Warner Bros. Pictures Germany - Babylon Kino
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14 über die produktion | coco chanel ...<br />
einem der Autoren, die es am besten verstanden haben, die sagenhafte<br />
Persönlichkeit von Mademoiselle zu beschreiben. Was mich interessierte,<br />
war weniger ihre Mode als die Charaktereigenschaften dieser außergewöhnlichen<br />
Frau. Mich berührte die Tatsache, dass sie Autodidaktin war,<br />
ganz besonders. Da war dieses Mädchen, das aus der tiefsten französischen<br />
Provinz stammte, das arm war und ungebildet, aber mit einer so<br />
einzigartigen Persönlichkeit gesegnet und ihrer Zeit und der Gesellschaft<br />
weit voraus, in der Frauen die Gefangenen von Benimmregeln und Kleidung<br />
waren, die sie von sich selbst entfremdeten. Ihren Lebensweg, der<br />
etwas Romanhaftes hat, fand ich sehr spannend. Ich weiß noch, wie ich<br />
Fotos der jungen Chanel an die Wand meines Zimmers pinnte, obwohl<br />
ich damals nie gedacht hätte, dass ich mal einen Film über dieses Thema<br />
machen würde. Viele Jahre später, während einer Unterhaltung über<br />
Chanel mit Caroline Scotta und Caroline Benjo, den Produzentinnen von<br />
„Haut et Court“, wurde ich gefragt, ob ich Lust hätte, ein Projekt zu entwickeln,<br />
das ihren Lebensweg nachzeichnet. Daraufhin flammte mein Interesse<br />
an Chanel wieder auf. Ich bat um etwas Bedenkzeit, sagte aber<br />
gleich, dass es meiner Meinung nach ein Fehler wäre, Coco Chanels Leben<br />
vollständig zu erzählen. Ich musste mir darüber klar werden, ob es<br />
möglich war, sich auf den ersten Abschnitt ihres Lebens zu beschränken,<br />
ihre Lehrjahre und das, was alles geschah, bevor Chanel selbst überhaupt<br />
begriff, welches glanzvolle Schicksal ihr beschieden war. Deshalb las ich<br />
noch einmal die Biografie von Edmonde Charles-Roux, „Coco Chanel – Ein<br />
Leben“. Die andere zwingende Notwendigkeit bestand darin, eine Schauspielerin<br />
zu finden, die diese Figur wirklich verkörpern konnte – und nicht<br />
bloß eine blasse Kopie von Chanel abgibt oder sie nachäfft.<br />
F: Audrey Tautou wirkt wie die Idealbesetzung für die Rolle der Coco<br />
Chanel.<br />
A: Ja, weil Audrey diese Androgynität besitzt, die es zu Chanels Zeiten<br />
nicht gab, die man aber unbedingt zeigen muss, damit man begreift, wie<br />
Coco Chanel ihren Stil erfand. Chanel hat sich hauptsächlich von sich<br />
selbst inspirieren lassen, sie entwickelte ihren Stil für ihren Körper, ihr<br />
Anderssein, ihre Vitalität. Heute ist es schick, androgyn zu sein, damals<br />
hatten die Frauen jedoch Kurven und waren füllig. Chanel war es auch, die<br />
kurze Haarschnitte zum Trend machte. Meine Idealbesetzung musste also<br />
eine grazile Silhouette mit einem starken Naturell verbinden, musste wie<br />
eine Faust im Samthandschuh wirken. Audrey hat die schmalste Taille der<br />
Welt! Andererseits hat sie auch etwas von einem „kleinen schwarzen<br />
... der beginn einer leidenschaft | über die produktion 15<br />
Stier“, wie Paul Morand Chanel zu beschreiben pflegte; außerdem ist sie<br />
anmutig, besitzt Finesse und hat unbestreitbar Charisma. Bei meinem<br />
ersten Treffen mit Audrey war ich gleich von ihrer Willenskraft fasziniert,<br />
von ihrem Mut und ihrem Blick, der einen regelrecht durchbohrt. Auch<br />
Chanels Blick entging nichts. Sie hatte sich durch Beobachten gebildet,<br />
nicht nur durch schulisches Lernen. Ich hatte noch keine Zeile des Drehbuchs<br />
geschrieben, als ich Audrey traf, aber ich wusste sofort, wenn sie<br />
mir vertrauen würde und die Produzenten damit einverstanden waren,<br />
sich auf Chanels Lehrjahre zu konzentrieren, würde dem Abenteuer meines<br />
ersten Kostümfilms nichts mehr im Wege stehen.<br />
F: Sie haben sich gegen ein biografisches Erzählen entschieden und konzentrieren<br />
sich darauf, Chanels Kreativität und die Anfänge ihrer wahnwitzigen<br />
Karriere zu ergründen.<br />
A: Weil diese Jahre geradezu romanhafte Aspekte enthalten, angefangen<br />
mit der Kindheit und Jugend einer Frau aus der Provinz, die in großer<br />
Armut lebte.<br />
F: Chanels Kindheit eignet sich tatsächlich als Thema für einen epischen<br />
Roman.<br />
A: Ja, Chanel kann es mit den großen Heldinnen der Literatur aufnehmen.<br />
Das Schlimmste passiert ihr gleich zu Anfang. Die kleine Gabrielle<br />
verliert ihre Mutter, die Schwangerschaften und Krankheiten ausgezehrt<br />
haben. Dann lässt ihr Vater, ein Hausierer, sie im Stich. Sie kommt in das<br />
Waisenhaus des Klosters Aubazine, wo ihr die Stiftsdamen das Nähen beibringen.<br />
Schließlich erleben wir, wie sie ihr Glück als Sängerin im Varieté<br />
von Moulins versucht, wo sie vor Offizieren auf Freigang ihr berühmtes<br />
„Qui qu’a vu Coco“ zum Besten gibt.<br />
F: Wenn man ein Drehbuch über einen berühmten Menschen schreibt,<br />
muss einem klar sein, dass der Zuschauer weiß, wie die Geschichte ausgeht.<br />
Ihnen ist es trotzdem gelungen, sie spannend zu gestalten.<br />
A: Weil diese Spannung ein Teil des Lebens unserer Heldin war. Wie wird<br />
sie es anstellen, um Erfolg zu haben? Wie wird sie das Handicap ihrer Ungebildetheit<br />
überwinden? Chanel, deren Name heute quasi ein Synonym<br />
für Haute Couture ist, war zunächst interessanterweise überhaupt nicht an<br />
Mode interessiert. Sie wollte Tänzerin werden, Sängerin oder Schauspielerin.