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Geschichte eines Knaben - über Ernst Wiechert

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<strong>Geschichte</strong> <strong>eines</strong> <strong>Knaben</strong><br />

tot. Schön. Dafür verbitten wir uns freundlich alle Übergriffe in unser eigenes<br />

Leben, nicht wahr ?" Und der alte Provinzkaufmann schien sich wieder<br />

am Ladentisch zu sehen, an dem er die Grafen Einsiedel mit erlesenster Höflichkeit<br />

bedient hatte, versuchte eine Erwiderung, stolperte <strong>über</strong> ihren<br />

Anfang und verließ schweigend und blaß vor Zorn das Zimmer.<br />

Nicht daß Percy ein Held wurde oder ein müßiger Nachahmer des Freundes.<br />

Aber er gewann Unendliches. Aus seiner schrecklichen Einsamkeit vernahm<br />

er den Schlag <strong>eines</strong> menschlichen Herzens. Er vermochte zu<br />

sprechen, leidenschaftlich und <strong>über</strong> alle Grenzen hinweg. Er fand Teilnahme<br />

und Widerhall, und wenn er auch nur verwirrtes Schweigen fand, so fand er<br />

nie ein spöttisches Lächeln. Er war von einer Dankbarkeit, die lächelnd den<br />

Tod gelitten hätte. Er achtete gering, was er geben konnte, obwohl es der<br />

Glanz einer brennenden Erde war und Blut und Widerschein einer edlen<br />

Mutter. Aber Holger erkannte es. "Wir sind die Enterbten ", sagte er, wenn<br />

sie am Fluß lagen und <strong>über</strong> das Wasser starrten. "Ich bin aus zweiter Ehe,<br />

weißt du. Die erste war eine Gräfin, aber meine Mutter war eine Bauerntochter.<br />

Jawohl. Der Alte hatte tausend Morgen, aber er war ein Bauer. Onkel<br />

Byron sagt, daß ich die Rasse verschandele. Die dritte ist wieder eine Gräfin.<br />

Die Brüder sind first class, durchaus. Aber ich bin minderwertig, ein Mischling.<br />

Wie sagt man bei euch ... halfcast, ja. Sie werden mir ein Vorwerk geben<br />

und die Nase krausen, wenn sie von mir reden. Aber wir werden ein neues<br />

Geschlecht anfangen, Percy, auf Java oder Kamtschatka, ist mir ganz gleich."<br />

Er hob die Faust und schleuderte den Stein weit <strong>über</strong> den Fluß hinaus.<br />

Percy schob die Arme bequemer unter den Kopf und lächelte. "Du ja, Holger,<br />

sicherlich ... ich nicht."<br />

"Quatsch!" sagte Holger und warf einen schnellen Blick der Sorge auf ihn.<br />

Dann schwiegen sie. Fern zu ihrer Seite glänzte die Stadt mit dem trägen<br />

Rauch der Nachmittagsstunde <strong>über</strong> den toten Dächern. Ein Taubenschwarm<br />

hob sich aus der jungen Saat, aufleuchtend in jäher Wendung, und<br />

sonnenbeglänzt hingen die weißen Wolken <strong>über</strong> dem flachen Lande. "Ich<br />

möchte wohl wissen", begann Percy leise, "wohin das alles zieht, der Fluß<br />

und die Tage und Jahre. Dort unten, da bleibt alles, es ruht in sich, aber hier<br />

sind alles Wege, Fortschritt, neue Zeit... wohin zieht das alles mit mir?" "Was<br />

hat der Alte vor?" "Jura. Ich soll seine Prozesse gewinnen."<br />

<strong>Ernst</strong> <strong>Wiechert</strong> - Der silberne Wagen<br />

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