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Dokumentation Fachtag „Sucht und Familie“ - Agethur

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<strong>Dokumentation</strong><br />

<strong>Fachtag</strong> <strong>„Sucht</strong> <strong>und</strong> <strong>Familie“</strong><br />

Entwicklungswege für Kinder aus suchtbelasteten Familien<br />

in Thüringen<br />

am 16. Februar 2013<br />

Wissenschaftliche Leitung:<br />

Dr. med. Ekkehart D. Englert, HELIOS Klinikum Erfurt


<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />

Impressum:<br />

<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie – Entwicklungswege für Kinder aus suchtbelasteten<br />

Familien<br />

am 16. Februar 2013<br />

im HELIOS Klinikum Erfurt<br />

© Fachverband Drogen- <strong>und</strong> Suchthilfe e.V., Odeonstr. 14, 30159 Hannover,<br />

Tel.: 0511/ 18333, Fax: 0511/ 18 326, E-Mail: mail@fdr-online.info<br />

Verantwortlich: Charlotte Stamm<br />

Redaktion: Charlotte Stamm<br />

Bilder: Marina Knobloch<br />

Thüringer Fachstelle Suchtprävention<br />

Dubliner Str. 12, 99091 Erfurt<br />

Tel.: 0361/ 3 46 17 46<br />

Fax: 0361/ 3 46 20 23<br />

E-Mail: praevention@fdr-online.info<br />

www.thueringer-suchtpraevention.info<br />

Juni 2013<br />

Wir bedanken uns für die Förderung durch das<br />

Thüringer Ministerium für Soziales, Familie <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />

Werner-Seelenbinder-Str. 6<br />

99096 Erfurt<br />

HELIOS Klinikum Erfurt<br />

Nordhäuser Str. 74<br />

99089 Erfurt<br />

Wir bedanken uns außerdem für die Unterstützung des „R<strong>und</strong>en Tisches Kinder aus suchtbelasteten<br />

Familien in Thüringen“.<br />

SiT<br />

S u c h t h i l f e in T h ü r i n g e n<br />

gemeinnützige<br />

Gesellschaft mbH<br />

Eine gemeinsame Veranstaltung der Thüringer Fachstelle Suchtprävention, des Helios-Klinikums Erfurt,<br />

der Landesvereinigung für Ges<strong>und</strong>heitsförderung Thüringen e.V. <strong>und</strong> des Thüringer Ministeriums<br />

für Soziales, Familie <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit im Rahmen des Thüringer Ges<strong>und</strong>heitszieleprozesses <strong>und</strong> der<br />

b<strong>und</strong>esweiten Aktionswoche für Kinder aus Suchtfamilien<br />

23


Inhalt<br />

<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />

Eröffnung der Veranstaltung .............................................................................................. 2<br />

Moderation der Veranstaltung ............................................................................................ 3<br />

Grußworte zum <strong>Fachtag</strong> ..................................................................................................... 4<br />

1. Dr. med. Ekkehart D. Englert: Drogenkonsum in der Schwangerschaft –<br />

Medizin im Blick ......................................................................................................... 7<br />

2. Dr. med. Eva Hammerstein: Psychosoziale Ressourcen – Familie im Blick ........ 15<br />

3. Christa Gattwinkel: Von einer Idee zu einer festen Einrichtung – Praxis im<br />

Blick .......................................................................................................................... 25<br />

4. Thüringen im Blick – Modellprojekte stellen sich vor ............................................ 32<br />

4.1 Charlotte Stamm: Der R<strong>und</strong>e Tisch Kinder aus suchtbelasteten Familien .................. 32<br />

4.2 Susanne Ilgen: Projekt „Kunterbunt“ - CWS GmbH .................................................... 33<br />

4.3 Jana Danzer: Projekt „mamamia“ Wendepunkt e.V. ................................................... 36<br />

4.4 Beate Kühnel & Lisa Schilling: Projekt „Jonathan“ - sabit e.V./SiT - Suchthilfe in<br />

Thüringen gGmbH ...................................................................................................... 38<br />

5. Praktisches „zum Anfassen“ - Fragecafé ............................................................... 41<br />

5.1 Gruppe 1 unter der Leitung von Projekt „Kunterbunt“ ................................................. 41<br />

5.2 Gruppe 2 <strong>und</strong> 3 unter der Leitung von Projekt „mamamia“ ......................................... 42<br />

5.3 Gruppe 4 unter der Leitung von Projekt „Jonathan“ .................................................... 44<br />

5.4 Fragecafé <strong>und</strong> Abschluss der Veranstaltung .............................................................. 46<br />

6. Kontakte der Referenten <strong>und</strong> Ansprechpartner ..................................................... 47<br />

1


Eröffnung der Veranstaltung<br />

Charlotte Stamm<br />

<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />

Mahr als 2,6 Mio. Kinder in Deutschland,<br />

über 48.700 Kinder in Thüringen leben in<br />

von Suchtkrankheit belasteten Familien.<br />

Ein Drittel dieser Kinder wird im Erwachsenenalter<br />

stofflich abhängig, ein Drittel<br />

dieser Kinder entwickelt psychische Störungen,<br />

ein Drittel kommt scheinbar ohne<br />

sichtbare Schädigungen davon.<br />

Sehr geehrte Damen <strong>und</strong> Herren, mein<br />

Name ist Charlotte Stamm. Im Namen der<br />

Thüringer Fachstelle Suchtprävention <strong>und</strong><br />

des Fachverbandes Drogen- <strong>und</strong> Suchthilfe<br />

e.V. begrüße ich Sie zur <strong>Fachtag</strong>ung<br />

<strong>„Sucht</strong> <strong>und</strong> Familie – Entwicklungswege<br />

für Kinder aus suchtbelasteten Familien in<br />

Thüringen“.<br />

2<br />

Ich begrüße insbesondere Staatssekretär<br />

Dr. Schubert, Frau Menzel-Zerkaulen,<br />

Frau Oehme-Fischer <strong>und</strong> Herrn Deutsch<br />

vom Thüringer Ministerium für Soziales,<br />

Familie <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit, Herrn Dr. Englert,<br />

Chefarzt der Kinder- <strong>und</strong> Jugendpsychiatrie<br />

des Helios Klinikums in Erfurt <strong>und</strong> Frau<br />

Hähnel, Geschäftsführerin der AGETHUR.<br />

Seien Sie herzlich willkommen.<br />

Die <strong>Fachtag</strong>ung ist eine gemeinsame Veranstaltung<br />

des Helios-Klinikums Erfurt, der<br />

Landesvereinigung – AGETHUR <strong>und</strong> der<br />

Thüringer Fachstelle Suchtprävention im<br />

Rahmen der B<strong>und</strong>esaktionswoche für Kinder<br />

aus suchtbelasteten Familien <strong>und</strong> des<br />

Thüringer Ges<strong>und</strong>heitszieleprozesses.<br />

Mein Dank gilt allen, die bei der Vorbereitung<br />

<strong>und</strong> Organisation der Veranstaltung<br />

geholfen haben – insbesondere Herrn Dr.<br />

Englert <strong>und</strong> dem Thüringer Ministerium für<br />

Soziales, Familie <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit für die<br />

finanzielle Unterstützung.<br />

Nun lassen Sie uns gemeinsam vergessenen<br />

Kindern eine Stimme geben. Begrüßen<br />

Sie mit mir die Moderatorin des ersten<br />

Teils der Veranstaltung Dr. Victoria Obbarius.


Moderation der Veranstaltung<br />

Dr. Victoria Obbarius<br />

<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />

Ich möchte Sie auch nochmal ganz herzlich<br />

zu der heutigen Veranstaltung begrüßen!<br />

Ich freue mich sehr, dass Sie an diesem<br />

Samstag so zahlreich hier ins Helios-<br />

Klinikum gekommen sind, um mit uns gemeinsam<br />

über dieses wichtige Thema zu<br />

diskutieren.<br />

Wie Frau Stamm schon sagte, bin ich Mitarbeiterin<br />

bei der Landesvereinigung für<br />

Ges<strong>und</strong>heitsförderung Thüringen <strong>und</strong> koordiniere<br />

dort das Projekt „Psychische<br />

Ges<strong>und</strong>heit“ im Thüringer Ges<strong>und</strong>heitszieleprozess.<br />

Einer der Schwerpunkte dieses<br />

Projektes ist die Sensibilisierung von Akteuren<br />

<strong>und</strong> Fachkräften des Ges<strong>und</strong>heits-,<br />

Sozial- <strong>und</strong> Bildungswesens für die Notwendigkeit<br />

der Förderung psychischer<br />

Ges<strong>und</strong>heit in allen Lebensbereichen <strong>und</strong><br />

Altersgruppen. Dazu zählen natürlich auch<br />

besondere Zielgruppen wie die Kinder aus<br />

Suchtfamilien, die uns heute beschäftigen<br />

<strong>und</strong> deren psychosoziale Ressourcen von<br />

großer Bedeutung für ihre Entwicklung<br />

sind.<br />

Die AGETHUR hat darüber hinaus auch<br />

die Aufgabe der Koordinierungs- bzw. Geschäftsstelle<br />

des Thüringer Ges<strong>und</strong>heitszieleprozesses.<br />

Aus diesem Gr<strong>und</strong> sind<br />

3<br />

wir unter anderem auch in die Arbeit des<br />

Ges<strong>und</strong>heitszielbereichs <strong>„Sucht</strong>mittelmissbrauch<br />

reduzieren“ eingeb<strong>und</strong>en.<br />

Diese Arbeitsgruppe hatte im letzten Jahr<br />

ihren Schwerpunkt auf dem Thema „Kinder<br />

aus suchtbelasteten Familien“. Wenn<br />

Sie genaue Informationen zu den Zielen<br />

<strong>und</strong> Schwerpunkten dieser Arbeitsgruppe<br />

sowie zum Thüringer Ges<strong>und</strong>heitszieleprozess<br />

im Allgemeinen erhalten wollen,<br />

können Sie sich gerne am Stand der<br />

AGETHUR (www.agethur.de) informieren.<br />

Ich möchte nun gerne mit Ihnen in unser<br />

interessantes Programm für den heutigen<br />

Tag starten. Wir beginnen mit den Grußworten<br />

durch Herrn Dr. Ekkehart Englert,<br />

Chefarzt der Klinik für Kinder- <strong>und</strong> Jugendpsychiatrie<br />

<strong>und</strong> Psychotherapie hier<br />

im Helios Klinikum Erfurt sowie durch den<br />

Staatssekretär des Thüringer Ministeriums<br />

für Soziales, Familie <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit,<br />

Herrn Dr. Hartmut Schubert.<br />

Im Anschluss an die beiden Grußworte<br />

wird es zwei interessante Vorträge zum<br />

Thema geben. Die Mittagspause ist für<br />

12.30 Uhr geplant. Sie sind herzlich eingeladen,<br />

in der Pause einen kleinen Imbiss<br />

hier vor dem Raum einzunehmen, sich die<br />

Informationsstände anzusehen <strong>und</strong> miteinander<br />

in den Austausch zu treten.<br />

Nach der Stärkung machen wir dann mit<br />

dem ebenso spannenden <strong>und</strong> praxisorientierten<br />

Nachmittagsprogramm weiter,<br />

durch das uns Herr Dr. Englert führen<br />

wird. Ich wünsche uns nun allen eine gute<br />

Veranstaltung <strong>und</strong> übergebe das Wort an<br />

Herrn Dr. Englert <strong>und</strong> anschließend an<br />

Herrn Dr. Schubert.


Grußworte zum <strong>Fachtag</strong><br />

Grußwort Dr. Ekkehart Englert<br />

Dr. Ekkehart Englert<br />

<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />

Sehr geehrte Damen <strong>und</strong> Herren, ich darf<br />

Sie ganz herzlich willkommen heißen, hier<br />

in unserem HELIOS Klinikum Erfurt. Ich<br />

freue mich, dass wir hier im Raum eine<br />

Mischung der verschiedensten Professionen<br />

versammelt haben: Ärzte, Psychologen,<br />

Lehrer, Sozialarbeiter, Vertreter der<br />

Landespolitik. Denn unserem heutigen<br />

Tagungsthema können wir nur mit einer<br />

interdisziplinären Sichtweise gerecht werden.<br />

Suchtbelastete Familien benötigen ein<br />

multiprofessionelles Helfersystem, daher<br />

ist es wichtig, dass wir über alle berufspolitischen<br />

Grenzen hinweg miteinander<br />

kommunizieren. Dazu soll dieser <strong>Fachtag</strong><br />

einen Beitrag leisten.<br />

Ich möchte mich an dieser Stelle auch bei<br />

der Geschäftsführung unseres Klinikums<br />

bedanken, die durch die großzügige finanzielle<br />

Unterstützung eine besonders gute<br />

Pausenversorgung ermöglicht hat.<br />

4<br />

Grußwort des Thüringer Staatssekretärs<br />

für Soziales, Familie <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit, Dr.<br />

Hartmut Schubert<br />

Dr. Hartmut Schubert<br />

Sehr geehrte Damen <strong>und</strong> Herren, ich freue<br />

mich, Sie heute zur <strong>Fachtag</strong>ung <strong>„Sucht</strong><br />

<strong>und</strong> Familie – Entwicklungswege für Kinder<br />

aus suchtbelasteten Familien in Thüringen“<br />

begrüßen zu dürfen <strong>und</strong> bedanke<br />

mich für die Einladung.<br />

Sucht ist ein gesellschaftliches Phänomen,<br />

dem wir uns mit allen Mitteln <strong>und</strong> Kräften<br />

stellen müssen. Sucht begegnet uns in<br />

verschiedenen Zusammenhängen <strong>und</strong><br />

Ausprägungen, sei es nun Alkohol-, Drogen-<br />

oder Arbeitssucht.<br />

Es gibt Spiel-, Sex <strong>und</strong> Internetsucht, bei<br />

fast allen Lebensäußerungen besteht auch<br />

die Gefahr, davon abhängig zu werden.<br />

Das Spektrum <strong>und</strong> somit die Gefahr ist<br />

also groß.<br />

Als Staatssekretär, der die Bereiche Soziales,<br />

Familie <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit vertritt,<br />

erlebe ich immer wieder, dass Sucht eine<br />

bedeutsame sozial-, familien- <strong>und</strong><br />

ges<strong>und</strong>heitspolitische Herausforderung<br />

darstellt. Denn Sucht zerstört die sozialen<br />

Bezüge, macht Familien kaputt <strong>und</strong> ruiniert<br />

die Ges<strong>und</strong>heit. Sie verursacht für<br />

den Einzelnen Leid <strong>und</strong> Not <strong>und</strong> kostet die<br />

Gesellschaft enorme Summen.<br />

Sehr geehrte Damen <strong>und</strong> Herren, damit<br />

komme ich zur Bedeutung der heutigen<br />

<strong>Fachtag</strong>ung.


<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />

Das Thema „Kinder aus suchtbelasteten<br />

Familien“ gehört zu den Hauptfeldern der<br />

Thüringer Präventionsarbeit. Wie bereits in<br />

den letzten Jahren beteiligt sich Thüringen<br />

auch 2013 wieder an der b<strong>und</strong>esweiten<br />

Aktionswoche.<br />

Kinder sind unsere Zukunft – das ist offensichtlich.<br />

Goethe sagte einmal „Zwei Dinge<br />

sollen Kinder von ihren Eltern bekommen:<br />

Wurzeln <strong>und</strong> Flügel“. Die Problemlagen in<br />

von Suchtkrankheit belasteten Familien<br />

sind sehr individuell. Doch Wurzeln wie<br />

Geborgenheit, Sicherheit, Liebe, Zuverlässigkeit<br />

<strong>und</strong> Aufmerksamkeit können den<br />

Kindern vielfach nicht gegeben werden.<br />

Die Thüringer Landesregierung setzt sich<br />

seit mehreren Jahren unter anderem<br />

durch die Förderung von besonderen<br />

Gruppenangeboten für diese Kinder ein.<br />

Hier können Kinder <strong>und</strong> Jugendliche<br />

suchtkranker Eltern über ihre Sorgen<br />

sprechen <strong>und</strong> lernen wieder Kind zu sein.<br />

Die drei Thüringer Modellprojekte „Kunterbunt“<br />

in Schmalkalden, „Mamamia“ in Eisenberg<br />

<strong>und</strong> „Jonathan“ in Erfurt sind<br />

nachahmenswerte Beispiele in der Arbeit<br />

mit Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen aus von<br />

Suchtkrankheit belasteten Familien.<br />

Für diese Beratungslandschaft mit ihren<br />

verschiedenen Angeboten für Menschen<br />

in Konflikt- <strong>und</strong> Notlagen haben wir uns in<br />

den vergangenen Haushaltsberatungen<br />

immer stark gemacht. Es ist dem Thüringer<br />

Sozialministerium gelungen, harte<br />

Schnitte abzuwehren.<br />

Sehr geehrte Damen <strong>und</strong> Herren, um Kinder<br />

in ihrer Notlage wahrzunehmen <strong>und</strong><br />

ihnen Hilfe anbieten zu können, ist eine<br />

institutionenübergreifende Zusammenarbeit<br />

von entscheidender Bedeutung.<br />

Ich bin der Ansicht, diese Zusammenarbeit<br />

muss bspw. zwischen den verschiedenen<br />

Hilfesystemen, wie der Jugend- <strong>und</strong><br />

Suchthilfe, noch intensiviert werden. Bestehende<br />

Ressourcen werden auf diesem<br />

Wege freigesetzt <strong>und</strong> erleichtern so die<br />

5<br />

Arbeit mit der Zielgruppe, unseren Kindern.<br />

Ich freue mich darüber, heute durch die<br />

Informationsstände ein bereits bestehendes<br />

Thüringer Hilfesystem zu sehen. Diese<br />

<strong>Fachtag</strong>ung bietet die Möglichkeit sich<br />

zu informieren <strong>und</strong> miteinander ins Gespräch<br />

zu kommen.<br />

Sehr geehrte Damen <strong>und</strong> Herren, in diesem<br />

Zusammenhang möchte ich auch<br />

noch die Schulsozialarbeit ansprechen,<br />

die in den Haushaltsverhandlungen eine<br />

wesentliche Rolle gespielt hat.<br />

Der Thüringer Ministerin für Soziales, Familie<br />

<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit, Heike Taubert<br />

(SPD), ist es gelungen, den Kommunen<br />

eine zusätzliche, verlässliche Finanzierung<br />

für Schulsozialarbeit zu ermöglichen.<br />

Schulsozialarbeit ist eine wirksame präventive<br />

Leistung der Jugendhilfe für benachteiligte<br />

Kinder <strong>und</strong> Jugendliche sowie<br />

deren Familien. Sie ist damit ein wichtiges<br />

Angebot zur Bekämpfung von Kinderarmut<br />

<strong>und</strong> zur Gewährleistung gesellschaftlicher<br />

Teilhabe.<br />

In den Schulen erreichen wir alle Kinder.<br />

Dort wird maßgeblich über deren künftige<br />

Chancen entschieden. Für uns sind deshalb<br />

die Sicherung <strong>und</strong> der Ausbau der<br />

Schulsozialarbeit eine unverzichtbare sozialpolitische<br />

Leistung.<br />

Bezogen auf das Thema Sucht heißt das:<br />

Wenn ich früh Probleme bei Kindern <strong>und</strong><br />

Jugendlichen erkenne, dann kann ich<br />

schnell <strong>und</strong> angemessen reagieren. Und<br />

muss später nicht mit viel Geld <strong>und</strong> höherem<br />

Aufwand reparieren, was ich durch<br />

rechtzeitiges <strong>und</strong> wirksames Handeln hätte<br />

verhindern können. Etwa durch Schulsozialarbeit.<br />

Sehr geehrte Damen <strong>und</strong> Herren, die heutige<br />

<strong>Fachtag</strong>ung, veranstaltet von der Thüringer<br />

Fachstelle Suchtprävention des<br />

Fachverbandes Drogen- <strong>und</strong> Suchthilfe<br />

e.V., dem Helios Klinikum Erfurt <strong>und</strong> der<br />

Landesvereinigung für Ges<strong>und</strong>heitsförderung<br />

Thüringen e.V. - AGETHUR ist ein


<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />

Beispiel guter fach- <strong>und</strong> trägerübergreifender<br />

Zusammenarbeit.<br />

Ich bin überzeugt, dass sie dazu beiträgt,<br />

auf das Thema aufmerksam zu machen<br />

<strong>und</strong> zum Handeln ermutigt. In diesem Sinne<br />

ermutige ich Sie: Geben Sie „vergessenen<br />

Kindern“ eine Stimme.<br />

6<br />

Werden Sie Botschafter <strong>und</strong> tragen Sie<br />

Ihre heute gewonnenen Erkenntnisse in<br />

die Welt.<br />

Ich wünsche Ihnen eine interessante<br />

<strong>Fachtag</strong>ung!<br />

Vielen Dank.


