Magisterarbeiten 2006/07
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nKontrovers<br />
12<br />
Mauerbau: Die neue olympische Disziplin<br />
Das Tor nach China öffnet<br />
sich weit. Dahinter die Verbo-<br />
tene Stadt, gleich darauf die<br />
Chinesische Mauer. Schon die<br />
ersten Sekunden des Bewer-<br />
bungsvideos für Olympia<br />
2008 versinnbildlichen dem<br />
kritischen Blick den ge-<br />
spaltenen Geist Chinas, denn<br />
trotz der Garantie auf freie<br />
Medienberichterstattung wäh-<br />
rend der Spiele wird seitens<br />
der Regierung alles getan,<br />
um die Mauer aus medialer<br />
Selbstinszenierung, Zensur<br />
und Vertuschung aufrechtzu-<br />
erhalten.<br />
Von Franziska Steffen<br />
Wenn ein Staat von 169 Ländern den 163. Platz in der<br />
„Rangliste der Pressefreiheit“ belegt, klingt das alarmierend.<br />
In den Ohren der Kommunistischen Partei, welche<br />
China seit 1949 führt, klingt die aktuelle Einschätzung<br />
der Reporter ohne Grenzen wahrscheinlich eher wie<br />
Musik. In der Verfassung des ‚Einparteienstaates‘ heißt<br />
es zwar in Artikel 35, dass alle Bürger die Freiheit der<br />
Rede und der Publikation besitzen, aber gleichzeitig besagt Artikel 54, dass man<br />
„die Ehre und die Interessen des Vaterlandes“ zu verteidigen habe. So bemühen<br />
sich denn auch die Medien unter freundlicher Anleitung der Partei lediglich das<br />
zu veröffentlichen, was der harmonischen Existenz der Gesellschaft zuträglich ist.<br />
Kritik können sich nur ausländische Journalisten leisten.<br />
Anpfiff: Olympia soll Medien liberalisieren<br />
Die Medien werden jegliche Freiheit für die Berichterstattung haben, wenn China<br />
die Olympischen Spiele bekäme, sagte Wang Wei, der Generalsekretär des Pekinger<br />
Bewerbungskomitees 2001 und überzeugte damit das Internationale Olympische<br />
Komitee. Seither hat sich in China einiges getan. Immerhin 60 Prozent der vom<br />
Foreign Press Club of China befragten Reporter haben 20<strong>07</strong> keine Behinderungen<br />
bei der Arbeit gehabt, die Informationsbereitstellung von offizieller Seite habe<br />
sich erheblich verbessert. Zum Beispiel gebe es jetzt bei Pressekonferenzen immer<br />
englische Übersetzer. Auch seien die lokalen Autoritäten eher gewillt zu helfen<br />
als früher und würden weniger Gewalt anwenden. Doch es bleibt noch ein langer<br />
Mängelkatalog: Der Zugang zu Brennpunkten wie Tibet ist nach wie vor stark<br />
beschränkt; Reporter müssen weiterhin mit Verhaftungen, Kontrollen<br />
und Durchsuchungen rechnen; es werden anhaltende Einschüchterung<br />
von Zeugen und Kontaktpartnern sowie die Behinderung<br />
der chinesischen Medien beklagt. An Letztere war Wang<br />
Weis Versprechen ohnehin nicht gerichtet. Das Einzige, was<br />
in chinesischen Zeitungen stimme, sei das Datum, so die öffentliche<br />
Meinung der Chinesen über die Lage im Land. Und<br />
obwohl Zeitungsredakteure ausländischen Journalisten gegenüber<br />
gern erzählen, es gäbe keine Zensur in ihren Blättern, berichten<br />
Mitarbeiter kleiner Lokalblätter, wie es wirklich funktioniert. „Die<br />
Schere ist immer in unserem Kopf“, sagt auch Wang Xiaoshan, ehemals<br />
leitender Kulturredakteur der Neuen Pekinger Zeitung in<br />
einem Interview mit der ZEIT. Man habe bereits ein Gefühl dafür<br />
entwickelt, was man besser nicht schreiben sollte. Die Entwicklung<br />
dieses Gefühls wird durch Anweisungen von oben<br />
gern gefördert. Und sollte das nicht helfen, hagelt es saftige<br />
Geldstrafen, Entlassungen und Haft. Wang Xiaoshan ist nicht<br />
umsonst ein Ehemaliger.<br />
Die KP meint, Maßregelungen seien gerechtfertigt, denn die Aufgabe<br />
der Partei sei es schließlich, den Staat und seine Bürger zu<br />
schützen. Gerade Olympia ist ein wunderbarer Vorwand, um<br />
die Daumenschrauben anzuziehen. Die Pekinger Stadtpolizei<br />
kündigte am 8. Mai <strong>2006</strong> an, mittels ‚Umerziehung durch<br />
Arbeit‘ die Stadt bis zu den Olympischen Spielen säubern<br />
zu wollen. Außerdem startete die KP von August bis Oktober<br />
20<strong>07</strong> eine Offensive gegen die Medien. Es gehe