Warner Bros. Pictures Germany - Babylon Kino
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18 über die produktion | coco chanel ...<br />
dafür braucht.‘ Sie hatte ein Gespür für Aphorismen. Chanel nahm die<br />
Menschen mit ihren bissigen Antworten für sich ein. Bei ihrer ersten<br />
Begegnung sagt sie zu Balsan: ,Wenn ich mich langweile, fühle ich mich<br />
sehr alt‘, worauf er sie fragt: ,Wie alt sind Sie denn gerade?‘ Und sie antwortet:<br />
,1000 Jahre!‘<br />
F: Balsan wirkt zunächst ziemlich rüpelhaft, gewinnt Chanel aber mit der<br />
Zeit lieb ...<br />
A: Die Figur von Balsan zu entwickeln, über den man wenig weiß, hat mir<br />
viel Spaß gemacht. Auch er glaubt, auf seine Art, nicht an die Liebe. Er liebt<br />
seine Pferde. Er liebt Feste, bei denen es anzüglich hergeht. Er ist ohne<br />
Zweifel ein Lebemann, aber natürlich hat er auch seine menschlichen, gefühlvollen<br />
Seiten. Als ich an die Besetzung der Rolle dachte, fiel mir sofort<br />
Benoît Poelvoorde ein. Für mich war er der einzige, der gleichzeitig Provokateur<br />
und Menschenfreund spielen konnte. Durch das Beobachten des<br />
Völkchens, das um Balsan herumschwirrt, entwickelt Chanel ihren unverwechselbaren<br />
Stil; zum Beispiel lässt sie sich von den leichten, funktionellen<br />
Stoffen der Sportkleidung inspirieren, sie wandelt Reitkleidung ab<br />
und leiht sich Balsans Schlafanzüge aus. Nachdem sie Balsans Garderobe<br />
geplündert hat, improvisiert sie erstmals ihre jungenhaften Outfits.<br />
F: Als sie Boy Capel trifft, ist sie zum ersten Mal bereit zu lieben ...<br />
A: Sie verliebt sich sogar auf ganz naive Weise in Boy Capel, und das,<br />
obwohl sie nicht an die Liebe glaubt. Sie wollte nicht in die gleiche Falle<br />
tappen, die ihrer Mutter zum Verhängnis wurde. Sie hatte mitansehen<br />
müssen, wie sie litt, als sie mehrfach von Cocos Vater verlassen wurde,<br />
einem Hausierer, der von Markt zu Markt und von Frau zu Frau zog. Was<br />
ein Frauenleben ausmacht, wurde ihr bewusst, als sie ihre Mutter leiden<br />
und unter entsetzlichen Schmerzen sterben sah. Deshalb hat sie sich vermutlich<br />
früh geschworen, dass ihr so etwas nie passieren wird! Vielleicht<br />
hat sie deshalb auch früher als andere erkannt, dass sich das Leben der<br />
modernen Frau grundlegend würde ändern müssen. Chanel schwamm<br />
stets gegen den Strom und beschloss, die Freiheit und Unabhängigkeit<br />
der Frauen zu feiern. Dass sie den Mann ihres Lebens verliert, ist dennoch<br />
ein schlimmer Schicksalsschlag.<br />
F: Welche Freiheiten haben Sie sich beim Schreiben des Drehbuchs erlaubt?<br />
... der beginn einer leidenschaft | über die produktion 19<br />
A: Man muss sich von den biografischen Zwängen lösen, wenn man eine<br />
berühmte Person auf frische Weise zeigen will. Meine Co-Autoren und ich<br />
mussten natürlich einiges erfinden, die Chronologie verändern, Figuren<br />
abändern oder verdichten. Die von Marie Gillain gespielte Rolle ist beispielsweise<br />
eine Mischung aus der echten Schwester von Chanel und ihrer<br />
Tante Adrienne, die gleichaltrig war und ähnliche Ambitionen hatte, es im<br />
Leben zu etwas zu bringen. Die Figur der Emilienne, die von Emmanuelle<br />
Devos gespielt wird, wurde von der berühmten Schauspielerin Gabrielle<br />
Dorziat und der Tänzerin und Kurtisane Emilienne d’Alençon inspiriert.<br />
Boy Capel, der eine große Rolle in Chanels Leben spielte und den<br />
Alessandro Nivola so großartig spielt, ist erst später gestorben. Tatsächlich<br />
weiß man nur sehr wenig über ihre ersten Lebensjahre, und Chanel log<br />
die ganze Zeit. Sie sagte etwas, das mir unglaublich gut gefällt: ,Ich habe<br />
mein Leben erfunden, weil ich mein Leben nicht mochte.‘<br />
F: Mit Ihrer Art der Inszenierung respektieren und feiern Sie Coco<br />
Chanels Motto von der „Kunst des Weglassens“. Wie Chanel verzichten<br />
auch Sie in Ihren Bildern auf alles Überflüssige, Plüschige und Pathetische<br />
...<br />
A: Ich wollte unbedingt, dass der Film ihr ähnelt und auf ästhetische<br />
Kinkerlitzchen verzichtet. Der Stil des Hauses CHANEL ist eindeutig an<br />
seiner Strenge und der schlichten Eleganz seiner Linie zu erkennen. In<br />
den Szenen auf der Pferderennbahn oder am Strand in Deauville fällt auf,<br />
wie gegensätzlich der Stil von CHANEL und die Kleider und überladenen<br />
Hüte ihrer Zeitgenossinnen sind, mit den Rüschen und Korsetts, die sie<br />
in zwei Teile schnüren. Diese Frauen wirkten im Grunde kostümiert,<br />
Chanel hingegen wollte das Individuum betonen. Mit dem Film mussten<br />
wir ständig ihrer Sicht der Dinge entsprechen.<br />
F: Sie sagen, dass das Besondere an Chanels Modeentwürfen – die Nüchternheit<br />
und der Minimalismus – von der Architektur des Klosters Aubazine,<br />
der Nonnenkleidung sowie den weißen Blusen und schwarzen<br />
Röcken der Internatsschülerinnen beeinflusst wurde.<br />
A: Ja. Es war sehr wichtig, das kleine Mädchen in dieser Umgebung zu zeigen.<br />
Die Nüchternheit zu betonen, diese dominierenden Farben Schwarz<br />
und Weiß, die zur Quintessenz des CHANEL-Stils wurden. Im Verlauf<br />
des Films sehen wir, wie sie eines ihrer Kleider in Moulins mit dem weißen<br />
Kragen und den weißen Manschetten eines Männerhemds aufwertet,