<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />

1. Dr. med. Ekkehart D. Englert<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft<br />

– Medizin im Blick<br />

Die Schwangerschaft<br />

Drogenkonsum<br />

in der<br />

Schwangerschaft<br />

Dr. med. Ekkehart D. Englert<br />

Klinik für Kinder- <strong>und</strong> Jugendpsychiatrie,<br />

Psychotherapie <strong>und</strong> Psychosomatik<br />

HELIOS Klinikum Erfurt<br />

• Die meisten Autoren beschreiben eine erhöhte Rate an<br />

Schwangerschaftskomplikationen.<br />

• Häufig riskantes Sexualverhalten mit entsprechenden<br />

Infektionsrisiken:<br />

- venerischen Infektionen (z. B. Gonorrhoe),<br />

- Papillomavirusinfektion<br />

- Hepatitis-B / C-Infektion<br />

- HIV-Infektion.<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

Häufigkeit des<br />

Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />

Australische Untersuchung von Kennare et al. (2005):<br />

Repräsentative Datenerhebung von fast 90.000<br />

Schwangeren:<br />

• in 0,8% aller Fälle Konsum illegaler Drogen.<br />

Davon die am häufigsten missbrauchten Drogen:<br />

- Marihuana (39%),<br />

- Methadon (30%),<br />

- Amphetamine (14,6%) <strong>und</strong><br />

- Heroin (12,5%)<br />

- in 18,8% ein polyvalenter Drogengebrauch.<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

3<br />

5<br />

7<br />

Die Schwangerschaft<br />

• Für viele suchtmittelabhängige Frauen ist die<br />

Schwangerschaft ein unerwartetes <strong>und</strong> ungeplantes<br />

Ereignis.<br />

• Eine Schwangerschaft wird aufgr<strong>und</strong> der unter<br />

fortgesetztem Substanzkonsum häufigen Amenorrhoe<br />

bzw. Zyklusunregelmäßigkeiten erst spät bemerkt.<br />

• Die Mehrzahl setzt den Substanzkonsum in der<br />

Schwangerschaft <strong>und</strong> auch nach der Geburt fort.<br />

• Die meisten substanzabhängigen Frauen<br />

vernachlässigen ihre Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> bemühen sich<br />

kaum um eine adäquate Schwangerschaftsvorsorge.<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

Psychosoziale Bedingungen<br />

• Die Partnerbeziehungen drogenabhängiger Frauen sind<br />

instabil,<br />

• nur jeder zehnte Drogenkonsument ist verheiratet,<br />

• aber ca. ein Drittel der Frauen hat mindestens ein Kind.<br />

• Weibliche Drogenabhängige sind häufiger mit gleichfalls<br />

drogenabhängigen Partnern zusammen als männliche,<br />

was gleichzeitig die biologischen <strong>und</strong> die psychosozialen<br />

Risiken für die Kinder dieser Mütter vergrößert.<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

Häufigkeit des<br />

Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />

Australische Untersuchung von Kennare et al. (2005):<br />

Repräsentative Datenerhebung von fast 90.000<br />

Schwangeren:<br />

• Substanzmissbrauchende Mütter waren in dieser<br />

Untersuchung mit einer höheren Wahrscheinlichkeit<br />

gleichzeitig auch:<br />

- Raucher,<br />

- allein stehend,<br />

- hatten einen niedrigeren sozio-ökonomischen Status,<br />

- lebten in städtischen Einzugsgebieten <strong>und</strong><br />

- zeigten mit einer höheren Wahrscheinlichkeit auch psychiatrische<br />

Symptome.<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

2<br />

4<br />

6


Häufigkeit des<br />

Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />

<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />

• Wolstein et al. (1999) berichten aus Essen, dass an der<br />

dortigen Universitätsfrauenklinik<br />

2,2% der entb<strong>und</strong>enen Frauen nach eigenen Angaben<br />

opiatabhängig waren;<br />

• in der psychiatrischen Ambulanz der Rheinischen<br />

Kliniken hatten 56% der wegen Drogenabhängigkeit<br />

behandelten Frauen eigene Kinder (Wolstein et al., 1999).<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

Exkurs:<br />

Pathophysiologie<br />

• Unter „Embryopathie“ versteht man eine Schädigung des<br />

Embryos während der ersten 12 Schwangerschaftswochen<br />

durch<br />

- zu Fehlbildungen führende (sogenannte teratogene) Substanzen,<br />

- Infektionen oder<br />

- physikalische Effekte (z. B. Strahlung).<br />

• Zu den häufigsten <strong>und</strong> bekanntesten Embryopathien gehören<br />

- die Rötelnembryopathie,<br />

- die Thalidomid- (Contergan ® ) Embryopathie <strong>und</strong><br />

- die Alkoholembryopathie.<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

Exkurs:<br />

Pathophysiologie<br />

Alter der<br />

Frucht in<br />

Wochen<br />

1<br />

2½<br />

Entwicklungsstadium Mögliche schädigende Auswirkung<br />

• Einnistung des<br />

Keimbläschens<br />

• Embryo:<br />

Anlage der Organe<br />

12 • Fetus:<br />

Wachstum <strong>und</strong><br />

24<br />

Ausreifung<br />

38 • Geburt<br />

Fruchttod<br />

Missbildung<br />

Funktionsstörung<br />

vorzeitige Plazentalösung, vorzeitiger<br />

Blasensprung<br />

Verfrühte/verzögerte Wehentätigkeit,<br />

fehlender Muskeltonus bei Mutter <strong>und</strong> Kind<br />

38 ff. • Stillzeit Übergang von Drogen in die Muttermilch<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

Exkurs:<br />

Pathophysiologie<br />

• Ein deutlich „durchlässigeres“<br />

Membransystem stellt die<br />

sogenannte Plazenta-<br />

Schranke dar, die den<br />

mütterlichen vom fetalen<br />

Kreislauf trennt.<br />

• Die meisten Pharmaka<br />

können in der Plazenta vom<br />

mütterlichen Blut in das Blut<br />

des Kindes gelangen<br />

(Plazentagängigkeit).<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

7<br />

9<br />

11<br />

13<br />

8<br />

Exkurs<br />

PATHOPHYSIOLOGIE<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

Exkurs:<br />

Pathophysiologie<br />

• Jedes Organ durchläuft während der Embryonalentwicklung<br />

Phasen, in denen es besonders störanfällig<br />

in seiner Entwicklung ist.<br />

• Je nach Stand der Embryonalentwicklung können dabei<br />

exogene Einflüsse<br />

- den Tod,<br />

- Missbildungen unterschiedlichen Schweregrades,<br />

- Entwicklungsretardierungen oder<br />

- funktionelle Defekte<br />

auslösen.<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

Exkurs:<br />

Pathophysiologie<br />

• Die verschiedenen Kompartimente des menschlichen<br />

Organismus sind durch Membranen voneinander getrennt, die<br />

bestimmen, welche Substanzen von dem einen in das andere<br />

übertreten können.<br />

• Sie üben damit wichtige Filtrations- <strong>und</strong> Schutzfunktionen aus<br />

<strong>und</strong> verfügen über bestimmte Transportmechanismen.<br />

• Ein solches Membransystem stellt die so genannte Blut-<br />

Liquor-Schranke dar.<br />

• Alle Stoffe, die direkt auf das Zentralnervensystem einwirken,<br />

müssen zunächst diese Schranke überwinden, um an ihren<br />

Wirkort zu gelangen.<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

Exkurs:<br />

Pathophysiologie<br />

M E R K E:<br />

• Alle Substanzen, die auf die Psyche wirken, also<br />

die Blut-Liquor-Schranke überwinden, sind auch<br />

plazentagängig!<br />

• Das Ungeborene konsumiert immer mit!<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

8<br />

10<br />

12<br />

14


Auswirkungen des<br />

Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />

Potentielle Auswirkungen:<br />

• Teratogenität,<br />

• direkte toxische Wirkung der Substanz,<br />

• Induktion funktioneller Störungen (ohne<br />

morphologisches Substrat),<br />

• ungünstige Einflüsse auf die Schwangerschaft,<br />

• ungünstige Einflüsse auf den Geburtsprozess,<br />

<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />

• mit dem Stillen verb<strong>und</strong>ene Risiken beim Übergang<br />

der Substanz in die Muttermilch.<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

Auswirkungen des<br />

Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />

Alkohol<br />

• Eindeutig teratogene Wirkung,<br />

• 2.000 – 3.000 Kinder werden jährlich mit „Fetalem<br />

Alkohol Syndrom“ (FAS) geboren,<br />

• 10.000 – 15.000 Kinder pro Jahr leiden unter<br />

angeborenen Alkoholfolgen, sog. „Fetalen Alkohol<br />

Effekten“ (FAE),<br />

• Alkohol ist die häufigste exogene Ursache für<br />

angeborene Intelligenzminderungen <strong>und</strong><br />

Fehlbildungen!<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

Auswirkungen des<br />

Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />

Fetales Alkohol Syndrom (FAS)<br />

Symptome Häufigkeit<br />

• Intrauteriner Minderwuchs 90%<br />

• Statomotorische <strong>und</strong> mentale Retardierung 88%<br />

• Mikrozephalus 85%<br />

• Anomale Handfurchen 76%<br />

• Hypoplasie der Mandibel 74%<br />

• Nasolabialfalten 72%<br />

• Hyperaktivität 71%<br />

• Epikanthus 69%<br />

• Schmales Lippenrot 64%<br />

• Verkürzter Nasenrücken 53%<br />

• Steißbeingrübchen 47%<br />

• Anomalien des Genitales 46%<br />

• Ptosis 45%<br />

• Hoher Gaumen 38%<br />

• Antimongoloide Lidachsen 32%<br />

• Trichterbrust 30%<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

• Herzfehler 29%<br />

Auswirkungen des<br />

Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />

Fetales Alkohol Syndrom (FAS)<br />

• Grad I:<br />

- oligosymptomatische Fälle mit<br />

- fehlender bis leichter geistiger Retardierung,<br />

- Minderwuchs,<br />

- Mikrozephalie,<br />

- Untergewicht<br />

• Grad II:<br />

- mittelschwer betroffene Kinder mit<br />

- mäßiger geistiger Retardierung,<br />

- leichter kraniofazialer Dysmorphie,<br />

- Hyperexzitabilität<br />

• Grad III:<br />

- schwerstbetroffene Patienten mit fast allen Symptomen<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

15<br />

17<br />

19<br />

21<br />

9<br />

Auswirkungen des<br />

Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />

SUBSTANZSPEZIFISCHE EFFEKTE<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

Auswirkungen des<br />

Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />

Alkohol<br />

• Vor genau 40 Jahren beschrieben Jones <strong>und</strong> Smith<br />

(1973) in den USA ein auffälliges Muster kraniofazialer<br />

Anomalien <strong>und</strong> zentralnervöse Dysfunktionen an elf<br />

Kindern, deren Mütter chronisch alkoholkrank waren <strong>und</strong><br />

während der Schwangerschaft getrunken hatten.<br />

• Sie prägten den Begriff „fetal alcohol-syndrome“ (FAS).<br />

• Durch diese Veröffentlichung im „Lancet“ 1973 wurde<br />

das Fetale Alkohol-Syndrom (FAS) weltweit bekannt <strong>und</strong><br />

bald als eine der wichtigsten Ursachen für eine<br />

angeborene geistige Entwicklungsstörung erkannt.<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

Auswirkungen des<br />

Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />

Fetales Alkohol Syndrom (FAS)<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

Auswirkungen des<br />

Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />

Fetales Alkohol Syndrom (FAS)<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

16<br />

18<br />

20<br />

22


Auswirkungen des<br />

Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />

Fetales Alkohol Syndrom (FAS)<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

Auswirkungen des<br />

Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />

Fetales Alkohol Syndrom (FAS)<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

Auswirkungen des<br />

Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />

Fetale Alkohol Effekte (FAE)<br />

<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />

• Die Alkoholembryopathie stellt nur einen Teilbereich des<br />

Spektrums an kindlichen Alkoholschädigungen dar.<br />

• Die Zahl der Alkoholeffekte <strong>und</strong> die Prävalenz der Kinder<br />

mit verdächtigen alkoholbedingten<br />

Hirnfunktionsstörungen, sind um ein Vielfaches höher<br />

<strong>und</strong> liegen bei<br />

4 bis 6 betroffenen Kindern/1000 Geburten.<br />

• Es wird davon ausgegangen, dass nur bei 10% der<br />

Kinder mit Alkoholembryopathie auch die entsprechende<br />

Diagnose gestellt wird, bei Alkoholeffekten noch seltener.<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

Auswirkungen des<br />

Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />

Fetale Alkohol Effekte (FAE) –<br />

Auswirkungen im Erwachsenenalter<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

Daniel, Novak & Radler, 2010<br />

23<br />

25<br />

27<br />

29<br />

10<br />

Auswirkungen des<br />

Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />

Fetales Alkohol Syndrom (FAS)<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

Auswirkungen des<br />

Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />

Fetales Alkohol Syndrom (FAS)<br />

• Es gibt derzeit keine gesicherten Angaben zur Inzidenz<br />

oder Prävalenz des FAS in Deutschland,<br />

• diese wird anhand internationaler Vergleichszahlen auf<br />

0,5 bis 2 betroffene Neugeborene/1000 Geburten<br />

geschätzt.<br />

• Geht man von dieser Schätzung aus, kann jährlich mit<br />

600 bis 1200 Neugeborenen, die ein voll ausgeprägtes<br />

FAS aufweisen, gerechnet werden.<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

Auswirkungen des<br />

Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

Auswirkungen des<br />

Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />

Fetale Alkohol Effekte (FAE) –<br />

Auswirkungen im Erwachsenenalter<br />

• Bei 90 % der Erwachsenen psychische <strong>und</strong> andere<br />

Ges<strong>und</strong>heitsprobleme:<br />

PEDIATRICS Vol. 108 No. 2 August 2001<br />

- bei 61 % vorwiegend in Form von ADHS im Kindes- <strong>und</strong> Jugendalter <strong>und</strong><br />

- bei den Erwachsenen in circa 50 % der Fälle als Depression.<br />

• Schulunterbrechungen oder ein vorzeitiger Schulabbruch wegen<br />

Lern- oder Verhaltensstörungen in 60 % der Fälle.<br />

• Bei 60 % der Betroffenen war es zu Konflikten mit dem Gesetz<br />

gekommen.<br />

• 80 % der über 21-Jährigen benötigten personelle Unterstützung in<br />

der Lebensführung.<br />

Spohr & Steinhausen, Dtsch Arztebl 2008; 105(41): 693–8<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

24<br />

26<br />

28<br />

30


Auswirkungen des<br />

Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />

Fetale Alkohol Effekte (FAE) –<br />

Auswirkungen im Erwachsenenalter<br />

<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />

• Die erwachsenen FAS-Patienten hatten große Probleme mit der<br />

Erwerbstätigkeit <strong>und</strong> waren zu 70 % arbeitslos <strong>und</strong> unselbstständig<br />

in ihrer Lebensführung.<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

Spohr & Steinhausen, Dtsch Arztebl 2008; 105(41): 693–8<br />

Auswirkungen des<br />

Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />

Nikotin<br />

• niedrigeres Geburtsgewicht,<br />

• geringere Geburtsgröße („small for date“),<br />

• größere Wahrscheinlichkeit für Früh- <strong>und</strong><br />

Fehlgeburten,<br />

• erhöhte Säuglingssterblichkeit, SIDS (European<br />

Environment Agency 2002),<br />

• Möglicherweise Assoziation mit späteren Verhaltensauffälligkeiten<br />

(ADHS, expansive Störungen),<br />

• teratogene Wirkung lange umstritten:<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

Auswirkungen des<br />

Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />

Nikotin<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

Auswirkungen des<br />

Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />

Nikotin – Wirkmechanismen<br />

• Das enthaltene Nikotin beeinflusst den Feten<br />

- durch die Vasokonstriktion,<br />

- durch die Aktivierung des sympathischen Nervensystems.<br />

- Vermutlich durch Interaktion mit dem nikotinergen Acetylcholinrezeptor<br />

wird die Lungenentwicklung beeinträchtigt.<br />

- Nachweisbar ist die Reduktion des intervillösen Blutflusses.<br />

- Dieser Effekt wird nicht nur durch Nikotin gefördert, sondern auch<br />

durch die anderen, bis zu 4.000 toxischen Substanzen, die im<br />

Zigarettenrauch vorhanden sind.<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

31<br />

33<br />

35<br />

37<br />

11<br />

Auswirkungen des<br />

Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />

Fetale Alkohol Effekte (FAE) –<br />

Auswirkungen im Erwachsenenalter<br />

• Die heute erwachsene<br />

Frau lebte bis zu ihrem<br />

18. Lebensjahr bei einer<br />

Pflegemutter,<br />

• dann in einer betreuten<br />

Wohneinheit.<br />

• Sie ist heute Mutter einer<br />

ges<strong>und</strong>en 9-jährigen<br />

Tochter, lebt unabhängig,<br />

sozial integriert <strong>und</strong> ist<br />

berufstätig.<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

Spohr & Steinhausen, Dtsch Arztebl 2008; 105(41): 693–8<br />

Auswirkungen des<br />

Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />

Nikotin<br />

• Teratogenität lange unterschätzt!<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

Auswirkungen des<br />

Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />

Nikotin – Wirkmechanismen<br />

• Der wichtigste negative Effekt des Rauchens entsteht<br />

durch eine verminderte Sauerstoffversorgung des<br />

Feten, hervorgerufen durch Karboxy-Hämoglobinbildung<br />

durch Kohlenmonoxid aus dem Tabakrauch.<br />

• Die pathologisch anatomische Untersuchung der<br />

Raucherplazenten zeigt<br />

- eine Rarifizierung der Villuskapillaren,<br />

- eine Basalmembran-Verdickung,<br />

- geringere Vaskularisation <strong>und</strong><br />

- Vermehrung des Kollagengehaltes.<br />

- Raucherplazenten enthalten Kadmium in höherer Konzentration.<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

