigkeit des<br />
Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />
Australische Untersuchung von Kennare et al. (2005):<br />
Repräsentative Datenerhebung von fast 90.000<br />
Schwangeren:<br />
• Substanzmissbrauchende Mütter waren in dieser<br />
Untersuchung mit einer höheren Wahrscheinlichkeit<br />
gleichzeitig auch:<br />
- Raucher,<br />
- allein stehend,<br />
- hatten einen niedrigeren sozio-ökonomischen Status,<br />
- lebten in städtischen Einzugsgebieten <strong>und</strong><br />
- zeigten mit einer höheren Wahrscheinlichkeit auch psychiatrische<br />
Symptome.<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
2<br />
4<br />
6
Häufigkeit des<br />
Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />
<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />
• Wolstein et al. (1999) berichten aus Essen, dass an der<br />
dortigen Universitätsfrauenklinik<br />
2,2% der entb<strong>und</strong>enen Frauen nach eigenen Angaben<br />
opiatabhängig waren;<br />
• in der psychiatrischen Ambulanz der Rheinischen<br />
Kliniken hatten 56% der wegen Drogenabhängigkeit<br />
behandelten Frauen eigene Kinder (Wolstein et al., 1999).<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
Exkurs:<br />
Pathophysiologie<br />
• Unter „Embryopathie“ versteht man eine Schädigung des<br />
Embryos während der ersten 12 Schwangerschaftswochen<br />
durch<br />
- zu Fehlbildungen führende (sogenannte teratogene) Substanzen,<br />
- Infektionen oder<br />
- physikalische Effekte (z. B. Strahlung).<br />
• Zu den häufigsten <strong>und</strong> bekanntesten Embryopathien gehören<br />
- die Rötelnembryopathie,<br />
- die Thalidomid- (Contergan ® ) Embryopathie <strong>und</strong><br />
- die Alkoholembryopathie.<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
Exkurs:<br />
Pathophysiologie<br />
Alter der<br />
Frucht in<br />
Wochen<br />
1<br />
2½<br />
Entwicklungsstadium Mögliche schädigende Auswirkung<br />
• Einnistung des<br />
Keimbläschens<br />
• Embryo:<br />
Anlage der Organe<br />
12 • Fetus:<br />
Wachstum <strong>und</strong><br />
24<br />
Ausreifung<br />
38 • Geburt<br />
Fruchttod<br />
Missbildung<br />
Funktionsstörung<br />
vorzeitige Plazentalösung, vorzeitiger<br />
Blasensprung<br />
Verfrühte/verzögerte Wehentätigkeit,<br />
fehlender Muskeltonus bei Mutter <strong>und</strong> Kind<br />
38 ff. • Stillzeit Übergang von Drogen in die Muttermilch<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
Exkurs:<br />
Pathophysiologie<br />
• Ein deutlich „durchlässigeres“<br />
Membransystem stellt die<br />
sogenannte Plazenta-<br />
Schranke dar, die den<br />
mütterlichen vom fetalen<br />
Kreislauf trennt.<br />
• Die meisten Pharmaka<br />
können in der Plazenta vom<br />
mütterlichen Blut in das Blut<br />
des Kindes gelangen<br />
(Plazentagängigkeit).<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
7<br />
9<br />
11<br />
13<br />
8<br />
Exkurs<br />
PATHOPHYSIOLOGIE<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
Exkurs:<br />
Pathophysiologie<br />
• Jedes Organ durchläuft während der Embryonalentwicklung<br />
Phasen, in denen es besonders störanfällig<br />
in seiner Entwicklung ist.<br />
• Je nach Stand der Embryonalentwicklung können dabei<br />
exogene Einflüsse<br />
- den Tod,<br />
- Missbildungen unterschiedlichen Schweregrades,<br />
- Entwicklungsretardierungen oder<br />
- funktionelle Defekte<br />
auslösen.<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
Exkurs:<br />
Pathophysiologie<br />
• Die verschiedenen Kompartimente des menschlichen<br />
Organismus sind durch Membranen voneinander getrennt, die<br />
bestimmen, welche Substanzen von dem einen in das andere<br />
übertreten können.<br />
• Sie üben damit wichtige Filtrations- <strong>und</strong> Schutzfunktionen aus<br />
<strong>und</strong> verfügen über bestimmte Transportmechanismen.<br />
• Ein solches Membransystem stellt die so genannte Blut-<br />
Liquor-Schranke dar.<br />
• Alle Stoffe, die direkt auf das Zentralnervensystem einwirken,<br />
müssen zunächst diese Schranke überwinden, um an ihren<br />
Wirkort zu gelangen.<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
Exkurs:<br />
Pathophysiologie<br />
M E R K E:<br />
• Alle Substanzen, die auf die Psyche wirken, also<br />
die Blut-Liquor-Schranke überwinden, sind auch<br />
plazentagängig!<br />
• Das Ungeborene konsumiert immer mit!<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
8<br />
10<br />
12<br />
14
Auswirkungen des<br />
Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />
Potentielle Auswirkungen:<br />
• Teratogenität,<br />
• direkte toxische Wirkung der Substanz,<br />
• Induktion funktioneller Störungen (ohne<br />
morphologisches Substrat),<br />
• ungünstige Einflüsse auf die Schwangerschaft,<br />
• ungünstige Einflüsse auf den Geburtsprozess,<br />
<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />
• mit dem Stillen verb<strong>und</strong>ene Risiken beim Übergang<br />
der Substanz in die Muttermilch.<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
Auswirkungen des<br />
Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />
Alkohol<br />
• Eindeutig teratogene Wirkung,<br />
• 2.000 – 3.000 Kinder werden jährlich mit „Fetalem<br />
Alkohol Syndrom“ (FAS) geboren,<br />
• 10.000 – 15.000 Kinder pro Jahr leiden unter<br />
angeborenen Alkoholfolgen, sog. „Fetalen Alkohol<br />
Effekten“ (FAE),<br />
• Alkohol ist die häufigste exogene Ursache für<br />
angeborene Intelligenzminderungen <strong>und</strong><br />
Fehlbildungen!<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
Auswirkungen des<br />
Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />
Fetales Alkohol Syndrom (FAS)<br />
Symptome Häufigkeit<br />
• Intrauteriner Minderwuchs 90%<br />
• Statomotorische <strong>und</strong> mentale Retardierung 88%<br />
• Mikrozephalus 85%<br />
• Anomale Handfurchen 76%<br />
• Hypoplasie der Mandibel 74%<br />
• Nasolabialfalten 72%<br />
• Hyperaktivität 71%<br />
• Epikanthus 69%<br />
• Schmales Lippenrot 64%<br />
• Verkürzter Nasenrücken 53%<br />
• Steißbeingrübchen 47%<br />
• Anomalien des Genitales 46%<br />
• Ptosis 45%<br />
• Hoher Gaumen 38%<br />
• Antimongoloide Lidachsen 32%<br />
• Trichterbrust 30%<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
• Herzfehler 29%<br />
Auswirkungen des<br />
Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />
Fetales Alkohol Syndrom (FAS)<br />
• Grad I:<br />
- oligosymptomatische Fälle mit<br />
- fehlender bis leichter geistiger Retardierung,<br />
- Minderwuchs,<br />
- Mikrozephalie,<br />
- Untergewicht<br />
• Grad II:<br />
- mittelschwer betroffene Kinder mit<br />
- mäßiger geistiger Retardierung,<br />
- leichter kraniofazialer Dysmorphie,<br />
- Hyperexzitabilität<br />
• Grad III:<br />
- schwerstbetroffene Patienten mit fast allen Symptomen<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
15<br />
17<br />
19<br />
21<br />
9<br />
Auswirkungen des<br />
Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />
SUBSTANZSPEZIFISCHE EFFEKTE<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
Auswirkungen des<br />
Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />
Alkohol<br />
• Vor genau 40 Jahren beschrieben Jones <strong>und</strong> Smith<br />
(1973) in den USA ein auffälliges Muster kraniofazialer<br />
Anomalien <strong>und</strong> zentralnervöse Dysfunktionen an elf<br />
Kindern, deren Mütter chronisch alkoholkrank waren <strong>und</strong><br />
während der Schwangerschaft getrunken hatten.<br />
• Sie prägten den Begriff „fetal alcohol-syndrome“ (FAS).<br />
• Durch diese Veröffentlichung im „Lancet“ 1973 wurde<br />
das Fetale Alkohol-Syndrom (FAS) weltweit bekannt <strong>und</strong><br />
bald als eine der wichtigsten Ursachen für eine<br />
angeborene geistige Entwicklungsstörung erkannt.<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
Auswirkungen des<br />
Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />
Fetales Alkohol Syndrom (FAS)<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
Auswirkungen des<br />
Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />
Fetales Alkohol Syndrom (FAS)<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
16<br />
18<br />
20<br />
22
Auswirkungen des<br />
Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />
Fetales Alkohol Syndrom (FAS)<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
Auswirkungen des<br />
Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />
Fetales Alkohol Syndrom (FAS)<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
Auswirkungen des<br />
Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />
Fetale Alkohol Effekte (FAE)<br />
<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />
• Die Alkoholembryopathie stellt nur einen Teilbereich des<br />
Spektrums an kindlichen Alkoholschädigungen dar.<br />
• Die Zahl der Alkoholeffekte <strong>und</strong> die Prävalenz der Kinder<br />
mit verdächtigen alkoholbedingten<br />
Hirnfunktionsstörungen, sind um ein Vielfaches höher<br />
<strong>und</strong> liegen bei<br />
4 bis 6 betroffenen Kindern/1000 Geburten.<br />
• Es wird davon ausgegangen, dass nur bei 10% der<br />
Kinder mit Alkoholembryopathie auch die entsprechende<br />
Diagnose gestellt wird, bei Alkoholeffekten noch seltener.<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
Auswirkungen des<br />
Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />
Fetale Alkohol Effekte (FAE) –<br />
Auswirkungen im Erwachsenenalter<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
Daniel, Novak & Radler, 2010<br />
23<br />
25<br />
27<br />
29<br />
10<br />
Auswirkungen des<br />
Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />
Fetales Alkohol Syndrom (FAS)<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
Auswirkungen des<br />
Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />
Fetales Alkohol Syndrom (FAS)<br />
• Es gibt derzeit keine gesicherten Angaben zur Inzidenz<br />
oder Prävalenz des FAS in Deutschland,<br />
• diese wird anhand internationaler Vergleichszahlen auf<br />
0,5 bis 2 betroffene Neugeborene/1000 Geburten<br />
geschätzt.<br />
• Geht man von dieser Schätzung aus, kann jährlich mit<br />
600 bis 1200 Neugeborenen, die ein voll ausgeprägtes<br />
FAS aufweisen, gerechnet werden.<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
Auswirkungen des<br />
Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
Auswirkungen des<br />
Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />
Fetale Alkohol Effekte (FAE) –<br />
Auswirkungen im Erwachsenenalter<br />
• Bei 90 % der Erwachsenen psychische <strong>und</strong> andere<br />
Ges<strong>und</strong>heitsprobleme:<br />
PEDIATRICS Vol. 108 No. 2 August 2001<br />
- bei 61 % vorwiegend in Form von ADHS im Kindes- <strong>und</strong> Jugendalter <strong>und</strong><br />
- bei den Erwachsenen in circa 50 % der Fälle als Depression.<br />
• Schulunterbrechungen oder ein vorzeitiger Schulabbruch wegen<br />
Lern- oder Verhaltensstörungen in 60 % der Fälle.<br />
• Bei 60 % der Betroffenen war es zu Konflikten mit dem Gesetz<br />
gekommen.<br />
• 80 % der über 21-Jährigen benötigten personelle Unterstützung in<br />
der Lebensführung.<br />
Spohr & Steinhausen, Dtsch Arztebl 2008; 105(41): 693–8<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
24<br />
26<br />
28<br />
30
Auswirkungen des<br />
Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />
Fetale Alkohol Effekte (FAE) –<br />
Auswirkungen im Erwachsenenalter<br />
<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />
• Die erwachsenen FAS-Patienten hatten große Probleme mit der<br />
Erwerbstätigkeit <strong>und</strong> waren zu 70 % arbeitslos <strong>und</strong> unselbstständig<br />
in ihrer Lebensführung.<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
Spohr & Steinhausen, Dtsch Arztebl 2008; 105(41): 693–8<br />
Auswirkungen des<br />
Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />
Nikotin<br />
• niedrigeres Geburtsgewicht,<br />
• geringere Geburtsgröße („small for date“),<br />
• größere Wahrscheinlichkeit für Früh- <strong>und</strong><br />
Fehlgeburten,<br />
• erhöhte Säuglingssterblichkeit, SIDS (European<br />
Environment Agency 2002),<br />
• Möglicherweise Assoziation mit späteren Verhaltensauffälligkeiten<br />
(ADHS, expansive Störungen),<br />
• teratogene Wirkung lange umstritten:<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
Auswirkungen des<br />
Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />
Nikotin<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
Auswirkungen des<br />
Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />
Nikotin – Wirkmechanismen<br />
• Das enthaltene Nikotin beeinflusst den Feten<br />
- durch die Vasokonstriktion,<br />
- durch die Aktivierung des sympathischen Nervensystems.<br />
- Vermutlich durch Interaktion mit dem nikotinergen Acetylcholinrezeptor<br />
wird die Lungenentwicklung beeinträchtigt.<br />
- Nachweisbar ist die Reduktion des intervillösen Blutflusses.<br />
- Dieser Effekt wird nicht nur durch Nikotin gefördert, sondern auch<br />
durch die anderen, bis zu 4.000 toxischen Substanzen, die im<br />
Zigarettenrauch vorhanden sind.<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
31<br />
33<br />
35<br />
37<br />
11<br />
Auswirkungen des<br />
Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />
Fetale Alkohol Effekte (FAE) –<br />
Auswirkungen im Erwachsenenalter<br />
• Die heute erwachsene<br />
Frau lebte bis zu ihrem<br />
18. Lebensjahr bei einer<br />
Pflegemutter,<br />
• dann in einer betreuten<br />
Wohneinheit.<br />
• Sie ist heute Mutter einer<br />
ges<strong>und</strong>en 9-jährigen<br />
Tochter, lebt unabhängig,<br />
sozial integriert <strong>und</strong> ist<br />
berufstätig.<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
Spohr & Steinhausen, Dtsch Arztebl 2008; 105(41): 693–8<br />
Auswirkungen des<br />
Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />
Nikotin<br />
• Teratogenität lange unterschätzt!<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
Auswirkungen des<br />
Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />
Nikotin – Wirkmechanismen<br />
• Der wichtigste negative Effekt des Rauchens entsteht<br />
durch eine verminderte Sauerstoffversorgung des<br />
Feten, hervorgerufen durch Karboxy-Hämoglobinbildung<br />
