TERROR UND TERRORISMUS –
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III. ÜBER DIE GEISTIGEN GR<strong>UND</strong>LAGEN <strong>UND</strong> PSYCHISCHEN AUSFORMUNGEN<br />
DES <strong>TERROR</strong>ISMUS<br />
Dem Terrorismus in seinen verschiedenen Erscheinungsformen <strong>–</strong> wie jeder politischen,<br />
sozialen oder religiösen Organisationsform, die mit totalitärem Anspruch auftritt - liegt der<br />
(mit physischer wie auch psychischer Gewalt vorgetragene) Kampf gegen die Pluralität<br />
zugrunde.<br />
Es ist daher essentiell, einen Fundamentalismus im Denken von einem Fundamentalismus<br />
im Handeln zu unterscheiden. In der permanenten geistigen Auseinandersetzung<br />
zwischen den unterschiedlichen kulturell, religiös oder politisch motivierten Wertvorstellungen<br />
muss der von seinen Werthaltungen Überzeugte, welcher Andersdenkenden gegenüber<br />
Toleranz übt, von jenem unterschieden werden, der seine Werthaltungen mit Gewalt<br />
anderen aufdrängen und in der politisch-sozialen Lebenswelt zu manifestieren trachtet.<br />
Aus diesem Grund haben verschiedene Denker die Unterscheidung von „Fundamentalismus“<br />
und „Integralismus“ eingeführt bzw. verwenden diese, um auf eben diesen Unterschied<br />
im Denken und Handeln hinzuweisen. Im deutschsprachigen Raum ist es vor allem<br />
der renommierte deutsche Philosoph Robert Spaemann, der diese wichtige Unterscheidung<br />
hervorhebt. Als Integralismus wird das verstanden, was man landläufig als Fundamentalismus<br />
bezeichnet.<br />
Die Auseinanderhaltung der durch die Unterscheidung von Fundamentalismus und Integralismus<br />
eingeführten Sinnzusammenhänge ist <strong>–</strong> ungeachtet anderer Begriffsverwendungen<br />
oder undifferenzierter Simplifizierungen <strong>–</strong> für eine seriöse und unvoreingenommene<br />
Befassung mit dem Thema unerlässlich. In diesem Verständnis verkörpert der Fundamentalismus<br />
eine Weltanschauung mit einem festen und hierarchischen Wertsystem, die<br />
zwar durchaus mit dialogischer Überzeugungsabsicht, aber grundsätzlicher Toleranz anderen<br />
Wertvorstellungen gegenüber auftritt. Der Integralismus hingegen umfasst all jene<br />
Weltanschauungen, die mittels physischer Gewalt oder psychischem Druck versuchen,<br />
ihre Ideologie im Hier und Jetzt durchzusetzen. So zeigt sich ganz allgemein gesprochen,<br />
dass alle kollektivistisch-totalitären Systeme (National-Sozialismus, Marxismus-<br />
Leninismus, usw.) als Integralismen zu verstehen sind.<br />
So vertritt etwa der französische Philosoph Andrè Glucksmann vertritt etwa die Auffassung,<br />
dass das was im 20. Jahrhundert geschah und sich zur Zeit weiter fortsetzt, durch<br />
den permanenten Kampf der verschiedenen Formen des Integralismus <strong>–</strong> als gewaltvolle<br />
Manifestation fundamentalistischer Denkungsart <strong>–</strong> gegen die offene westliche Gesellschaft<br />
gekennzeichnet ist. Er mahnt davor, die Tragweite des Kulturkampfes zu unterschätzen,<br />
denn große kulturelle und mentale Unterschiede bergen stets großen Konfliktstoff. „Das<br />
Ziel des Integralismus ist stets die Entwurzelung, er will die westliche Gesellschaft zerstören“<br />
(Andre Glucksmann in: Karl Ludwig Bayer 2001). Neben den totalitären Ideologien<br />
des Nationalsozialismus und Marxismus-Leninismus hebt er auch und vor allem die islamistische<br />
Form des Integralismus hervor. Wenngleich sich immer wieder auch die unterschiedlichsten<br />
Spielformen ergeben, wie etwa im Fall der PKK des kurdischen Terroristen<br />
Öcalan, der die Ideologie des Marxismus-Leninismus mit nationalistischen Vorstellungen<br />
verband, so stellt der Islamismus als eigenständige integralistische Bewegung die aktuellste<br />
Herausforderung in der Bekämpfung des Terrorismus dar <strong>–</strong> und dies nicht erst auf<br />
Grund der jüngsten Terrorattacken gegen die Vereinigten Staaten.<br />
In Verfolgung der These von Glucksmann, der einen grundsätzlichen Kampf zwischen<br />
den verschiedenen Formen des Integralismus und den demokratisch-pluralistisch orientierten<br />
Gesellschaften des Westens erkennt, kann der Schluss gezogen werden, dass sich<br />
auch Integralismusformen innerhalb der offenen westlichen Gesellschaften etablieren. Wie<br />
etwa am Beispiel des intellektuellen Linksradikalismus zu erkennen, wirken diese Integralismusformen<br />
zumeist zwar ohne Einsatz direkter physischer Gewalt, üben aber durchaus<br />
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