Auswirkungen des<br />

Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />

Nikotin<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

32<br />

34<br />

36<br />

38


Auswirkungen des<br />

Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />

Cannabis<br />

<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />

• keine wissenschaftl. nachgewiesene teratogene Wirkung, aber:<br />

• möglicherweise Zusammenhang mit Entwicklung eines Neuroblastoms<br />

in den ersten Lebensjahren,<br />

• niedrigeres Geburtsgewicht,<br />

• geringere Geburtsgröße („small for date“),<br />

• größere Wahrscheinlichkeit für Früh- <strong>und</strong> Fehlgeburten,<br />

• insgesamt Effekte kaum von Nikotin zu trennen,<br />

• CAVE: Fettlösliche Substanz mit sehr langer Halbwertszeit, die<br />

sich nicht nur im Fettgewebe sondern auch in der stark fetthaltigen<br />

Muttermilch anreichert.<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

Auswirkungen des<br />

Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />

Amphetamine incl. Ecstasy<br />

• Mehrfach wird in der Literatur über eine medikamentös<br />

behandlungsbedürftige Entzugssymptomatik bei<br />

Neugeborenen berichtet; in einer Studie von Smith et al.<br />

(2003) betraf dies 4% der Amphetamin-exponierten<br />

Neugeborenen.<br />

• Chomchai et al. (2004) berichten aus Bangkok über 47<br />

Amphetamin-exponierte Neugeborene<br />

- mit kleinerem Kopfumfang <strong>und</strong><br />

- niedrigerem Geburtsgewicht, die<br />

- post partum stärkere Agitiertheit, Erbrechen <strong>und</strong> Tachypnoe<br />

gezeigt hatten.<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

Auswirkungen des<br />

Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />

Opiate (Heroin, Methadon etc.)<br />

• Keine teratogenen Effekte nachgewiesen.<br />

• Hauptrisikofaktor ist der intrauterine Entzug:<br />

- Mütterliche Symptome, wie Tachykardie, Tremor,<br />

Schwitzen, Übelkeit, Angst oder Unruhe übertragen<br />

sich auf den Fetus <strong>und</strong> führen zu ausgeprägten<br />

Kindsbewegungen,<br />

- temporärer Minderperfusion,<br />

- vorzeitiger Wehentätigkeit,<br />

- Frühgeburten.<br />

- ca. vierfach erhöhte Rate von Totgeburten!<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

Auswirkungen des<br />

Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />

Opiate<br />

• Entzugssymptomatik<br />

„Neonatales<br />

Abstinenzsyndrom“<br />

• beginnt am 2./3. Tag pp.<br />

• Dauer von 6 Tagen bis zu 8<br />

Wochen<br />

• Häufigkeit: ca. 75% der<br />

Methadon-Substituierten<br />

• Unter Buprenorphin-<br />

Substitution nur 19%<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

Symptom rel. Häufigkeit<br />

Tremor 96%<br />

schrilles Schreien 95%<br />

Schnupfen 83%<br />

erhöhter Muskeltonus 82%<br />

Erbrechen 74%<br />

Atemfrequenz > 60/min. 66%<br />

Fütterstörung 65%<br />

hyperaktiver Mororeflex 62%<br />

Anhaltendes schrilles Schreien 54%<br />

dünner Stuhl 51%<br />

Schwitzen 49%<br />

Fieber < 38,2° C 29%<br />

wässriger Stuhl 12%<br />

Fieber > 38,2° C 3%<br />

generalisierte Krampfanfälle 1%<br />

Dehydratation 1%<br />

39<br />

41<br />

43<br />

45<br />

12<br />

Auswirkungen des<br />

Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />

Amphetamine incl. Ecstasy<br />

• vermutlich teratogene Wirkung:<br />

• Im Tierversuch Fehlbildungen des Herzens <strong>und</strong> der großen<br />

Gefäße,<br />

• in Längsschnittstudie von 136 Ecstasy konsumierenden<br />

Schwangeren 15,4% kongenitale Anomalien, vor allem<br />

Ventrikelseptumdefekte <strong>und</strong> Pylorusstenosen (McElhatton et al.,<br />

1999).<br />

• CAVE: indirekte Sympathikomimetika, können<br />

- vorzeitige Wehen auslösen,<br />

- zu Blutungen <strong>und</strong><br />

- zu vorzeitiger Plazentalösung führen (Rommelspacher, 1991).<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

Auswirkungen des<br />

Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />

Kokain / Crack<br />

• teratogene Effekte möglich: V. a. gehäufte<br />

- intestinale Atresien,<br />

- Hirn- <strong>und</strong> Augenmissbildungen,<br />

- Schädeldefekte <strong>und</strong> verzögerte Ossifikation<br />

• Substanz mit stark vasokonstriktiven Eigenschaften,<br />

dadurch:<br />

- erhöhte Rate an Spontanaborten,<br />

- vorzeitigen Plazentalösungen,<br />

- Totgeburten <strong>und</strong><br />

- Frühgeburtlichkeit (Chiriboga, 2003).<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

Auswirkungen des<br />

Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />

Opiate (Heroin, Methadon etc.)<br />

• Weitere Risiken durch i. v. Konsum:<br />

• Infektionsraten opiatabhängiger Kindesmütter (Rohrmeister et al.<br />

2001)<br />

- mit Hepatitis B in 29,5%,<br />

- mit Hepatitis C in 67% <strong>und</strong><br />

- mit HIV in 5,7% aller Fälle.<br />

• Diese viralen Infektionen können<br />

- Auslöser für Schwangerschafts- / Geburtskomplikationen sein <strong>und</strong><br />

- mit einer gewissen „vertikalen Transmissionsrate“ auf das<br />

Neugeborene übertragen werden.<br />

- Diese liegt für Hepatitis B zwischen 80 <strong>und</strong> 90%, für Hepatitis C<br />

zwischen 50 <strong>und</strong> 55% (Michielsen u. Van Damme 1999).<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

Auswirkungen des<br />

Substanzkonsums in der Schwangerschaft<br />

Opiate<br />

• Entzugssymptomatik<br />

„Neonatales<br />

Abstinenzsyndrom“<br />

• Dauer von 6 Tagen<br />

bis zu 8 Wochen,<br />

abhängig von der<br />

Opiat-Dosis.<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

Heimann et al., Geburtsh. Frauenheilk., 2006<br />

46<br />

40<br />

42<br />

44


Postpartaler Verlauf<br />

Symptome des Neonatalen Abstinenzsyndroms<br />

schrilles Schreien<br />

Tremor<br />

Fieber<br />

Schnupfen<br />

schlechtes Trinken<br />

Erbrechen<br />

Diarrhoe<br />

Krampfanfälle<br />

Hyperexcitabilität<br />

motorische Unruhe<br />

sonst. Störungen<br />

0<br />

<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />

8<br />

11,8<br />

8<br />

5,9<br />

8<br />

2<br />

5,9<br />

2<br />

16<br />

13,7<br />

19,6<br />

25,5<br />

30<br />

29,4<br />

26<br />

26<br />

35,3<br />

47,1<br />

0 20 40 60 80<br />

nicht substituiert (N = 50) substituiert (N = 51)<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

Beeinflussung der Mutterrolle durch<br />

Psychopathologie <strong>und</strong> Suchtverhalten<br />

Psychiatrische Komorbidität<br />

• Bei drogenabhängigen Müttern ist mit einer hohen<br />

Prävalenz von weiteren psychischen Störungen zu<br />

rechnen:<br />

• Raten für psychiatrische Komorbidität insgesamt von<br />

53,1%.<br />

82<br />

80,4<br />

• psychiatrische Symptombelastung der weiblichen<br />

Klienten in verschiedenen Drogen-Therapieeinrichtungen<br />

in Großbritannien:<br />

- Angstsymptomatik in 32,3%<br />

- Depressivität in 29,7%.<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

Psychosoziale Bedingungen<br />

• Die Gefühle dem Kind gegenüber sind oft ambivalent:<br />

- einerseits wird die Geburt des Kindes mit Hoffnung auf<br />

Ausstieg aus dem Drogenmilieu verb<strong>und</strong>en,<br />

- andererseits kann jedoch das Kind auch dazu dienen, eine<br />

gewisse innere Leere auszufüllen <strong>und</strong> damit zu einem<br />

Substitut für eigene unerfüllte Wünsche werden.<br />

• Aus dem Konflikt des Wissens um die Drogen-Exposition<br />

des ungeborenen Kindes <strong>und</strong> die eigene Unfähigkeit, den<br />

Drogenkonsum zu beenden, resultieren Schuld- <strong>und</strong><br />

Versagensgefühle.<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

Fragen zur Klärung der<br />

Interventionsmöglichkeiten<br />

• Status des Drogen-/Substanzkonsums?<br />

• Bereitschaft zu Ausstieg / Substitution?<br />

• Schwangerschaft gewollt / ungewollt?<br />

• Bereitschaft zum Austragen?<br />

• Abruptio noch möglich?<br />

• Frühere Geburten?<br />

• Frühere Adoptionsfreigaben?<br />

• Partnerschaft?<br />

• Soziale Verhältnisse?<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

47<br />

49<br />

51<br />

53<br />

13<br />

Kinder von substanzabhängigen Müttern –<br />

PSYCHOSOZIALE<br />

RAHMENBEDINGUNGEN<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

Beeinflussung der Mutterrolle durch<br />

Psychopathologie <strong>und</strong> Suchtverhalten<br />

• Bei Methadonsubstituierten in Basel betrug die<br />

psychiatrische Komorbidität 75,2%,<br />

• am häufigsten Persönlichkeitsstörungen, gefolgt von<br />

• depressiven <strong>und</strong><br />

• schizophrenen Störungen.<br />

• Bei Patienten, die sich zur Entgiftung in der<br />

psychiatrischen Universitätsklinik Tübingen befanden,<br />

fand sich eine Lebenszeitprävalenz psychischer<br />

Störungen von 55%, dabei vorherrschend<br />

• Angst- <strong>und</strong> Zwangsstörungen <strong>und</strong><br />

• affektive Störungen<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

Kinder von substanzabhängigen Müttern –<br />

INTERVENTIONSANSÄTZE<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

Schwangerenberatung<br />

• Regelmäßige Vorsorge gemäß Mutterschafts-Richtlinien,<br />

• insbesondere Abklärung von:<br />

- Infektionserkrankungen (HIV, Hepatitis),<br />

- Veränderungen am Gebärmutterhals (Dysplasien),<br />

- Schwangerschaftskomplikationen,<br />

- Fehlbildungsausschluss (Ultraschall),<br />

- Wachstumsstörungen im weiteren Verlauf<br />

• Psychosoziale Stabilisierung,<br />

• Aufbau eines Betreuungsnetzwerkes,<br />

• Vorbereitung auf Eltern- / Mutterschaft.<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

48<br />

50<br />

52<br />

54


Medizinische Diagnostik<br />

• Gynäkologische Untersuchung<br />

• Internistische Untersuchung<br />

• Evtl. psychiatrische Untersuchung<br />

• Impfungen<br />

• Behandlungsbedürftige somatische Komorbidität<br />

• Behandlungsbedürftige psychiatrische Komorbidität<br />

• Schädliche Medikamente<br />

• Spektrum der konsumierten Drogen<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

Zusammenfassung<br />

• Klärung des Kinderwunschs,<br />

• Suchtmedizinische Weichenstellung,<br />

• Vermittlung psychosozialer Betreuung,<br />

• Ordnung von Wohnen <strong>und</strong> Finanzen,<br />

<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />

• Kooperation zwischen substituierendem Arzt, Gynäkologe,<br />

geburtshilflicher Klinik.<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

Vielen Dank!<br />

HELIOS Klinikum Erfurt<br />

www.helios-kliniken.de/erfurt<br />

55<br />

57<br />

59<br />

14<br />

Klärung sozialer Gr<strong>und</strong>fragen<br />

• Wohnverhältnisse<br />

- (Fester Wohnsitz, Wohnung ausreichend groß),<br />

• Finanzielle Gr<strong>und</strong>versorgung<br />

- (Dealen, Strich, Gr<strong>und</strong>sicherung, Hartz IV, Job, Beruf),<br />

• Soziale Unterstützung<br />

- (Mutter, Schwiegermutter, Kindsvater, Geschwister,<br />

Fre<strong>und</strong>innen).<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

Literaturhinweis<br />

Michael Klein (Hrsg.):<br />

Kinder <strong>und</strong><br />

Suchtgefahren<br />

Risiken<br />

Prävention<br />

Hilfen<br />

Schattauer Verlag,<br />

Stuttgart, 2008<br />

Drogenkonsum in der Schwangerschaft, E. Englert 2013<br />

56<br />

58


<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />

2. Dr. med. Eva Hammerstein<br />

Psychosoziale Ressourcen – Familie im Blick<br />

Psychosoziale Ressourcen –<br />

Familie im Blick<br />

Eva Hammerstein<br />

Klinik für Psychosomatik, Psychiatrie & Psychotherapie<br />

des Kindes- <strong>und</strong> Jugendalters<br />

I. Einführung<br />

„Chancenverhältnis“<br />

5<br />

1<br />

3<br />

15<br />

I. Einführung<br />

Gliederung<br />

II. Paar- <strong>und</strong> familiendynamische<br />

Aspekte<br />

III. Fallbeispiele<br />

IV. Ressourcen<br />

V. Was Kinder brauchen<br />

Cave: nicht<br />

einkommens-<br />

abhängig<br />

Als Vorläufer der Abhängigkeitserkrankungen bei Kindern<br />

von alkoholabhängigen Eltern im Jugendlichen- oder<br />

Erwachsenenalter gelten externalisierende <strong>und</strong> internalisierende<br />

Störungen im Kindesalter.<br />

Schwierigkeiten in der Schule<br />

Soziale Isolation<br />

Jacob & Windle, 2000, Sher 1991<br />

erschwerter Übergang von der Kindheit in die<br />

Adoleszenz<br />

Velleman & Orford , 1999, Velleman & Templeton, 2007<br />

Dt. Ärztebl 2008; 105(21): A-1112 / B-959 / C-939<br />

6<br />

4<br />

2


<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />

Die Belastung der Kinder besteht in einer Kombination aus<br />

familiären Stressfaktoren <strong>und</strong> dem substanzbedingtem<br />

Verhalten der Eltern.<br />

Kinder in Familien, in denen die Väter am frühen Abend<br />

exzessiv zu Hause trinken, trugen die stärksten Folgen<br />

davon. Klein & Zobel, 1997<br />

Die familiäre Umgebung von Nutzern illegaler Drogen<br />

zeichnet sich durch unterschiedliche Lebensstile,<br />

Ges<strong>und</strong>heitsrisiken, kriminelle Aktivitäten <strong>und</strong> dem Risiko<br />

der Inhaftierung aus. Hogan, 1998<br />

Hochrisikokonstellation für<br />

Kindeswohlgefährdung<br />

Eine psychische Erkrankung beider Elternteile<br />

Der Ausfall der Alltagsversorgung<br />

Kein offener Umgang mit der Krankheit<br />

Vorausgegangene Trennungen von wichtigen<br />

Bezugspersonen<br />

Eine fehlende gute Beziehung zu einem ges<strong>und</strong>en<br />

Elternteil<br />

Mattejat <strong>und</strong> Lisofsky, 2008<br />

Modelle, die die Dynamik in alkoholbelasteten Familien<br />

abbilden, finden zunehmend Berücksichtigung.<br />

Es werden vermehrt Familienangehörige in die<br />

Behandlung miteinbezogen Copello, 2005<br />

Personen, die in alkoholbelasteten Familien aufgewachsen<br />

sind, wählen häufig Partner, die ebenfalls in alkoholbelasteten<br />

Familien aufgewachsen sind.<br />

Assortative Mating Leonard & Eiden, 2007<br />

Die Kinder müssen sich auf völlig veränderte Interaktionsmuster<br />

innerhalb der Familie einstellen.<br />

Sie reagieren mit<br />

Angst<br />

Rückzug<br />

körperlichen Symptomen<br />

geben sich selbst die Schuld für den Rückfall<br />

Kindern werden kaum Bewältigungsstrategien vermittelt<br />

7<br />

9<br />

11<br />

13<br />

16<br />

Risiken <strong>und</strong> Auffälligkeiten von Kindern<br />

suchterkrankter Eltern<br />

Fetales Alkoholsyndrom<br />

Fetale Alkoholeffekte<br />

Externalisierende/internalisierende Auffälligkeiten<br />

Abhängigkeitserkrankungen der Kinder<br />

Vernachlässigung/Missbrauch<br />

Gewalterfahrungen<br />

Inkonsistentes Erziehungsverhalten<br />

Hohes Maß intrafamiliärer Konflikte<br />

II. Paar- <strong>und</strong> familiendynamische<br />

Aspekte<br />

Die Familien pendeln zwischen den beiden Zuständen<br />

Nüchternheit <strong>und</strong> Betrunkenheit des Abhängigen.<br />

Phasen der Nüchternheit:<br />

Strukturierte Tagesabläufe<br />

Pläne<br />

Absprachen<br />

Rückfall:<br />

Versprechungen werden hinfällig<br />

Zukunftspläne verworfen<br />

III. Fallbespiele<br />

8<br />

10<br />

12<br />

14


<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />

Fallbeispiel I<br />

Mädchen 14 Jahre<br />

Mehrmalige stationäre Aufenthalte auf unserer<br />

Jugendstation (Kontakt über die Schule)<br />

Symptomatik: habe sich zunehmend zurückgezogen,<br />

habe ihre Sorgen <strong>und</strong> Probleme mit sich selbst<br />

ausgemacht. Nach einem Kontakt mit dem Vater fühle<br />

sie sich bedroht <strong>und</strong> ängstlich. Dieser habe in<br />

alkoholisiertem Zustand bei ihr geklingelt. Sie mache<br />

sich auch große Sorgen um die Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> den<br />

psychischen Zustand ihres Vaters. Sie sei ihren<br />

Fre<strong>und</strong>en gegenüber verantwortungsvoll <strong>und</strong> würde<br />

sich ihren Problemen annehmen, dies belaste sie sehr.<br />

Eigenanamnese:<br />

Im Kindergarten starke Trennungsängste, sie habe beim<br />

Abschied viel geschrien, sek<strong>und</strong>äre Enuresis nocturna, in<br />

der Schule wenig gesprochen, sei passiv gewesen, habe<br />

„bockiges Verhalten“ gezeigt. Sie habe sich schwer verbal<br />

auseinandersetzen können <strong>und</strong> habe mit Treten reagiert.<br />

Sie sei wenig anstrengungsbereit gewesen, habe wenig<br />

Fleiß gezeigt. Sie sei in der Schule passiv, würde nicht<br />

mitarbeiten, Leistungsknick, immer wenig Sport.<br />

Selbsteinschätzung:<br />

Wenig aktiv, besonderes Bedürfnis nach Alleinsein, wenig<br />

Interesse <strong>und</strong> Engagement in sozialen Beziehungen,<br />

übermäßig zurückhaltend <strong>und</strong> scheu. Sie ist von sich<br />

selbst wenig überzeugt <strong>und</strong> empfindet sich als minderwertig.<br />