durch Kohlenmonoxid aus dem Tabakrauch.<br />
• Die pathologisch anatomische Untersuchung der<br />
Raucherplazenten zeigt<br />
- eine Rarifizierung der Villuskapillaren,<br />
- eine Basalmembran-Verdickung,<br />
- geringere Vaskularisation <strong>und</strong><br />
- Vermehrung des Kollagengehaltes.<br />
- Raucherplazenten enthalten Kadmium in höherer Konzentration.<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
Auswirkungen des<br />
Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />
Nikotin<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
32<br />
34<br />
36<br />
38
Auswirkungen des<br />
Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />
Cannabis<br />
<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />
• keine wissenschaftl. nachgewiesene teratogene Wirkung, aber:<br />
• möglicherweise Zusammenhang mit Entwicklung eines Neuroblastoms<br />
in den ersten Lebensjahren,<br />
• niedrigeres Geburtsgewicht,<br />
• geringere Geburtsgröße („small for date“),<br />
• größere Wahrscheinlichkeit für Früh- <strong>und</strong> Fehlgeburten,<br />
• insgesamt Effekte kaum von Nikotin zu trennen,<br />
• CAVE: Fettlösliche Substanz mit sehr langer Halbwertszeit, die<br />
sich nicht nur im Fettgewebe sondern auch in der stark fetthaltigen<br />
Muttermilch anreichert.<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
Auswirkungen des<br />
Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />
Amphetamine incl. Ecstasy<br />
• Mehrfach wird in der Literatur über eine medikamentös<br />
behandlungsbedürftige Entzugssymptomatik bei<br />
Neugeborenen berichtet; in einer Studie von Smith et al.<br />
(2003) betraf dies 4% der Amphetamin-exponierten<br />
Neugeborenen.<br />
• Chomchai et al. (2004) berichten aus Bangkok über 47<br />
Amphetamin-exponierte Neugeborene<br />
- mit kleinerem Kopfumfang <strong>und</strong><br />
- niedrigerem Geburtsgewicht, die<br />
- post partum stärkere Agitiertheit, Erbrechen <strong>und</strong> Tachypnoe<br />
gezeigt hatten.<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
Auswirkungen des<br />
Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />
Opiate (Heroin, Methadon etc.)<br />
• Keine teratogenen Effekte nachgewiesen.<br />
• Hauptrisikofaktor ist der intrauterine Entzug:<br />
- Mütterliche Symptome, wie Tachykardie, Tremor,<br />
Schwitzen, Übelkeit, Angst oder Unruhe übertragen<br />
sich auf den Fetus <strong>und</strong> führen zu ausgeprägten<br />
Kindsbewegungen,<br />
- temporärer Minderperfusion,<br />
- vorzeitiger Wehentätigkeit,<br />
- Frühgeburten.<br />
- ca. vierfach erhöhte Rate von Totgeburten!<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
Auswirkungen des<br />
Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />
Opiate<br />
• Entzugssymptomatik<br />
„Neonatales<br />
Abstinenzsyndrom“<br />
• beginnt am 2./3. Tag pp.<br />
• Dauer von 6 Tagen bis zu 8<br />
Wochen<br />
• Häufigkeit: ca. 75% der<br />
Methadon-Substituierten<br />
• Unter Buprenorphin-<br />
Substitution nur 19%<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
Symptom rel. Häufigkeit<br />
Tremor 96%<br />
schrilles Schreien 95%<br />
Schnupfen 83%<br />
erhöhter Muskeltonus 82%<br />
Erbrechen 74%<br />
Atemfrequenz > 60/min. 66%<br />
Fütterstörung 65%<br />
hyperaktiver Mororeflex 62%<br />
Anhaltendes schrilles Schreien 54%<br />
dünner Stuhl 51%<br />
Schwitzen 49%<br />
Fieber < 38,2° C 29%<br />
wässriger Stuhl 12%<br />
Fieber > 38,2° C 3%<br />
generalisierte Krampfanfälle 1%<br />
Dehydratation 1%<br />
39<br />
41<br />
43<br />
45<br />
12<br />
Auswirkungen des<br />
Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />
Amphetamine incl. Ecstasy<br />
• vermutlich teratogene Wirkung:<br />
• Im Tierversuch Fehlbildungen des Herzens <strong>und</strong> der großen<br />
Gefäße,<br />
• in Längsschnittstudie von 136 Ecstasy konsumierenden<br />
Schwangeren 15,4% kongenitale Anomalien, vor allem<br />
Ventrikelseptumdefekte <strong>und</strong> Pylorusstenosen (McElhatton et al.,<br />
1999).<br />
• CAVE: indirekte Sympathikomimetika, können<br />
- vorzeitige Wehen auslösen,<br />
- zu Blutungen <strong>und</strong><br />
- zu vorzeitiger Plazentalösung führen (Rommelspacher, 1991).<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
Auswirkungen des<br />
Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />
Kokain / Crack<br />
• teratogene Effekte möglich: V. a. gehäufte<br />
- intestinale Atresien,<br />
- Hirn- <strong>und</strong> Augenmissbildungen,<br />
- Schädeldefekte <strong>und</strong> verzögerte Ossifikation<br />
• Substanz mit stark vasokonstriktiven Eigenschaften,<br />
dadurch:<br />
- erhöhte Rate an Spontanaborten,<br />
- vorzeitigen Plazentalösungen,<br />
- Totgeburten <strong>und</strong><br />
- Frühgeburtlichkeit (Chiriboga, 2003).<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
Auswirkungen des<br />
Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />
Opiate (Heroin, Methadon etc.)<br />
• Weitere Risiken durch i. v. Konsum:<br />
• Infektionsraten opiatabhängiger Kindesmütter (Rohrmeister et al.<br />
2001)<br />
- mit Hepatitis B in 29,5%,<br />
- mit Hepatitis C in 67% <strong>und</strong><br />
- mit HIV in 5,7% aller Fälle.<br />
• Diese viralen Infektionen können<br />
- Auslöser für Schwangerschafts- / Geburtskomplikationen sein <strong>und</strong><br />
- mit einer gewissen „vertikalen Transmissionsrate“ auf das<br />
Neugeborene übertragen werden.<br />
- Diese liegt für Hepatitis B zwischen 80 <strong>und</strong> 90%, für Hepatitis C<br />
zwischen 50 <strong>und</strong> 55% (Michielsen u. Van Damme 1999).<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
Auswirkungen des<br />
Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />
Opiate<br />
• Entzugssymptomatik<br />
„Neonatales<br />
Abstinenzsyndrom“<br />
• Dauer von 6 Tagen<br />
bis zu 8 Wochen,<br />
abhängig von der<br />
Opiat-Dosis.<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
Heimann et al., Geburtsh. Frauenheilk., 2006<br />
46<br />
40<br />
42<br />
44
Postpartaler Verlauf<br />
Symptome des Neonatalen Abstinenzsyndroms<br />
schrilles Schreien<br />
Tremor<br />
Fieber<br />
Schnupfen<br />
schlechtes Trinken<br />
Erbrechen<br />
Diarrhoe<br />
Krampfanfälle<br />
Hyperexcitabilität<br />
motorische Unruhe<br />
sonst. Störungen<br />
0<br />
<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />
8<br />
11,8<br />
8<br />
5,9<br />
8<br />
2<br />
5,9<br />
2<br />
16<br />
13,7<br />
19,6<br />
25,5<br />
30<br />
29,4<br />
26<br />
26<br />
35,3<br />
47,1<br />
0 20 40 60 80<br />
nicht substituiert (N = 50) substituiert (N = 51)<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
Beeinflussung der Mutterrolle durch<br />
Psychopathologie <strong>und</strong> Suchtverhalten<br />
Psychiatrische Komorbidität<br />
• Bei drogenabhängigen Müttern ist mit einer hohen<br />
Prävalenz von weiteren psychischen Störungen zu<br />
rechnen:<br />
• Raten für psychiatrische Komorbidität insgesamt von<br />
53,1%.<br />
82<br />
80,4<br />
• psychiatrische Symptombelastung der weiblichen<br />
Klienten in verschiedenen Drogen-Therapieeinrichtungen<br />
in Großbritannien:<br />
- Angstsymptomatik in 32,3%<br />
- Depressivität in 29,7%.<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
Psychosoziale Bedingungen<br />
• Die Gefühle dem Kind gegenüber sind oft ambivalent:<br />
- einerseits wird die Geburt des Kindes mit Hoffnung auf<br />
Ausstieg aus dem Drogenmilieu verb<strong>und</strong>en,<br />
- andererseits kann jedoch das Kind auch dazu dienen, eine<br />
gewisse innere Leere auszufüllen <strong>und</strong> damit zu einem<br />
Substitut für eigene unerfüllte Wünsche werden.<br />
• Aus dem Konflikt des Wissens um die Drogen-Exposition<br />
des ungeborenen Kindes <strong>und</strong> die eigene Unfähigkeit, den<br />
Drogenkonsum zu beenden, resultieren Schuld- <strong>und</strong><br />
Versagensgefühle.<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
Fragen zur Klärung der<br />
Interventionsmöglichkeiten<br />
• Status des Drogen-/Substanzkonsums?<br />
• Bereitschaft zu Ausstieg / Substitution?<br />
• Schwangerschaft gewollt / ungewollt?<br />
• Bereitschaft zum Austragen?<br />
• Abruptio noch möglich?<br />
• Frühere Geburten?<br />
• Frühere Adoptionsfreigaben?<br />
• Partnerschaft?<br />
• Soziale Verhältnisse?<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
47<br />
49<br />
51<br />
53<br />
13<br />
Kinder von substanzabhängigen Müttern –<br />
PSYCHOSOZIALE<br />
RAHMENBEDINGUNGEN<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
Beeinflussung der Mutterrolle durch<br />
Psychopathologie <strong>und</strong> Suchtverhalten<br />
• Bei Methadonsubstituierten in Basel betrug die<br />
psychiatrische Komorbidität 75,2%,<br />
• am häufigsten Persönlichkeitsstörungen, gefolgt von<br />
• depressiven <strong>und</strong><br />
• schizophrenen Störungen.<br />
• Bei Patienten, die sich zur Entgiftung in der<br />
psychiatrischen Universitätsklinik Tübingen befanden,<br />
fand sich eine Lebenszeitprävalenz psychischer<br />
Störungen von 55%, dabei vorherrschend<br />
• Angst- <strong>und</strong> Zwangsstörungen <strong>und</strong><br />
• affektive Störungen<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
Kinder von substanzabhängigen Müttern –<br />
INTERVENTIONSANSÄTZE<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
Schwangerenberatung<br />
• Regelmäßige Vorsorge gemäß Mutterschafts-Richtlinien,<br />
• insbesondere Abklärung von:<br />
- Infektionserkrankungen (HIV, Hepatitis),<br />
- Veränderungen am Gebärmutterhals (Dysplasien),<br />
- Schwangerschaftskomplikationen,<br />
- Fehlbildungsausschluss (Ultraschall),<br />
- Wachstumsstörungen im weiteren Verlauf<br />
• Psychosoziale Stabilisierung,<br />
• Aufbau eines Betreuungsnetzwerkes,<br />
• Vorbereitung auf Eltern- / Mutterschaft.<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
48<br />
50<br />
52<br />
54
Medizinische Diagnostik<br />
• Gynäkologische Untersuchung<br />
• Internistische Untersuchung<br />
• Evtl. psychiatrische Untersuchung<br />
• Impfungen<br />
• Behandlungsbedürftige somatische Komorbidität<br />
• Behandlungsbedürftige psychiatrische Komorbidität<br />
• Schädliche Medikamente<br />
• Spektrum der konsumierten Drogen<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
Zusammenfassung<br />
• Klärung des Kinderwunschs,<br />
• Suchtmedizinische Weichenstellung,<br />
• Vermittlung psychosozialer Betreuung,<br />
• Ordnung von Wohnen <strong>und</strong> Finanzen,<br />
<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />
• Kooperation zwischen substituierendem Arzt, Gynäkologe,<br />
geburtshilflicher Klinik.<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
Vielen Dank!<br />
HELIOS Klinikum Erfurt<br />
www.helios-kliniken.de/erfurt<br />
55<br />
57<br />
59<br />
14<br />
Klärung sozialer Gr<strong>und</strong>fragen<br />
• Wohnverhältnisse<br />
- (Fester Wohnsitz, Wohnung ausreichend groß),<br />
• Finanzielle Gr<strong>und</strong>versorgung<br />
- (Dealen, Strich, Gr<strong>und</strong>sicherung, Hartz IV, Job, Beruf),<br />
• Soziale Unterstützung<br />
- (Mutter, Schwiegermutter, Kindsvater, Geschwister,<br />
Fre<strong>und</strong>innen).<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
Literaturhinweis<br />
Michael Klein (Hrsg.):<br />
Kinder <strong>und</strong><br />
Suchtgefahren<br />
Risiken<br />
Prävention<br />
Hilfen<br />
Schattauer Verlag,<br />
Stuttgart, 2008<br />
Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />
56<br />
58
<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />
2. Dr. med. Eva Hammerstein<br />
Psychosoziale Ressourcen – Familie im Blick<br />
Psychosoziale Ressourcen –<br />
Familie im Blick<br />
Eva Hammerstein<br />
Klinik für Psychosomatik, Psychiatrie & Psychotherapie<br />
des Kindes- <strong>und</strong> Jugendalters<br />
I. Einführung<br />
„Chancenverhältnis“<br />
5<br />
1<br />
3<br />
15<br />
I. Einführung<br />
Gliederung<br />
II. Paar- <strong>und</strong> familiendynamische<br />
Aspekte<br />
III. Fallbeispiele<br />
IV. Ressourcen<br />
V. Was Kinder brauchen<br />
Cave: nicht<br />
einkommens-<br />
abhängig<br />
Als Vorläufer der Abhängigkeitserkrankungen bei Kindern<br />
von alkoholabhängigen Eltern im Jugendlichen- oder<br />
Erwachsenenalter gelten externalisierende <strong>und</strong> internalisierende<br />
Störungen im Kindesalter.<br />
Schwierigkeiten in der Schule<br />
Soziale Isolation<br />
Jacob & Windle, 2000, Sher 1991<br />
erschwerter Übergang von der Kindheit in die<br />
Adoleszenz<br />
Velleman & Orford , 1999, Velleman & Templeton, 2007<br />
Dt. Ärztebl 2008; 105(21): A-1112 / B-959 / C-939<br />
6<br />
4<br />
2
<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />
Die Belastung der Kinder besteht in einer Kombination aus<br />
familiären Stressfaktoren <strong>und</strong> dem substanzbedingtem<br />
Verhalten der Eltern.<br />
Kinder in Familien, in denen die Väter am frühen Abend<br />
exzessiv zu Hause trinken, trugen die stärksten Folgen<br />
davon. Klein & Zobel, 1997<br />
Die familiäre Umgebung von Nutzern illegaler Drogen<br />
zeichnet sich durch unterschiedliche Lebensstile,<br />
Ges<strong>und</strong>heitsrisiken, kriminelle Aktivitäten <strong>und</strong> dem Risiko<br />
der Inhaftierung aus. Hogan, 1998<br />
Hochrisikokonstellation für<br />
Kindeswohlgefährdung<br />
Eine psychische Erkrankung beider Elternteile<br />
Der Ausfall der Alltagsversorgung<br />
Kein offener Umgang mit der Krankheit<br />
Vorausgegangene Trennungen von wichtigen<br />
Bezugspersonen<br />
Eine fehlende gute Beziehung zu einem ges<strong>und</strong>en<br />
Elternteil<br />
Mattejat <strong>und</strong> Lisofsky, 2008<br />
Modelle, die die Dynamik in alkoholbelasteten Familien<br />
abbilden, finden zunehmend Berücksichtigung.<br />
Es werden vermehrt Familienangehörige in die<br />
Behandlung miteinbezogen Copello, 2005<br />
Personen, die in alkoholbelasteten Familien aufgewachsen<br />
sind, wählen häufig Partner, die ebenfalls in alkoholbelasteten<br />
Familien aufgewachsen sind.<br />
Assortative Mating Leonard & Eiden, 2007<br />
Die Kinder müssen sich auf völlig veränderte Interaktionsmuster<br />
innerhalb der Familie einstellen.<br />
Sie reagieren mit<br />
