Magisterarbeiten 2006/07
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nEssay<br />
20<br />
Computerspiele:<br />
Aggressionsschürer oder bloßer Zeitvertreib?<br />
Peter sitzt mal wieder vorm PC – eigentlich wie jeden Tag um diese Zeit. Es ist zwölf Uhr<br />
mittags. Gerade ist er aufgestanden: Dieselben Klamotten wie gestern Abend, strähnige<br />
Haare, blasses Gesicht. Noch etwas schlaftrunken und mit mehreren Dosen eines Powerdrinks<br />
bewaffnet, steuert er zielstrebig auf seinen Computer zu. Nun kann er endlich wieder in seine<br />
Von Julia Leupold<br />
Welt voller Fabelwesen, Mythen und Heldentaten eintauchen…<br />
Computerspiele prägen unsere heutige Gesellschaft.<br />
Was mit „Tennis for two“ 1958<br />
als technischer Versuch an einer Universität<br />
begann, hat sich in den vergangenen fünfzig<br />
Jahren zu einer gigantischen Industrie mit<br />
eigener Spielkultur entwickelt. Dennoch wird<br />
immer wieder Kritik an Computerspielen und<br />
ihrer Wirkung auf den Einzelnen geübt: Sie seien gewaltverherrlichend<br />
und machten abhängig. Demgegenüber stehen die<br />
Spieler, die soziale Kontakte aufbauen und ihre eigenen Grenzen<br />
austesten wollen.<br />
Nachgewiesen werden konnte, dass Computerspiele<br />
die Aggressivität bei Kindern fördern und die Empathie<br />
herabsetzen.<br />
Eines scheint festzustehen: Exzessives Computerspielen ist<br />
nicht nur ein Problem der jüngeren Generation. Nahezu alle<br />
Altersschichten sind von diesem Trend betroffen. Dennoch ist<br />
ein durchschnittlicher Spieler auszumachen:<br />
Er ist männlich, zwischen 18 und<br />
23 Jahren alt und sitzt täglich bis zu acht<br />
Stunden vorm PC. Doch warum spielt er?<br />
Nach einem Artikel des Bundesverbandes<br />
der Verbraucherzentrale „Die Bedeutung<br />
der Computerspiele im Medienalltag von<br />
Kindern“ sind die Ursachen vielfältig. So<br />
führten vor allem der Aufforderungscharakter<br />
der Spiele sowie die Langeweile<br />
von Kindern und Jugendlichen zum Gebrauch<br />
von Computerspielen. Auch die Abfrage unterschiedlicher<br />
Fähigkeiten, wie Reaktionsschnelligkeit oder taktisches<br />
Geschick, und die Realisierung eigener Wunschträume über<br />
„elektronische Stellvertreter“ werden als Ursachen benannt.<br />
Wissenschaft: viele Studien – viele Ergebnisse<br />
Jessica Nicoll und Kevin M. Kieffer von der Saint Leo Universität<br />
beschäftigten sich mit der Frage, ob Computerspiele<br />
aggressives Verhalten fördern. Sie untersuchten die Forschungs-<br />
ergebnisse der letzten zwanzig Jahre und kamen zu folgendem<br />
Ergebnis: Durch brutale Computerspiele entstehen aggressive<br />
Verhaltensmuster. So ist bei Jugendlichen, die für kurze<br />
Zeit ein brutales Computerspiel nutzen, eine Steigerung des<br />
aggressiven Verhaltens gegenüber anderen Menschen zu<br />
beobachten. Auch Studien aus Deutschland kommen zu ähnlichen<br />
Ergebnissen. Psychologen der Ruhruniversität Bochum<br />
haben in einer aufwendigen Studie über einen Zeitraum von<br />
acht Monaten 153 Jungen und 127 Mädchen im Alter von<br />
acht bis vierzehn Jahren untersucht. Nachgewiesen werden<br />
konnte, dass Computerspiele die Aggressivität bei Kindern fördern<br />
und die Empathie herabsetzen. Somit scheint die negative<br />
Wirkung auf das Verhalten von Kindern bewiesen zu sein.<br />
Doch sind die Ergebnisse auch verallgemeinerbar?<br />
Brutale Spiele riefen zwar keine Aggressionen hervor, so Dr.<br />
Jürgen Fritz, Professor für Spiel- und Interaktionspädagogik<br />
an der FH Köln, in seinem Artikel „Fördern Computerspiele die<br />
Gewaltbereitschaft?“. Jedoch könnten sie bereits vorhandenes<br />
Aggressionspotenzial in aggressives Verhalten überführen. Außerdem<br />
ergäben sich bei Spielern Probleme im menschlichen<br />
Zusammenleben. Emotionen wie Mitgefühl<br />
oder Mitleid können zurückgedrängt werden,<br />
da der Spieler auf Verletzungen seines<br />
Gegners keine Rücksicht nimmt. Auch<br />
andere Wissenschaftler, wie Caroline Oppl<br />
von der Freien Universität Berlin, vertreten<br />
diese Auffassung: „Wir haben festgestellt, dass gewalttätige<br />
Computerspiele die Kinder nicht aggressiver<br />
machen, sondern dass aggressive Kinder zu gewalttätigen<br />
Computerspielen tendieren.“<br />
Fazit: Die Ergebnisse der Studien sind widersprüchlich. Somit<br />
scheint es schwierig, eindeutige und verallgemeinerbare<br />
Aussagen zur Wirkung von Computerspielen zu treffen. Die<br />
unüberschaubare Anzahl von Spielen macht es schwer, Kriterien<br />
zu definieren und zu entscheiden, welches Spiel auf<br />
wen wie wirkt. Auch die angewandten Methoden liefern keine<br />
repräsentativen Aussagen. Ein allgemeiner Konsens zwischen<br />
den Wissenschaftlern besteht zumindest darin, dass Computerspiele<br />
kurzfristig keine neuen Einstellungen schaffen. Dennoch<br />
können sie durchaus zur Stabilisierung und Verstärkung<br />
bereits vorhandener Dispositionen beitragen.