Gleichzeitig erlebt sie sich als impulsiv <strong>und</strong><br />

emotional.<br />

Überdurchschnittliches Maß depressiver Symptome<br />

Fallbeispiel II<br />

Mädchen 17 Jahre<br />

Mehrmalige stationäre Aufenthalte auf unserer<br />

Jugendstation<br />

Symptomatik: Patientin berichtet von lebensmüden<br />

Gedanken <strong>und</strong> dem Wunsch, tot sein zu wollen. Sie<br />

habe sich sehr zurückgezogen, eine Fassade aufgebaut<br />

<strong>und</strong> fühle sich schuldig <strong>und</strong> verantwortlich, dass<br />

es der Mutter schlecht gehe. Sie leide seit Wochen<br />

unter Durchschlafstörungen, sei apathisch <strong>und</strong><br />

funktioniere nur noch. Sie habe Angst vor Albträumen<br />

<strong>und</strong> könne schwer alleine sein.<br />

15<br />

17<br />

19<br />

21<br />

17<br />

Familienanamnese:<br />

Mutter habe Gewalt in der Schwanger-schaft erfahren<br />

(Vater habe Mutter in den Bauch getreten), die Ehe sei<br />

nach der Geburt immer schlechter geworden.<br />

Vater: Alkoholmissbrauch/-abhängigkeit, V. a. Drogenmissbrauch,<br />

impulsives, auch selbstverletzendes<br />

Verhalten, Gefängnisaufenthalt wegen Einbruch,<br />

alkoholisiertes Fahren ohne Führerschein, seit der<br />

Trennung der Eltern besteht kaum Kontakt zur Patientin. In<br />

der Partnerschaft sei er häufig unterwegs gewesen. Es<br />

habe Gewalt in der Ehe gegeben.<br />

Psychischer Bef<strong>und</strong>:<br />

In sich zurückgezogen, verminderter Antrieb mit fehlender<br />

Tagesstruktur, sozialer Rückzug, Leistungsknick, Appetitsteigerung<br />

mit Essattacken <strong>und</strong> Gewichtszunahme,<br />

affektiv gedrückt, traurig über familiäre Situation <strong>und</strong><br />

Sündenbockzuschreibung durch die Mutter. Angabe von<br />

selbstverletzendem Verhalten <strong>und</strong> lebensmüden<br />

Gedanken („welchen Sinn hat ihr Leben in Konfliktsituationen“?).<br />

Familiensystem:<br />

Mutter: starke Überforderung mit Depression, Ängsten <strong>und</strong><br />

Essstörung<br />

große Schwierigkeiten in der pädagogischen<br />

Führung beider Kinder<br />

Bruder: Angst <strong>und</strong> Depression, Somatisierungsstörung,<br />

ambulante jugendpsychiatrische <strong>und</strong> psychotherapeutische<br />

Betreuung, zuvor selber stationärer<br />

Aufenthalt auf unserer Jugendstation<br />

Familienanamnese:<br />

Die Mutter arbeitet als Psychologin.<br />

Vater: Ist im Kinderheim aufgewachsen, Suchterkrankung<br />

(Alkohol <strong>und</strong> Drogen), verstorben <strong>und</strong> erst 1 Woche nach<br />

seinem Tod aufgef<strong>und</strong>en worden.<br />

Partnerschaft: Die Mutter habe sich auf Gr<strong>und</strong> der Suchtproblematik<br />

im 1. Lebensjahr der Tochter getrennt.<br />

Kontakte zum Vater seien unregelmäßig gewesen. Er<br />

habe aber immer den Kontakt gehalten. Die Besuche<br />

erfolgten in der Wohnung der Mutter, im 6./7. Lebensjahr<br />

auch ohne die Mutter.<br />

Halbschwester (v): 8 Jahre<br />

16<br />

18<br />

20<br />

22


Familiendynamik:<br />

<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />

Schwieriges <strong>und</strong> angespanntes Verhältnis zur Mutter, Wut<br />

<strong>und</strong> Misstrauen, Patientin wirft der Mutter vor, ihre<br />

Herkunftsfamilie <strong>und</strong> die Problematik mit ihrem Vater zu<br />

tabuisieren. Mutter findet wenig Zugang <strong>und</strong> fühlt sich<br />

überfordert.<br />

Psychischer Bef<strong>und</strong>:<br />

Wach, voll orientiert, psychomotorisch angespannt, im<br />

Kontakt zunächst sehr verschlossen, weint, ist affektiv<br />

gedrückt, wenig schwingungsfähig, Insuffizienzerleben,<br />

Schuldgefühle, Versagungsängste, Gefühl, anderen zur<br />

Last zu fallen, Antrieb regelrecht.<br />

Die Patientin gibt lebensmüde Gedanken an. Wunsch<br />

nach Abschied <strong>und</strong> tot zu sein („dann falle ich keinem<br />

mehr zur Last“), mit Suizidideen (Pulsaderschnitt oder<br />

Tablettenintoxikation). Sie haben genug Schmerzmittel zu<br />

Hause.<br />

Chrismon 1.2012<br />

Subjektive Belastungen betroffener Kinder<br />

Tabuisierung<br />

Soziale Isolation<br />

Abwertungserleben<br />

Betreuungsdefizit<br />

Zusatzbelastungen<br />

Wiegand-Grefe et al 2011<br />

23<br />

25<br />

27<br />

29<br />

18<br />

Patientin hat starke Schuldgefühle, negatives Selbstbild<br />

kann Gefühlen verbal keinen Ausdruck geben<br />

ambivalente Mutter-Kind-Interaktionsstörung<br />

ausgeprägte Beziehungsunsicherheit im Umgang mit<br />

Gleichaltrigen<br />

Es fällt ihr schwer, altersadäquate Autonomiebestrebungen<br />

<strong>und</strong> Bedürfnisse zu äußern.<br />

Auseinandersetzen mit eigener Biographie<br />

Schwere Identitätskrise<br />

Persönlichkeitsdiagnostik:<br />

extrem hoch ausgeprägte „Ich-Schwäche“ <strong>und</strong> „soziale<br />

Zurückhaltung“<br />

Spezifische Symptome:<br />

Enorme psychische Belastung<br />

Phobische Ängste<br />

Körperliche Beschwerden (Ohnmachts- <strong>und</strong> Schwindelgefühle,<br />

Kreuzschmerzen, Hitzewallungen, Herz- <strong>und</strong><br />

Brustschmerzen)<br />

Subjektive Belastungen betroffener Kinder<br />

Desorientierung<br />

Schuldgefühle<br />

Parentifizierung<br />

Loyalitätskonflikt<br />

Einsamkeit<br />

Gefühlen der Entfremdung<br />

Schamgefühlen<br />

Unsicherheit<br />

Ängsten<br />

Wiegand-Grefe et al 2011<br />

Betroffene Kinder leiden an<br />

Psychische Gr<strong>und</strong>bedürfnisse der Kinder<br />

werden nicht befriedigt<br />

24<br />

26<br />

28<br />

30


des Kindes<br />

xxxxxxxxxxxx<br />

Temperament?<br />

Autonomie?<br />

Kreativität?<br />

Beziehungen?<br />

<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />

IV. Ressourcen<br />

Ressourcen<br />

des Elternteils / des<br />

Systems<br />

Offenheit?<br />

Struktur?<br />

Beziehungsfähigkeit?<br />

Ein ges<strong>und</strong>er Elternteil?<br />

Personale Ressourcen des Kindes<br />

Alters- <strong>und</strong> entwicklungsangemessenes Wissen<br />

Wenn Kinder ein für sie als ausreichend betrachtetes<br />

Wissen besitzen, sind sie in der Lage, als handelnde<br />

Subjekte aktiv Stärke, Energie <strong>und</strong> Fantasie zur<br />

Gestaltung eigener Lebensperspektiven zu entwickeln.<br />

Soziale Ressourcen des Kindes<br />

Lenz 2010<br />

Soziale Unterstützung durch sozialen Rückhalt durch<br />

(eine) erwachsene Bezugsperson(en)<br />

Ein altersgemischtes <strong>und</strong> heterogenes Gleichaltrigen-<br />

Netzwerk<br />

Integration in Vereine, Gemeinde, Kirche etc.<br />

Lenz 2010<br />

Universitätsklinikum AöR, Kinderzentrum - Juli 2012 37<br />

31<br />

33<br />

35<br />

19<br />

Personale Ressourcen des Kindes<br />

Selbstwertgefühl <strong>und</strong> die Überzeugung der<br />

Selbstwirksamkeit<br />

z. B. Aussagen des Kindes über Interessen,<br />

Hobbies, Aktivitäten <strong>und</strong> den Umgang mit<br />

Ereignissen <strong>und</strong> Erfahrungen in zentralen<br />

Lebensbereichen<br />

Eindruck vom Selbstkonzept des Kindes<br />

Lenz 2010<br />

Personale Ressourcen des Kindes<br />

Problemlösekompetenzen<br />

Für eine effektive Problemlösefähigkeit ist nicht nur<br />

wichtig, über ein möglichst breites Handlungsrepertoire zu<br />

verfügen, sondern vor allem, es situationsgerecht einsetzen<br />

zu können, wobei sich die Kontrollierbarkeit der<br />

Situation als besonders relevanter Aspekt erweist.<br />

Qualität der Paarbeziehung<br />

Familiäre Ressourcen<br />

Lenz 2010<br />

Kommunikations- <strong>und</strong> Konfliktregelungsfertigkeiten<br />

Problemlösungskompetenzen<br />

Lenz 2010<br />

32<br />

34<br />

36<br />

38


Elterliche Erziehungskompetenz<br />

Familiäre Ressourcen<br />

Beziehungsfähigkeit<br />

Kommunikationsfähigkeit<br />

Fähigkeit zur Grenzsetzung<br />

Förderfähigkeit<br />

Vorbildfähigkeit<br />

Fähigkeit zum Alltagsmanagement<br />

<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />

Familiäre Ressourcen<br />

Angemessene Krankheitsbewältigung<br />

Akzeptierende Haltung des erkrankten Elternteils<br />

gegenüber seiner Krankheit<br />

Lenz 2010<br />

Aktive Auseinandersetzung beider Elternteile mit der<br />

Krankheit <strong>und</strong> ihren Konsequenzen<br />

Offenes Sprechen mit den Kindern über die Krankheit<br />

<strong>und</strong> alle wesentlichen damit einhergehenden<br />

Veränderungen im Alltag <strong>und</strong> in der familiären<br />

Organisation<br />

Lenz 2010<br />

Merkmale von resilienten Kindern<br />

Sie begreifen ihre schwierigen Lebensumstände als<br />

Herausforderung, die sie meistern möchten.<br />

Sie sehen klar, dass nicht sie selbst, sondern die<br />

elterliche Sucht <strong>und</strong> andere Umweltbedingungen für die<br />

Belastungen verantwortlich sind.<br />

Sie verfügen über Humor als Instrument der Selbstdistanzierung<br />

<strong>und</strong> Erleichterung <strong>und</strong> über ein<br />

eigenständiges, tragfähiges Wertesystem.<br />

Merkmale von resilienten Kindern<br />

39<br />

41<br />

Zobel 2001<br />

Sie richten sich die Schule als einen Bereich ein, indem<br />

sie sich wohl <strong>und</strong> akzeptiert fühlen.<br />

Sie haben mindestens eine nahe Fre<strong>und</strong>in, einen<br />

nahen Fre<strong>und</strong> <strong>und</strong> können in Krisenzeiten auf ein<br />

informelles Netzwerk von Nachbarn, Gleichaltrigen <strong>und</strong><br />

Älteren zurückgreifen.<br />

Zobel 2001<br />

43<br />

45<br />

20<br />

Elternallianz<br />

Familiäre Ressourcen<br />

Angemessenes partnerschaftliches<br />

Interaktionsverhalten<br />

Unterstützung des Partners in seiner Elternrolle<br />

Zufriedenstellende Verteilung der Erziehungsaufgaben<br />

Übereinstimmung in der Kindererziehung<br />

Nutzung von verfügbaren bzw. mobilisierbaren<br />

informellen Hilfsmöglichkeiten im sozialen Netzwerk<br />

durch die Eltern<br />

Inanspruchnahme professioneller Hilfen aus dem<br />

medizinisch-therapeutischen Bereich <strong>und</strong> der<br />

Jugendhilfe<br />

Merkmale von resilienten Kindern<br />

Lenz 2010 40<br />

Lenz 2010<br />

Sie nutzen ihre Talente effektiv, zeigen Kreativität <strong>und</strong><br />

Initiative.<br />

Sie haben ein gemeinsames Hobby, das sie zusammen<br />

mit Fre<strong>und</strong>en ausüben, <strong>und</strong> nehmen an Gemeinschaftsaktivitäten<br />

wie Schülerbands <strong>und</strong> Theatergruppen teil<br />

Zobel 2001<br />

V. Was Kinder brauchen<br />

42<br />

44<br />

46


Verstehen zu können, was vorgeht, ist für die<br />

Kinder im Sinne der Befriedigung des Gr<strong>und</strong>bedürfnisses<br />

nach Orientierung eine außerordentlich<br />

wichtige Ressource.<br />

<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />

Borg-Laufs et al 2012<br />

Was Kinder brauchen (I) – Eltern:<br />

Kinder müssen aus ehelichen Auseinandersetzungen<br />

herausgehalten werden.<br />

Aufgabe der Eltern, wieder Verantwortung zu<br />

übernehmen für sich <strong>und</strong> die Familie.<br />

Kind ist kein Partnerersatz<br />

Kinder können „Kind“ sein<br />

Was Kinder brauchen (III) – Gefühle:<br />

Gefühle jemandem anvertrauen (Zerrissenheit,<br />

Widersprüchlichkeit) Gefühle sind in Ordnung <strong>und</strong><br />

nachvollziehbar<br />

auf eigene Bedürfnisse achten, sie nicht zugunsten der<br />

Familienprobleme hintenanstellen Zugang zum Spiel,<br />

Unbeschwertheit<br />

Echte Anerkennung <strong>und</strong> Bestätigung Glaube an<br />

eigene Fähigkeiten <strong>und</strong> Gestaltungsmöglichkeiten<br />

Was Kinder brauchen (V) –<br />

Bezugspersonen:<br />

eine verlässliche Bezugsperson, der sie vertrauen<br />

(Verständnis, Rat <strong>und</strong> Schutz)<br />

Hilfe soll überlegt in Absprache mit dem Kind erfolgen<br />

(mögliche negative Konsequenzen müssen<br />

berücksichtigt werden)<br />

Erlaubnis <strong>und</strong> Chance zu vielseitigen Kontakten mit<br />

Gleichaltrigen in Schule, Freizeit, Sport<br />

47<br />

49<br />

51<br />

53<br />

21<br />

Was Kinder brauchen (I) – Eltern:<br />

Elternteil stellt sich seiner Sucht <strong>und</strong> den dahinterliegenden<br />

Problemen, überwindet sein Suchtmuster <strong>und</strong><br />

schränkt dauerhaft den Konsum ein bzw. beendet ihn.<br />

Anderer Elternteil löst sich aus dem Muster der Co-<br />

Abhängigkeit <strong>und</strong> bezieht klar für die Bedürfnisse der<br />

Kinder Stellung.<br />

Klare Regeln zu Hause, strukturierter Tagesablauf,<br />

familiäre Rituale.<br />

Was Kinder brauchen (II) – Aufklärung:<br />

Bagatellisierung oder Verleugnung der Suchtproblematik<br />

innerhalb der Familie oder gegenüber der Umgebung<br />

muss beendet werden.<br />

Aufklärung in altersgemäßer Weise über die Suchtprobleme,<br />

um Erfahrungen in der Familie einordnen <strong>und</strong><br />

verstehen zu können.<br />

keine Schuld am auffälligem Verhalten des Elternteils<br />

Zugang zu kindgerechten Informationen<br />

sie sind nicht alleine, vielen Kindern geht es ähnlich<br />

Was Kinder brauchen (IV) – Kindeswohl:<br />

Wenn Gr<strong>und</strong>bedürfnisse (Essen, Kleidung, Aufsicht,<br />

Ges<strong>und</strong>heitsfürsorge) nur unzureichend erfüllt werden<br />

Erwachsene müssen reagieren<br />

Vernachlässigung, Misshandlung, sexueller Übergriff<br />

Schutz durch erwachsene Bezugspersonen,<br />

Jugendämter, Jugendhilfeeinrichtungen<br />

Gemeinsamer Notfallplan: wer sorgt für die zentralen<br />

Bedürfnisse <strong>und</strong> den Schutz des Kindes?<br />

Was Kinder brauchen (VI) – Fachkräfte:<br />

Kinder müssen in Beratungsstellen, Suchtkliniken ernst<br />

genommen werden<br />

Kinder einladen, sich über Suchtprobleme zu<br />

informieren <strong>und</strong> ihre Situation als Kinder anzusprechen<br />

Fachkräfte aus Jugendhilfe <strong>und</strong> Suchtkrankenhilfe<br />

sollten gute Kooperation entwickeln<br />

48<br />

50<br />

52<br />

54


<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />

Was Kinder brauchen (VII) – Vorbeugung:<br />

Aufklärung über eigene Risiken Unterstützung<br />

eigenes Leben ohne Missbrauch/Abhängigkeit zu führen<br />

bei Bedarf: Präventionsprogramme Konfliktlösefertigkeiten<br />

Hilfe beim Überwinden eines typischen Rollenmusters:<br />

Helfender Beruf?<br />

Partner mit Suchtproblematik<br />

Richtiges Ansprechen der Eltern<br />

Viele Eltern sind dann gut ansprechbar, wenn bereits<br />

eine gute Beziehung zu ihnen hergestellt werden<br />

konnte.<br />

Die Eltern mit ihren eigenen Problemen ernst nehmen<br />

<strong>und</strong> wertschätzen.<br />

Den Eltern deutlich machen, dass eine alleinige<br />

Behandlung des Kindes nicht den gewünschten<br />

Erfolg bringen wird.<br />

Motivierende Gesprächsführung Miller & Rollnick, 2009<br />

Praktische Hinweise<br />

Den Eltern empathisch <strong>und</strong> wertschätzend begegnen.<br />

Den Eltern durch das Aufzeigen von Diskrepanzen<br />

von ihren Wünschen <strong>und</strong> ihren Möglichkeiten weitere<br />

Hilfe durch Psychotherapeuten, Psychiatern <strong>und</strong><br />

Jugendhilfe nahebringen.<br />

Überprüfen, ob eine Kindeswohlgefährdung vorliegt.<br />

Krisenplan erstellen, der enthält, wer das Kind in<br />

Notsituationen versorgt<br />

Borg-Laufs et al 2012<br />

Angst vor Bevorm<strong>und</strong>ung oder Entzug der<br />

elterlichen Sorge Kölch & Schmid, 2008<br />

Angst, als Eltern stigmatisiert, in Frage gestellt zu<br />

werden<br />

Politische Überkorrektheit, bei psychisch Kranken<br />

automatisch von voller Erziehungskompetenz<br />

auszugehen, ist nicht hilfreich<br />

Entstigmatisierung der KJPP <strong>und</strong> des Jugendamtes:<br />

Ziel des KJHG<br />

55<br />

57<br />

59<br />

22<br />

Anhang<br />

Verbesserung der Schutzfunktion bei den<br />

Eltern<br />

Eltern in ihrer Be- <strong>und</strong> Erziehungsfähigkeit stärken<br />

Fokus sollte darauf liegen, das gegenseitige<br />

Verständnis zu erhöhen <strong>und</strong> Inseln des Gelingens in<br />

einem problematischen Alltag zu schaffen<br />

Bindungsorientierte Maßnahmen Gloger-Tippelt<br />

familientherapeutische Intervention Beardslee, 2009<br />

Spezifische Aspekte in der Zusammenarbeit<br />

mit psychisch kranken Eltern<br />

oft verminderte Belastbarkeit<br />

oft noch mehr Unsicherheit<br />

• Rückzug in eigene Erlebniswelt<br />

• Ambivalenz, eigene Themen selbst zu<br />

bearbeiten<br />

Risikofaktoren der Eltern<br />

Geringe emotionale Verfügbarkeit <strong>und</strong> psychische<br />

Labilität der Eltern<br />

Mangelnde Erziehungskompetenz der Eltern<br />

Konflikthafte Beziehung der Eltern<br />

Trennung oder Scheidung der Eltern<br />

Allein erziehender Elternteil<br />

Wiegand-Grefe et al 2011<br />

61 62<br />

56<br />

58<br />

60


<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />

Risikofaktoren der Familie<br />

Familiengeschichte psychischer Erkrankungen<br />

Niedriger sozioökonomischer Status<br />

Instabilität der familiären Lebensbedingungen<br />

Unangemessenheit der familiären Krankheitsbewältigung<br />

Tabuisierung der Erkrankung<br />

Wiegand-Grefe et al 2011<br />

Risikofaktoren der Kinder<br />

Misshandlung <strong>und</strong> Vernachlässigung<br />

Häufige, längere <strong>und</strong> frühe Trennungserlebnisse<br />

Verminderte intellektuelle <strong>und</strong> soziale Kompetenzen<br />

Geringe Kommunikationsfähigkeit<br />

Wenig Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme<br />

Kein positives Selbstwertgefühl<br />

Hohe (destruktive) Parentifizierung<br />

Wiegand-Grefe et al 2011<br />

Risikofaktoren der Kinder<br />

Keine Leistungsorientierung<br />

Alters- <strong>und</strong> entwicklungsunangemessener<br />

Aufklärungsgrad über die Erkrankung<br />

Emotionale Instabilität<br />

Aggressivität <strong>und</strong> antisoziales Verhalten<br />

Rückzugstendenzen, Passivität, soziale Ängste<br />

Wiegand-Grefe et al 2011<br />

63<br />

65<br />

67<br />

23<br />

Risikofaktoren der Familie<br />

Mangelnde Kommunikation in der Familie<br />

Störung der Eltern-Kind-Beziehung bzw.<br />

-Interaktion<br />

Fehlender Familienzusammenhalt <strong>und</strong> konflikthaftes<br />

familiäres Klima<br />

Geschwistergeburten in den ersten beiden<br />

Lebensjahren<br />

Wiegand-Grefe et al 2011<br />

Risikofaktoren der Kinder<br />

Pre- <strong>und</strong> perinatale Komplikationen<br />

Geringes Lebensalter bei Erstmanifestation der<br />

Erkrankung<br />

Hohe Expositionsdauer<br />

Männliches Geschlecht für externalisierende Auffälligkeiten,<br />

weibliches Geschlecht für internaliserende<br />

Auffälligkeiten<br />

Schwieriges Temperament<br />

Wiegand-Grefe et al 2011<br />

Allgemeine psychosoziale<br />

Belastungsfaktoren<br />

Fehlendes soziales Unterstützungssystem für die<br />

Familie<br />

Wenig Aufmerksamkeit seitens der Umwelt<br />

Geringe reale <strong>und</strong> emotionale Verfügbarkeit von<br />

Bezugspersonen außerhalb der Familie<br />

Familiäre Isolation<br />

Wiegand-Grefe et al 2011<br />

64<br />

66<br />

68


<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />

3. Vernetzung <strong>und</strong> Information in der Mittagspause<br />

24


<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />

3. Christa Gattwinkel<br />

Von einer Idee zu einer festen Einrichtung – Praxis im Blick<br />

Christa Gattwinkel<br />

Als man mich im Herbst 2012 fragte, ob<br />

ich bereit wäre über meine Arbeit zu berichten,<br />

die ganz klein angefangen hat,<br />

sagte ich spontan ja.<br />

Sie werden innerhalb meiner Erzählung<br />

merken, dass es mir ein Bedürfnis ist,<br />

mich für diese Kinder einzusetzen.<br />

Mein Name ist Christa Gattwinkel, bin verheiratet,<br />

Mutter von 2 erwachsenen Söhnen<br />

<strong>und</strong> Oma von drei w<strong>und</strong>erbaren Enkelmädchen,<br />

