Katholisches Wort in die Zeit 44. Jahr Januar 2013 - Der Fels
Katholisches Wort in die Zeit 44. Jahr Januar 2013 - Der Fels
Katholisches Wort in die Zeit 44. Jahr Januar 2013 - Der Fels
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Den Glauben verkünden<br />
H<strong>in</strong>dernisse<br />
Man kennt das vom Sportunterricht<br />
her: „Heute haben wir Bockspr<strong>in</strong>gen.“<br />
Die Sportskanonen <strong>in</strong><br />
der Klasse lächeln überlegen, und<br />
„Hops!“, schon s<strong>in</strong>d sie drüber, als<br />
wäre der Bock nur e<strong>in</strong>e Bordste<strong>in</strong>kante.<br />
Währenddessen schwirrt es im<br />
eigenen Kopf, und immer deutlicher<br />
zeichnet sich das Bild ab, wie man<br />
gleich als letzter <strong>in</strong> der Reihe auf<br />
den Bock zurennt, weil es sich nun<br />
gar nicht mehr vermeiden lässt. Aber<br />
zwei Meter davor verlässt uns der<br />
Mut, und im Bremsen prallen wir mit<br />
voller Wucht gegen den Bock. Blaue<br />
Flecken, schallendes Gelächter der<br />
ganzen Klasse und e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> Zukunft<br />
große Liebe zu solchen Übungen ist<br />
<strong>die</strong> Folge.<br />
Nun gleicht kirchliches Engagement<br />
<strong>in</strong> Deutschland e<strong>in</strong>em solchen<br />
Bockspr<strong>in</strong>gen. Mit e<strong>in</strong>fach loslegen<br />
ist da nicht viel. H<strong>in</strong>dernisse stellen<br />
sich <strong>in</strong> den Weg, und dabei ist<br />
e<strong>in</strong> Bock größer als der andere. Ohne<br />
Bild gesprochen: Die Kirche <strong>in</strong><br />
Deutschland ist e<strong>in</strong>e gewaltige Bürokratie;<br />
sie ist hoch<strong>in</strong>stitutionalisiert.<br />
Selbst für <strong>die</strong> Kollekte von vielleicht<br />
zehn Euro <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>sten Filialdorf<br />
muss ich neuerd<strong>in</strong>gs Sicherheitstüten<br />
verwenden, versehen<br />
mit zwei Unterschriften. Vielleicht<br />
ist das ja sogar e<strong>in</strong>e missionarische<br />
Maßnahme, weil dadurch wenigstens<br />
zwei oder drei zu jeder Messe versammelt<br />
se<strong>in</strong> müs-<br />
sen: „Wo zwei oder<br />
drei im Namen der<br />
Bürokratie versammelt<br />
s<strong>in</strong>d, da<br />
ist das Ord<strong>in</strong>ariat<br />
mitten unter ihnen<br />
...“ Ja, für unsere<br />
gewaltig sich auftürmendenStrukturen,<br />
Ord<strong>in</strong>ariate,<br />
Institutionen, E<strong>in</strong>richtungen,Rä-<br />
„Für unsere gewaltig<br />
sich auftürmenden<br />
Strukturen, Ord<strong>in</strong>ariate,<br />
Institutionen,<br />
E<strong>in</strong>richtungen, Räte<br />
und Prozesse s<strong>in</strong>d<br />
Deutschlands Katholiken<br />
weltberühmt –<br />
und auch e<strong>in</strong> bisschen<br />
berüchtigt.“<br />
te und Prozesse s<strong>in</strong>d Deutschlands<br />
Katholiken weltberühmt – und auch<br />
e<strong>in</strong> bisschen berüchtigt. Es wäre naiv,<br />
Institution und Bürokratie an sich<br />
schlechtzureden. Aber es wäre eben-<br />
so naiv zu übersehen, wie ihre unsichtbare<br />
Hand unser Denken und<br />
Tun massiv bee<strong>in</strong>flusst. Dem wollen<br />
wir nun e<strong>in</strong> wenig nachgehen, denn<br />
zweifellos entstehen dabei auch beträchtliche<br />
H<strong>in</strong>dernisse für <strong>die</strong> Evangelisierung.<br />
Dafür zwei Beispiele:<br />
• Stellen wir uns vor, e<strong>in</strong>e junge<br />
Katholik<strong>in</strong> brennt für ihren Glauben<br />
und will Religionslehrer<strong>in</strong> werden.<br />
Wird sie es bei ihrer E<strong>in</strong>stellung<br />
überhaupt schon bis zum Staatsexamen<br />
schaffen? Wie wird ihre Lehrprobe<br />
bewertet, wenn sie dar<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />
Textarbeit zum „Katechismus der<br />
katholischen Kirche“ vorsieht? Und<br />
was sagen <strong>die</strong> besorgten Eltern im<br />
Vere<strong>in</strong> mit Schulleitung und Schulabteilung<br />
des Ord<strong>in</strong>ariates, wenn sie<br />
es wagt, <strong>die</strong> Formel „Liebe = Sex mit<br />