Angst<br />
Rückzug<br />
körperlichen Symptomen<br />
geben sich selbst die Schuld für den Rückfall<br />
Kindern werden kaum Bewältigungsstrategien vermittelt<br />
7<br />
9<br />
11<br />
13<br />
16<br />
Risiken <strong>und</strong> Auffälligkeiten von Kindern<br />
suchterkrankter Eltern<br />
Fetales Alkoholsyndrom<br />
Fetale Alkoholeffekte<br />
Externalisierende/internalisierende Auffälligkeiten<br />
Abhängigkeitserkrankungen der Kinder<br />
Vernachlässigung/Missbrauch<br />
Gewalterfahrungen<br />
Inkonsistentes Erziehungsverhalten<br />
Hohes Maß intrafamiliärer Konflikte<br />
II. Paar- <strong>und</strong> familiendynamische<br />
Aspekte<br />
Die Familien pendeln zwischen den beiden Zuständen<br />
Nüchternheit <strong>und</strong> Betrunkenheit des Abhängigen.<br />
Phasen der Nüchternheit:<br />
Strukturierte Tagesabläufe<br />
Pläne<br />
Absprachen<br />
Rückfall:<br />
Versprechungen werden hinfällig<br />
Zukunftspläne verworfen<br />
III. Fallbespiele<br />
8<br />
10<br />
12<br />
14
<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />
Fallbeispiel I<br />
Mädchen 14 Jahre<br />
Mehrmalige stationäre Aufenthalte auf unserer<br />
Jugendstation (Kontakt über die Schule)<br />
Symptomatik: habe sich zunehmend zurückgezogen,<br />
habe ihre Sorgen <strong>und</strong> Probleme mit sich selbst<br />
ausgemacht. Nach einem Kontakt mit dem Vater fühle<br />
sie sich bedroht <strong>und</strong> ängstlich. Dieser habe in<br />
alkoholisiertem Zustand bei ihr geklingelt. Sie mache<br />
sich auch große Sorgen um die Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> den<br />
psychischen Zustand ihres Vaters. Sie sei ihren<br />
Fre<strong>und</strong>en gegenüber verantwortungsvoll <strong>und</strong> würde<br />
sich ihren Problemen annehmen, dies belaste sie sehr.<br />
Eigenanamnese:<br />
Im Kindergarten starke Trennungsängste, sie habe beim<br />
Abschied viel geschrien, sek<strong>und</strong>äre Enuresis nocturna, in<br />
der Schule wenig gesprochen, sei passiv gewesen, habe<br />
„bockiges Verhalten“ gezeigt. Sie habe sich schwer verbal<br />
auseinandersetzen können <strong>und</strong> habe mit Treten reagiert.<br />
Sie sei wenig anstrengungsbereit gewesen, habe wenig<br />
Fleiß gezeigt. Sie sei in der Schule passiv, würde nicht<br />
mitarbeiten, Leistungsknick, immer wenig Sport.<br />
Selbsteinschätzung:<br />
Wenig aktiv, besonderes Bedürfnis nach Alleinsein, wenig<br />
Interesse <strong>und</strong> Engagement in sozialen Beziehungen,<br />
übermäßig zurückhaltend <strong>und</strong> scheu. Sie ist von sich<br />
selbst wenig überzeugt <strong>und</strong> empfindet sich als minderwertig.<br />
Gleichzeitig erlebt sie sich als impulsiv <strong>und</strong><br />
emotional.<br />
Überdurchschnittliches Maß depressiver Symptome<br />
Fallbeispiel II<br />
Mädchen 17 Jahre<br />
Mehrmalige stationäre Aufenthalte auf unserer<br />
Jugendstation<br />
Symptomatik: Patientin berichtet von lebensmüden<br />
Gedanken <strong>und</strong> dem Wunsch, tot sein zu wollen. Sie<br />
habe sich sehr zurückgezogen, eine Fassade aufgebaut<br />
<strong>und</strong> fühle sich schuldig <strong>und</strong> verantwortlich, dass<br />
es der Mutter schlecht gehe. Sie leide seit Wochen<br />
unter Durchschlafstörungen, sei apathisch <strong>und</strong><br />
funktioniere nur noch. Sie habe Angst vor Albträumen<br />
<strong>und</strong> könne schwer alleine sein.<br />
15<br />
17<br />
19<br />
21<br />
17<br />
Familienanamnese:<br />
Mutter habe Gewalt in der Schwanger-schaft erfahren<br />
(Vater habe Mutter in den Bauch getreten), die Ehe sei<br />
nach der Geburt immer schlechter geworden.<br />
Vater: Alkoholmissbrauch/-abhängigkeit, V. a. Drogenmissbrauch,<br />
impulsives, auch selbstverletzendes<br />
Verhalten, Gefängnisaufenthalt wegen Einbruch,<br />
alkoholisiertes Fahren ohne Führerschein, seit der<br />
Trennung der Eltern besteht kaum Kontakt zur Patientin. In<br />
der Partnerschaft sei er häufig unterwegs gewesen. Es<br />
habe Gewalt in der Ehe gegeben.<br />
Psychischer Bef<strong>und</strong>:<br />
In sich zurückgezogen, verminderter Antrieb mit fehlender<br />
Tagesstruktur, sozialer Rückzug, Leistungsknick, Appetitsteigerung<br />
mit Essattacken <strong>und</strong> Gewichtszunahme,<br />
affektiv gedrückt, traurig über familiäre Situation <strong>und</strong><br />
Sündenbockzuschreibung durch die Mutter. Angabe von<br />
selbstverletzendem Verhalten <strong>und</strong> lebensmüden<br />
Gedanken („welchen Sinn hat ihr Leben in Konfliktsituationen“?).<br />
Familiensystem:<br />
Mutter: starke Überforderung mit Depression, Ängsten <strong>und</strong><br />
Essstörung<br />
große Schwierigkeiten in der pädagogischen<br />
Führung beider Kinder<br />
Bruder: Angst <strong>und</strong> Depression, Somatisierungsstörung,<br />
ambulante jugendpsychiatrische <strong>und</strong> psychotherapeutische<br />
Betreuung, zuvor selber stationärer<br />
Aufenthalt auf unserer Jugendstation<br />
Familienanamnese:<br />
Die Mutter arbeitet als Psychologin.<br />
Vater: Ist im Kinderheim aufgewachsen, Suchterkrankung<br />
(Alkohol <strong>und</strong> Drogen), verstorben <strong>und</strong> erst 1 Woche nach<br />
seinem Tod aufgef<strong>und</strong>en worden.<br />
Partnerschaft: Die Mutter habe sich auf Gr<strong>und</strong> der Suchtproblematik<br />
im 1. Lebensjahr der Tochter getrennt.<br />
Kontakte zum Vater seien unregelmäßig gewesen. Er<br />
habe aber immer den Kontakt gehalten. Die Besuche<br />
erfolgten in der Wohnung der Mutter, im 6./7. Lebensjahr<br />
auch ohne die Mutter.<br />
Halbschwester (v): 8 Jahre<br />
16<br />
18<br />
20<br />
22
Familiendynamik:<br />
<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />
Schwieriges <strong>und</strong> angespanntes Verhältnis zur Mutter, Wut<br />
<strong>und</strong> Misstrauen, Patientin wirft der Mutter vor, ihre<br />
Herkunftsfamilie <strong>und</strong> die Problematik mit ihrem Vater zu<br />
tabuisieren. Mutter findet wenig Zugang <strong>und</strong> fühlt sich<br />
überfordert.<br />
Psychischer Bef<strong>und</strong>:<br />
Wach, voll orientiert, psychomotorisch angespannt, im<br />
Kontakt zunächst sehr verschlossen, weint, ist affektiv<br />
gedrückt, wenig schwingungsfähig, Insuffizienzerleben,<br />
Schuldgefühle, Versagungsängste, Gefühl, anderen zur<br />
Last zu fallen, Antrieb regelrecht.<br />
Die Patientin gibt lebensmüde Gedanken an. Wunsch<br />
nach Abschied <strong>und</strong> tot zu sein („dann falle ich keinem<br />
mehr zur Last“), mit Suizidideen (Pulsaderschnitt oder<br />
Tablettenintoxikation). Sie haben genug Schmerzmittel zu<br />
Hause.<br />
Chrismon 1.2012<br />
Subjektive Belastungen betroffener Kinder<br />
Tabuisierung<br />
Soziale Isolation<br />
Abwertungserleben<br />
Betreuungsdefizit<br />
Zusatzbelastungen<br />
Wiegand-Grefe et al 2011<br />
23<br />
25<br />
27<br />
29<br />
18<br />
Patientin hat starke Schuldgefühle, negatives Selbstbild<br />
kann Gefühlen verbal keinen Ausdruck geben<br />
ambivalente Mutter-Kind-Interaktionsstörung<br />
ausgeprägte Beziehungsunsicherheit im Umgang mit<br />
Gleichaltrigen<br />
Es fällt ihr schwer, altersadäquate Autonomiebestrebungen<br />
<strong>und</strong> Bedürfnisse zu äußern.<br />
Auseinandersetzen mit eigener Biographie<br />
Schwere Identitätskrise<br />
Persönlichkeitsdiagnostik:<br />
extrem hoch ausgeprägte „Ich-Schwäche“ <strong>und</strong> „soziale<br />
Zurückhaltung“<br />
Spezifische Symptome:<br />
Enorme psychische Belastung<br />
Phobische Ängste<br />
Körperliche Beschwerden (Ohnmachts- <strong>und</strong> Schwindelgefühle,<br />
Kreuzschmerzen, Hitzewallungen, Herz- <strong>und</strong><br />
Brustschmerzen)<br />
Subjektive Belastungen betroffener Kinder<br />
Desorientierung<br />
Schuldgefühle<br />
Parentifizierung<br />
Loyalitätskonflikt<br />
Einsamkeit<br />
Gefühlen der Entfremdung<br />
Schamgefühlen<br />
Unsicherheit<br />
Ängsten<br />
Wiegand-Grefe et al 2011<br />
Betroffene Kinder leiden an<br />
Psychische Gr<strong>und</strong>bedürfnisse der Kinder<br />
werden nicht befriedigt<br />
24<br />
26<br />
28<br />
30
des Kindes<br />
xxxxxxxxxxxx<br />
Temperament?<br />
Autonomie?<br />
Kreativität?<br />
Beziehungen?<br />
<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />
IV. Ressourcen<br />
Ressourcen<br />
des Elternteils / des<br />
Systems<br />
Offenheit?<br />
Struktur?<br />
Beziehungsfähigkeit?<br />
Ein ges<strong>und</strong>er Elternteil?<br />
Personale Ressourcen des Kindes<br />
Alters- <strong>und</strong> entwicklungsangemessenes Wissen<br />
Wenn Kinder ein für sie als ausreichend betrachtetes<br />
Wissen besitzen, sind sie in der Lage, als handelnde<br />
Subjekte aktiv Stärke, Energie <strong>und</strong> Fantasie zur<br />
Gestaltung eigener Lebensperspektiven zu entwickeln.<br />
Soziale Ressourcen des Kindes<br />
Lenz 2010<br />
Soziale Unterstützung durch sozialen Rückhalt durch<br />
(eine) erwachsene Bezugsperson(en)<br />
Ein altersgemischtes <strong>und</strong> heterogenes Gleichaltrigen-<br />
Netzwerk<br />
Integration in Vereine, Gemeinde, Kirche etc.<br />
Lenz 2010<br />
Universitätsklinikum AöR, Kinderzentrum - Juli 2012 37<br />
31<br />
33<br />
35<br />
19<br />
Personale Ressourcen des Kindes<br />
Selbstwertgefühl <strong>und</strong> die Überzeugung der<br />
Selbstwirksamkeit<br />
z. B. Aussagen des Kindes über Interessen,<br />
Hobbies, Aktivitäten <strong>und</strong> den Umgang mit<br />
Ereignissen <strong>und</strong> Erfahrungen in zentralen<br />
Lebensbereichen<br />
Eindruck vom Selbstkonzept des Kindes<br />
Lenz 2010<br />
Personale Ressourcen des Kindes<br />
Problemlösekompetenzen<br />
Für eine effektive Problemlösefähigkeit ist nicht nur<br />
wichtig, über ein möglichst breites Handlungsrepertoire zu<br />
verfügen, sondern vor allem, es situationsgerecht einsetzen<br />
zu können, wobei sich die Kontrollierbarkeit der<br />
Situation als besonders relevanter Aspekt erweist.<br />
Qualität der Paarbeziehung<br />
Familiäre Ressourcen<br />
Lenz 2010<br />
Kommunikations- <strong>und</strong> Konfliktregelungsfertigkeiten<br />
Problemlösungskompetenzen<br />
Lenz 2010<br />
32<br />
34<br />
36<br />
38
Elterliche Erziehungskompetenz<br />
Familiäre Ressourcen<br />
Beziehungsfähigkeit<br />
Kommunikationsfähigkeit<br />
Fähigkeit zur Grenzsetzung<br />
Förderfähigkeit<br />
Vorbildfähigkeit<br />
Fähigkeit zum Alltagsmanagement<br />
<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />
Familiäre Ressourcen<br />
Angemessene Krankheitsbewältigung<br />
Akzeptierende Haltung des erkrankten Elternteils<br />
gegenüber seiner Krankheit<br />
Lenz 2010<br />
Aktive Auseinandersetzung beider Elternteile mit der<br />
Krankheit <strong>und</strong> ihren Konsequenzen<br />
Offenes Sprechen mit den Kindern über die Krankheit<br />
<strong>und</strong> alle wesentlichen damit einhergehenden<br />
Veränderungen im Alltag <strong>und</strong> in der familiären<br />
Organisation<br />
Lenz 2010<br />
Merkmale von resilienten Kindern<br />
Sie begreifen ihre schwierigen Lebensumstände als<br />
Herausforderung, die sie meistern möchten.<br />
Sie sehen klar, dass nicht sie selbst, sondern die<br />
elterliche Sucht <strong>und</strong> andere Umweltbedingungen für die<br />
Belastungen verantwortlich sind.<br />
Sie verfügen über Humor als Instrument der Selbstdistanzierung<br />
<strong>und</strong> Erleichterung <strong>und</strong> über ein<br />
eigenständiges, tragfähiges Wertesystem.<br />
Merkmale von resilienten Kindern<br />
39<br />
41<br />
Zobel 2001<br />
Sie richten sich die Schule als einen Bereich ein, indem<br />
sie sich wohl <strong>und</strong> akzeptiert fühlen.<br />
Sie haben mindestens eine nahe Fre<strong>und</strong>in, einen<br />
nahen Fre<strong>und</strong> <strong>und</strong> können in Krisenzeiten auf ein<br />
informelles Netzwerk von Nachbarn, Gleichaltrigen <strong>und</strong><br />
Älteren zurückgreifen.<br />
Zobel 2001<br />
43<br />
45<br />
20<br />
Elternallianz<br />
Familiäre Ressourcen<br />
Angemessenes partnerschaftliches<br />
Interaktionsverhalten<br />
Unterstützung des Partners in seiner Elternrolle<br />
Zufriedenstellende Verteilung der Erziehungsaufgaben<br />
Übereinstimmung in der Kindererziehung<br />
Nutzung von verfügbaren bzw. mobilisierbaren<br />
informellen Hilfsmöglichkeiten im sozialen Netzwerk<br />
durch die Eltern<br />
Inanspruchnahme professioneller Hilfen aus dem<br />
medizinisch-therapeutischen Bereich <strong>und</strong> der<br />
Jugendhilfe<br />
Merkmale von resilienten Kindern<br />
Lenz 2010 40<br />
Lenz 2010<br />
Sie nutzen ihre Talente effektiv, zeigen Kreativität <strong>und</strong><br />
Initiative.<br />
Sie haben ein gemeinsames Hobby, das sie zusammen<br />
mit Fre<strong>und</strong>en ausüben, <strong>und</strong> nehmen an Gemeinschaftsaktivitäten<br />
wie Schülerbands <strong>und</strong> Theatergruppen teil<br />
Zobel 2001<br />
V. Was Kinder brauchen<br />
42<br />
44<br />
46
Verstehen zu können, was vorgeht, ist für die<br />
Kinder im Sinne der Befriedigung des Gr<strong>und</strong>bedürfnisses<br />
nach Orientierung eine außerordentlich<br />
wichtige Ressource.<br />
<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />
Borg-Laufs et al 2012<br />
Was Kinder brauchen (I) – Eltern:<br />
Kinder müssen aus ehelichen Auseinandersetzungen<br />
herausgehalten werden.<br />
Aufgabe der Eltern, wieder Verantwortung zu<br />
übernehmen für sich <strong>und</strong> die Familie.<br />
Kind ist kein Partnerersatz<br />
Kinder können „Kind“ sein<br />
Was Kinder brauchen (III) – Gefühle:<br />
Gefühle jemandem anvertrauen (Zerrissenheit,<br />
Widersprüchlichkeit) Gefühle sind in Ordnung <strong>und</strong><br />
nachvollziehbar<br />
auf eigene Bedürfnisse achten, sie nicht zugunsten der<br />
Familienprobleme hintenanstellen Zugang zum Spiel,<br />
Unbeschwertheit<br />
Echte Anerkennung <strong>und</strong> Bestätigung Glaube an<br />
eigene Fähigkeiten <strong>und</strong> Gestaltungsmöglichkeiten<br />
Was Kinder brauchen (V) –<br />
Bezugspersonen:<br />
eine verlässliche Bezugsperson, der sie vertrauen<br />
(Verständnis, Rat <strong>und</strong> Schutz)<br />
Hilfe soll überlegt in Absprache mit dem Kind erfolgen<br />
(mögliche negative Konsequenzen müssen<br />