ich arbeite ehrenamtlich für<br />

den Kreuzb<strong>und</strong> in der Diözese Paderborn<br />

<strong>und</strong> bin Beauftragte für Kinder, Jugend<br />

<strong>und</strong> Familie.<br />

Als mein Mann am 28. Sept. 1989 von<br />

einer Langzeittherapie in Daun - das liegt<br />

in der Eifel- entlassen wurde, besuchten<br />

wir gemeinsam eine Kreuzb<strong>und</strong>gruppe<br />

<strong>und</strong> ich fing an, mich für Menschen zu<br />

interessieren, die einen Weg suchten um<br />

aus der Sucht herauszukommen.<br />

Zuerst dachte ich mehr an die Partner- an<br />

die Frauen- <strong>und</strong> so gründete ich mit Hilfe<br />

einer Mitbetroffenen einen Frauengesprächskreis.<br />

An die Kinder wurde ich erst später innerhalb<br />

der Kreuzb<strong>und</strong>-Gruppe erinnert.<br />

25<br />

Es war Anfang 1996 als eine Mutter während<br />

der Gruppenst<strong>und</strong>e sagte, sie käme<br />

mit ihrem Sohn nicht mehr zurecht. Der<br />

Vater war gerade zur Therapie. Sebastian<br />

war störrisch <strong>und</strong> auch in der Schule war<br />

er sehr schlecht.<br />

Es dauerte lange bis ich es in meinem<br />

Innern r<strong>und</strong> hatte, evtl. mal für dieses Kind<br />

etwas zu tun. Meine Idee war damals einfach<br />

nur mit Sebastian reden zu dürfen.<br />

Darauf die Mutter:“ Warum nur mit meinem<br />

Sohn, da sind doch noch andere Kinder.“<br />

Ja, - <strong>und</strong> dann ging bei mir das Rotieren<br />

erst richtig los.<br />

Ich plante ein Konzept in das die Eltern<br />

der Kinder mit einbezogen werden müssten,<br />

sonst würde es nicht aufgehen.<br />

Wenn diese Kinder eine Gruppe besuchen,<br />

müssten sie auch daheim mit Jemanden<br />

reden können. Natürlich würde<br />

auch ein Elternteil oder eine vertraute Bezugsperson<br />

genügen. Und so war es denn<br />

auch.<br />

Dann habe ich mich so etwas wie abgesichert.<br />

Ich habe den Kreuzb<strong>und</strong>vorstand im DV<br />

Paderborn über mein Vorhaben informiert<br />

<strong>und</strong> ihnen mitgeteilt, dass ich diese Gruppe<br />

als Projekt für evtl. 3 Jahre plane. Die<br />

Caritasberatungsstelle, das Ges<strong>und</strong>heitsamt<br />

<strong>und</strong> das Jugendamt habe ich um evtl.<br />

Hilfe gebeten <strong>und</strong> erst dann startete ich.<br />

Das Konzept hatte ich mir so aufgebaut:<br />

Kinder treffen sich mit ihren Eltern- Vater<br />

oder Mutter- oder einer vertrauten Bezugsperson,<br />

um getrennt über Sorgen <strong>und</strong><br />

Ängste zu reden. Nach jedem Reden sollte<br />

- bei den Kindern- eine Meditation, Fantasiereise<br />

oder ein Märchen folgen über


<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />

das auch wieder gesprochen werden<br />

müsste.<br />

Dann nach einer kleinen Pause, die zum<br />

Toben <strong>und</strong> zur „Stärkung“ dienen sollte,<br />

könnten die Eltern dazu kommen um mit<br />

ihnen noch zu malen, basteln oder einfach<br />

nur zu reden.<br />

Ganz wichtig war mir, falls Probleme auftauchen<br />

sollten, dass ich sofort die Eltern<br />

darauf aufmerksam machen könnte.<br />

Das Kind würde so mit einbezogen ohne,<br />

dass ich die Schweigepflicht verletzen<br />

würde.<br />

Falls die Kinder fachliche Hilfe haben<br />

müssten, könnte ich auch hier sofort einen<br />

Weg aufzeigen um Verbindungen zu knüpfen.<br />

Ganz wichtig war mir das Kind, das so mit<br />

einbezogen würde ohne sein Vertrauen zu<br />

missbrauchen. Denn das höchste Gebot in<br />

der Gruppe sollte die Schweigepflicht werden.<br />

Ich selbst bin Angehörige <strong>und</strong> weiß wovon<br />

ich rede. Auch diese Kinder wurden enttäuscht<br />

<strong>und</strong> sie müssen erst einmal wieder<br />

Vertrauen aufbauen <strong>und</strong> wenn ich es weitersagen<br />

würde, wäre alles wieder hin. Sie<br />

würden sich wieder in sich selbst verkriechen<br />

<strong>und</strong> lange niemanden mehr an sich<br />

heranlassen.<br />

Ich kann mich noch gut an den ersten Tag<br />

erinnern. Voller Herzklopfen <strong>und</strong> schnell<br />

noch ein Stoßgebet nach OBEN zu dem,<br />

der mir immer noch die Kraft gibt, startete<br />

ich mit 9 Kindern während die 4 Mütter<br />

sich in einem anderen Raum unterhielten.<br />

Und dann war alles ganz einfach.<br />

Ich stellte mich auf die Stufe der Kinder,<br />

erzählte von meiner Angst, die ich damals<br />

hatte, als mein Mann noch trank.<br />

Ja <strong>und</strong> dann ging es los!<br />

Mir war, als wenn ich bei jedem Kind ein<br />

Ventil geöffnet hätte, es sprudelte nur so<br />

26<br />

aus jedem heraus. Aber dann war da auch<br />

wieder die Angst, das nicht zu dürfen. So<br />

kam die Schweigepflicht gerade recht. Ich<br />

habe gesagt, ich würde es nicht weitersagen,<br />

nur wenn sie es erlaubten.<br />

Eigenartig, die Kinder verstanden sehr<br />

schnell, was Schweigepflicht ist <strong>und</strong> wo<br />

sie endet. Und ich merkte schon beim ersten<br />

Treffen, dass es für die Kinder ein<br />

ganz wichtiger Teil werden würde.<br />

Als die Mütter später dazukamen, sie hatten<br />

sich auch untereinander unterhalten<br />

<strong>und</strong> ausgetauscht, kannten sie ihre Kinder<br />

kaum wieder.<br />

Auch den Namen „Smily Kids“ haben sie<br />

sich alleine ausgesucht <strong>und</strong> ich finde, er<br />

passt.<br />

Smily Kids- lächelnde Kinder.<br />

Es war ein w<strong>und</strong>erschönes Gefühl so einen<br />

Anfang zu haben.<br />

Was damals als ein Projekt über 3 Jahre<br />

laufen sollte, wurde eine konstante Einrichtung<br />

<strong>und</strong> ist heute bei uns nicht mehr<br />

wegzudenken.<br />

Auch der Zyklus alle 4 Wochen Kindergruppe<br />

ist so geblieben. Kinder werden<br />

eine begrenzte Zeit kommen <strong>und</strong> dann<br />

sind sie stark genug um alleine zu laufen.<br />

Sie haben aber immer wieder die Gelegenheit,<br />

um zurückzukommen. Zum Beispiel<br />

bei einem Rückfall eines Elternteils<br />

oder irgendwelchen eigenen Problemen.<br />

Gründe gibt es genug.<br />

Wie schon gesagt:<br />

Zu uns kommen die Kinder mit ihren Eltern,<br />

weil Kinder sich durch die Gespräche<br />

verändern <strong>und</strong> die Eltern es „gestatten“.<br />

Schlimm wäre, wenn ein Kind alleine<br />

kommt <strong>und</strong> daheim reden möchte <strong>und</strong><br />

nicht darf. Dann hätte alles wenig Sinn.<br />

Wenn Eltern ihre Kinder begleiten, erfahren<br />

sie auch, dass ihr Kind doch etwas<br />

gemerkt hat.


<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />

Ich weiß, dass Kinder ganz still leiden - sie<br />

können nicht weglaufen- sie müssen einfach<br />

aushalten.<br />

Benny 6 Jahre erzählte:<br />

Als meine Eltern gestritten haben, weil<br />

mein Vater schon wieder betrunken war,<br />

bin ich in mein Zimmer gegangen <strong>und</strong> habe<br />

ganz laut Musik gehört.<br />

Andre 8 Jahre: Ich habe den Ball immer<br />

<strong>und</strong> wieder an die Garage gebolzt- das hat<br />

mir gut getan.<br />

Julia gerade 5 Jahre: Ich bin in mein Zimmer<br />

gegangen <strong>und</strong> habe mir die Decke<br />

ganz fest über die Ohren gezogen.<br />

Ich kann mich noch gut an ein vierjähriges<br />

Mädchen erinnern, es kam damals immer<br />

mit, blieb aber bei der Mutter, weil es zum<br />

Reden noch zu klein war. Eines Tages<br />

aber wollte auch Jenny mit uns reden.<br />

Alle waren ganz still, als dieses kleine<br />

Ding bei uns im Kreis saß <strong>und</strong> über ihre<br />

Angst sprach, die es hatte, als der Vater<br />

trank.<br />

So könnte ich jetzt weitererzählen…<br />

Die Kinder in unserer Gruppe sind heute<br />

von 5 - ca. 18 Jahren. Kleinere Kinder<br />

können auch mitkommen, werden aber<br />

extra betreut, damit sich die anderen voll<br />

auf die Gruppenarbeit konzentrieren können.<br />

Später kam die Handpuppe Biene zu uns,<br />

sie half den scheuen <strong>und</strong> immer wieder<br />

enttäuschten Kindern sich zu öffnen, denn<br />

Biene konnte auch mal schlecht schlafen,<br />

hatte Angst vor der Dunkelheit <strong>und</strong> war<br />

manchmal wütend. Sie kann w<strong>und</strong>erbar<br />

zuhören, gibt Ratschläge, wenn es angebracht<br />

ist usw. Biene wird akzeptiert <strong>und</strong><br />

geliebt.<br />

Die Eltern, die ihre Kinder bringen, sind<br />

alkoholkrank, medikamenten- aber auch<br />

drogenabhängig. Meistens haben sie eine<br />

27<br />

Therapie hinter sich, aber manchmal sind<br />

sie auch noch in der nassen Phase. Das<br />

heißt, sie trinken noch.<br />

Es kommen Opa <strong>und</strong> Oma, die das Kind<br />

betreuen, weil die Eltern es nicht können.<br />

Aber auch Pflegeeltern besuchen uns mit<br />

ihren Pflegekindern, die aus einem suchtbelasteten<br />

Haus kommen.<br />

Mit dieser Arbeit wollte ich folgendes erreichen:<br />

Dass Kinder fast nebenbei über ihre<br />

Ängste, Sorgen <strong>und</strong> Wut reden<br />

lernen,<br />

dass sie lernen, sich nicht schämen<br />

zu müssen <strong>und</strong> nicht schuld<br />

sind, weil Vater oder Mutter getrunken<br />

hat,<br />

dass sie gewappnet sind bei „Angriffen“<br />

evtl. auf dem Schulhof oder<br />

anderswo,<br />

dass sie bei einem Rückfall eines<br />

Elternteils nicht selbst zurückgeworfen<br />

werden,<br />

dass sie ganz nebenbei lernen,<br />

was Sucht ist <strong>und</strong> was süchtig<br />

macht<br />

<strong>und</strong> ganz wichtig auch:<br />

Eine bessere Kommunikation in<br />

der Familie<br />

Kinder werden ganz einfach stark!<br />

Nach einer gewissen Zeit bestimmten die<br />

Kinder selbst die Themen innerhalb der<br />

Gruppe.<br />

Ein wichtiges Thema war <strong>und</strong> ist immer<br />

wieder die Angst…<br />

Wie kann ich wieder Vertrauen aufbauen<br />

Wie bekomme ich mehr Selbstbewusstsein<br />

.. <strong>und</strong> ganz wichtig: Schuldgefühle<br />

abbauen<br />

Die Kinder haben es ja oft genug von dem<br />

Suchtkranken gesagt bekommen, dass sie<br />

schuld sind, dass sie schweigen sollen -<br />

sie haben Schläge bekommen <strong>und</strong> manche<br />

sind auch missbraucht worden.


<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />

Und sie sind immer wieder enttäuscht<br />

worden.<br />

Einmal sprachen wir über Himmel, Hölle,<br />

Fegefeuer.<br />

Die Kinder interpretierten es in die Sucht<br />

mit ein.<br />

Sie sagten:<br />

Ins Fegefeuer kommt jemand, der Alkohol<br />

trinkt <strong>und</strong> nicht mehr aufhört<br />

Da ist die Angst<br />

Hölle:<br />

Das ist ein Gefängnis auf Lebenszeit.<br />

Da gibt es nur Hass <strong>und</strong> Streit,<br />

keine Zuneigung <strong>und</strong> keine Liebe.<br />

Da ist es sehr einsam <strong>und</strong> dunkel.<br />

Wir haben gelitten wie in der Hölle.<br />

Dann kam noch ein wichtiger Satz:<br />

Hölle ist eine Strafe für Schläge <strong>und</strong> die<br />

Vergewaltigungen<br />

Himmel:<br />

Das Schönste überhaupt<br />

Da wohnt der liebe Gott<br />

Da, wo nur das Gute wohnt <strong>und</strong> das Böse<br />

nie mehr auftaucht<br />

Himmel ist, wo sich alle verstehen<br />

Wo jeder dem anderen zuhört<br />

Wo keiner mehr Biertrinken geht<br />

Mit den Eltern zusammen frühstücken<br />

Himmel ist ein Zuhause<br />

Und dann sollen die Kinder nichts gemerkt<br />

haben?<br />

Ich weiß aber auch um die Angst der Betroffenen,<br />

die es einfach nicht wahr haben<br />

wollen, dass ihr Kind was gemerkt hat.<br />

28<br />

Eine Mutter, die damals mit ihren 2 Töchtern<br />

in die Gruppe kam, saß im Nebenraum<br />

<strong>und</strong> konnte sich auf kein Gespräch<br />

mit den Anderen einlassen. Sie sagte, es<br />

sei ihr sehr schwer gefallen, die Kinder zu<br />

mir zu lassen, weil sie ja gar nicht wusste,<br />

was sie sagen würden.<br />

Sie hatte einfach Angst.<br />

Manchmal ist es auch schwer, alles auseinander<br />

zu halten.<br />

Ich weiß um die Probleme der Erwachsenen<br />

aber auch um die Probleme der Kinder.<br />

Aber das sind für mich verschiedene<br />

Situationen. Ich möchte ja die Eltern mit<br />

ihren Kindern wieder zusammenbringen<br />

<strong>und</strong> nicht auseinander.<br />

Oft ist schwer alles zu ertragen <strong>und</strong> man<br />

stößt an seine Grenzen, gerade dann,<br />

wenn jemand stirbt. Dann müssen die<br />

Kinder aufgefangen werden.<br />

Als im Jahr 2000 eine Mutter an Krebs<br />

erkrankte <strong>und</strong> es dem Ende zuging, fragte<br />

mich die Oma ob ich die beiden Kinder auf<br />

den Tod der Mutter vorbereiten könne, zu<br />

mir hätten sie Vertrauen <strong>und</strong> die Kinder<br />

sollten aber auch keinen Schaden nehmen.<br />

Da wir in der Gruppe - natürlich mit Einverständnis<br />

der Mutter - oft über die<br />

Krankheit Krebs gesprochen hatten, wollte<br />

ich es versuchen.<br />

Fragen sie mich bitte nicht, wie es mir dabei<br />

ging. Hätte ich meinen starken Glauben<br />

nicht, wäre ich bestimmt daran zerbrochen,<br />

aber so verlief unser Gespräch,<br />

bei dem auch der Vater anwesend war,<br />

sehr gut. Wir redeten <strong>und</strong> weinten alle<br />

zusammen, aber die Kinder verstanden,<br />

was ich ihnen sagen wollte.<br />

Am anderen Mittag verstarb die Mutter<br />

gerade mal 34 Jahre alt.<br />

Den Kindern ging es den Verhältnissen<br />

nach gut- sie waren vorbereitet.