Kondom“ <strong>in</strong> Frage zu stellen? Entsprechende<br />
Fallbeispiele <strong>in</strong> Hülle und Fülle<br />
kann man <strong>in</strong> den Publikationen des<br />
tapferen „Freun-<br />
deskreises Maria<br />
Goretti“ stets aktuell<br />
nachlesen.<br />
• Oder stellen<br />
wir uns vor, e<strong>in</strong><br />
neuer Pfarrer sagt:<br />
Glauben lernen<br />
setzt Glauben e<strong>in</strong>üben<br />
voraus. Deshalb<br />
kann nur gefirmt<br />
werden, wer<br />
Gesundschrumpfen,<br />
Neuanfang als kle<strong>in</strong>e<br />
Herde? „Auferstanden<br />
aus Ru<strong>in</strong>en“ müsste<br />
dann mit leicht abgewandeltem<br />
Text als<br />
Lied <strong>in</strong>s neue Gotteslob<br />
aufgenommen<br />
werden<br />
regelmäßig an der hl. Messe teilnimmt.<br />
E<strong>in</strong> Spleen des Pfarrers, den<br />
man mit Lächeln übergeht? Nur so<br />
lange, bis tatsächlich e<strong>in</strong>mal<br />
ausgerechnet der Sohn des<br />
Bürgermeisters nicht zum<br />
Empfang des Sakramentes<br />
zugelassen wird.<br />
Angesichts solcher Fälle<br />
fragt man sich: „Wie ist das<br />
möglich?“ Da liegt es nahe,<br />
<strong>die</strong> Radikalkur zu fordern:<br />
Abschaffung der Kirchensteuer,<br />
Zusammensturz des<br />
kirchlich-<strong>in</strong>stitutionellen<br />
Systems, Gesundschrumpfen,<br />
Neuanfang als kle<strong>in</strong>e Herde.<br />
„Auferstanden aus Ru<strong>in</strong>en“, <strong>die</strong>ses<br />
Lied müsste dann mit leicht abgewandeltem<br />
Text <strong>in</strong>s neue Gotteslob<br />
aufgenommen werden. Nun, „Auf-<br />
erstanden aus Ru<strong>in</strong>en“ war allerd<strong>in</strong>gs<br />
<strong>die</strong> Hymne der DDR, und der<br />
optimistische Text hat ihr auch nicht<br />
mehr geholfen. Konkret: Ortskirchen<br />
ohne Kirchensteuer und großen Apparat<br />
wie <strong>in</strong> Frankreich kennen auf<br />
kle<strong>in</strong>erem Niveau erstaunlich viel<br />
„Bockspr<strong>in</strong>gen“ ähnlicher Art. Er<strong>in</strong>nern<br />
wir uns etwa daran, dass Joseph<br />
Ratz<strong>in</strong>gers große Rede über „Die<br />
Krise der Katechese und ihre Überw<strong>in</strong>dung“<br />
auf E<strong>in</strong>ladung der Erzbischöfe<br />
von Paris und Lyon <strong>in</strong> und für<br />
Frankreich gehalten war. Wir leben<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Organisationsgesellschaft,<br />
und darum kann es realistischerweise<br />
nur darum gehen, kirchliche Organisation<br />
so zu reformieren, dass sie<br />
der Glaubensverkündigung <strong>die</strong>nt und<br />
sie nicht beh<strong>in</strong>dert.<br />
Zweifellos zieht <strong>die</strong> Kirche Verlässlichkeit<br />
und Stabilität aus ihrem<br />
hochorganisierten Charakter. Aber<br />
<strong>die</strong> Kirche ist mehr als ei-<br />
ne Institution. Und <strong>die</strong>ses<br />
Mehr droht immer wieder,<br />
von eben <strong>die</strong>ser Institution<br />
e<strong>in</strong>verleibt, kontrolliert und<br />
schließlich irrelevant gemacht<br />
zu werden. Am Anfang<br />
stand bloß das Verbot<br />
e<strong>in</strong>es zweiten Paars Sandalen<br />
(vgl. Mt 10,9 par) und<br />
heute s<strong>in</strong>d wir bei komplizierten<br />
Mechanismen von<br />
Dienstwegen angelangt. Es gibt also<br />
e<strong>in</strong>e Menge solcher H<strong>in</strong>dernisse der<br />
kirchlichen Bürokratie für <strong>die</strong> Evangelisierung.<br />
Im Anschluss an den<br />
amerikanischen Gelehrten James Q.<br />
Wilson soll hier nur e<strong>in</strong> Grundproblem<br />
benannt werden: Die Kirche<br />
weiß nicht mehr, was sie will und<br />
wofür sie da ist. Kennzeichen dafür<br />
ist zweierlei: Sie verwechselt Aufgaben<br />
mit Zielen und sie weicht ihrer<br />
kritischen Aufgabe aus.<br />
1. Die Kirche verwechselt Aufgaben<br />
mit Zielen. Ziele beschreiben,<br />
was am Ende herauskommen soll,<br />
Aufgaben dagegen, wie und mit welchen<br />
Mitteln man dorth<strong>in</strong> gelangt.<br />
Ziele s<strong>in</strong>d darum gerne vollmundig,<br />
Aufgabenbeschreibungen dagegen<br />
DER FELS 1/<strong>2013</strong> 7