berücksichtigt werden)<br />
Erlaubnis <strong>und</strong> Chance zu vielseitigen Kontakten mit<br />
Gleichaltrigen in Schule, Freizeit, Sport<br />
47<br />
49<br />
51<br />
53<br />
21<br />
Was Kinder brauchen (I) – Eltern:<br />
Elternteil stellt sich seiner Sucht <strong>und</strong> den dahinterliegenden<br />
Problemen, überwindet sein Suchtmuster <strong>und</strong><br />
schränkt dauerhaft den Konsum ein bzw. beendet ihn.<br />
Anderer Elternteil löst sich aus dem Muster der Co-<br />
Abhängigkeit <strong>und</strong> bezieht klar für die Bedürfnisse der<br />
Kinder Stellung.<br />
Klare Regeln zu Hause, strukturierter Tagesablauf,<br />
familiäre Rituale.<br />
Was Kinder brauchen (II) – Aufklärung:<br />
Bagatellisierung oder Verleugnung der Suchtproblematik<br />
innerhalb der Familie oder gegenüber der Umgebung<br />
muss beendet werden.<br />
Aufklärung in altersgemäßer Weise über die Suchtprobleme,<br />
um Erfahrungen in der Familie einordnen <strong>und</strong><br />
verstehen zu können.<br />
keine Schuld am auffälligem Verhalten des Elternteils<br />
Zugang zu kindgerechten Informationen<br />
sie sind nicht alleine, vielen Kindern geht es ähnlich<br />
Was Kinder brauchen (IV) – Kindeswohl:<br />
Wenn Gr<strong>und</strong>bedürfnisse (Essen, Kleidung, Aufsicht,<br />
Ges<strong>und</strong>heitsfürsorge) nur unzureichend erfüllt werden<br />
Erwachsene müssen reagieren<br />
Vernachlässigung, Misshandlung, sexueller Übergriff<br />
Schutz durch erwachsene Bezugspersonen,<br />
Jugendämter, Jugendhilfeeinrichtungen<br />
Gemeinsamer Notfallplan: wer sorgt für die zentralen<br />
Bedürfnisse <strong>und</strong> den Schutz des Kindes?<br />
Was Kinder brauchen (VI) – Fachkräfte:<br />
Kinder müssen in Beratungsstellen, Suchtkliniken ernst<br />
genommen werden<br />
Kinder einladen, sich über Suchtprobleme zu<br />
informieren <strong>und</strong> ihre Situation als Kinder anzusprechen<br />
Fachkräfte aus Jugendhilfe <strong>und</strong> Suchtkrankenhilfe<br />
sollten gute Kooperation entwickeln<br />
48<br />
50<br />
52<br />
54
<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />
Was Kinder brauchen (VII) – Vorbeugung:<br />
Aufklärung über eigene Risiken Unterstützung<br />
eigenes Leben ohne Missbrauch/Abhängigkeit zu führen<br />
bei Bedarf: Präventionsprogramme Konfliktlösefertigkeiten<br />
Hilfe beim Überwinden eines typischen Rollenmusters:<br />
Helfender Beruf?<br />
Partner mit Suchtproblematik<br />
Richtiges Ansprechen der Eltern<br />
Viele Eltern sind dann gut ansprechbar, wenn bereits<br />
eine gute Beziehung zu ihnen hergestellt werden<br />
konnte.<br />
Die Eltern mit ihren eigenen Problemen ernst nehmen<br />
<strong>und</strong> wertschätzen.<br />
Den Eltern deutlich machen, dass eine alleinige<br />
Behandlung des Kindes nicht den gewünschten<br />
Erfolg bringen wird.<br />
Motivierende Gesprächsführung Miller & Rollnick, 2009<br />
Praktische Hinweise<br />
Den Eltern empathisch <strong>und</strong> wertschätzend begegnen.<br />
Den Eltern durch das Aufzeigen von Diskrepanzen<br />
von ihren Wünschen <strong>und</strong> ihren Möglichkeiten weitere<br />
Hilfe durch Psychotherapeuten, Psychiatern <strong>und</strong><br />
Jugendhilfe nahebringen.<br />
Überprüfen, ob eine Kindeswohlgefährdung vorliegt.<br />
Krisenplan erstellen, der enthält, wer das Kind in<br />
Notsituationen versorgt<br />
Borg-Laufs et al 2012<br />
Angst vor Bevorm<strong>und</strong>ung oder Entzug der<br />
elterlichen Sorge Kölch & Schmid, 2008<br />
Angst, als Eltern stigmatisiert, in Frage gestellt zu<br />
werden<br />
Politische Überkorrektheit, bei psychisch Kranken<br />
automatisch von voller Erziehungskompetenz<br />
auszugehen, ist nicht hilfreich<br />
Entstigmatisierung der KJPP <strong>und</strong> des Jugendamtes:<br />
Ziel des KJHG<br />
55<br />
57<br />
59<br />
22<br />
Anhang<br />
Verbesserung der Schutzfunktion bei den<br />
Eltern<br />
Eltern in ihrer Be- <strong>und</strong> Erziehungsfähigkeit stärken<br />
Fokus sollte darauf liegen, das gegenseitige<br />
Verständnis zu erhöhen <strong>und</strong> Inseln des Gelingens in<br />
einem problematischen Alltag zu schaffen<br />
Bindungsorientierte Maßnahmen Gloger-Tippelt<br />
familientherapeutische Intervention Beardslee, 2009<br />
Spezifische Aspekte in der Zusammenarbeit<br />
mit psychisch kranken Eltern<br />
oft verminderte Belastbarkeit<br />
oft noch mehr Unsicherheit<br />
• Rückzug in eigene Erlebniswelt<br />
• Ambivalenz, eigene Themen selbst zu<br />
bearbeiten<br />
Risikofaktoren der Eltern<br />
Geringe emotionale Verfügbarkeit <strong>und</strong> psychische<br />
Labilität der Eltern<br />
Mangelnde Erziehungskompetenz der Eltern<br />
Konflikthafte Beziehung der Eltern<br />
Trennung oder Scheidung der Eltern<br />
Allein erziehender Elternteil<br />
Wiegand-Grefe et al 2011<br />
61 62<br />
56<br />
58<br />
60
<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />
Risikofaktoren der Familie<br />
Familiengeschichte psychischer Erkrankungen<br />
Niedriger sozioökonomischer Status<br />
Instabilität der familiären Lebensbedingungen<br />
Unangemessenheit der familiären Krankheitsbewältigung<br />
Tabuisierung der Erkrankung<br />
Wiegand-Grefe et al 2011<br />
Risikofaktoren der Kinder<br />
Misshandlung <strong>und</strong> Vernachlässigung<br />
Häufige, längere <strong>und</strong> frühe Trennungserlebnisse<br />
Verminderte intellektuelle <strong>und</strong> soziale Kompetenzen<br />
Geringe Kommunikationsfähigkeit<br />
Wenig Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme<br />
Kein positives Selbstwertgefühl<br />
Hohe (destruktive) Parentifizierung<br />
Wiegand-Grefe et al 2011<br />
Risikofaktoren der Kinder<br />
Keine Leistungsorientierung<br />
Alters- <strong>und</strong> entwicklungsunangemessener<br />
Aufklärungsgrad über die Erkrankung<br />
Emotionale Instabilität<br />
Aggressivität <strong>und</strong> antisoziales Verhalten<br />
Rückzugstendenzen, Passivität, soziale Ängste<br />
Wiegand-Grefe et al 2011<br />
63<br />
65<br />
67<br />
23<br />
Risikofaktoren der Familie<br />
Mangelnde Kommunikation in der Familie<br />
Störung der Eltern-Kind-Beziehung bzw.<br />
-Interaktion<br />
Fehlender Familienzusammenhalt <strong>und</strong> konflikthaftes<br />
familiäres Klima<br />
Geschwistergeburten in den ersten beiden<br />
Lebensjahren<br />
Wiegand-Grefe et al 2011<br />
Risikofaktoren der Kinder<br />
Pre- <strong>und</strong> perinatale Komplikationen<br />
Geringes Lebensalter bei Erstmanifestation der<br />
Erkrankung<br />
Hohe Expositionsdauer<br />
Männliches Geschlecht für externalisierende Auffälligkeiten,<br />
weibliches Geschlecht für internaliserende<br />
Auffälligkeiten<br />
Schwieriges Temperament<br />
Wiegand-Grefe et al 2011<br />
Allgemeine psychosoziale<br />
Belastungsfaktoren<br />
Fehlendes soziales Unterstützungssystem für die<br />
Familie<br />
Wenig Aufmerksamkeit seitens der Umwelt<br />
Geringe reale <strong>und</strong> emotionale Verfügbarkeit von<br />
Bezugspersonen außerhalb der Familie<br />
Familiäre Isolation<br />
Wiegand-Grefe et al 2011<br />
64<br />
66<br />
68
<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />
3. Vernetzung <strong>und</strong> Information in der Mittagspause<br />
24
<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />
3. Christa Gattwinkel<br />
Von einer Idee zu einer festen Einrichtung – Praxis im Blick<br />
Christa Gattwinkel<br />
Als man mich im Herbst 2012 fragte, ob<br />
ich bereit wäre über meine Arbeit zu berichten,<br />
die ganz klein angefangen hat,<br />
sagte ich spontan ja.<br />
Sie werden innerhalb meiner Erzählung<br />
merken, dass es mir ein Bedürfnis ist,<br />
mich für diese Kinder einzusetzen.<br />
Mein Name ist Christa Gattwinkel, bin verheiratet,<br />
Mutter von 2 erwachsenen Söhnen<br />
<strong>und</strong> Oma von drei w<strong>und</strong>erbaren Enkelmädchen,<br />
ich arbeite ehrenamtlich für<br />
den Kreuzb<strong>und</strong> in der Diözese Paderborn<br />
<strong>und</strong> bin Beauftragte für Kinder, Jugend<br />
<strong>und</strong> Familie.<br />
Als mein Mann am 28. Sept. 1989 von<br />
einer Langzeittherapie in Daun - das liegt<br />
in der Eifel- entlassen wurde, besuchten<br />
wir gemeinsam eine Kreuzb<strong>und</strong>gruppe<br />
<strong>und</strong> ich fing an, mich für Menschen zu<br />
interessieren, die einen Weg suchten um<br />
aus der Sucht herauszukommen.<br />
Zuerst dachte ich mehr an die Partner- an<br />
die Frauen- <strong>und</strong> so gründete ich mit Hilfe<br />
einer Mitbetroffenen einen Frauengesprächskreis.<br />
An die Kinder wurde ich erst später innerhalb<br />
der Kreuzb<strong>und</strong>-Gruppe erinnert.<br />
25<br />
Es war Anfang 1996 als eine Mutter während<br />
der Gruppenst<strong>und</strong>e sagte, sie käme<br />
mit ihrem Sohn nicht mehr zurecht. Der<br />
Vater war gerade zur Therapie. Sebastian<br />
war störrisch <strong>und</strong> auch in der Schule war<br />
er sehr schlecht.<br />
Es dauerte lange bis ich es in meinem<br />
Innern r<strong>und</strong> hatte, evtl. mal für dieses Kind<br />
etwas zu tun. Meine Idee war damals einfach<br />
nur mit Sebastian reden zu dürfen.<br />
Darauf die Mutter:“ Warum nur mit meinem<br />
Sohn, da sind doch noch andere Kinder.“<br />
Ja, - <strong>und</strong> dann ging bei mir das Rotieren<br />
erst richtig los.<br />
Ich plante ein Konzept in das die Eltern<br />
der Kinder mit einbezogen werden müssten,<br />
sonst würde es nicht aufgehen.<br />
Wenn diese Kinder eine Gruppe besuchen,<br />
müssten sie auch daheim mit Jemanden<br />
reden können. Natürlich würde<br />
auch ein Elternteil oder eine vertraute Bezugsperson<br />
genügen. Und so war es denn<br />
auch.<br />
Dann habe ich mich so etwas wie abgesichert.<br />
Ich habe den Kreuzb<strong>und</strong>vorstand im DV<br />
Paderborn über mein Vorhaben informiert<br />
<strong>und</strong> ihnen mitgeteilt, dass ich diese Gruppe<br />
als Projekt für evtl. 3 Jahre plane. Die<br />
Caritasberatungsstelle, das Ges<strong>und</strong>heitsamt<br />
<strong>und</strong> das Jugendamt habe ich um evtl.<br />
Hilfe gebeten <strong>und</strong> erst dann startete ich.<br />
Das Konzept hatte ich mir so aufgebaut:<br />
Kinder treffen sich mit ihren Eltern- Vater<br />
oder Mutter- oder einer vertrauten Bezugsperson,<br />
um getrennt über Sorgen <strong>und</strong><br />
Ängste zu reden. Nach jedem Reden sollte<br />
- bei den Kindern- eine Meditation, Fantasiereise<br />
oder ein Märchen folgen über
<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />
das auch wieder gesprochen werden<br />
müsste.<br />
Dann nach einer kleinen Pause, die zum<br />
Toben <strong>und</strong> zur „Stärkung“ dienen sollte,<br />
könnten die Eltern dazu kommen um mit<br />
ihnen noch zu malen, basteln oder einfach<br />
nur zu reden.<br />
Ganz wichtig war mir, falls Probleme auftauchen<br />
sollten, dass ich sofort die Eltern<br />
darauf aufmerksam machen könnte.<br />
Das Kind würde so mit einbezogen ohne,<br />
dass ich die Schweigepflicht verletzen<br />
würde.<br />
Falls die Kinder fachliche Hilfe haben<br />
müssten, könnte ich auch hier sofort einen<br />
Weg aufzeigen um Verbindungen zu knüpfen.<br />
Ganz wichtig war mir das Kind, das so mit<br />
einbezogen würde ohne sein Vertrauen zu<br />
missbrauchen. Denn das höchste Gebot in<br />
der Gruppe sollte die Schweigepflicht werden.<br />
Ich selbst bin Angehörige <strong>und</strong> weiß wovon<br />
ich rede. Auch diese Kinder wurden enttäuscht<br />
<strong>und</strong> sie müssen erst einmal wieder<br />
Vertrauen aufbauen <strong>und</strong> wenn ich es weitersagen<br />
würde, wäre alles wieder hin. Sie<br />
würden sich wieder in sich selbst verkriechen<br />
<strong>und</strong> lange niemanden mehr an sich<br />
heranlassen.<br />
Ich kann mich noch gut an den ersten Tag<br />
erinnern. Voller Herzklopfen <strong>und</strong> schnell<br />
noch ein Stoßgebet nach OBEN zu dem,<br />
der mir immer noch die Kraft gibt, startete<br />
ich mit 9 Kindern während die 4 Mütter<br />
sich in einem anderen Raum unterhielten.<br />
Und dann war alles ganz einfach.<br />
Ich stellte mich auf die Stufe der Kinder,<br />
erzählte von meiner Angst, die ich damals<br />
hatte, als mein Mann noch trank.<br />
Ja <strong>und</strong> dann ging es los!<br />
Mir war, als wenn ich bei jedem Kind ein<br />
Ventil geöffnet hätte, es sprudelte nur so<br />
26<br />
aus jedem heraus. Aber dann war da auch<br />
wieder die Angst, das nicht zu dürfen. So<br />
kam die Schweigepflicht gerade recht. Ich<br />
habe gesagt, ich würde es nicht weitersagen,<br />
nur wenn sie es erlaubten.<br />
Eigenartig, die Kinder verstanden sehr<br />
schnell, was Schweigepflicht ist <strong>und</strong> wo<br />
sie endet. Und ich merkte schon beim ersten<br />
Treffen, dass es für die Kinder ein<br />
ganz wichtiger Teil werden würde.<br />
Als die Mütter später dazukamen, sie hatten<br />
sich auch untereinander unterhalten<br />
<strong>und</strong> ausgetauscht, kannten sie ihre Kinder<br />
kaum wieder.<br />
Auch den Namen „Smily Kids“ haben sie<br />
sich alleine ausgesucht <strong>und</strong> ich finde, er<br />
passt.<br />
Smily Kids- lächelnde Kinder.<br />
Es war ein w<strong>und</strong>erschönes Gefühl so einen<br />
Anfang zu haben.<br />
Was damals als ein Projekt über 3 Jahre<br />
laufen sollte, wurde eine konstante Einrichtung<br />
<strong>und</strong> ist heute bei uns nicht mehr<br />
wegzudenken.<br />
Auch der Zyklus alle 4 Wochen Kindergruppe<br />
ist so geblieben. Kinder werden<br />
eine begrenzte Zeit kommen <strong>und</strong> dann<br />
sind sie stark genug um alleine zu laufen.<br />
Sie haben aber immer wieder die Gelegenheit,<br />
um zurückzukommen. Zum Beispiel<br />
bei einem Rückfall eines Elternteils<br />
oder irgendwelchen eigenen Problemen.<br />
Gründe gibt es genug.<br />
Wie schon gesagt:<br />
Zu uns kommen die Kinder mit ihren Eltern,<br />
weil Kinder sich durch die Gespräche<br />
verändern <strong>und</strong> die Eltern es „gestatten“.<br />
Schlimm wäre, wenn ein Kind alleine<br />
kommt <strong>und</strong> daheim reden möchte <strong>und</strong><br />
nicht darf. Dann hätte alles wenig Sinn.<br />
Wenn Eltern ihre Kinder begleiten, erfahren<br />
sie auch, dass ihr Kind doch etwas<br />
gemerkt hat.
