Warner Bros. Pictures Germany - Babylon Kino
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12 über die produktion | coco chanel ...<br />
wurde“, so Beaucarne, „wurde Coco schon sehr früh in ein Waisenhaus<br />
eingesperrt. Dann lebte sie in einer Dachkammer für Dienstmädchen und<br />
in einem verräucherten Varieté, und plötzlich, auf diesem Schloss, entdeckt<br />
sie die Schönheiten der Natur. Durch die Wahl der Bildausschnitte<br />
und des Lichts wollte ich vermitteln, wie sich diese unvermittelte Freiheit<br />
für Chanel angefühlt haben muss. Nach der Strenge, die in Aubazine<br />
herrschte, wo wir viel auf Schwarz und Weiß zurückgriffen, wollten wir<br />
Sonnenschein, offene Perspektiven und eine festliche Atmosphäre, die<br />
auch Balsans Persönlichkeit widerspiegelt. Produktionsdesigner Olivier<br />
Radot und mir schwebte für diese lichten, leichtfüßigen Szenen eine<br />
Stimmung wie in ,Der große Gatsby‘ vor.“<br />
Beaucarne machte es Spaß, die ikonenhaften Fotos, die Cecil Beaton von<br />
Chanel gemacht hatte, zu reinterpretieren. „Ein Motiv war zum Beispiel<br />
Chanel in ihrer Schneiderwerkstatt“, sagt er. „Für die letzte Sequenz auf<br />
der Treppe im Hause CHANEL in der rue Cambon habe ich eine Ausleuchtung<br />
entworfen, die mit Restlicht arbeitet, um eine leicht unwirkliche<br />
Atmosphäre zu schaffen. Denn die glamourösen Models auf dem<br />
Laufsteg sind nur als Reflexionen in den Spiegeln zu sehen. Hier ging es<br />
uns darum, Chanels persönliche Vision der Dinge zu suggerieren.“<br />
Beaucarne gesteht, dass ihn Audrey Tautous außergewöhnliche Fotogenität<br />
inspiriert hat. „Ich habe den Kontrast zwischen ihrer blassen Haut<br />
und den dunklen Augen und Haaren betont“, erzählt er. „Ihr Blick ist unvergleichlich!<br />
Ich habe es vermieden, sie direkt zu beleuchten, denn mir<br />
waren weiche Bilder voller Kontrast wichtig, subtile Zwischennuancen,<br />
mit denen man auch Kleidung und Stoffen gerecht wird. Audrey hat sich<br />
mit ihrer Figur stark identifiziert, und es ist ihr gelungen, Chanels Stärke<br />
und Bestimmtheit wiederzugeben. Es hat sehr viel Spaß gemacht, sie zu<br />
filmen. Denn abgesehen von ihrer Schönheit, achtet Audrey auch sehr auf<br />
die Technik. Wenn sie spielt, sind die Variationen ihrer Gestik und Bewegungen<br />
äußerst präzise.“<br />
Der letzte Bestandteil des Films – die Musik – stammt von Alexandre<br />
Desplat. Der Oscar-nominierte Komponist schrieb die Soundtracks zu<br />
mehr als 60 Filmen, darunter „Der seltsame Fall des Benjamin Button“<br />
und „Die Queen“. Der talentierte, äußerst produktive Komponist arbeitet<br />
gleichermaßen fürs französische <strong>Kino</strong> wie für internationale Produktionen.<br />
Sein großartiger Soundtrack für „Der wilde Schlag meines Herzens“<br />
gewann in Frankreich einen César für die Beste Musik und bei der<br />
Berlinale einen Silbernen Bären.<br />
Wie in den anderen Bereichen der Produktion, so arbeitete Fontaine auch<br />
mit Desplat eng zusammen, damit die Musik Chanels Persönlichkeit<br />
... der beginn einer leidenschaft | über die produktion 13<br />
widerspiegelt. „Audreys Blick und der von Coco Chanel“, so Desplat,<br />
„haben sehr viel gemeinsam, nämlich diese unerhörte Intensität, diesen<br />
Ernst. Wenn sie im Film etwas anschaut, begreift man sofort, dass gerade<br />
etwas Bedeutsames passiert. Audrey guckt nicht nur, sie schaut sehr genau,<br />
geradezu prüfend hin, und dabei nimmt sie bestimmte Details wahr,<br />
Farben und Formen, die sie sich zu eigen macht, indem sie sie durch ihre<br />
Persönlichkeit filtert. Was ich mit meiner Musik erreichen wollte, war, die<br />
Intensität ihrer Figur zu spiegeln, nicht nur den Spaß. Coco stammt aus<br />
bescheidenen Verhältnissen, und sie ist eine Außenseiterin, fast schon<br />
eine Art Punk. Sie tut Dinge, die seinerzeit niemand sonst gewagt hätte.<br />
Sie trägt extrem schlichte Kleider, Schwarz ist ihre einzige Farbe. Hüte<br />
mit Blumen kann sie nicht ausstehen. Sie will die Dinge verändern. So<br />
etwas berührt mich sehr – wenn große Künstler neue Wege beschreiten<br />
und nicht bloß im Strom treiben. Mit meiner Musik habe ich versucht,<br />
mich an ihrer Entwicklung zu orientieren.“<br />
Unterm Strich, hofft Anne Fontaine, ergibt sich das Gesamtbild einer<br />
jungen Frau, die kurz davor steht, sich selbst zu erfinden. „Was mich<br />
interessierte“, sagt sie, „war zu zeigen, wie Coco ihr Schicksal in die Hand<br />
nimmt, wie sie den Lauf der Dinge selbst beeinflusst. Bei ihr ist nichts vorprogrammiert.<br />
Sie will keine Karriere um des Erfolgs willen – sie erfindet<br />
alles neu. Sie besitzt weder die Ambitionen noch das nötige Werkzeug, um<br />
sich der Bourgeoisie anzupassen – im Grunde bleibt ihr diese Welt verschlossen<br />
–, deshalb lenkt sie die Aufmerksamkeit auf sich, macht sich begehrenswert,<br />
was natürlich ein Höchstmaß an Provokation ist. Sie will sich<br />
nicht den Regeln dieser Welt beugen, sondern die Welt ihrer Persönlichkeit<br />
anpassen. Sie liebt das Risiko. Mir gefiel die Vorstellung, dass sie ihren<br />
aufregenden Lebensweg quasi im Untergrund beginnt. Denn als sie auf<br />
Royallieu eintrifft, verbietet ihr Balsan zunächst, das Schlafzimmer zu verlassen.<br />
Ihr Image hat sie auch dadurch geprägt, dass sie ihre Ursprünge<br />
stets im Dunkeln ließ. Die Geschichte ihrer Kindheit hat sie immer wieder<br />
beschönigt.“<br />
F: Wie entstand Ihr Interesse an Gabrielle Chanel?<br />
A: Als ich noch sehr jung war, hatte ich das große Glück, Lilou Marquand<br />
zu begegnen. Sie war die engste Mitarbeiterin von Chanel während des<br />
ganzen letzten Abschnitts ihres Lebens und schrieb später ein Buch über<br />
ihre Beziehung, „Chanel m’a dit“. Eine Zeit lang erfuhr ich also beinahe<br />
täglich Einzelheiten über diese mythische Persönlichkeit. Außerdem las<br />
ich mit großem Interesse das Buch „L’allure de Chanel“ von Paul Morand,<br />
INTERVIEW MIT<br />
ANNE FONTAINE