<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />

Ich weiß aber auch, dass das Gespräch<br />

ein sehr schmaler Grat war <strong>und</strong> ich beinahe<br />

meine Grenzen überschritten hätte.<br />

Wir in der Suchtselbsthilfe müssen immer<br />

auf uns achten, um rechtzeitig an die jeweiligen<br />

Fachleute abgeben zu können.<br />

Wir müssen unsere Grenzen kennen.<br />

Darum ist es auch wichtig, Ansprechpartner<br />

zu haben.<br />

Die Suchtberatungsstelle der Caritas, das<br />

Ges<strong>und</strong>heitsamt, das Jugendamt, Psychologen<br />

<strong>und</strong> Ärzte stehen uns bei. Aber auch<br />

gute Fre<strong>und</strong>e sind ganz wichtig!<br />

Dort können – nein,- dort müssen wir uns<br />

Hilfe holen, wenn wir nicht mehr können.<br />

Als ich damals mein Wissen an Interessierte<br />

für Kindergruppen weitergab, war<br />

auch ein wichtiger Punkt, selber keine<br />

Probleme mehr zu haben.<br />

Ich meine:<br />

wenn ich selber noch nicht mit mir fertig<br />

bin, kann ich anderen auch nicht helfen.<br />

Dann werde ich schnell selbst krank.<br />

Auch meine Grenzen sollte ich abschätzen<br />

können- abgeben <strong>und</strong> nicht zögern, wenn<br />

fachliche Hilfe gebraucht wird.<br />

Von Vorteil ist auch, wenn ich Angehörige<br />

eines Suchtkranken bin, denn dann kann<br />

ich mich besser in die Kinder hineinversetzen-<br />

kenne die Angst <strong>und</strong> kann sie so<br />

besser verstehen.<br />

Die Mutter von Sebastian hat damals etwas<br />

in mir geweckt, was mich bis heute<br />

nicht mehr loslässt- nämlich Kinder aus<br />

suchtbelasteten Familien.<br />

Ich finde, es sind die ärmsten in der gesamten<br />

Suchtgeschichte <strong>und</strong> man sollte<br />

ihnen helfen, wenn es akut ist <strong>und</strong> nicht<br />

erst später, denn so können sie alles viel<br />

leichter verarbeiten.<br />

Natürlich wird immer noch gesagt, man<br />

solle sich um die betroffenen Eltern küm-<br />

29<br />

mern, dann würde das mit den Kindern<br />

von ganz alleine wieder in Ordnung kommen.<br />

Ich weiß aber, dass es meist nicht so<br />

ist.<br />

Als ich 1998 nach Paderborn zur Diözesanratssitzung<br />

der Caritas eingeladen<br />

wurde <strong>und</strong> von meiner Arbeit berichten<br />

durfte, wurde ich von vielen Caritas- <strong>und</strong><br />

Ges<strong>und</strong>heitskonferenzen eingeladen <strong>und</strong><br />

somit wurde meine Arbeit bekannt.<br />

Danach bekam ich Einladungen von verschiedenen<br />

Suchtkliniken, die Presse<br />

meldete sich, das Fernsehen kam usw.<br />

Man bat mich Workshops zu halten, lud<br />

mich bei Veranstaltungen ein mit einem<br />

Stand auf die Arbeit aufmerksam zu machen<br />

usw.<br />

Glauben Sie bloß nicht, dass es alle als<br />

gut aufnahmen, nein bestimmt nicht!<br />

Ich wurde damals oft angegriffen <strong>und</strong> man<br />

meinte, das wäre nicht gut für die Kinder,<br />

man solle sie lassen, die Ängste würden<br />

sich schon geben. Diese Arbeit wäre etwas<br />

für Therapeuten <strong>und</strong> Psychologen,<br />

aber nichts fürs Ehrenamt- nichts für die<br />

Selbsthilfe.<br />

Es war eine harte Zeit in der ich Positives<br />

aber auch viel Negatives ertragen musste.<br />

Hätte ich da meinen Mann nicht gehabt,<br />

der immer fragte: „Für wen machst du das<br />

für diese Leute oder für die Kinder?“ Ich<br />

meinte: „Natürlich für die Kinder,“ <strong>und</strong> so<br />

machte ich weiter. Erst nach über 10 Jahren<br />

nahm man mich endlich für „voll“. Man<br />

akzeptierte auf einmal, das was ich aufgebaut<br />

hatte <strong>und</strong> noch aufbaute.<br />

Als ich im Juni 2007 den Oscar Kuhn Preis<br />

in der Kategorie Praxis in Berlin im ICC<br />

überreicht bekam, wurden bei der Laudatio<br />

die Idee <strong>und</strong> die Arbeit gewürdigt.<br />

Es machte mich irgendwie glücklich <strong>und</strong><br />

froh, denn es war ein wirklicher Preis, der


<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />

hoch datiert war <strong>und</strong> ich von einigen lieben<br />

Fre<strong>und</strong>en <strong>und</strong> einem meiner Söhne begleitet<br />

wurde.<br />

Der Preis sollte mich in meiner weiteren<br />

Arbeit bestärken, diese Worte wurden mir<br />

auch mit auf den Weg gegeben <strong>und</strong> hallen<br />

irgendwie immer noch nach.<br />

Also machte ich weiter- aber auch ohne<br />

Preis hätte ich meinen Weg fortgesetzt.<br />

Im September 2008 bekam unsere Gruppe<br />

in Rietberg einen Sonderpreis: „In Gottes<br />

Schöpfung solidarisch leben“, den wir<br />

in einer feierlichen St<strong>und</strong>e überreicht bekamen.<br />

Froh hat es mich auch gemacht, als die<br />

Dortm<strong>und</strong>er Smily Kids-Gruppe unter Leitung<br />

von Elisabeth Keller am Tag der<br />

Freiwilligen einen Ehrenpreis bekam.<br />

Es war 2007 im Juni, als mich die Vorsitzende<br />

von der Association Internationale<br />

des Charités (AIC) in Brüssel- Frau Christa<br />

Fölting -Vertreterin der Caritas-<br />

Konferenzen Deutschland- heute Vizepräsidentin-<br />

anrief <strong>und</strong> fragte, ob ich mir<br />

vorstellen könne zu ihr nach Mühlheim zu<br />

kommen, um einigen Gästen aus der Ukraine<br />

meine Arbeit vorzustellen. Im Hinterkopf<br />

hatte sie, dass auch dort eine Gruppe<br />

aufgebaut werden könnte.<br />

So fuhr ich dann im August für 2 Tage<br />

nach Mühlheim <strong>und</strong> gab einigen Studenten<br />

<strong>und</strong> Erwachsenen wichtiges Werkzeug<br />

an die Hand, um auch dort für die Kinder<br />

aus suchtbelasteten Familien etwas aufzubauen.<br />

Sie waren alle so angetan von<br />

diesem Projekt, dass sie es bereits im Oktober<br />

umsetzten. Natalja- eine 22 jährige<br />

Studentin, deren Vater selbst suchtkrank<br />

ist- wurde erste Gruppenleiterin einer<br />

Smily Kids- Gruppe in Stara Huta in der<br />

Ukraine.<br />

Sie nahm ihre Arbeit sehr ernst, hatte aber<br />

so viele Fragen, dass Frau Fölting mich-<br />

nebst einer Dolmetscherin- kurzerhand<br />

30<br />

nach Krakau einlud, um alles zu klären.<br />

Natalja kam mit einigen Helfern ebenfalls<br />

dorthin <strong>und</strong> wir hatten ein arbeitsreiches<br />

Wochenende.<br />

Kurz darauf wurde dann eine zweite<br />

Gruppe eröffnet, die von einer Erzieherin<br />

geleitet wird.<br />

Frau Fölting bat mich 2010 das Konzept,<br />

Leitfaden <strong>und</strong> Ideen ins Englische übersetzen<br />

zu lassen, weil Natalja aus der Ukraine<br />

die Smily Kids Gruppe auf der AIC<br />

Vollversammlung in Madrid im April 2011<br />

vorstellen wollte.<br />

Hier meldeten sich einige Länder, die es<br />

übernehmen wollten. Momentan weiß ich<br />

nur von Mexiko, die es bereits ins Spanische<br />

übersetzten <strong>und</strong> dass es für die Ukraine<br />

inzwischen eine polnische Übersetzung<br />

gibt.<br />

Näheres werde ich bei der nächsten Versammlung,<br />

die wahrscheinlich jetzt im April<br />

oder Mai stattfindet, erfahren.<br />

Ein Höhepunkt war für mich <strong>und</strong> alle Smily<br />

Kids, Eltern, Helfer <strong>und</strong> Helferinnen unser<br />

15 jähriges Bestehen, dass wir am 17.<br />

September 2011 feierten.<br />

Alle Eingeladenen kamen - Kreuzb<strong>und</strong><br />

Vorstand – Bürgermeister - alle caritative<br />

Einrichtungen - usw. Es würde zu lange<br />

dauern, um alle aufzuzählen. Ein Vater<br />

aus unserer Gruppe hatte eine PowerPoint<br />

Präsentation erstellt - von den Anfängen<br />

bis heute <strong>und</strong> selbst ich war überrascht,<br />

was alles in dieser Zeit passiert war.<br />

Später nahm ich gerne die vielen Umarmungen,<br />

Hände schütteln, Glückwünsche<br />

<strong>und</strong> Präsente entgegen. Es war ein w<strong>und</strong>erschöner<br />

<strong>und</strong> unvergesslicher Nachmittag.<br />

Heute haben wir 4 gutlaufende Kindergruppen<br />

in Dortm<strong>und</strong>, Meschede, Olpe<br />

<strong>und</strong> die Muttergruppe in Lennestadt-<br />

Altenh<strong>und</strong>em.


<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />

Kinder <strong>und</strong> Eltern kommen aus einem<br />

Umkreis von ca. 30 Kilometern <strong>und</strong> meist<br />

ist es M<strong>und</strong>propaganda. Aber auch Kinderheime,<br />

Jugendämter, Caritasberatungsstellen,<br />

Diakonie <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsämter<br />

weisen heute auf unsere Gruppen<br />

hin.<br />

Wir sind im Internet unter www.smilykids.de<br />

<strong>und</strong> bei Facebook zu finden<br />

31<br />

So wurde aus der kleinen Idee eine feste<br />

Einrichtung, die Höhen aber auch viele<br />

Tiefen überstanden hat.<br />

Möge Gott uns Allen weiterhin mit seiner<br />

Kraft zur Seite stehen.<br />

Herzlichen Dank, dass Sie mich eingeladen<br />

haben <strong>und</strong> herzlichen Dank für Ihre<br />

Aufmerksamkeit!


<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />

4. Thüringen im Blick – Modellprojekte stellen sich vor<br />

4.1 Charlotte Stamm<br />

Der R<strong>und</strong>e Tisch Kinder aus suchtbelasteten Familien<br />

Charlotte Stamm<br />

Sehr geehrte Damen <strong>und</strong> Herren,<br />

wir wollen heute vergessenen Kindern<br />

eine Stimme geben. Deshalb möchte ich<br />

zunächst einige Kinder Sprechen lassen.<br />

Ausschnitt aus dem Film: „Liebe <strong>und</strong> Hass: Ein<br />

Film über Jugendliche, deren Eltern alkoholabhängig<br />

sind.“ Medienprojekt Wuppertal e.V.,<br />

Jugendvideoproduktion <strong>und</strong> -vertrieb.<br />

Schätzungsweise mehr als 48.700 Kinder<br />

unter 18 Jahren leben in Thüringen in von<br />

Suchtkrankheit belasteten Familien.<br />

Was gibt es hier in Thüringen, um diesen<br />

Kindern zu helfen?<br />

Als wissenschaftliche Mitarbeiterin der<br />

Thüringer Fachstelle Suchtprävention koordiniere<br />

ich seit Juli 2012 den R<strong>und</strong>en<br />

Tisch Kinder aus suchtbelasteten Familien.<br />

Von Anfang an war ich von der Arbeit<br />

der drei Modellprojekte begeistert. Kunterbunt<br />

in Schmalkalden, Mamamia in Eisenberg<br />

<strong>und</strong> Jonathan in Erfurt bieten den<br />

Kindern eine sicherere, vertrauensvolle<br />

Umgebung, zuverlässige Ansprechpartner<br />

<strong>und</strong> neue Entwicklungsmöglichkeiten.<br />

Gleichzeitig bin ich immer wieder erstaunt<br />

darüber wie wenig über die Problemlagen<br />

der Kinder in der Öffentlichkeit bekannt ist.<br />

Kinder aus suchtbelasteten Familien gibt<br />

es eben nicht nur in Erfurt, Eisenberg <strong>und</strong><br />

Schmalkalden. Deshalb beschäftigen wir<br />

32<br />

uns im R<strong>und</strong>en Tisch aktuell mit der Entwicklung<br />

eines Wegweisers zum Thema<br />

Kinder aus suchtbelasteten Familien in<br />

Thüringen, in dem Handlungsempfehlungen,<br />

Adressen <strong>und</strong> Ansprechpartner aufgeführt<br />

werden.<br />

Vor einigen Wochen habe ich mich mit<br />

einer Erzieherin unterhalten <strong>und</strong> ihr von<br />

meinem Arbeitsfeld erzählt. Ich erklärte<br />

ihr, dass Experten davon ausgehen, dass<br />

jedes sechste Kind in einer Suchtfamilie<br />

aufwächst. Und da war er wieder. Dieser<br />

Moment der Stille <strong>und</strong> des Nachdenkens,<br />

in dem sie abzählte wie viele Kinder aus<br />

ihrer Gruppe theoretisch betroffen sein<br />

könnten.<br />

Wir möchten Ihnen heute mit dieser Veranstaltung<br />

Mut machen sich mit dem<br />

Thema auseinander zu setzen <strong>und</strong> sich für<br />

die Kinder einzusetzen. Vielleicht tun Sie<br />

dies ja auch bereits.<br />

Heute haben Sie den Schritt gemacht <strong>und</strong><br />

sind zu dieser <strong>Fachtag</strong>ung gekommen, um<br />

sich zu informieren <strong>und</strong> auszutauschen.<br />

Doch der Weg der Hilfe ist nicht immer<br />

leicht.<br />

Manchmal ist es leichter Wege nicht allein<br />

zu beschreiten. Deshalb möchte ich Sie<br />

dazu einladen den Kontakt zum R<strong>und</strong>en<br />

Tisch Kinder aus suchtbelasteten Familien<br />

in Thüringen aufzunehmen, so wie es<br />

auch die „Erfurter Seelensteine“ ein neues<br />

Angebot für Kinder psychisch kranker Eltern<br />

des Trägerwerks Soziale Dienste getan<br />

haben.<br />

Wir helfen Ihnen gern.<br />

Begrüßen Sie nun mit mir die Projektleiterinnen<br />

von Kunterbunt, Mamamia <strong>und</strong> Jonathan.<br />

Frau Ilgen, Frau Danzer, Frau<br />

Kühnel <strong>und</strong> Frau Schilling werden Ihnen<br />

ihre Projekte vorstellen.


<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />

4.2 Susanne Ilgen<br />

Projekt „Kunterbunt“ - CWS GmbH<br />

Kunterbunt<br />

Ein Projekt für Kinder <strong>und</strong> Jugendliche<br />

aus suchtbelasteten Familien<br />

1<br />

Aktionswoche<br />

für Kinder aus SuchtFamilien<br />

3<br />

33<br />

Kinder<br />

Projektbeginn<br />

Ort<br />

Mitarbeiter<br />

Trägerschaft<br />

Überblick<br />

2<br />

Thüringenjournal<br />

„MDR Um 12“<br />

Am 16. Feb. 2012<br />

4


Ziele<br />

<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />

Übersicht über die Arbeit<br />

Bedarfsbezogene Angebote<br />

Öffentliches Bewusstsein<br />

5<br />

Übersicht über die Arbeit<br />

Arbeitsschwerpunkte<br />

Maßnahmen für Kinder <strong>und</strong> Jugendliche<br />

Ferienangebote<br />

Elternarbeit<br />

7<br />

Übersicht über die Arbeit<br />

Die Arbeit an der Eltern-Kind-Beziehung erweitert nicht nur die Reifungs- <strong>und</strong><br />

Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes, sondern verbessert auch die<br />

lebenspraktischen Fähigkeiten der Eltern, stärkt ihr Selbstvertrauen <strong>und</strong><br />

Selbstbewusstsein <strong>und</strong> hilft ihnen, ein selbständiges <strong>und</strong> autonomes Leben in<br />

abstinenter Weise zu führen.<br />

Eltern profitieren von Kunterbunt durch:<br />

Verbesserung der Kompetenz im Umgang mit ihren Kindern<br />

Erhöhung ihrer Selbstsicherheit<br />

Wertschätzung der eigenen Fähigkeiten<br />

Wertschätzung des Kindes<br />

Toleranz der eigenen Schwäche<br />

Fähigkeit, andere Menschen einzubeziehen <strong>und</strong> (suchtspezifische) Hilfe<br />

anzunehmen<br />

9<br />

Nachhaltigkeit<br />

der Arbeit<br />

Veränderung bei den Kindern<br />

Erhöhte Frustrationstoleranz<br />

Größere Aufgeschlossenheit<br />

Entstehendes Vertrauen<br />

Wachsende Beziehungen<br />

11<br />

34<br />

Ziele<br />

Übersicht über die Arbeit<br />

Kinder sollen in homogenen Gruppen "Kind oder Jugendlicher sein<br />

dürfen", Orientierung finden in klar <strong>und</strong> transparent strukturierten<br />

Rahmen <strong>und</strong> Rollen.<br />

Selbstwertgefühl steigern<br />

Tabu-Thema Sucht (als Familienkrankheit) auflösen<br />

die innere Isolation <strong>und</strong> Sprachlosigkeit „aufbrechen“<br />

eigene Gefühle <strong>und</strong> BEdürfnisse wahrzunehmen <strong>und</strong> zu<br />