<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />
Ich weiß, dass Kinder ganz still leiden - sie<br />
können nicht weglaufen- sie müssen einfach<br />
aushalten.<br />
Benny 6 Jahre erzählte:<br />
Als meine Eltern gestritten haben, weil<br />
mein Vater schon wieder betrunken war,<br />
bin ich in mein Zimmer gegangen <strong>und</strong> habe<br />
ganz laut Musik gehört.<br />
Andre 8 Jahre: Ich habe den Ball immer<br />
<strong>und</strong> wieder an die Garage gebolzt- das hat<br />
mir gut getan.<br />
Julia gerade 5 Jahre: Ich bin in mein Zimmer<br />
gegangen <strong>und</strong> habe mir die Decke<br />
ganz fest über die Ohren gezogen.<br />
Ich kann mich noch gut an ein vierjähriges<br />
Mädchen erinnern, es kam damals immer<br />
mit, blieb aber bei der Mutter, weil es zum<br />
Reden noch zu klein war. Eines Tages<br />
aber wollte auch Jenny mit uns reden.<br />
Alle waren ganz still, als dieses kleine<br />
Ding bei uns im Kreis saß <strong>und</strong> über ihre<br />
Angst sprach, die es hatte, als der Vater<br />
trank.<br />
So könnte ich jetzt weitererzählen…<br />
Die Kinder in unserer Gruppe sind heute<br />
von 5 - ca. 18 Jahren. Kleinere Kinder<br />
können auch mitkommen, werden aber<br />
extra betreut, damit sich die anderen voll<br />
auf die Gruppenarbeit konzentrieren können.<br />
Später kam die Handpuppe Biene zu uns,<br />
sie half den scheuen <strong>und</strong> immer wieder<br />
enttäuschten Kindern sich zu öffnen, denn<br />
Biene konnte auch mal schlecht schlafen,<br />
hatte Angst vor der Dunkelheit <strong>und</strong> war<br />
manchmal wütend. Sie kann w<strong>und</strong>erbar<br />
zuhören, gibt Ratschläge, wenn es angebracht<br />
ist usw. Biene wird akzeptiert <strong>und</strong><br />
geliebt.<br />
Die Eltern, die ihre Kinder bringen, sind<br />
alkoholkrank, medikamenten- aber auch<br />
drogenabhängig. Meistens haben sie eine<br />
27<br />
Therapie hinter sich, aber manchmal sind<br />
sie auch noch in der nassen Phase. Das<br />
heißt, sie trinken noch.<br />
Es kommen Opa <strong>und</strong> Oma, die das Kind<br />
betreuen, weil die Eltern es nicht können.<br />
Aber auch Pflegeeltern besuchen uns mit<br />
ihren Pflegekindern, die aus einem suchtbelasteten<br />
Haus kommen.<br />
Mit dieser Arbeit wollte ich folgendes erreichen:<br />
Dass Kinder fast nebenbei über ihre<br />
Ängste, Sorgen <strong>und</strong> Wut reden<br />
lernen,<br />
dass sie lernen, sich nicht schämen<br />
zu müssen <strong>und</strong> nicht schuld<br />
sind, weil Vater oder Mutter getrunken<br />
hat,<br />
dass sie gewappnet sind bei „Angriffen“<br />
evtl. auf dem Schulhof oder<br />
anderswo,<br />
dass sie bei einem Rückfall eines<br />
Elternteils nicht selbst zurückgeworfen<br />
werden,<br />
dass sie ganz nebenbei lernen,<br />
was Sucht ist <strong>und</strong> was süchtig<br />
macht<br />
<strong>und</strong> ganz wichtig auch:<br />
Eine bessere Kommunikation in<br />
der Familie<br />
Kinder werden ganz einfach stark!<br />
Nach einer gewissen Zeit bestimmten die<br />
Kinder selbst die Themen innerhalb der<br />
Gruppe.<br />
Ein wichtiges Thema war <strong>und</strong> ist immer<br />
wieder die Angst…<br />
Wie kann ich wieder Vertrauen aufbauen<br />
Wie bekomme ich mehr Selbstbewusstsein<br />
.. <strong>und</strong> ganz wichtig: Schuldgefühle<br />
abbauen<br />
Die Kinder haben es ja oft genug von dem<br />
Suchtkranken gesagt bekommen, dass sie<br />
schuld sind, dass sie schweigen sollen -<br />
sie haben Schläge bekommen <strong>und</strong> manche<br />
sind auch missbraucht worden.
<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />
Und sie sind immer wieder enttäuscht<br />
worden.<br />
Einmal sprachen wir über Himmel, Hölle,<br />
Fegefeuer.<br />
Die Kinder interpretierten es in die Sucht<br />
mit ein.<br />
Sie sagten:<br />
Ins Fegefeuer kommt jemand, der Alkohol<br />
trinkt <strong>und</strong> nicht mehr aufhört<br />
Da ist die Angst<br />
Hölle:<br />
Das ist ein Gefängnis auf Lebenszeit.<br />
Da gibt es nur Hass <strong>und</strong> Streit,<br />
keine Zuneigung <strong>und</strong> keine Liebe.<br />
Da ist es sehr einsam <strong>und</strong> dunkel.<br />
Wir haben gelitten wie in der Hölle.<br />
Dann kam noch ein wichtiger Satz:<br />
Hölle ist eine Strafe für Schläge <strong>und</strong> die<br />
Vergewaltigungen<br />
Himmel:<br />
Das Schönste überhaupt<br />
Da wohnt der liebe Gott<br />
Da, wo nur das Gute wohnt <strong>und</strong> das Böse<br />
nie mehr auftaucht<br />
Himmel ist, wo sich alle verstehen<br />
Wo jeder dem anderen zuhört<br />
Wo keiner mehr Biertrinken geht<br />
Mit den Eltern zusammen frühstücken<br />
Himmel ist ein Zuhause<br />
Und dann sollen die Kinder nichts gemerkt<br />
haben?<br />
Ich weiß aber auch um die Angst der Betroffenen,<br />
die es einfach nicht wahr haben<br />
wollen, dass ihr Kind was gemerkt hat.<br />
28<br />
Eine Mutter, die damals mit ihren 2 Töchtern<br />
in die Gruppe kam, saß im Nebenraum<br />
<strong>und</strong> konnte sich auf kein Gespräch<br />
mit den Anderen einlassen. Sie sagte, es<br />
sei ihr sehr schwer gefallen, die Kinder zu<br />
mir zu lassen, weil sie ja gar nicht wusste,<br />
was sie sagen würden.<br />
Sie hatte einfach Angst.<br />
Manchmal ist es auch schwer, alles auseinander<br />
zu halten.<br />
Ich weiß um die Probleme der Erwachsenen<br />
aber auch um die Probleme der Kinder.<br />
Aber das sind für mich verschiedene<br />
Situationen. Ich möchte ja die Eltern mit<br />
ihren Kindern wieder zusammenbringen<br />
<strong>und</strong> nicht auseinander.<br />
Oft ist schwer alles zu ertragen <strong>und</strong> man<br />
stößt an seine Grenzen, gerade dann,<br />
wenn jemand stirbt. Dann müssen die<br />
Kinder aufgefangen werden.<br />
Als im Jahr 2000 eine Mutter an Krebs<br />
erkrankte <strong>und</strong> es dem Ende zuging, fragte<br />
mich die Oma ob ich die beiden Kinder auf<br />
den Tod der Mutter vorbereiten könne, zu<br />
mir hätten sie Vertrauen <strong>und</strong> die Kinder<br />
sollten aber auch keinen Schaden nehmen.<br />
Da wir in der Gruppe - natürlich mit Einverständnis<br />
der Mutter - oft über die<br />
Krankheit Krebs gesprochen hatten, wollte<br />
ich es versuchen.<br />
Fragen sie mich bitte nicht, wie es mir dabei<br />
ging. Hätte ich meinen starken Glauben<br />
nicht, wäre ich bestimmt daran zerbrochen,<br />
aber so verlief unser Gespräch,<br />
bei dem auch der Vater anwesend war,<br />
sehr gut. Wir redeten <strong>und</strong> weinten alle<br />
zusammen, aber die Kinder verstanden,<br />
was ich ihnen sagen wollte.<br />
Am anderen Mittag verstarb die Mutter<br />
gerade mal 34 Jahre alt.<br />
Den Kindern ging es den Verhältnissen<br />
nach gut- sie waren vorbereitet.
<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />
Ich weiß aber auch, dass das Gespräch<br />
ein sehr schmaler Grat war <strong>und</strong> ich beinahe<br />
meine Grenzen überschritten hätte.<br />
Wir in der Suchtselbsthilfe müssen immer<br />
auf uns achten, um rechtzeitig an die jeweiligen<br />
Fachleute abgeben zu können.<br />
Wir müssen unsere Grenzen kennen.<br />
Darum ist es auch wichtig, Ansprechpartner<br />
zu haben.<br />
Die Suchtberatungsstelle der Caritas, das<br />
Ges<strong>und</strong>heitsamt, das Jugendamt, Psychologen<br />
<strong>und</strong> Ärzte stehen uns bei. Aber auch<br />
gute Fre<strong>und</strong>e sind ganz wichtig!<br />
Dort können – nein,- dort müssen wir uns<br />
Hilfe holen, wenn wir nicht mehr können.<br />
Als ich damals mein Wissen an Interessierte<br />
für Kindergruppen weitergab, war<br />
auch ein wichtiger Punkt, selber keine<br />
Probleme mehr zu haben.<br />
Ich meine:<br />
wenn ich selber noch nicht mit mir fertig<br />
bin, kann ich anderen auch nicht helfen.<br />
Dann werde ich schnell selbst krank.<br />
Auch meine Grenzen sollte ich abschätzen<br />
können- abgeben <strong>und</strong> nicht zögern, wenn<br />
fachliche Hilfe gebraucht wird.<br />
Von Vorteil ist auch, wenn ich Angehörige<br />
eines Suchtkranken bin, denn dann kann<br />
ich mich besser in die Kinder hineinversetzen-<br />
kenne die Angst <strong>und</strong> kann sie so<br />
besser verstehen.<br />
Die Mutter von Sebastian hat damals etwas<br />
in mir geweckt, was mich bis heute<br />
nicht mehr loslässt- nämlich Kinder aus<br />
suchtbelasteten Familien.<br />
Ich finde, es sind die ärmsten in der gesamten<br />
Suchtgeschichte <strong>und</strong> man sollte<br />
ihnen helfen, wenn es akut ist <strong>und</strong> nicht<br />
erst später, denn so können sie alles viel<br />
leichter verarbeiten.<br />
Natürlich wird immer noch gesagt, man<br />
solle sich um die betroffenen Eltern küm-<br />
29<br />
mern, dann würde das mit den Kindern<br />
von ganz alleine wieder in Ordnung kommen.<br />
Ich weiß aber, dass es meist nicht so<br />
ist.<br />
Als ich 1998 nach Paderborn zur Diözesanratssitzung<br />
der Caritas eingeladen<br />
wurde <strong>und</strong> von meiner Arbeit berichten<br />
durfte, wurde ich von vielen Caritas- <strong>und</strong><br />
Ges<strong>und</strong>heitskonferenzen eingeladen <strong>und</strong><br />
somit wurde meine Arbeit bekannt.<br />
Danach bekam ich Einladungen von verschiedenen<br />
Suchtkliniken, die Presse<br />
meldete sich, das Fernsehen kam usw.<br />
Man bat mich Workshops zu halten, lud<br />
mich bei Veranstaltungen ein mit einem<br />
Stand auf die Arbeit aufmerksam zu machen<br />
usw.<br />
Glauben Sie bloß nicht, dass es alle als<br />
gut aufnahmen, nein bestimmt nicht!<br />
Ich wurde damals oft angegriffen <strong>und</strong> man<br />
meinte, das wäre nicht gut für die Kinder,<br />
man solle sie lassen, die Ängste würden<br />
sich schon geben. Diese Arbeit wäre etwas<br />
für Therapeuten <strong>und</strong> Psychologen,<br />
aber nichts fürs Ehrenamt- nichts für die<br />
Selbsthilfe.<br />
Es war eine harte Zeit in der ich Positives<br />
aber auch viel Negatives ertragen musste.<br />
Hätte ich da meinen Mann nicht gehabt,<br />
der immer fragte: „Für wen machst du das<br />
für diese Leute oder für die Kinder?“ Ich<br />
meinte: „Natürlich für die Kinder,“ <strong>und</strong> so<br />
machte ich weiter. Erst nach über 10 Jahren<br />
nahm man mich endlich für „voll“. Man<br />
akzeptierte auf einmal, das was ich aufgebaut<br />
hatte <strong>und</strong> noch aufbaute.<br />
Als ich im Juni 2007 den Oscar Kuhn Preis<br />
in der Kategorie Praxis in Berlin im ICC<br />
überreicht bekam, wurden bei der Laudatio<br />
die Idee <strong>und</strong> die Arbeit gewürdigt.<br />
Es machte mich irgendwie glücklich <strong>und</strong><br />
froh, denn es war ein wirklicher Preis, der
<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />
hoch datiert war <strong>und</strong> ich von einigen lieben<br />
Fre<strong>und</strong>en <strong>und</strong> einem meiner Söhne begleitet<br />
wurde.<br />
Der Preis sollte mich in meiner weiteren<br />
Arbeit bestärken, diese Worte wurden mir<br />
auch mit auf den Weg gegeben <strong>und</strong> hallen<br />
irgendwie immer noch nach.<br />
Also machte ich weiter- aber auch ohne<br />
Preis hätte ich meinen Weg fortgesetzt.<br />
Im September 2008 bekam unsere Gruppe<br />
in Rietberg einen Sonderpreis: „In Gottes<br />
Schöpfung solidarisch leben“, den wir<br />
in einer feierlichen St<strong>und</strong>e überreicht bekamen.<br />
Froh hat es mich auch gemacht, als die<br />
Dortm<strong>und</strong>er Smily Kids-Gruppe unter Leitung<br />
von Elisabeth Keller am Tag der<br />
Freiwilligen einen Ehrenpreis bekam.<br />
Es war 2007 im Juni, als mich die Vorsitzende<br />
von der Association Internationale<br />
des Charités (AIC) in Brüssel- Frau Christa<br />
Fölting -Vertreterin der Caritas-<br />
Konferenzen Deutschland- heute Vizepräsidentin-<br />
anrief <strong>und</strong> fragte, ob ich mir<br />
vorstellen könne zu ihr nach Mühlheim zu<br />
kommen, um einigen Gästen aus der Ukraine<br />
meine Arbeit vorzustellen. Im Hinterkopf<br />
hatte sie, dass auch dort eine Gruppe<br />
aufgebaut werden könnte.<br />
So fuhr ich dann im August für 2 Tage<br />
nach Mühlheim <strong>und</strong> gab einigen Studenten<br />
<strong>und</strong> Erwachsenen wichtiges Werkzeug<br />
an die Hand, um auch dort für die Kinder<br />
aus suchtbelasteten Familien etwas aufzubauen.<br />
Sie waren alle so angetan von<br />
diesem Projekt, dass sie es bereits im Oktober<br />
umsetzten. Natalja- eine 22 jährige<br />
Studentin, deren Vater selbst suchtkrank<br />
ist- wurde erste Gruppenleiterin einer<br />
Smily Kids- Gruppe in Stara Huta in der<br />
Ukraine.<br />
Sie nahm ihre Arbeit sehr ernst, hatte aber<br />
so viele Fragen, dass Frau Fölting mich-<br />
nebst einer Dolmetscherin- kurzerhand<br />
30<br />
nach Krakau einlud, um alles zu klären.<br />
Natalja kam mit einigen Helfern ebenfalls<br />
dorthin <strong>und</strong> wir hatten ein arbeitsreiches<br />
Wochenende.<br />
Kurz darauf wurde dann eine zweite<br />
Gruppe eröffnet, die von einer Erzieherin<br />
geleitet wird.<br />
Frau Fölting bat mich 2010 das Konzept,<br />
Leitfaden <strong>und</strong> Ideen ins Englische übersetzen<br />
zu lassen, weil Natalja aus der Ukraine<br />
die Smily Kids Gruppe auf der AIC<br />
Vollversammlung in Madrid im April 2011<br />
vorstellen wollte.<br />
Hier meldeten sich einige Länder, die es<br />
übernehmen wollten. Momentan weiß ich<br />
nur von Mexiko, die es bereits ins Spanische<br />
übersetzten <strong>und</strong> dass es für die Ukraine<br />
inzwischen eine polnische Übersetzung<br />
gibt.<br />
Näheres werde ich bei der nächsten Versammlung,<br />
die wahrscheinlich jetzt im April<br />
oder Mai stattfindet, erfahren.<br />
Ein Höhepunkt war für mich <strong>und</strong> alle Smily<br />
Kids, Eltern, Helfer <strong>und</strong> Helferinnen unser<br />
15 jähriges Bestehen, dass wir am 17.<br />
September 2011 feierten.<br />
Alle Eingeladenen kamen - Kreuzb<strong>und</strong><br />
Vorstand – Bürgermeister - alle caritative<br />
Einrichtungen - usw. Es würde zu lange<br />
dauern, um alle aufzuzählen. Ein Vater<br />
aus unserer Gruppe hatte eine PowerPoint<br />
Präsentation erstellt - von den Anfängen<br />
bis heute <strong>und</strong> selbst ich war überrascht,<br />
was alles in dieser Zeit passiert war.<br />
Später nahm ich gerne die vielen Umarmungen,<br />
Hände schütteln, Glückwünsche<br />
<strong>und</strong> Präsente entgegen. Es war ein w<strong>und</strong>erschöner<br />
<strong>und</strong> unvergesslicher Nachmittag.<br />
Heute haben wir 4 gutlaufende Kindergruppen<br />
in Dortm<strong>und</strong>, Meschede, Olpe<br />
<strong>und</strong> die Muttergruppe in Lennestadt-<br />
Altenh<strong>und</strong>em.
<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />
Kinder <strong>und</strong> Eltern kommen aus einem<br />
Umkreis von ca. 30 Kilometern <strong>und</strong> meist<br />
ist es M<strong>und</strong>propaganda. Aber auch Kinderheime,<br />
Jugendämter, Caritasberatungsstellen,<br />
Diakonie <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsämter<br />
weisen heute auf unsere Gruppen<br />
hin.<br />
Wir sind im Internet unter www.smilykids.de<br />
<strong>und</strong> bei Facebook zu finden<br />
31<br />
So wurde aus der kleinen Idee eine feste<br />
Einrichtung, die Höhen aber auch viele<br />
Tiefen überstanden hat.<br />
Möge Gott uns Allen weiterhin mit seiner<br />
Kraft zur Seite stehen.<br />
Herzlichen Dank, dass Sie mich eingeladen<br />
haben <strong>und</strong> herzlichen Dank für Ihre<br />
Aufmerksamkeit!
