TERROR UND TERRORISMUS –
TERROR UND TERRORISMUS –
TERROR UND TERRORISMUS –
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IV. MORALPHILOSOPHISCHE REFLEXIONEN <strong>UND</strong><br />
ETHISCH-RECHTLICHE IMPLIKATIONEN<br />
Zweifellos gehört die Rechtfertigung von Prinzipien und Handlungen politischer Gerechtigkeit<br />
zu den wohl kontroversiellsten Problemen der politischen Welt. Dieses Problem<br />
stellt sich naturgemäß dann am akzentuiertesten, wenn durch die Verfolgung politisch gerechtfertigt<br />
erscheinender Handlungsweisen existentielle Primärrechte wie etwa das Recht<br />
auf Leben oder die physische Integrität und Unversehrtheit von Menschen unmittelbar betroffen<br />
sind.<br />
Die Möglichkeit des Konfliktes <strong>–</strong> politisch gesprochen, des Krieges <strong>–</strong> determiniert<br />
gleichzeitig die Problematik des Friedens, die darin besteht, die divergierenden Freiheitsansprüche<br />
von Individuen, Interessensgruppierungen sozialer, politischer oder religiöser<br />
Natur, Staaten, Staatenbündnissen, ja letztendlich ganzer Kulturen und Kulturkreise, miteinander<br />
auszusöhnen und auf möglichst friedfertige Weise zu regeln.<br />
Das Nebeneinanderbestehen unterschiedlicher Freiheitsvorstellungen steht unausweichlich<br />
mit der Frage von Gerechtigkeit in Verbindung, als es bei jeder Verwirklichung<br />
einer gerechten Ordnung letztlich um das Zusammenstimmen konkurrierender Freiheitsansprüche<br />
geht.<br />
Und eben darauf zielt die Anwendung ethisch-moralischer Grundsätze in der sozialen<br />
und politischen Realität ab <strong>–</strong> das moralisch Gute als das rechte und gerechte Verstandene<br />
in der Lebenswelt zur Manifestation zu bringen.<br />
Dies trifft nun in besonderem Maße auf die versuchte Rechtfertigung terroristischen<br />
Handelns zu, welches ausschließlich auf moralischer Argumentation beruht, indem es sich<br />
ja bewusst und gezielt über gesatztes, sei es nationales oder internationales Recht hinwegsetzt.<br />
Terroristisches Handeln begründet sich ausnahmslos in einem ‚vor-rechtlichen‘,<br />
oder, um mit Kant zu sprechen, ,moral’-rechtlichen Raum, weshalb nur eine moralphilosophische<br />
Reflexion über die vom Terrorismus als gut und (ge-)recht angesehenen Handlungsantriebe<br />
und Zielsetzungen die letztendlich entscheidende Frage zu beantworten<br />
befähigt: „Kann Terrorismus/terroristische Aktivität moralisch-ethisch gerechtfertigt sein?“<br />
Nun ist das Instrument des Terrorismus, der Weg, der vom Terrorismus beschritten<br />
wird, um seine Ziele zu erreichen, derjenige der unbeschränkten Gewaltanwendung. Die<br />
vom Terrorismus geübte Gewalt ist normalerweise direkte physische (auf mittelbare Weise<br />
oft auch psychische) Gewalt 33 , eine Gewalt, der es tendenziell jeglicher selbstauferlegter<br />
Eingrenzungen und Limitationen mangelt.<br />
Die Frage nach der moralischen Rechtfertigung terroristischen Handelns kann daher im<br />
wesentlichen der Beantwortung der Frage nach dem legitimen Einsatz von Gewalt, der<br />
Frage nach der<br />
ethisch vertretbaren Verwendung von Gewalt zur Erreichung oder Durchsetzung politischweltanschaulicher<br />
Zielvorstellungen, gleichgesetzt werden.<br />
IV.1. Moralphilosophische Überlegungen zur Frage der Gewalt<br />
Der Gewaltbegriff in der physichen Bedeutung von „violentia“ ist explizit die Anwendung<br />
von physischer Kraft und Stärke auf ein Individuum bzw. auf dessen materiellen Besitz<br />
gegen dessen Willen bezeichnet. Zu dieser Form der Gewalt finden sich bereits Überlegungen<br />
bei Aristoteles, der Gewalt als eine von außen kommende Wirkung auf ein Opfer<br />
ansieht, ohne dass das betroffene Individuum zu dieser Wirkung unmittelbar beiträgt noch<br />
sich ihr entziehen kann. Der die Gewalteinwirkung zu erleiden hat kann sich auch nicht für<br />
oder gegen dieses Erleiden entscheiden, weshalb eine Gewalthandlung dieser Art eine<br />
Handlung verkörpert, die der Neigung und dem Wohlbefinden des Opfers zuwiderläuft (A-<br />
33 Vergleiche zur umfassenden Strukturierung der Gewalt die Übersicht „Struktur der Gewalt“ im Appendix 1.<br />
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