formulieren<br />

lernen, eigene Grenzen zu setzen <strong>und</strong> Verantwortung an die<br />

Eltern zurückzugeben<br />

Wochenplan<br />

Tagesablauf<br />

Konzeptioneller<br />

Hintergr<strong>und</strong>: Was<br />

tut den Kindern gut?<br />

(Von Sport über<br />

Kreativität zu<br />

Entspannung)<br />

6<br />

Übersicht über die Arbeit<br />

Veränderung bei den<br />

Eltern<br />

8<br />

Nachhaltigkeit<br />

der Arbeit<br />

Jugendamtsprüfu<br />

ng einer Familie<br />

Stellungnahmen<br />

von Eltern<br />

10<br />

12


Kontakte<br />

<strong>und</strong> Netzwerkarbeit<br />

Aktuelles<br />

Fallbeispiel:<br />

Zusammenarbeit mit<br />

Selbsthilfegruppe<br />

R<strong>und</strong>er Tisch<br />

„Kinder aus<br />

suchtbelasteten<br />

Familien“<br />

Methodenkoffer<br />

Zusammenarbeit mit<br />

<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />

Schulen 13<br />

14<br />

Kontakte<br />

<strong>und</strong> Netzwerkarbeit<br />

Kinderkonzert zum CWS-Röthoffest Juni<br />

2012<br />

Sommerfest TABS am Stiller Tor,<br />

Schmalkalden im August 2012<br />

15<br />

Presseresonanz<br />

„Kunterbunt ist w<strong>und</strong>erschön“<br />

STZ, 18. Feb. 2012<br />

„Reportage über kunterbuntes Kinderleben“<br />

STZ, 17. Feb. 2012<br />

„Mut-Macher“<br />

STZ, 10. Feb. 2012<br />

„Ein buntes Haus für Pippi, Annika, Tommi <strong>und</strong><br />

Co“<br />

STZ, 9. Jul. 2011<br />

„Ein Ort der Geborgenheit“<br />

35<br />

Kontakte<br />

<strong>und</strong> Netzwerkarbeit<br />

Tag der Offenen Tür im Februar 2012<br />

Wachsende Identifikation der Nachbarschaft<br />

Engagement des Ortsteilbürgermeisters<br />

Interessenten für Praktika<br />

Kooperationen mit ansässigen Vereinen<br />

Kontakte<br />

<strong>und</strong> Netzwerkarbeit<br />

Intensivierung der Zusammenarbeit mit den<br />

Schulen<br />

Direkter Kontakt mit Kindern<br />

Besuche von Schulen in „Kunterbunt“<br />

Kinderkonzert mit Gerhard Schöne anlässlich<br />

des Röthoffestes in Kooperation mit der Stadt<br />

Planungen von Sommerangeboten wie einer<br />

Ferienfreizeit im Austausch mit „Sabit“<br />

STZ, 11. Mai 2011<br />

17<br />

18<br />

Ausblick<br />

Angebot: Weiterbildung zum Thema „illegale<br />

Drogen“<br />

19<br />

Gesellschaftliche „Tabuisierung“<br />

Tief verwurzelte Berührungsangst<br />

Hemmschwelle bei Eltern<br />

16<br />

Herausforderungen<br />

Kunterbunt<br />

Ein Projekt der<br />

Christliche Wohnstätten Schmalkalden GmbH,<br />

gefördert durch das Thüringer Ministerium<br />

für Soziales, Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Familie<br />

20


<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />

4.3 Jana Danzer<br />

Projekt „mamamia“ Wendepunkt e.V.<br />

WENDEPUNKT e.V.<br />

Rosa-Luxemburg-Str. 13<br />

07607 Eisenberg<br />

Tel.: 036691 5720-0<br />

Fax: 036691 5720-29<br />

mamamia@wendepunkt-ev.net<br />

www.wendepunkt-ev.net<br />

„mamamia“<br />

Projekt der Suchtprävention<br />

zur Förderung von Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen<br />

aus suchtbelasteten Familien<br />

Jana Danzer (M.A.)<br />

Erziehungswissenschaften<br />

(Projektleiterin)<br />

Kinder suchtkranker Eltern zählen nach<br />

zahlreichen Studien zur Hochrisikogruppe,<br />

eigene Suchtstrukturen zu entwickeln.<br />

02.05.2013 3<br />

Rahmenbedingungen (1)<br />

- Standorte -<br />

Projektstandorte<br />

Suchtberatungsstellen<br />

02.05.2013 5<br />

36<br />

02.05.2013 Quelle: http://www.youtube.com/watch?v=Sf9DTVBVqLc<br />

2<br />

Gr<strong>und</strong>gedanken „mamamia“<br />

• direkte <strong>und</strong> frühzeitige Intervention in suchtbelasteten<br />

Familien<br />

• flexibles Betreuungsangebot für Kinder <strong>und</strong> Jugendliche,<br />

deren Eltern ein Suchtproblem haben<br />

02.05.2013 4<br />

- Mitarbeiter -<br />

Rahmenbedingungen (2)<br />

• 1,0 Projektleiterin<br />

• 0,25 Präventionsfachkraft<br />

• 0,75 Mitarbeiterin Eisenberg<br />

• 0,75 Mitarbeiterin Kahla<br />

- Räumlichkeiten -<br />

• Eisenberg: Gruppenräume, Kreativräume in der<br />

vereinseigenen Villa<br />

• Kahla: Gruppenraum in der Suchtberatungsstelle<br />

finanziert über Modell Bürgerarbeit<br />

02.05.2013 6


Rahmenbedingungen (3)<br />

• stabile, regelmäßige, klar strukturierte Angebote<br />

• Hilfe über einen langen Zeitraum<br />

• feste Anlaufstellen/immer am gleichen Ort<br />

• immer zur selben Zeit<br />

• Freiwilligkeit<br />

• Einverständnis der Eltern<br />

• Schweigepflicht <strong>und</strong> datenschutzrechtliche<br />

Bestimmungen<br />

02.05.2013 7<br />

Aktuell (1)<br />

• 3 Kindergruppen (2 in Kahla, 1 in Eisenberg): 19 Kinder<br />

<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />

02.05.2013 9<br />

Highlights (1)<br />

02.05.2013 11<br />

Highlights (3)<br />

02.05.2013 13<br />

37<br />

Strukturelle, inhaltliche <strong>und</strong><br />

methodische Schwerpunkte<br />

• Einzelarbeit mit Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen<br />

• Gruppenarbeit mit Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen<br />

• Elternarbeit<br />

• Familienarbeit: Organisation gemeinsamer<br />

Freizeiten mit den Eltern<br />

02.05.2013 8<br />

Aktuell (2)<br />

02.05.2013 10<br />

Highlights (2)<br />

02.05.2013 12<br />

„Solange Kinder klein sind, gib ihnen tiefe Wurzeln,<br />

wenn sie älter geworden sind, gib ihnen Flügel.“<br />

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!<br />

Jana Danzer (M.A.)<br />

Erziehungswissenschaften<br />

WENDEPUNKT e.V.<br />

Rosa-Luxemburg-Str. 13<br />

07607 Eisenberg<br />

Tel.: 036691 5720-0<br />

Fax: 036691 5720-29<br />

mamamia@wendepunkt-ev.net<br />

www.wendepunkt-ev.net


<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />

4.4 Beate Kühnel & Lisa Schilling<br />

Projekt „Jonathan“ - sabit e.V./SiT - Suchthilfe in Thüringen<br />

gGmbH<br />

Beate Kühnel<br />

Innerhalb des <strong>Fachtag</strong>es <strong>„Sucht</strong> <strong>und</strong> <strong>Familie“</strong><br />

am 16.02.2013 bestand die Möglichkeit,<br />

über die Arbeit der vergangenen<br />

sechs Jahre zu berichten <strong>und</strong> einen Einblick<br />

in die Arbeit mit den Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen<br />

zu geben. Dieses Referat gestaltete<br />

ich als Bilderreise – eine Vielzahl<br />

von Fotos spiegelten meine Aussagen <strong>und</strong><br />

Gedanken wieder. Da sich diese Form des<br />

Vortrages nicht auf Papier festhalten lässt,<br />

ist für die <strong>Dokumentation</strong> noch ein rein<br />

schriftlicher Projekt-Einblick entstanden.<br />

Beate Kühnel (Dipl. Sozialpädagogin (FH) als Refe-<br />

rentin)<br />

Das Projekt Jonathan wurde in den Jahren<br />

2006 bis 2012 beim sabit e. V. (Soziales<br />

Arbeitnehmer-Bildungswerk in Thüringen<br />

e.V.) durchgeführt <strong>und</strong> konnte sich seit<br />

diesem Jahr neu im Präventionszentrum<br />

der SiT (Suchthilfe in Thüringen gGmbH)<br />

beheimaten. Es hat seinen Namen zum<br />

einen durch den Roman von Richard Bach<br />

„Die Möwe Jonathan“ <strong>und</strong> zum anderen<br />

durch den trägereigenen Kutter, der in den<br />

Angeboten eine zentrale Rolle spielt.<br />

Als inhaltlichen Einstieg erlauben Sie mir<br />

zunächst die Frage: „Wie sprechen Menschen<br />

mit Menschen?“ Folgt man Kurt<br />

Tucholsky dann lautet die Antwort „Anei-<br />

38<br />

nander vorbei.“ Kommunikation dient der<br />

Verständigung, sie stellt aber ebenso Beziehungen<br />

her. Um die in unserer Arbeit<br />

gesteckten Ziele zu erreichen, war Kommunikation<br />

in jeglicher nur denkbarer<br />

Form, Art <strong>und</strong> Weise <strong>und</strong> in den verschiedensten<br />