<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />
4. Thüringen im Blick – Modellprojekte stellen sich vor<br />
4.1 Charlotte Stamm<br />
Der R<strong>und</strong>e Tisch Kinder aus suchtbelasteten Familien<br />
Charlotte Stamm<br />
Sehr geehrte Damen <strong>und</strong> Herren,<br />
wir wollen heute vergessenen Kindern<br />
eine Stimme geben. Deshalb möchte ich<br />
zunächst einige Kinder Sprechen lassen.<br />
Ausschnitt aus dem Film: „Liebe <strong>und</strong> Hass: Ein<br />
Film über Jugendliche, deren Eltern alkoholabhängig<br />
sind.“ Medienprojekt Wuppertal e.V.,<br />
Jugendvideoproduktion <strong>und</strong> -vertrieb.<br />
Schätzungsweise mehr als 48.700 Kinder<br />
unter 18 Jahren leben in Thüringen in von<br />
Suchtkrankheit belasteten Familien.<br />
Was gibt es hier in Thüringen, um diesen<br />
Kindern zu helfen?<br />
Als wissenschaftliche Mitarbeiterin der<br />
Thüringer Fachstelle Suchtprävention koordiniere<br />
ich seit Juli 2012 den R<strong>und</strong>en<br />
Tisch Kinder aus suchtbelasteten Familien.<br />
Von Anfang an war ich von der Arbeit<br />
der drei Modellprojekte begeistert. Kunterbunt<br />
in Schmalkalden, Mamamia in Eisenberg<br />
<strong>und</strong> Jonathan in Erfurt bieten den<br />
Kindern eine sicherere, vertrauensvolle<br />
Umgebung, zuverlässige Ansprechpartner<br />
<strong>und</strong> neue Entwicklungsmöglichkeiten.<br />
Gleichzeitig bin ich immer wieder erstaunt<br />
darüber wie wenig über die Problemlagen<br />
der Kinder in der Öffentlichkeit bekannt ist.<br />
Kinder aus suchtbelasteten Familien gibt<br />
es eben nicht nur in Erfurt, Eisenberg <strong>und</strong><br />
Schmalkalden. Deshalb beschäftigen wir<br />
32<br />
uns im R<strong>und</strong>en Tisch aktuell mit der Entwicklung<br />
eines Wegweisers zum Thema<br />
Kinder aus suchtbelasteten Familien in<br />
Thüringen, in dem Handlungsempfehlungen,<br />
Adressen <strong>und</strong> Ansprechpartner aufgeführt<br />
werden.<br />
Vor einigen Wochen habe ich mich mit<br />
einer Erzieherin unterhalten <strong>und</strong> ihr von<br />
meinem Arbeitsfeld erzählt. Ich erklärte<br />
ihr, dass Experten davon ausgehen, dass<br />
jedes sechste Kind in einer Suchtfamilie<br />
aufwächst. Und da war er wieder. Dieser<br />
Moment der Stille <strong>und</strong> des Nachdenkens,<br />
in dem sie abzählte wie viele Kinder aus<br />
ihrer Gruppe theoretisch betroffen sein<br />
könnten.<br />
Wir möchten Ihnen heute mit dieser Veranstaltung<br />
Mut machen sich mit dem<br />
Thema auseinander zu setzen <strong>und</strong> sich für<br />
die Kinder einzusetzen. Vielleicht tun Sie<br />
dies ja auch bereits.<br />
Heute haben Sie den Schritt gemacht <strong>und</strong><br />
sind zu dieser <strong>Fachtag</strong>ung gekommen, um<br />
sich zu informieren <strong>und</strong> auszutauschen.<br />
Doch der Weg der Hilfe ist nicht immer<br />
leicht.<br />
Manchmal ist es leichter Wege nicht allein<br />
zu beschreiten. Deshalb möchte ich Sie<br />
dazu einladen den Kontakt zum R<strong>und</strong>en<br />
Tisch Kinder aus suchtbelasteten Familien<br />
in Thüringen aufzunehmen, so wie es<br />
auch die „Erfurter Seelensteine“ ein neues<br />
Angebot für Kinder psychisch kranker Eltern<br />
des Trägerwerks Soziale Dienste getan<br />
haben.<br />
Wir helfen Ihnen gern.<br />
Begrüßen Sie nun mit mir die Projektleiterinnen<br />
von Kunterbunt, Mamamia <strong>und</strong> Jonathan.<br />
Frau Ilgen, Frau Danzer, Frau<br />
Kühnel <strong>und</strong> Frau Schilling werden Ihnen<br />
ihre Projekte vorstellen.
<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />
4.2 Susanne Ilgen<br />
Projekt „Kunterbunt“ - CWS GmbH<br />
Kunterbunt<br />
Ein Projekt für Kinder <strong>und</strong> Jugendliche<br />
aus suchtbelasteten Familien<br />
1<br />
Aktionswoche<br />
für Kinder aus SuchtFamilien<br />
3<br />
33<br />
Kinder<br />
Projektbeginn<br />
Ort<br />
Mitarbeiter<br />
Trägerschaft<br />
Überblick<br />
2<br />
Thüringenjournal<br />
„MDR Um 12“<br />
Am 16. Feb. 2012<br />
4
Ziele<br />
<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />
Übersicht über die Arbeit<br />
Bedarfsbezogene Angebote<br />
Öffentliches Bewusstsein<br />
5<br />
Übersicht über die Arbeit<br />
Arbeitsschwerpunkte<br />
Maßnahmen für Kinder <strong>und</strong> Jugendliche<br />
Ferienangebote<br />
Elternarbeit<br />
7<br />
Übersicht über die Arbeit<br />
Die Arbeit an der Eltern-Kind-Beziehung erweitert nicht nur die Reifungs- <strong>und</strong><br />
Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes, sondern verbessert auch die<br />
lebenspraktischen Fähigkeiten der Eltern, stärkt ihr Selbstvertrauen <strong>und</strong><br />
Selbstbewusstsein <strong>und</strong> hilft ihnen, ein selbständiges <strong>und</strong> autonomes Leben in<br />
abstinenter Weise zu führen.<br />
Eltern profitieren von Kunterbunt durch:<br />
Verbesserung der Kompetenz im Umgang mit ihren Kindern<br />
Erhöhung ihrer Selbstsicherheit<br />
Wertschätzung der eigenen Fähigkeiten<br />
Wertschätzung des Kindes<br />
Toleranz der eigenen Schwäche<br />
Fähigkeit, andere Menschen einzubeziehen <strong>und</strong> (suchtspezifische) Hilfe<br />
anzunehmen<br />
9<br />
Nachhaltigkeit<br />
der Arbeit<br />
Veränderung bei den Kindern<br />
Erhöhte Frustrationstoleranz<br />
Größere Aufgeschlossenheit<br />
Entstehendes Vertrauen<br />
Wachsende Beziehungen<br />
11<br />
34<br />
Ziele<br />
Übersicht über die Arbeit<br />
Kinder sollen in homogenen Gruppen "Kind oder Jugendlicher sein<br />
dürfen", Orientierung finden in klar <strong>und</strong> transparent strukturierten<br />
Rahmen <strong>und</strong> Rollen.<br />
Selbstwertgefühl steigern<br />
Tabu-Thema Sucht (als Familienkrankheit) auflösen<br />
die innere Isolation <strong>und</strong> Sprachlosigkeit „aufbrechen“<br />
eigene Gefühle <strong>und</strong> BEdürfnisse wahrzunehmen <strong>und</strong> zu<br />
formulieren<br />
lernen, eigene Grenzen zu setzen <strong>und</strong> Verantwortung an die<br />
Eltern zurückzugeben<br />
Wochenplan<br />
Tagesablauf<br />
Konzeptioneller<br />
Hintergr<strong>und</strong>: Was<br />
tut den Kindern gut?<br />
(Von Sport über<br />
Kreativität zu<br />
Entspannung)<br />
6<br />
Übersicht über die Arbeit<br />
Veränderung bei den<br />
Eltern<br />
8<br />
Nachhaltigkeit<br />
der Arbeit<br />
Jugendamtsprüfu<br />
ng einer Familie<br />
Stellungnahmen<br />
von Eltern<br />
10<br />
12
Kontakte<br />
<strong>und</strong> Netzwerkarbeit<br />
Aktuelles<br />
Fallbeispiel:<br />
Zusammenarbeit mit<br />
Selbsthilfegruppe<br />
R<strong>und</strong>er Tisch<br />
„Kinder aus<br />
suchtbelasteten<br />
Familien“<br />
Methodenkoffer<br />
Zusammenarbeit mit<br />
<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />
Schulen 13<br />
14<br />
Kontakte<br />
<strong>und</strong> Netzwerkarbeit<br />
Kinderkonzert zum CWS-Röthoffest Juni<br />
2012<br />
Sommerfest TABS am Stiller Tor,<br />
Schmalkalden im August 2012<br />
15<br />
Presseresonanz<br />
„Kunterbunt ist w<strong>und</strong>erschön“<br />
STZ, 18. Feb. 2012<br />
„Reportage über kunterbuntes Kinderleben“<br />
STZ, 17. Feb. 2012<br />
„Mut-Macher“<br />
STZ, 10. Feb. 2012<br />
„Ein buntes Haus für Pippi, Annika, Tommi <strong>und</strong><br />
Co“<br />
STZ, 9. Jul. 2011<br />
„Ein Ort der Geborgenheit“<br />
35<br />
Kontakte<br />
<strong>und</strong> Netzwerkarbeit<br />
Tag der Offenen Tür im Februar 2012<br />
Wachsende Identifikation der Nachbarschaft<br />
Engagement des Ortsteilbürgermeisters<br />
Interessenten für Praktika<br />
Kooperationen mit ansässigen Vereinen<br />
Kontakte<br />
<strong>und</strong> Netzwerkarbeit<br />
Intensivierung der Zusammenarbeit mit den<br />
Schulen<br />
Direkter Kontakt mit Kindern<br />
Besuche von Schulen in „Kunterbunt“<br />
Kinderkonzert mit Gerhard Schöne anlässlich<br />
des Röthoffestes in Kooperation mit der Stadt<br />
Planungen von Sommerangeboten wie einer<br />
Ferienfreizeit im Austausch mit „Sabit“<br />
STZ, 11. Mai 2011<br />
17<br />
18<br />
Ausblick<br />
Angebot: Weiterbildung zum Thema „illegale<br />
Drogen“<br />
19<br />
Gesellschaftliche „Tabuisierung“<br />
Tief verwurzelte Berührungsangst<br />
Hemmschwelle bei Eltern<br />
16<br />
Herausforderungen<br />
Kunterbunt<br />
Ein Projekt der<br />
Christliche Wohnstätten Schmalkalden GmbH,<br />
gefördert durch das Thüringer Ministerium<br />
für Soziales, Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Familie<br />
20
<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />
4.3 Jana Danzer<br />
Projekt „mamamia“ Wendepunkt e.V.<br />
WENDEPUNKT e.V.<br />
Rosa-Luxemburg-Str. 13<br />
07607 Eisenberg<br />
Tel.: 036691 5720-0<br />
Fax: 036691 5720-29<br />
mamamia@wendepunkt-ev.net<br />
www.wendepunkt-ev.net<br />
„mamamia“<br />
Projekt der Suchtprävention<br />
zur Förderung von Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen<br />
aus suchtbelasteten Familien<br />
Jana Danzer (M.A.)<br />
Erziehungswissenschaften<br />
(Projektleiterin)<br />
Kinder suchtkranker Eltern zählen nach<br />
zahlreichen Studien zur Hochrisikogruppe,<br />
eigene Suchtstrukturen zu entwickeln.<br />
02.05.2013 3<br />
Rahmenbedingungen (1)<br />
- Standorte -<br />
Projektstandorte<br />
Suchtberatungsstellen<br />
02.05.2013 5<br />
36<br />
02.05.2013 Quelle: http://www.youtube.com/watch?v=Sf9DTVBVqLc<br />
2<br />
Gr<strong>und</strong>gedanken „mamamia“<br />
• direkte <strong>und</strong> frühzeitige Intervention in suchtbelasteten<br />
Familien<br />
• flexibles Betreuungsangebot für Kinder <strong>und</strong> Jugendliche,<br />
deren Eltern ein Suchtproblem haben<br />
02.05.2013 4<br />
- Mitarbeiter -<br />
Rahmenbedingungen (2)<br />
• 1,0 Projektleiterin<br />
• 0,25 Präventionsfachkraft<br />
• 0,75 Mitarbeiterin Eisenberg<br />
• 0,75 Mitarbeiterin Kahla<br />
- Räumlichkeiten -<br />
• Eisenberg: Gruppenräume, Kreativräume in der<br />
vereinseigenen Villa<br />
• Kahla: Gruppenraum in der Suchtberatungsstelle<br />
finanziert über Modell Bürgerarbeit<br />
02.05.2013 6
Rahmenbedingungen (3)<br />
• stabile, regelmäßige, klar strukturierte Angebote<br />
• Hilfe über einen langen Zeitraum<br />
• feste Anlaufstellen/immer am gleichen Ort<br />
• immer zur selben Zeit<br />
• Freiwilligkeit<br />
• Einverständnis der Eltern<br />
• Schweigepflicht <strong>und</strong> datenschutzrechtliche<br />
Bestimmungen<br />
02.05.2013 7<br />
Aktuell (1)<br />
• 3 Kindergruppen (2 in Kahla, 1 in Eisenberg): 19 Kinder<br />
<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />
02.05.2013 9<br />
Highlights (1)<br />
02.05.2013 11<br />
Highlights (3)<br />
02.05.2013 13<br />
37<br />
Strukturelle, inhaltliche <strong>und</strong><br />
methodische Schwerpunkte<br />
• Einzelarbeit mit Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen<br />
• Gruppenarbeit mit Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen<br />
• Elternarbeit<br />
• Familienarbeit: Organisation gemeinsamer<br />
Freizeiten mit den Eltern<br />
02.05.2013 8<br />
Aktuell (2)<br />
02.05.2013 10<br />
Highlights (2)<br />
02.05.2013 12<br />
„Solange Kinder klein sind, gib ihnen tiefe Wurzeln,<br />
wenn sie älter geworden sind, gib ihnen Flügel.“<br />
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!<br />
Jana Danzer (M.A.)<br />
Erziehungswissenschaften<br />
WENDEPUNKT e.V.<br />
Rosa-Luxemburg-Str. 13<br />
07607 Eisenberg<br />
Tel.: 036691 5720-0<br />
Fax: 036691 5720-29<br />
mamamia@wendepunkt-ev.net<br />
www.wendepunkt-ev.net
<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />
4.4 Beate Kühnel & Lisa Schilling<br />
Projekt „Jonathan“ - sabit e.V./SiT - Suchthilfe in Thüringen<br />
gGmbH<br />
Beate Kühnel<br />
Innerhalb des <strong>Fachtag</strong>es <strong>„Sucht</strong> <strong>und</strong> <strong>Familie“</strong><br />
am 16.02.2013 bestand die Möglichkeit,<br />
über die Arbeit der vergangenen<br />
sechs Jahre zu berichten <strong>und</strong> einen Einblick<br />
in die Arbeit mit den Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen<br />
zu geben. Dieses Referat gestaltete<br />
ich als Bilderreise – eine Vielzahl<br />
von Fotos spiegelten meine Aussagen <strong>und</strong><br />
Gedanken wieder. Da sich diese Form des<br />
Vortrages nicht auf Papier festhalten lässt,<br />
ist für die <strong>Dokumentation</strong> noch ein rein<br />
schriftlicher Projekt-Einblick entstanden.<br />
Beate Kühnel (Dipl. Sozialpädagogin (FH) als Refe-<br />
rentin)<br />
Das Projekt Jonathan wurde in den Jahren<br />
2006 bis 2012 beim sabit e. V. (Soziales<br />
Arbeitnehmer-Bildungswerk in Thüringen<br />
e.V.) durchgeführt <strong>und</strong> konnte sich seit<br />
diesem Jahr neu im Präventionszentrum<br />
der SiT (Suchthilfe in Thüringen gGmbH)<br />
beheimaten. Es hat seinen Namen zum<br />
einen durch den Roman von Richard Bach<br />
„Die Möwe Jonathan“ <strong>und</strong> zum anderen<br />
durch den trägereigenen Kutter, der in den<br />
Angeboten eine zentrale Rolle spielt.<br />
Als inhaltlichen Einstieg erlauben Sie mir<br />
zunächst die Frage: „Wie sprechen Menschen<br />
mit Menschen?“ Folgt man Kurt<br />
Tucholsky dann lautet die Antwort „Anei-<br />
38<br />
nander vorbei.“ Kommunikation dient der<br />
Verständigung, sie stellt aber ebenso Beziehungen<br />
her. Um die in unserer Arbeit<br />
gesteckten Ziele zu erreichen, war Kommunikation<br />
in jeglicher nur denkbarer<br />
Form, Art <strong>und</strong> Weise <strong>und</strong> in den verschiedensten<br />
Settings aus den unterschiedlichsten<br />
Gründen notwendig.<br />
Damit DAS funktionierte ist die Basis<br />
Beziehungsarbeit:<br />
a) mit den Kindern, um Vertrauen zu<br />
schaffen, damit sie sich öffnen, bereit<br />
sind für die Wissensvermittlung,<br />
aus der sich neue Kommunikations-<br />
