Geschichte eines Knaben - über Ernst Wiechert
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<strong>Geschichte</strong> <strong>eines</strong> <strong>Knaben</strong><br />
das Dach der fremden Welt. Man sah ihn nur am Morgen und am Abend,<br />
aber die Qual der Tage sammelte sich vor seinem Blick. Er wollte wissen,<br />
was man gelernt, was man gedacht und vollendet. Er stieß seinen Finger bis<br />
an das Tor der Seele, und es schmerzte,wo er traf. Man konnte schweigen:<br />
aber das Schweigen rief jene eisigen Worte der fremden Sprache ans Licht,<br />
in denen "Gehorsam", "Ehrgeiz", "Rasse" und "Pflicht" wie Peitschenschläge<br />
niederschlugen. Man konnte auch antworten, aber die Worte entkleideten,<br />
sie öffneten Riegel und Tor, sie zerrissen jede Blüte Blatt um Blatt, und sie<br />
schmerzten mehr als der Schlag der Peitsche. Und was war zu erzählen ?<br />
Daß man mit einer malayischen Flöte vor dem verborgenen Glaskasten im<br />
Bodenraum gesessen und auf das Wiegen der Schlangenkörper gestarrt, die<br />
man vorher mit Milch gefüttert ? Hatte man nicht schon der Engländerin<br />
drohen müssen, man werde die Schlangen im Garten aussetzen, wenn sie<br />
ein Wort verrate? Oder sollte man erzählen, daß man im heiligen See gebadet<br />
und am Grab der Mutter gesessen und das Lied von Alang-Alang gesungen<br />
habe ? Besser war es, zu schweigen und nach der Qual des<br />
gemeinsamen Abendessens, wenn der Wagen zum Klub gefahren war, vor<br />
dem schwarzen Flügel zu sitzen, das Lied der fremden Erde zu<br />
spielen und den seltsamen Akkorden nachzulauschen, wie sie hinter den<br />
schimmernden Tasten sich aufhoben und verwehten, gleich einem verlorenen<br />
Ton im Dämmer des Urwaldes. Man schlug sie wieder an, und noch einmal,<br />
und mit dem Dämpfer ließ man sie auf- und niederschwingen, wie<br />
gefangene Vögel von traumhaftem Blau, bis man sie entließ, <strong>über</strong> die Wipfel<br />
hinweg, und Trauer und Schweigen blieben. Ja, von allem war das Schweigen<br />
das Beste, das Falten der Hände, das Lösen der Glieder und der halbgeschlossene<br />
Blick, der durch die Mauern hinausging zu dem großen<br />
Geheimnis.<br />
Zu Beginn von Percys elftem Lebensjahr lief die Woge des großen Krieges<br />
rund um die Erde, und der Schaum ihres dunkel getürmten Berges begrub<br />
das weiße Haus in Weltevreden. Herr Magnus verlor Stellung und Vermögen<br />
und mit diesen Grundlagen s<strong>eines</strong> Lebens Glauben und Vertrauen und den<br />
Rest seiner spröden Güte. Die Entrechtung s<strong>eines</strong> Herrentums, gefährlicher,<br />
weil sie ihn im fremden Lande traf, als Schauspiel vor der niederen<br />
Rasse, nahm ihm nicht nur Tätigkeit und Besitz, sondern durchschnitt die<br />
einzigen Wurzeln, die den Stamm in fremder Erde hielten, und ließ nichts<br />
<strong>Ernst</strong> <strong>Wiechert</strong> - Der silberne Wagen<br />
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