Settings aus den unterschiedlichsten<br />

Gründen notwendig.<br />

Damit DAS funktionierte ist die Basis<br />

Beziehungsarbeit:<br />

a) mit den Kindern, um Vertrauen zu<br />

schaffen, damit sie sich öffnen, bereit<br />

sind für die Wissensvermittlung,<br />

aus der sich neue Kommunikations-<br />

<strong>und</strong> Lebensmuster entwickeln<br />

können,<br />

b) mit den Eltern, denn auch wenn<br />

Eltern krank sind sollten sie als<br />

Ressource wahrgenommen <strong>und</strong><br />

erkannt werden sowie<br />

c) mit dem notwendigen Netzwerk<br />

<strong>und</strong> möglichen Kooperationspartnern<br />

<strong>und</strong> nicht zu vergessen, mit<br />

Unterstützern auf finanzieller<br />

Ebene – sie alle helfen dabei, das<br />

Projekt nachhaltig umsetzen zu<br />

können.<br />

Im Verlauf der Jahre ist ein Netzwerk von<br />

22 Partnern entstanden, welches der Zugang<br />

zu den Familien ist. Alle Partner<br />

werden regelmäßig über Angebote informiert<br />

<strong>und</strong> zu einer einmal im Jahr stattfindenden<br />

Fachveranstaltung eingeladen.<br />

Daneben haben wir Kooperationspartner,<br />

die uns bei der Zielerreichung unterstützen<br />

– selbstverständlich innerhalb einer sog.<br />

win-win-Situation. Sie sind gleichfalls wichtig<br />

für eine kostengünstige Gestaltung der<br />

Arbeit, <strong>und</strong> besonders kostbar, um nachhaltige<br />

Strukturen zu schaffen, denn so


<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />

mancher Verein entpuppt sich später als<br />

ideales Freizeitangebot.<br />

Das Thema Netzwerk ist in der täglichen<br />

Arbeit sehr zeitintensiv, jedoch unabdingbar!<br />

Die Wege, über die die Familien dann<br />

letztlich im Projekt ankommen, sind sehr<br />

unterschiedlich – immer ausgerichtet an<br />

den Möglichkeiten der Familien <strong>und</strong> des<br />

Netzwerkes.<br />

In der direkten Arbeit mit den Kindern<br />

selbst waren die Ziele von Beginn an:<br />

ganzheitliche Stärkung insb. der<br />

Resilienzen sowie Aufzeigen vielseitiger<br />

Lebens- <strong>und</strong> Freizeitgestaltungen<br />

– auch unabhängig vom Elternhaus,<br />

Kontaktmöglichkeiten zu Kindern<br />

mit ähnlichen Problemlagen <strong>und</strong><br />

nach Ausbau einer tragfähigen Beziehung<br />

die altersgemäße Wissensvermittlung<br />

zum Thema Sucht.<br />

In der Laufzeit von 6 Jahren wurden insgesamt<br />

143 Kinder <strong>und</strong> Jugendliche erreicht.<br />

Dabei gab es sowohl einmalige<br />

Kontakte gefolgt von einem schnellen Abschied,<br />

als auch konstante Teilnahmen<br />

von bis zu 4 Jahren. Fast die Hälfte der<br />

Kinder, nämlich 45,46 %, konnten über<br />

einen Zeitraum von ein bis drei Jahren<br />

integriert werden. Zielgruppe sind Kinder<br />

<strong>und</strong> Jugendliche im Alter von 6 bis 15 Jahren.<br />

Mit Blick auf die Arbeit der Teilnehmer <strong>und</strong><br />

Teilnehmerinnen des <strong>Fachtag</strong>es gehe ich<br />

davon aus, dass es zumeist in erster Linie<br />

gar nicht darum geht, betroffene Kinder zu<br />

erkennen. Dafür haben wir alle das eine<br />

oder andere Klischee im Kopf, welches<br />

irgendwann einmal entstand <strong>und</strong> sich verfestigt<br />

hat oder wir besitzen f<strong>und</strong>iertes<br />

Wissen, dass uns in unserer Arbeit sicher<br />

macht.<br />

So manches Mal bedienen die Kinder die<br />

Klischees, stören uns Fachkräfte in der<br />

39<br />

Arbeit, machen die Durchführung von Angeboten<br />

oder Aufträgen fast unmöglich –<br />

es ist schwer, mit ihnen zu arbeiten <strong>und</strong> es<br />

kostet viel Kraft, für sie ein konstantes,<br />

offenes Beziehungsangebot beizubehalten.<br />

Es hat sich im Projekt Jonathan als<br />

wichtig erwiesen, dieses Gefühl ernst zu<br />

nehmen <strong>und</strong> es zu hinterfragen – oft steckt<br />

sehr viel dahinter.<br />

Daneben handelt der eine oder andere<br />

Teilnehmer oder die Teilnehmerin des<br />

<strong>Fachtag</strong>es vielleicht aus einem „unbestimmten“<br />

Bauchgefühl heraus: einen Hilfebedarf<br />

vermutend, das Kind möglicherweise<br />

eher leise, angepasst, auffällig unauffällig.<br />

Vertrauen Sie diesem Gefühl –<br />

behalten Sie es nicht für sich – teilen Sie<br />

es! Suchen Sie sich Unterstützung bei<br />

Kollegen <strong>und</strong> vor allem bei Vorgesetzten<br />

oder anderen Vertrauenspersonen.<br />

Von Gr<strong>und</strong> auf müssten Sie für sich <strong>und</strong><br />

Ihre Einrichtung entscheiden, wie mit betroffenen<br />

Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen umzugehen<br />

ist – „Wo soll die Reise hingehen?“<br />

Für diesen Weg ist innerhalb Ihrer Arbeit<br />

abzustimmen:<br />

Integration/Inklusion/“Sonder-<br />

Angebote“ für alle in Ihrer täglichen<br />

Arbeit vs. Angebote ausgerichtet<br />

auf spezielle Bedürfnisse<br />

in anderen Einrichtungen<br />

Umsetzen von Visionen / Weiterentwicklung<br />

vs. Grenzen erkennen,<br />

Aufgaben abgeben<br />

gemäß der Zielorientierten Projekt-Planung:<br />

Abstimmung von<br />

Wollen – Können – Dürfen, (sog.<br />

ZOPP-Kriterien [BZgA])<br />

Die Arbeit im Projekt „Jonathan“ musste<br />

<strong>und</strong> muss sich noch heute wandelnden,<br />

inneren <strong>und</strong> äußeren Rahmenbedingungen<br />

anpassen. Für Veränderungen ist ein<br />

Prozessverständnis zu entwickeln, um die<br />

guten Erfahrungen der Vergangenheit<br />

nicht zu verlieren <strong>und</strong> gleichzeitig die Zu-


<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />

kunft in den Blick zu nehmen. Wichtig im<br />

Prozess bleibt, dass alle Angebote fachlich<br />

f<strong>und</strong>iert <strong>und</strong> zielgerichtet sind: WAS<br />

mache ich WOZU!<br />

An dieser Stelle wird deutlich, dass sich<br />

unser gesamtes Dasein immer zwischen<br />

Polaritäten bewegt. Für jeden von uns sind<br />

dies beispielhaft:<br />

Tag <strong>und</strong> Nacht / Sommer <strong>und</strong><br />

Winter / Hunger <strong>und</strong> Sättigung /<br />

Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Krankheit / Wärme<br />

<strong>und</strong> Kälte / Energie <strong>und</strong> Müdigkeit<br />

/ sich einig sein oder uneins<br />

sein.<br />

Gerade in Familien, in denen das Thema<br />

Sucht einen enormen Platz für sich beansprucht,<br />

ist dadurch wenig Kraft vorhanden<br />

für das Zulassen von Polaritäten. Ich<br />

denke, dass es in unserer Arbeit ein wichtiger<br />

Aspekt ist, Polaritäten immer wieder<br />

darzustellen. Nicht nur bezogen auf die<br />

Kinder aus suchtbelasteten Familien, sondern<br />

auf alle anfangs vorgestellten Ebenen:<br />

betroffene Kinder <strong>und</strong> Jugendliche,<br />

Eltern, Netzwerk, Finanzierung <strong>und</strong> auch<br />

für uns Mitarbeiter SELBST!<br />

Bei der Umsetzung der Angebote haben<br />

wir uns im Projekt an den Bedürfnissen<br />

der Kinder orientiert <strong>und</strong> dennoch ist es<br />

unsere Aufgabe, die Kinder an ihre eigenen<br />

Grenzen zu führen <strong>und</strong> darüber hinaus<br />

wachsen zu lassen – in einem geschützten<br />

Rahmen <strong>und</strong> auf der Basis von<br />

Vertrauen. Gr<strong>und</strong>lage des Projektes ist,<br />

dass Kinder andere Kinder kennen lernen<br />

können, die in ähnlicher Problemlage sind<br />

<strong>und</strong> dadurch erkennen: „Ich bin kein Ein-<br />

40<br />

zelfall!“. Es werden immer wieder Möglichkeiten<br />

geschaffen, sich auch ohne unser<br />

Zutun auszutauschen.<br />

Manche unserer Angebote lassen Urlaub<br />

vermuten, doch der „Eventcharakter“ ist<br />

neben der Beziehungsarbeit eine enorm<br />

wichtige Motivation zum Kommen <strong>und</strong><br />

zum Bleiben. Die Kinder stellen schnell<br />

fest, dass „echte“ Events anstrengender<br />

sind, als vor einer Spielkonsole zu sitzen.<br />

Die anschließende Reflexion macht dann<br />

den eigentlichen pädagogischen Lerneffekt<br />

aus, so kann sich Erlerntes verfestigen<br />

<strong>und</strong> der Spaß motiviert zum Verinnerlichen.<br />

In der direkten Arbeit mit den Betroffenen<br />

liegt der Erfolg schon bei kleinen Schritten<br />

– dies kann z. B. bedeuten, dass ein Kind<br />

innerhalb eines Angebotes zwar gerne<br />

blockiert <strong>und</strong> diskutiert doch absolut konstant<br />

über einen Zeitraum von mehr als<br />

einem Jahr an diesem Angebot teilnimmt<br />

<strong>und</strong> dabei auch so manches Mal über sich<br />

hinauswächst, enormen Mut entwickelt<br />

<strong>und</strong> ganz nebenbei sogar die „große Klappe“<br />

vergisst.<br />

Erst eine gelingende Beziehungsarbeit<br />

erlaubt uns eine intensive Bearbeitung des<br />

schweren Themas Sucht – gemeinsam mit<br />

den Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen des Projektes.<br />

Die Art der Angebote <strong>und</strong> die Form<br />

der Wissensvermittlung sind an kindlichen<br />

Bedürfnissen orientiert: in Bewegung, lesend,<br />

malend, aktiv oder entspannt, in<br />

Räumen ebenso wie in der Natur.<br />

Beate Kühnel, Leiterin „Jonathan“


<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />

5. Praktisches „zum Anfassen“ - Fragecafé<br />

5.1 Gruppe 1 unter der Leitung von Projekt „Kunterbunt“<br />

In meiner Kleingruppe habe ich den Teilnehmern<br />

des <strong>Fachtag</strong>es die Arbeit mit<br />

dem „MIMÜRFEL“ vorgestellt. Der<br />

„Mimürfel“ ist ein großer Schaumstoffwürfel,<br />

auf dessen Seiten anstatt Zahlen oder<br />

Punkten, verschiedene Gesichtsausdrücke<br />

dargestellt sind. In der täglichen Arbeit mit<br />

den Kindern erleichtert der „Mimürfel“ den<br />

Einstieg in das schwierige Thema der Gefühle.<br />

Dabei wird er nicht selten unschlüssig<br />

gedreht, verlegen geknetet, oder auch<br />

liebevoll gedrückt.Ich bezeichne ihn gerne<br />

auch als „Türöffner“.<br />

In der 1. Spielr<strong>und</strong>e sollten die einzelnen<br />

Mienen durch viele verschiedene Adjektive<br />

benannt werden. Hier zeigte sich, dass<br />

Kinder viel kreativer sind <strong>und</strong> mehr Gefühle<br />

benennen können, als die erwachsenen<br />

<strong>Fachtag</strong>steilnehmer.<br />

In der 2. Spielr<strong>und</strong>e werden typische Alltagssituationen<br />

benannt, die zu den entsprechenden<br />

Gesichtern bzw. Gefühlen<br />

passen. Kinder werden in dieser R<strong>und</strong>e<br />

meist schon sehr konkret, <strong>und</strong> ich erkenne<br />

in ihren Aussagen eigene Erlebnisse. Die<br />

erwachsenen Teilnehmer reagierten weniger<br />

spontan, <strong>und</strong> benannten meist fiktive<br />

Situationen.<br />

41<br />

In der 3. Spielr<strong>und</strong>e wähle ich dann die<br />

positiven Mienen aus <strong>und</strong> frage konkret<br />

nach einem eigenen Erlebnis, das zu dem<br />

jeweiligen Gesicht passt. Durch Weitergabe<br />

des „Mimürfels“ erhalten so alle Teilnehmer<br />

die Möglichkeit zum Berichten.<br />

Wir sprechen dabei über Gefühle <strong>und</strong> ihre<br />

physischen (körperliche Reaktionen) <strong>und</strong><br />

psychischen Auswirkungen (Gedanken).<br />

In der 4. Spielr<strong>und</strong>e erfolgt das Gleiche<br />

mit den negativ besetzten Mienen. Mit<br />

Kindern werden in dieser R<strong>und</strong>e Lösungsmöglichkeiten<br />

aufgezeigt <strong>und</strong> besprochen.<br />

Die Erwachsenen sollten berichten,<br />

in welcher Situation sie sich eher<br />

schlecht (wütend, traurig, abgelehnt) gefühlt<br />

haben <strong>und</strong> ob es Strategien für den<br />

Umgang mit negativen Gefühlen gibt. Dabei<br />

greift das Prinzip der Selbsthilfe: jeder<br />

hört zu <strong>und</strong> lernt vom anderen.<br />

In der 5. Spielr<strong>und</strong>e sollte jeder Teilnehmer<br />

das Gesicht zeigen, mit dem er am<br />

Morgen aus dem Haus gegangen ist, <strong>und</strong><br />

das Gesicht, das die augenblickliche Gefühlslage<br />

ausdrückt. Erklärungen dazu<br />

sind möglich, sollten aber kurz gefasst<br />

sein.<br />

Die Teilnehmer der Erwachsenenspielr<strong>und</strong>e<br />

waren sichtlich erschöpft, <strong>und</strong> stellten<br />

fest, wie schwer es ihnen fiel, sich trotz<br />

des Hilfsmittels „Mimürfel“ auf ihr Gefühlsleben<br />

einzulassen <strong>und</strong> dieses wahrzunehmen.<br />

Kinder reagieren spontaner <strong>und</strong><br />

konkreter <strong>und</strong> wirken erleichtert nach der<br />

R<strong>und</strong>e.<br />

Susanne Ilgen, Leiterin „Kunterbunt“


<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />

5.2 Gruppe 2 <strong>und</strong> 3 unter der Leitung von Projekt „mamamia“<br />

Die Mitarbeiter des Projekts „mamamia“<br />

boten den Teilnehmern des <strong>Fachtag</strong>es die<br />

Möglichkeit eine Spiel- <strong>und</strong> Erfahrungsstrecke<br />

der AGETHUR zur Sinnesschulung<br />

<strong>und</strong> das Schwungtuch als psychomotorisches<br />

Übungsgerät selbst zu erleben.<br />

In anschließenden Reflexionsgesprächen<br />

zeigte sich, dass die Teilnehmer zunächst<br />

auch – genau wie unsere „mamamia“-<br />

Kinder – Hemmschwellen überwinden<br />

mussten, um an den Übungen teilzuhaben,<br />

um sich zu öffnen <strong>und</strong> ihre Gefühle<br />

<strong>und</strong> Gedanken preiszugeben.<br />

Die Teilnehmer äußerten sich voller Respekt<br />

gegenüber den Kindern, die den Mut<br />

haben, über ihre Sorgen, Nöte <strong>und</strong> Ängste<br />

zu sprechen, gegenüber den Eltern, die<br />

ihre Sucht offenlegen <strong>und</strong> damit bereit<br />

sind, Hilfe in Anspruch zu nehmen, aber<br />

auch gegenüber den Projektmitarbeitern,<br />

die mit viel Hingabe <strong>und</strong> Engagement,<br />

Kinder in ihrer Notsituation auffangen <strong>und</strong><br />

ihnen eine „ruhige Insel im Sturm bieten“.<br />

Das Schwungtuch als psychomotorisches<br />

Übungsgerät<br />

Schwungtücher sind für viele abwechslungsreiche<br />

Gruppenspiele geeignet,<br />

fördern die Bewegung, trainieren den<br />

Körper, besonders die Grobmotorik, <strong>und</strong><br />

machen gemeinsam viel Spaß. Die Teilnehmer<br />

des <strong>Fachtag</strong>s hatte die Möglichkeit,<br />

sich selbst davon zu überzeugen.<br />

Seichte bis stürmische Wellen zu schla-<br />

42<br />

gen, mehrere Bälle gleichzeitig möglichst<br />

lange auf einer geschlagenen Laola-Welle<br />

rollen zu lassen oder diese möglichst hoch<br />

springen zu lassen, so lauteten die Aufgaben<br />

für die Spielteilnehmer. Dass dies gar<br />

nicht so leicht ist, stellten sie dabei recht<br />

schnell fest. Dennoch hatten die Teilnehmer<br />

dabei sichtlich viel Spaß. Anschließend<br />

wurde noch einmal gemeinsam reflektiert,<br />

welche pädagogischen Ziele hinter<br />

dem Einsatz eines Schwungtuches<br />

stehen:<br />

- individuelle Kinder sind Teil des<br />

Ganzen<br />

- Verbesserung der optischen (bei<br />

Aktionen mit Bällen) <strong>und</strong> taktilen<br />

Wahrnehmung (Materialbeschaffenheit<br />

<strong>und</strong> Luftzug des Tuches)<br />

- Anspannung <strong>und</strong> Entspannung der<br />

Muskulatur erleben<br />

- Verbesserung der konditionellen<br />

Fähigkeiten, wie Kraft (Bewegen<br />

des Tuches gegen den Luftwiderstand),<br />

Ausdauer (unterschiedliche<br />

Laufformen), Beweglichkeit (das<br />

Auf- <strong>und</strong> Abschwingen des Tuches)<br />

- Verbesserung der Steuerung <strong>und</strong><br />

Dosierung des Krafteinsatzes<br />

(beim zielgerichteten Rollen der<br />

Bälle)<br />

- Verbesserung der Konzentrationsfähigkeit<br />

- SOZIALES LERNEN, KOOPERA-<br />

TION UND KOMMUNIKATION


<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />

Spiel- <strong>und</strong> Erfahrungsstrecke der<br />

AGETHUR zur Sinnesschulung<br />

Eine anregende Umwelt stellt für uns eine<br />

Herausforderung für Aktivität <strong>und</strong> Handeln<br />

dar. Primärerfahrungen durch sehen, hören,<br />

riechen, schmecken, tasten, sich bewegen<br />

<strong>und</strong> seinen Körper spüren<br />

- dienen der Persönlichkeitsentwicklung,<br />

- fördern den Selbstfindungsprozess,<br />

- können die Erlebnisfähigkeit erhöhen,<br />

- stärken das Selbstvertrauen,<br />

- fördern die innere Ausgeglichenheit,<br />

- unterstützen die Selbstsicherheit,<br />

- regen die Kreativität an <strong>und</strong><br />

- stärken die Kommunikationsfähigkeit.<br />

43<br />

Gerade in unserer mediatisierten, technisierten<br />

Welt, welche häufig durch passiven<br />

Konsum <strong>und</strong> zeitlich nur geringe Möglichkeiten,<br />

Wahrgenommenes zu verarbeiten,<br />

gekennzeichnet ist <strong>und</strong> in der Bewegung<br />

oftmals mit Störung, Lernen mit Sitzen <strong>und</strong><br />

Konzentration mit Unbeweglichkeit verb<strong>und</strong>en<br />

ist, kann ein Leben ohne primäre<br />

Sinneserfahrungen zu Defiziten<br />

- des körperlichen <strong>und</strong> seelischen<br />

Wohlbefindens,<br />

- der Aufmerksamkeit,<br />

- des Sprechens,<br />

- des Zuhörens,<br />

- der Konzentrationsfähigkeit,<br />

- der sozialen Kompetenz<br />

- <strong>und</strong> der persönlichen Wertschätzung<br />

führen.<br />

Insbesondere Kinder erfahren <strong>und</strong> verstehen<br />

ihre Umwelt mittels ganzheitlicher<br />

Sinneserfahrung. Um den Kindern diese<br />

Erfahrungsprozesse<br />

zu<br />

ermöglichen,<br />

braucht es<br />

eine Umwelt,<br />

die ihren<br />

Bedürfnissen<br />

nach selbstständigem<br />

Handeln <strong>und</strong><br />

Aktivität entspricht.KinderbenötigenvielfältigeMöglichkeiten<br />

für<br />

den Einsatz<br />

<strong>und</strong> die Erprobung ihrer Sinne. Sie brauchen<br />

den konkreten Umgang mit Dingen,<br />

damit sie aus ihrem Tun innere Bilder aufbauen<br />

können. Je anregender die Umwelt<br />

für ein Kind ist, desto stärker wird es zum<br />

Handeln motiviert.<br />

Jana Danzer, Leiterin „mamamia“


<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />

5.3 Gruppe 4 unter der Leitung von Projekt „Jonathan“<br />

geplanter Ablauf orientiert an der Arbeit<br />

mit den Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen:<br />

namentliche Vorstellung der Teilnehmer<br />

innerhalb der Kleingruppe<br />

Abstimmung durch die Teilnehmer,<br />

welches der drei möglichen Spiele<br />

gewählt wird,<br />

hierfür standen drei verschiedene Materialien<br />

zur Verfügung, o h n e dass bekannt<br />

gegeben wurde, welche Aufgabe später<br />

dazu folgt (eine Decke, ein Reifen, ein<br />

Stab)<br />

Zusätzlich:<br />

Verlauf<br />

Durchführung des „Praktischen<br />

zum Anfassen“ mit Reflexion der<br />

Aufgabe – wie wurde sie für die<br />

Teilnehmer/Teilnehmerinnen persönlich<br />

erlebt<br />

Auswertung aus fachlicher Sicht /<br />

Metaebene<br />

Die Gruppe einigte sich innerhalb einer<br />

konstruktiven Diskussion auf die Decke.<br />

Die Aufgabe, die dann verkündet wurde,<br />

lautete: Die Gruppe sollte sich gemeinsam<br />

auf die ausgebreitete Decke stellen <strong>und</strong><br />

die Decke drehen, ohne dass sie verlas-<br />

44<br />

sen werden darf. Diese Aufgabe konnte in<br />

recht kurzer Zeit gelöst werden. Es wurden<br />

mehrere Versuche praktisch ausprobiert,<br />

bevor die Idee einer Teilnehmerin<br />

zum Erfolg führte.<br />

Die Reflexion wurde - wie in der Arbeit mit<br />

den Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen häufig<br />

praktiziert - durch Satzanfänge unterstützt,<br />

die auch in schriftlicher Form zur Orientierung<br />

auf dem Boden lagen.<br />

Sie lauteten:<br />

Meine schönste Situation war,…<br />

An der Gruppe fand ich gut…<br />

An mir war gut…<br />

In der praktischen Arbeit ist oft zu beobachten,<br />

dass die Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen<br />

mit den Fragen anfänglich fast überfordert<br />

wirken. Es fällt ihnen zunächst<br />

schwer, sich an den Verlauf des Angebotes<br />

zu erinnern <strong>und</strong> eine positive Situation<br />

wahrzunehmen. Des Weiteren wird die<br />

Gruppe primär nicht als solche wahrgenommen.<br />

Auch das Benennen eigener<br />

Stärken ist für die Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen<br />

neu, da in ihren Vorerfahrungen häufig<br />

die Blickrichtung auf die Defizite fällt.<br />

Durch die Wiederholung der gleichen Fragestellungen<br />

– insbesondere bei sich regelmäßig<br />

wiederholenden wöchentlichen<br />

Angeboten – entsteht eine Veränderung in<br />

der Wahrnehmung <strong>und</strong> in der Fähigkeit<br />

zur Reflexion. Kognitive Fähigkeiten, Erkennen<br />

von Vorteilen einer Gemeinschaft<br />

<strong>und</strong> das Erfahren eigener Stärken wird<br />

durch diese Form der Reflexion möglich.<br />

Die anfänglich noch intensiv benötigte<br />

Unterstützung kann einer Zusammenfassung<br />

der von den Kindern selbst erkannten<br />

Reflexion weichen.<br />

Die Auswertung aus fachlicher Sicht / der<br />

Metaebene erfolgte durch das Stellen folgender<br />

Fragen:


<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />

Welche Eigenschaften werden Ihrer<br />

Meinung nach durch diese<br />

Übung(en) besonders gefordert?<br />

Im Projekt Jonathan werden ausschließlich<br />

Gruppenangebote durchgeführt. Entsteht<br />

ein Bedarf für Einzelgespräche wird<br />

diesem selbstverständlich Raum gegeben.<br />

Der Gr<strong>und</strong>gedanke liegt jedoch in der<br />

Auseinandersetzung mit einer Gruppe.<br />

Nicht selten in eine Rolle als „Außenseiter“<br />

gerutscht, kann der positive Aspekt von<br />

Gemeinschaft verloren gegangen sein.<br />

Des Weiteren sind die Angebote ein gutes<br />

Übungsfeld für wertschätzende Kommunikation<br />

<strong>und</strong> verbale Auseinandersetzungen<br />

(ohne Fäkalsprache). Seine Wünsche zu<br />

benennen, zu lernen, sie durchzusetzen<br />

oder Kompromissbereitschaft zu entwickeln,<br />

die wiederum mit Empathie einhergeht,<br />

wird gleichfalls ermöglicht. Mut,<br />

Durchhaltevermögen, Selbstbewusstsein,<br />

Humor, Frustrationstoleranz <strong>und</strong> Hilfsbereitschaft<br />

sind weitere Aspekte. Neben<br />

diesen Persönlichkeits-Eigenschaften<br />

werden durch bewegungsorientierte / erlebnispädagogische<br />

Angebote auch körperliche<br />

Defizite abgebaut.<br />

Der Blick auf die eigenen Stärken ist von<br />

wesentlicher Bedeutung! Häufig haben die<br />

Kinder nur ihre Defizite vor Augen <strong>und</strong><br />

können schwer einschätzen, welche Talente<br />

sie tatsächlich besitzen.<br />

45<br />

Wo sehen Sie den Nutzen derartiger<br />

Spiele für die Kinder?<br />

In erster Linie ist eine Übertragung des<br />

Erlernten in den Lebensalltag der Kinder<br />

notwendig!<br />

Innerhalb der Auswertung sollten die Kinder<br />

<strong>und</strong> Jugendlichen immer wieder selbst<br />

Situationen benennen, in denen sie das<br />

Erlernte in ihrem Schul- oder Familienalltag<br />

anwenden können. Vermeintliche Niederlagen<br />

bei der Übertragung müssen<br />

nachträglich besprochen werden. Verschiedene<br />

Materialien (z. B. Kochrezepte),<br />

die mit nach Hause gegeben werden,<br />

können bei der Übertragung unterstützen.<br />

Wissensvermittlung kann helfen, Scham-<br />

<strong>und</strong> Schuldgefühle abzubauen. Die kindgerechte<br />

Form (in Bewegung <strong>und</strong> im<br />

Spiel) sorgt dafür, dass Freude an der<br />

Wissensvermittlung bestehen bleibt.<br />

Welche Eindrücke sind geblieben?<br />

Die Kleingruppe stellte übereinstimmend<br />

fest, dass die Angebote spielerisch wirken,<br />

jedoch enorm fordern. Ängste, Vorbehalte,<br />

Scham, seelische, soziale oder körperliche<br />

Defizite müssen überw<strong>und</strong>en werden –<br />

zurück blieb vor allem der Respekt gegenüber<br />

den Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen.<br />

Beate Kühnel, Leiterin „Jonathan“


<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />

5.4 Fragecafé <strong>und</strong> Abschluss der Veranstaltung<br />

Bei Kaffee <strong>und</strong> Kuchen kamen die Teilnehmerinnen<br />

ins Gespräch, stellten den<br />

Referenten Fragen <strong>und</strong> werteten das Erlebte<br />

aus. Kontakte wurden geknüpft <strong>und</strong><br />

Netzwerkepartner gewonnen.<br />

46<br />

Die <strong>Fachtag</strong>ung endete mit einigen abschließenden<br />

Worten von Herrn Dr. Englert,<br />

der sich bei den Teilnehmern für ihr<br />

Interesse, ihr langes Durchhaltevermögen<br />

<strong>und</strong> die lebendige Diskussion bedankte.<br />

Insgesamt wurde durch die Fachvorträge<br />

zu den Themen „Drogenkonsum in der<br />

Schwangerschaft“ <strong>und</strong> „Psychosoziale<br />

Ressourcen in der <strong>Familie“</strong> viel Input geliefert.<br />

Hilfe für Kinder aus suchtbelasteten Familien<br />

muss früh ansetzen. Die Verantwortung<br />

für das eigene Kind beginnt schon<br />

vor der Geburt. Information <strong>und</strong> Sensibilisierung<br />

über die Gefahren des Suchtmittelkonsums<br />

während der Schwangerschaft<br />

ist von entscheidender Bedeutung.<br />

Heute wurden sowohl hauptamtlich als<br />

auch ehrenamtlich organisierte Praxisbeispiele<br />

für Kinder aus suchtbelasteten Familien<br />

vorgestellt. Doch gibt es in Thüringen<br />

keine flächendeckende Versorgung.<br />

Es bleibt viel zu tun. Der Weg ist nicht immer<br />

leicht zu gehen. Organisationen,<br />

Kommunen <strong>und</strong> Personen müssen für das<br />

Thema sensibilisiert <strong>und</strong> gewonnen werden.<br />

Wir hoffen, dass Sie heute Ansprechpartner<br />

gef<strong>und</strong>en haben, die Sie auf<br />

Ihrem Weg unterstützen können.<br />

Denken Sie daran, schon eine Bezugsperson<br />

ist für das Kind sehr hilfreich <strong>und</strong> kann<br />

seinen Entwicklungsverlauf positiv beeinflussen.<br />

Vielleicht sind Sie es.


<strong>Dokumentation</strong> zum <strong>Fachtag</strong> Sucht <strong>und</strong> Familie am 16. Februar 2013<br />

6. Kontakte der Referenten <strong>und</strong> Ansprechpartner<br />

Obbarius, Dr. Victoria<br />

AGETHUR - Landesvereinigung für Ges<strong>und</strong>heitsförderung<br />

Thüringen e.V.<br />

Carl-August-Allee 9<br />

99423 Weimar<br />

Telefon: 03643/ 498980<br />

E-Mail: obbarius@agethur.de<br />

Gattwinkel, Christa<br />

Projekt „Smily Kids“<br />

Kreuzb<strong>und</strong> DV Paderborn e.V. AB: Kinder,<br />

Jugend <strong>und</strong> Familie<br />

Lehmkuhle 46<br />

57399 Kirchh<strong>und</strong>em<br />

E-Mail: christa-gattwinkel@t-online.de<br />

Englert, Dr. med. Ekkehart<br />

Klinik für Kinder- <strong>und</strong> Jugendpsychiatrie,<br />

Psychotherapie <strong>und</strong> Psychosomatik<br />

HELIOS Klinikum Erfurt<br />

Nordhäuser Str. 74<br />

99089 Erfurt<br />

Telefon: 0361/ 7812801<br />

E-Mail: ekkehart.englert@helios-kliniken.de<br />

Thüringer Projekte für Kinder aus suchtbelasteten Familien<br />

Ilgen, Susanne<br />

CWS Schmalkalden GmbH<br />

Projekt "Kunterbunt"<br />

Schulstr. 16<br />

98574 Schmalkalden<br />

Telefon: 03683/ 4669939<br />

E-Mail: susanne.ilgen@cws-schmalkalden.de<br />

Danzer, Jana<br />

Wendepunkt e.V.<br />

Projekt „mamamia“<br />

Rosa-Luxemburg-Str. 13<br />

07607 Eisenberg<br />

Telefon: 036691 – 572013<br />

E-Mail: j.danzer@wendepunkt-ev.net<br />

47<br />

Hammerstein, Dr. med. Eva<br />

Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie <strong>und</strong> Psychosomatik<br />

des Kindes/Jugendalters im Universitätsklinikum<br />

Leipzig<br />

Liebigstraße 20a, Haus 6<br />

04103 Leipzig<br />

Telefon: 03641/ 9724002<br />

E-Mail: Eva.Hammerstein@uniklinik-leipzig.de<br />

Stamm, Charlotte<br />

Thüringer Fachstelle Suchtprävention<br />

Thüringer Fachstelle Suchtprävention<br />

Fachverband Drogen- <strong>und</strong> Suchthilfe e.V.<br />

Dubliner Str. 12, 99091 Erfurt<br />

Telefon: 0361/ 3461746<br />

E-Mail: praevention@fdr-online.info<br />

Thüringer Ministerium für Soziales, Familie<br />

<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />

Referat 45<br />

Werner-Seelenbinder-Str. 6<br />

99096 Erfurt<br />

Kühnel, Beate<br />

SiT gGmbH, Präventionszentrum<br />

Projekt „Jonathan“<br />

Löberstr. 37<br />

99096 Erfurt<br />

Telefon: 0361/ 2128080<br />

E-Mail: info@bueroimpuls.de


Fachverband Drogen- <strong>und</strong> Suchthilfe e.V.

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