<strong>und</strong> Lebensmuster entwickeln<br />
können,<br />
b) mit den Eltern, denn auch wenn<br />
Eltern krank sind sollten sie als<br />
Ressource wahrgenommen <strong>und</strong><br />
erkannt werden sowie<br />
c) mit dem notwendigen Netzwerk<br />
<strong>und</strong> möglichen Kooperationspartnern<br />
<strong>und</strong> nicht zu vergessen, mit<br />
Unterstützern auf finanzieller<br />
Ebene – sie alle helfen dabei, das<br />
Projekt nachhaltig umsetzen zu<br />
können.<br />
Im Verlauf der Jahre ist ein Netzwerk von<br />
22 Partnern entstanden, welches der Zugang<br />
zu den Familien ist. Alle Partner<br />
werden regelmäßig über Angebote informiert<br />
<strong>und</strong> zu einer einmal im Jahr stattfindenden<br />
Fachveranstaltung eingeladen.<br />
Daneben haben wir Kooperationspartner,<br />
die uns bei der Zielerreichung unterstützen<br />
– selbstverständlich innerhalb einer sog.<br />
win-win-Situation. Sie sind gleichfalls wichtig<br />
für eine kostengünstige Gestaltung der<br />
Arbeit, <strong>und</strong> besonders kostbar, um nachhaltige<br />
Strukturen zu schaffen, denn so
<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />
mancher Verein entpuppt sich später als<br />
ideales Freizeitangebot.<br />
Das Thema Netzwerk ist in der täglichen<br />
Arbeit sehr zeitintensiv, jedoch unabdingbar!<br />
Die Wege, über die die Familien dann<br />
letztlich im Projekt ankommen, sind sehr<br />
unterschiedlich – immer ausgerichtet an<br />
den Möglichkeiten der Familien <strong>und</strong> des<br />
Netzwerkes.<br />
In der direkten Arbeit mit den Kindern<br />
selbst waren die Ziele von Beginn an:<br />
ganzheitliche Stärkung insb. der<br />
Resilienzen sowie Aufzeigen vielseitiger<br />
Lebens- <strong>und</strong> Freizeitgestaltungen<br />
– auch unabhängig vom Elternhaus,<br />
Kontaktmöglichkeiten zu Kindern<br />
mit ähnlichen Problemlagen <strong>und</strong><br />
nach Ausbau einer tragfähigen Beziehung<br />
die altersgemäße Wissensvermittlung<br />
zum Thema Sucht.<br />
In der Laufzeit von 6 Jahren wurden insgesamt<br />
143 Kinder <strong>und</strong> Jugendliche erreicht.<br />
Dabei gab es sowohl einmalige<br />
Kontakte gefolgt von einem schnellen Abschied,<br />
als auch konstante Teilnahmen<br />
von bis zu 4 Jahren. Fast die Hälfte der<br />
Kinder, nämlich 45,46 %, konnten über<br />
einen Zeitraum von ein bis drei Jahren<br />
integriert werden. Zielgruppe sind Kinder<br />
<strong>und</strong> Jugendliche im Alter von 6 bis 15 Jahren.<br />
Mit Blick auf die Arbeit der Teilnehmer <strong>und</strong><br />
Teilnehmerinnen des <strong>Fachtag</strong>es gehe ich<br />
davon aus, dass es zumeist in erster Linie<br />
gar nicht darum geht, betroffene Kinder zu<br />
erkennen. Dafür haben wir alle das eine<br />
oder andere Klischee im Kopf, welches<br />
irgendwann einmal entstand <strong>und</strong> sich verfestigt<br />
hat oder wir besitzen f<strong>und</strong>iertes<br />
Wissen, dass uns in unserer Arbeit sicher<br />
macht.<br />
So manches Mal bedienen die Kinder die<br />
Klischees, stören uns Fachkräfte in der<br />
39<br />
Arbeit, machen die Durchführung von Angeboten<br />
oder Aufträgen fast unmöglich –<br />
es ist schwer, mit ihnen zu arbeiten <strong>und</strong> es<br />
kostet viel Kraft, für sie ein konstantes,<br />
offenes Beziehungsangebot beizubehalten.<br />
Es hat sich im Projekt Jonathan als<br />
wichtig erwiesen, dieses Gefühl ernst zu<br />
nehmen <strong>und</strong> es zu hinterfragen – oft steckt<br />
sehr viel dahinter.<br />
Daneben handelt der eine oder andere<br />
Teilnehmer oder die Teilnehmerin des<br />
<strong>Fachtag</strong>es vielleicht aus einem „unbestimmten“<br />
Bauchgefühl heraus: einen Hilfebedarf<br />
vermutend, das Kind möglicherweise<br />
eher leise, angepasst, auffällig unauffällig.<br />
Vertrauen Sie diesem Gefühl –<br />
behalten Sie es nicht für sich – teilen Sie<br />
es! Suchen Sie sich Unterstützung bei<br />
Kollegen <strong>und</strong> vor allem bei Vorgesetzten<br />
oder anderen Vertrauenspersonen.<br />
Von Gr<strong>und</strong> auf müssten Sie für sich <strong>und</strong><br />
Ihre Einrichtung entscheiden, wie mit betroffenen<br />
Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen umzugehen<br />
ist – „Wo soll die Reise hingehen?“<br />
Für diesen Weg ist innerhalb Ihrer Arbeit<br />
abzustimmen:<br />
Integration/Inklusion/“Sonder-<br />
Angebote“ für alle in Ihrer täglichen<br />
Arbeit vs. Angebote ausgerichtet<br />
auf spezielle Bedürfnisse<br />
in anderen Einrichtungen<br />
Umsetzen von Visionen / Weiterentwicklung<br />
vs. Grenzen erkennen,<br />
Aufgaben abgeben<br />
gemäß der Zielorientierten Projekt-Planung:<br />
Abstimmung von<br />
Wollen – Können – Dürfen, (sog.<br />
ZOPP-Kriterien [BZgA])<br />
Die Arbeit im Projekt „Jonathan“ musste<br />
<strong>und</strong> muss sich noch heute wandelnden,<br />
inneren <strong>und</strong> äußeren Rahmenbedingungen<br />
anpassen. Für Veränderungen ist ein<br />
Prozessverständnis zu entwickeln, um die<br />
guten Erfahrungen der Vergangenheit<br />
nicht zu verlieren <strong>und</strong> gleichzeitig die Zu-
<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />
kunft in den Blick zu nehmen. Wichtig im<br />
Prozess bleibt, dass alle Angebote fachlich<br />
f<strong>und</strong>iert <strong>und</strong> zielgerichtet sind: WAS<br />
mache ich WOZU!<br />
An dieser Stelle wird deutlich, dass sich<br />
unser gesamtes Dasein immer zwischen<br />
Polaritäten bewegt. Für jeden von uns sind<br />
dies beispielhaft:<br />
Tag <strong>und</strong> Nacht / Sommer <strong>und</strong><br />
Winter / Hunger <strong>und</strong> Sättigung /<br />
Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Krankheit / Wärme<br />
<strong>und</strong> Kälte / Energie <strong>und</strong> Müdigkeit<br />
/ sich einig sein oder uneins<br />
sein.<br />
Gerade in Familien, in denen das Thema<br />
Sucht einen enormen Platz für sich beansprucht,<br />
ist dadurch wenig Kraft vorhanden<br />
für das Zulassen von Polaritäten. Ich<br />
denke, dass es in unserer Arbeit ein wichtiger<br />
Aspekt ist, Polaritäten immer wieder<br />
darzustellen. Nicht nur bezogen auf die<br />
Kinder aus suchtbelasteten Familien, sondern<br />
auf alle anfangs vorgestellten Ebenen:<br />
betroffene Kinder <strong>und</strong> Jugendliche,<br />
Eltern, Netzwerk, Finanzierung <strong>und</strong> auch<br />
für uns Mitarbeiter SELBST!<br />
Bei der Umsetzung der Angebote haben<br />
wir uns im Projekt an den Bedürfnissen<br />
der Kinder orientiert <strong>und</strong> dennoch ist es<br />
unsere Aufgabe, die Kinder an ihre eigenen<br />
Grenzen zu führen <strong>und</strong> darüber hinaus<br />
wachsen zu lassen – in einem geschützten<br />
Rahmen <strong>und</strong> auf der Basis von<br />
Vertrauen. Gr<strong>und</strong>lage des Projektes ist,<br />
dass Kinder andere Kinder kennen lernen<br />
können, die in ähnlicher Problemlage sind<br />
<strong>und</strong> dadurch erkennen: „Ich bin kein Ein-<br />
40<br />
zelfall!“. Es werden immer wieder Möglichkeiten<br />
geschaffen, sich auch ohne unser<br />
Zutun auszutauschen.<br />
Manche unserer Angebote lassen Urlaub<br />
vermuten, doch der „Eventcharakter“ ist<br />
neben der Beziehungsarbeit eine enorm<br />
wichtige Motivation zum Kommen <strong>und</strong><br />
zum Bleiben. Die Kinder stellen schnell<br />
fest, dass „echte“ Events anstrengender<br />
sind, als vor einer Spielkonsole zu sitzen.<br />
Die anschließende Reflexion macht dann<br />
den eigentlichen pädagogischen Lerneffekt<br />
aus, so kann sich Erlerntes verfestigen<br />
<strong>und</strong> der Spaß motiviert zum Verinnerlichen.<br />
In der direkten Arbeit mit den Betroffenen<br />
liegt der Erfolg schon bei kleinen Schritten<br />
– dies kann z. B. bedeuten, dass ein Kind<br />
innerhalb eines Angebotes zwar gerne<br />
blockiert <strong>und</strong> diskutiert doch absolut konstant<br />
über einen Zeitraum von mehr als<br />
einem Jahr an diesem Angebot teilnimmt<br />
<strong>und</strong> dabei auch so manches Mal über sich<br />
hinauswächst, enormen Mut entwickelt<br />
<strong>und</strong> ganz nebenbei sogar die „große Klappe“<br />
vergisst.<br />
Erst eine gelingende Beziehungsarbeit<br />
erlaubt uns eine intensive Bearbeitung des<br />
schweren Themas Sucht – gemeinsam mit<br />
den Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen des Projektes.<br />
Die Art der Angebote <strong>und</strong> die Form<br />
der Wissensvermittlung sind an kindlichen<br />
Bedürfnissen orientiert: in Bewegung, lesend,<br />
malend, aktiv oder entspannt, in<br />
Räumen ebenso wie in der Natur.<br />
Beate Kühnel, Leiterin „Jonathan“
<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />
5. Praktisches „zum Anfassen“ - Fragecafé<br />
5.1 Gruppe 1 unter der Leitung von Projekt „Kunterbunt“<br />
In meiner Kleingruppe habe ich den Teilnehmern<br />
des <strong>Fachtag</strong>es die Arbeit mit<br />
dem „MIMÜRFEL“ vorgestellt. Der<br />
„Mimürfel“ ist ein großer Schaumstoffwürfel,<br />
auf dessen Seiten anstatt Zahlen oder<br />
Punkten, verschiedene Gesichtsausdrücke<br />
dargestellt sind. In der täglichen Arbeit mit<br />
den Kindern erleichtert der „Mimürfel“ den<br />
Einstieg in das schwierige Thema der Gefühle.<br />
Dabei wird er nicht selten unschlüssig<br />
gedreht, verlegen geknetet, oder auch<br />
liebevoll gedrückt.Ich bezeichne ihn gerne<br />
auch als „Türöffner“.<br />
In der 1. Spielr<strong>und</strong>e sollten die einzelnen<br />
Mienen durch viele verschiedene Adjektive<br />
benannt werden. Hier zeigte sich, dass<br />
Kinder viel kreativer sind <strong>und</strong> mehr Gefühle<br />
benennen können, als die erwachsenen<br />
<strong>Fachtag</strong>steilnehmer.<br />
In der 2. Spielr<strong>und</strong>e werden typische Alltagssituationen<br />
benannt, die zu den entsprechenden<br />
Gesichtern bzw. Gefühlen<br />
passen. Kinder werden in dieser R<strong>und</strong>e<br />
meist schon sehr konkret, <strong>und</strong> ich erkenne<br />
in ihren Aussagen eigene Erlebnisse. Die<br />
erwachsenen Teilnehmer reagierten weniger<br />
spontan, <strong>und</strong> benannten meist fiktive<br />
Situationen.<br />
41<br />
In der 3. Spielr<strong>und</strong>e wähle ich dann die<br />
positiven Mienen aus <strong>und</strong> frage konkret<br />
nach einem eigenen Erlebnis, das zu dem<br />
jeweiligen Gesicht passt. Durch Weitergabe<br />
des „Mimürfels“ erhalten so alle Teilnehmer<br />
die Möglichkeit zum Berichten.<br />
Wir sprechen dabei über Gefühle <strong>und</strong> ihre<br />
physischen (körperliche Reaktionen) <strong>und</strong><br />
psychischen Auswirkungen (Gedanken).<br />
In der 4. Spielr<strong>und</strong>e erfolgt das Gleiche<br />
mit den negativ besetzten Mienen. Mit<br />
Kindern werden in dieser R<strong>und</strong>e Lösungsmöglichkeiten<br />
aufgezeigt <strong>und</strong> besprochen.<br />
Die Erwachsenen sollten berichten,<br />
in welcher Situation sie sich eher<br />
schlecht (wütend, traurig, abgelehnt) gefühlt<br />
haben <strong>und</strong> ob es Strategien für den<br />
Umgang mit negativen Gefühlen gibt. Dabei<br />
greift das Prinzip der Selbsthilfe: jeder<br />
hört zu <strong>und</strong> lernt vom anderen.<br />
In der 5. Spielr<strong>und</strong>e sollte jeder Teilnehmer<br />
das Gesicht zeigen, mit dem er am<br />
Morgen aus dem Haus gegangen ist, <strong>und</strong><br />
das Gesicht, das die augenblickliche Gefühlslage<br />
ausdrückt. Erklärungen dazu<br />
sind möglich, sollten aber kurz gefasst<br />
sein.<br />
Die Teilnehmer der Erwachsenenspielr<strong>und</strong>e<br />
waren sichtlich erschöpft, <strong>und</strong> stellten<br />
fest, wie schwer es ihnen fiel, sich trotz<br />
des Hilfsmittels „Mimürfel“ auf ihr Gefühlsleben<br />
einzulassen <strong>und</strong> dieses wahrzunehmen.<br />
Kinder reagieren spontaner <strong>und</strong><br />
konkreter <strong>und</strong> wirken erleichtert nach der<br />
R<strong>und</strong>e.<br />
Susanne Ilgen, Leiterin „Kunterbunt“
<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />
5.2 Gruppe 2 <strong>und</strong> 3 unter der Leitung von Projekt „mamamia“<br />
Die Mitarbeiter des Projekts „mamamia“<br />
boten den Teilnehmern des <strong>Fachtag</strong>es die<br />
Möglichkeit eine Spiel- <strong>und</strong> Erfahrungsstrecke<br />
der AGETHUR zur Sinnesschulung<br />
<strong>und</strong> das Schwungtuch als psychomotorisches<br />
Übungsgerät selbst zu erleben.<br />
In anschließenden Reflexionsgesprächen<br />
zeigte sich, dass die Teilnehmer zunächst<br />
auch – genau wie unsere „mamamia“-<br />
Kinder – Hemmschwellen überwinden<br />
mussten, um an den Übungen teilzuhaben,<br />
um sich zu öffnen <strong>und</strong> ihre Gefühle<br />
<strong>und</strong> Gedanken preiszugeben.<br />
Die Teilnehmer äußerten sich voller Respekt<br />
gegenüber den Kindern, die den Mut<br />
haben, über ihre Sorgen, Nöte <strong>und</strong> Ängste<br />
zu sprechen, gegenüber den Eltern, die<br />
ihre Sucht offenlegen <strong>und</strong> damit bereit<br />
sind, Hilfe in Anspruch zu nehmen, aber<br />
auch gegenüber den Projektmitarbeitern,<br />
die mit viel Hingabe <strong>und</strong> Engagement,<br />
Kinder in ihrer Notsituation auffangen <strong>und</strong><br />
ihnen eine „ruhige Insel im Sturm bieten“.<br />
Das Schwungtuch als psychomotorisches<br />
Übungsgerät<br />
Schwungtücher sind für viele abwechslungsreiche<br />
Gruppenspiele geeignet,<br />
fördern die Bewegung, trainieren den<br />
Körper, besonders die Grobmotorik, <strong>und</strong><br />
machen gemeinsam viel Spaß. Die Teilnehmer<br />
des <strong>Fachtag</strong>s hatte die Möglichkeit,<br />
sich selbst davon zu überzeugen.<br />
Seichte bis stürmische Wellen zu schla-<br />
42<br />
gen, mehrere Bälle gleichzeitig möglichst<br />
lange auf einer geschlagenen Laola-Welle<br />
rollen zu lassen oder diese möglichst hoch<br />
springen zu lassen, so lauteten die Aufgaben<br />
für die Spielteilnehmer. Dass dies gar<br />
nicht so leicht ist, stellten sie dabei recht<br />
schnell fest. Dennoch hatten die Teilnehmer<br />
dabei sichtlich viel Spaß. Anschließend<br />
wurde noch einmal gemeinsam reflektiert,<br />
welche pädagogischen Ziele hinter<br />
dem Einsatz eines Schwungtuches<br />
stehen:<br />
- individuelle Kinder sind Teil des<br />
Ganzen<br />
- Verbesserung der optischen (bei<br />
Aktionen mit Bällen) <strong>und</strong> taktilen<br />
Wahrnehmung (Materialbeschaffenheit<br />
<strong>und</strong> Luftzug des Tuches)<br />
- Anspannung <strong>und</strong> Entspannung der<br />
Muskulatur erleben<br />
- Verbesserung der konditionellen<br />
Fähigkeiten, wie Kraft (Bewegen<br />
des Tuches gegen den Luftwiderstand),<br />
Ausdauer (unterschiedliche<br />
Laufformen), Beweglichkeit (das<br />
Auf- <strong>und</strong> Abschwingen des Tuches)<br />
- Verbesserung der Steuerung <strong>und</strong><br />
Dosierung des Krafteinsatzes<br />
(beim zielgerichteten Rollen der<br />
Bälle)<br />
- Verbesserung der Konzentrationsfähigkeit<br />
- SOZIALES LERNEN, KOOPERA-<br />
TION UND KOMMUNIKATION
<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />
Spiel- <strong>und</strong> Erfahrungsstrecke der<br />
AGETHUR zur Sinnesschulung<br />
Eine anregende Umwelt stellt für uns eine<br />
Herausforderung für Aktivität <strong>und</strong> Handeln<br />
dar. Primärerfahrungen durch sehen, hören,<br />
riechen, schmecken, tasten, sich bewegen<br />
<strong>und</strong> seinen Körper spüren<br />
- dienen der Persönlichkeitsentwicklung,<br />
- fördern den Selbstfindungsprozess,<br />
- können die Erlebnisfähigkeit erhöhen,<br />
- stärken das Selbstvertrauen,<br />
- fördern die innere Ausgeglichenheit,<br />
- unterstützen die Selbstsicherheit,<br />
- regen die Kreativität an <strong>und</strong><br />
- stärken die Kommunikationsfähigkeit.<br />
43<br />
Gerade in unserer mediatisierten, technisierten<br />
Welt, welche häufig durch passiven<br />
Konsum <strong>und</strong> zeitlich nur geringe Möglichkeiten,<br />
Wahrgenommenes zu verarbeiten,<br />
gekennzeichnet ist <strong>und</strong> in der Bewegung<br />
oftmals mit Störung, Lernen mit Sitzen <strong>und</strong><br />
Konzentration mit Unbeweglichkeit verb<strong>und</strong>en<br />
ist, kann ein Leben ohne primäre<br />
Sinneserfahrungen zu Defiziten<br />
- des körperlichen <strong>und</strong> seelischen<br />
Wohlbefindens,<br />
- der Aufmerksamkeit,<br />
- des Sprechens,<br />
- des Zuhörens,<br />
- der Konzentrationsfähigkeit,<br />
- der sozialen Kompetenz<br />
- <strong>und</strong> der persönlichen Wertschätzung<br />
führen.<br />
Insbesondere Kinder erfahren <strong>und</strong> verstehen<br />
ihre Umwelt mittels ganzheitlicher<br />
Sinneserfahrung. Um den Kindern diese<br />
Erfahrungsprozesse<br />
zu<br />
ermöglichen,<br />
braucht es<br />
eine Umwelt,<br />
die ihren<br />
Bedürfnissen<br />
nach selbstständigem<br />
Handeln <strong>und</strong><br />
Aktivität entspricht.KinderbenötigenvielfältigeMöglichkeiten<br />
für<br />
den Einsatz<br />
<strong>und</strong> die Erprobung ihrer Sinne. Sie brauchen<br />
den konkreten Umgang mit Dingen,<br />
damit sie aus ihrem Tun innere Bilder aufbauen<br />
können. Je anregender die Umwelt<br />
für ein Kind ist, desto stärker wird es zum<br />
Handeln motiviert.<br />
Jana Danzer, Leiterin „mamamia“
<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />
5.3 Gruppe 4 unter der Leitung von Projekt „Jonathan“<br />
geplanter Ablauf orientiert an der Arbeit<br />
mit den Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen:<br />
namentliche Vorstellung der Teilnehmer<br />
innerhalb der Kleingruppe<br />
Abstimmung durch die Teilnehmer,<br />
welches der drei möglichen Spiele<br />
gewählt wird,<br />
hierfür standen drei verschiedene Materialien<br />
zur Verfügung, o h n e dass bekannt<br />
gegeben wurde, welche Aufgabe später<br />
dazu folgt (eine Decke, ein Reifen, ein<br />
Stab)<br />
Zusätzlich:<br />
Verlauf<br />
Durchführung des „Praktischen<br />
zum Anfassen“ mit Reflexion der<br />
Aufgabe – wie wurde sie für die<br />
Teilnehmer/Teilnehmerinnen persönlich<br />
erlebt<br />
Auswertung aus fachlicher Sicht /<br />
Metaebene<br />
Die Gruppe einigte sich innerhalb einer<br />
konstruktiven Diskussion auf die Decke.<br />
Die Aufgabe, die dann verkündet wurde,<br />
lautete: Die Gruppe sollte sich gemeinsam<br />
auf die ausgebreitete Decke stellen <strong>und</strong><br />
die Decke drehen, ohne dass sie verlas-<br />
44<br />
sen werden darf. Diese Aufgabe konnte in<br />
recht kurzer Zeit gelöst werden. Es wurden<br />
mehrere Versuche praktisch ausprobiert,<br />
bevor die Idee einer Teilnehmerin<br />
zum Erfolg führte.<br />
Die Reflexion wurde - wie in der Arbeit mit<br />
den Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen häufig<br />
praktiziert - durch Satzanfänge unterstützt,<br />
die auch in schriftlicher Form zur Orientierung<br />
auf dem Boden lagen.<br />
Sie lauteten:<br />
Meine schönste Situation war,…<br />
An der Gruppe fand ich gut…<br />
An mir war gut…<br />
In der praktischen Arbeit ist oft zu beobachten,<br />
dass die Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen<br />
mit den Fragen anfänglich fast überfordert<br />
wirken. Es fällt ihnen zunächst<br />
schwer, sich an den Verlauf des Angebotes<br />
zu erinnern <strong>und</strong> eine positive Situation<br />
wahrzunehmen. Des Weiteren wird die<br />
Gruppe primär nicht als solche wahrgenommen.<br />
Auch das Benennen eigener<br />
Stärken ist für die Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen<br />
neu, da in ihren Vorerfahrungen häufig<br />
die Blickrichtung auf die Defizite fällt.<br />
Durch die Wiederholung der gleichen Fragestellungen<br />
– insbesondere bei sich regelmäßig<br />
wiederholenden wöchentlichen<br />
Angeboten – entsteht eine Veränderung in<br />
der Wahrnehmung <strong>und</strong> in der Fähigkeit<br />
zur Reflexion. Kognitive Fähigkeiten, Erkennen<br />
von Vorteilen einer Gemeinschaft<br />
<strong>und</strong> das Erfahren eigener Stärken wird<br />
durch diese Form der Reflexion möglich.<br />
Die anfänglich noch intensiv benötigte<br />
Unterstützung kann einer Zusammenfassung<br />
der von den Kindern selbst erkannten<br />
Reflexion weichen.<br />
Die Auswertung aus fachlicher Sicht / der<br />
Metaebene erfolgte durch das Stellen folgender<br />
Fragen:
<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />
Welche Eigenschaften werden Ihrer<br />
Meinung nach durch diese<br />
Übung(en) besonders gefordert?<br />
Im Projekt Jonathan werden ausschließlich<br />
Gruppenangebote durchgeführt. Entsteht<br />
ein Bedarf für Einzelgespräche wird<br />
diesem selbstverständlich Raum gegeben.<br />
Der Gr<strong>und</strong>gedanke liegt jedoch in der<br />
Auseinandersetzung mit einer Gruppe.<br />
Nicht selten in eine Rolle als „Außenseiter“<br />
gerutscht, kann der positive Aspekt von<br />
Gemeinschaft verloren gegangen sein.<br />
Des Weiteren sind die Angebote ein gutes<br />
Übungsfeld für wertschätzende Kommunikation<br />
<strong>und</strong> verbale Auseinandersetzungen<br />
(ohne Fäkalsprache). Seine Wünsche zu<br />
benennen, zu lernen, sie durchzusetzen<br />
oder Kompromissbereitschaft zu entwickeln,<br />
die wiederum mit Empathie einhergeht,<br />
wird gleichfalls ermöglicht. Mut,<br />
Durchhaltevermögen, Selbstbewusstsein,<br />
Humor, Frustrationstoleranz <strong>und</strong> Hilfsbereitschaft<br />
sind weitere Aspekte. Neben<br />
diesen Persönlichkeits-Eigenschaften<br />
werden durch bewegungsorientierte / erlebnispädagogische<br />
Angebote auch körperliche<br />
Defizite abgebaut.<br />
Der Blick auf die eigenen Stärken ist von<br />
wesentlicher Bedeutung! Häufig haben die<br />
Kinder nur ihre Defizite vor Augen <strong>und</strong><br />
können schwer einschätzen, welche Talente<br />
sie tatsächlich besitzen.<br />
45<br />
Wo sehen Sie den Nutzen derartiger<br />
Spiele für die Kinder?<br />
In erster Linie ist eine Übertragung des<br />
Erlernten in den Lebensalltag der Kinder<br />
notwendig!<br />
Innerhalb der Auswertung sollten die Kinder<br />
<strong>und</strong> Jugendlichen immer wieder selbst<br />
Situationen benennen, in denen sie das<br />
Erlernte in ihrem Schul- oder Familienalltag<br />
anwenden können. Vermeintliche Niederlagen<br />
bei der Übertragung müssen<br />
nachträglich besprochen werden. Verschiedene<br />
Materialien (z. B. Kochrezepte),<br />
die mit nach Hause gegeben werden,<br />
können bei der Übertragung unterstützen.<br />
Wissensvermittlung kann helfen, Scham-<br />
<strong>und</strong> Schuldgefühle abzubauen. Die kindgerechte<br />
Form (in Bewegung <strong>und</strong> im<br />
Spiel) sorgt dafür, dass Freude an der<br />
Wissensvermittlung bestehen bleibt.<br />
Welche Eindrücke sind geblieben?<br />
Die Kleingruppe stellte übereinstimmend<br />
fest, dass die Angebote spielerisch wirken,<br />
jedoch enorm fordern. Ängste, Vorbehalte,<br />
Scham, seelische, soziale oder körperliche<br />
Defizite müssen überw<strong>und</strong>en werden –<br />
zurück blieb vor allem der Respekt gegenüber<br />
den Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen.<br />
Beate Kühnel, Leiterin „Jonathan“
<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />
5.4 Fragecafé <strong>und</strong> Abschluss der Veranstaltung<br />
Bei Kaffee <strong>und</strong> Kuchen kamen die Teilnehmerinnen<br />
ins Gespräch, stellten den<br />
Referenten Fragen <strong>und</strong> werteten das Erlebte<br />
aus. Kontakte wurden geknüpft <strong>und</strong><br />
Netzwerkepartner gewonnen.<br />
46<br />
Die <strong>Fachtag</strong>ung endete mit einigen abschließenden<br />
Worten von Herrn Dr. Englert,<br />
der sich bei den Teilnehmern für ihr<br />
Interesse, ihr langes Durchhaltevermögen<br />
<strong>und</strong> die lebendige Diskussion bedankte.<br />
Insgesamt wurde durch die Fachvorträge<br />
zu den Themen „Drogenkonsum in der<br />
Schwangerschaft“ <strong>und</strong> „Psychosoziale<br />
Ressourcen in der <strong>Familie“</strong> viel Input geliefert.<br />
Hilfe für Kinder aus suchtbelasteten Familien<br />
muss früh ansetzen. Die Verantwortung<br />
für das eigene Kind beginnt schon<br />
vor der Geburt. Information <strong>und</strong> Sensibilisierung<br />
über die Gefahren des Suchtmittelkonsums<br />
während der Schwangerschaft<br />
ist von entscheidender Bedeutung.<br />
Heute wurden sowohl hauptamtlich als<br />
auch ehrenamtlich organisierte Praxisbeispiele<br />
für Kinder aus suchtbelasteten Familien<br />
vorgestellt. Doch gibt es in Thüringen<br />
keine flächendeckende Versorgung.<br />
Es bleibt viel zu tun. Der Weg ist nicht immer<br />
leicht zu gehen. Organisationen,<br />
Kommunen <strong>und</strong> Personen müssen für das<br />
Thema sensibilisiert <strong>und</strong> gewonnen werden.<br />
Wir hoffen, dass Sie heute Ansprechpartner<br />
gef<strong>und</strong>en haben, die Sie auf<br />
Ihrem Weg unterstützen können.<br />
Denken Sie daran, schon eine Bezugsperson<br />
ist für das Kind sehr hilfreich <strong>und</strong> kann<br />
seinen Entwicklungsverlauf positiv beeinflussen.<br />
Vielleicht sind Sie es.
<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />
6. Kontakte der Referenten <strong>und</strong> Ansprechpartner<br />
Obbarius, Dr. Victoria<br />
AGETHUR - Landesvereinigung für Ges<strong>und</strong>heitsförderung<br />
Thüringen e.V.<br />
Carl-August-Allee 9<br />
99423 Weimar<br />
Telefon: 03643/ 498980<br />
E-Mail: obbarius@agethur.de<br />
Gattwinkel, Christa<br />
Projekt „Smily Kids“<br />
Kreuzb<strong>und</strong> DV Paderborn e.V. AB: Kinder,<br />
Jugend <strong>und</strong> Familie<br />
Lehmkuhle 46<br />
57399 Kirchh<strong>und</strong>em<br />
E-Mail: christa-gattwinkel@t-online.de<br />
Englert, Dr. med. Ekkehart<br />
Klinik für Kinder- <strong>und</strong> Jugendpsychiatrie,<br />
Psychotherapie <strong>und</strong> Psychosomatik<br />
HELIOS Klinikum Erfurt<br />
Nordhäuser Str. 74<br />
99089 Erfurt<br />
Telefon: 0361/ 7812801<br />
E-Mail: ekkehart.englert@helios-kliniken.de<br />
Thüringer Projekte für Kinder aus suchtbelasteten Familien<br />
Ilgen, Susanne<br />
CWS Schmalkalden GmbH<br />
Projekt "Kunterbunt"<br />
Schulstr. 16<br />
98574 Schmalkalden<br />
Telefon: 03683/ 4669939<br />
E-Mail: susanne.ilgen@cws-schmalkalden.de<br />
Danzer, Jana<br />
Wendepunkt e.V.<br />
Projekt „mamamia“<br />
Rosa-Luxemburg-Str. 13<br />
07607 Eisenberg<br />
Telefon: 036691 – 572013<br />
E-Mail: j.danzer@wendepunkt-ev.net<br />
47<br />
Hammerstein, Dr. med. Eva<br />
Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie <strong>und</strong> Psychosomatik<br />
des Kindes/Jugendalters im Universitätsklinikum<br />
Leipzig<br />
Liebigstraße 20a, Haus 6<br />
04103 Leipzig<br />
Telefon: 03641/ 9724002<br />
E-Mail: Eva.Hammerstein@uniklinik-leipzig.de<br />
Stamm, Charlotte<br />
Thüringer Fachstelle Suchtprävention<br />
Thüringer Fachstelle Suchtprävention<br />
Fachverband Drogen- <strong>und</strong> Suchthilfe e.V.<br />
Dubliner Str. 12, 99091 Erfurt<br />
Telefon: 0361/ 3461746<br />
E-Mail: praevention@fdr-online.info<br />
Thüringer Ministerium für Soziales, Familie<br />
<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />
Referat 45<br />
Werner-Seelenbinder-Str. 6<br />
99096 Erfurt<br />
Kühnel, Beate<br />
SiT gGmbH, Präventionszentrum<br />
Projekt „Jonathan“<br />
Löberstr. 37<br />
99096 Erfurt<br />
Telefon: 0361/ 2128080<br />
E-Mail: info@bueroimpuls.de
Fachverband Drogen- <strong>und</strong> Suchthilfe e.V.