Magisterarbeiten 2006/07
Magisterarbeiten 2006/07
Magisterarbeiten 2006/07
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
nHomestory<br />
32<br />
Von Stefanie Sachsenröder<br />
Das Pendeln ist des Dozenten Frust?<br />
Prof. Kammer zwischen Heimweh und Fernsucht<br />
Es ist kurz nach 20 Uhr, als Prof. Dr. Manfred Kammer<br />
das MuK-Institut an einem regnerischen Abend<br />
verlässt. Bewaffnet mit seinem Notebook und<br />
einem Regenschirm tritt er seinen Nachhauseweg<br />
durch Halles Innenstadt an. Man könnte meinen, der Institutsdirektor<br />
würde an einem solchen Schlecht-Wetter-Tag in<br />
Melancholie verfallen, denn ‚zu Hause‘ wartet heute niemand<br />
auf ihn. Prof. Kammer, so muss man wissen, gehört zu jenen<br />
Dozenten des Instituts, die nur am Wochenende zu ihren<br />
Familien nach Hause reisen. Doch mit einem Lächeln auf den<br />
Lippen stapft er vorbei an den Pfützen und kleinen Regenbächen,<br />
welche die Straßen hinabfließen. Was er heute an so<br />
einem tristen Abend noch vorhat? Nichts Besonderes: „Ich werde<br />
einige Filme ansehen, die ich mir im Laufe der letzten Woche<br />
aufgenommen habe.“ Als Medienwissenschaftler sieht er es als<br />
seine Pflicht an, immer up-to-date zu sein.<br />
Wochenenden und Feiertage gehören der Familie<br />
– und nur ein bisschen der Uni.<br />
Einige Querstraßen und Regenpfützen weiter hat Prof. Kammer<br />
sein Ziel erreicht: Seine Zweitwohnung in Halle. „In meinem<br />
Ein-Zimmer-Apartment geht es mir gut, die 42 Quadratmeter<br />
reichen mir vollkommen aus. Da stört es mich auch nicht, dass<br />
sich die Küche im Wohnzimmer befindet.“ Der Professor zieht<br />
seine durchnässten Schuhe aus, schlüpft in warme Pantoffeln<br />
und geht direkt auf sein Telefon zu. Warum er sich nicht erst<br />
etwas zu Essen kocht? Mit einem Schmunzeln verrät er: „Meine<br />
Frau beschwert sich oftmals darüber, dass ich zu selten<br />
anrufe.“ Doch als er die Nummer gewählt hat, geht niemand<br />
ans Telefon. „Wahrscheinlich ist sie gerade damit<br />
beschäftigt, Klassenarbeiten zu bewerten“, mutmaßt<br />
Prof. Kammer und nimmt sich vor, es später<br />
noch einmal zu probieren.<br />
Seit nunmehr 20 Jahren gestaltet<br />
sich das Leben<br />
des 57-Jährigen in<br />
dieser Weise: In der<br />
Woche weilt er fernab<br />
von Frau und Tochter<br />
und kehrt nur für wenige<br />
gemeinsame Stunden<br />
an den Wochenenden in<br />
das traute Heim zurück.<br />
– Begonnen hat alles 1981<br />
in Siegen. Damals lockte ihn<br />
der interessante Sonderforschungsbereich<br />
an der dortigen<br />
Universität aus seiner<br />
Heimatstadt Aachen weg. Als wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter lernte er so schon früh, Berufliches von<br />
Privatem trennen zu müssen. Etwas anderes blieb ihm auch nicht<br />
übrig, denn „bei der Familie sein zu wollen, ohne einen Job<br />
zu haben, geht nicht“, stellt Prof. Kammer mit einem etwas<br />
traurigen Blick fest. Dennoch bereut er keinen seiner ‚Karrie-<br />
reschritte‘, die er von Siegen über die Keio-Universität in<br />
Tokio und schließlich in die Saalestadt gegangen ist. „Ich fühle<br />
mich hier am Institut sehr wohl, das Unileben gefällt mir.“<br />
Das Heimweh beherrscht also nicht alle seine Sinne? „Nein,<br />
meine Familie und ich haben uns an die Situation gewöhnt,<br />
da ich meinen beruflichen Werdegang noch nie vom Ort abhängig<br />
gemacht habe.“ Das bedeutet aber nicht, dass er die<br />
wenige gemeinsame Zeit freiwillig hergeben würde: „Ich bin<br />
bemüht, jedes Wochenende zu Hause in Aachen zu verbringen<br />
und möglichst wenig Arbeit dorthin mitzunehmen.“ Doch<br />
obwohl der Institutsdirektor lange Arbeitstage im MMZ verbringt,<br />
bleibt auch für die Wochenenden genug Arbeit liegen.<br />
Diese nimmt er sich für die sechsstündigen Zugfahrten vor:<br />
„In diesen Stunden kann ich mich zum Beispiel wunderbar der<br />
Korrektur von Hausarbeiten widmen.“ Oft nimmt sich Kammer<br />
vor, am Wochenende die Uni ganz und gar hinter sich zu<br />
lassen. Doch nur selten gelingt ihm dies: „Durch die modernen<br />
Kommunikationsmittel ist man heutzutage ja kaum noch<br />
privat. Das führt dazu, dass ich auch zu Hause oftmals online<br />
bin.“ Und das gefällt seiner Frau genauso wenig wie das seltene<br />
Telefonieren während der Woche.<br />
Bei diesem Gedanken scheint den Professor plötzlich<br />
das schlechte Gewissen einzuholen – er wollte<br />
doch eigentlich seine Frau anrufen! Jetzt ist<br />
die Zeit für einen zweiten Versuch.<br />
Kammer nimmt sein Telefon, wählt<br />
die Nummer und tatsächlich:<br />
Seine Frau<br />
geht ran. Sie<br />
fragt, warum<br />
er sich so<br />
lange nicht<br />
gemeldet<br />
habe und ob er<br />
an diesem Wochenende<br />
nach<br />
Hause komme.<br />
Ja, er komme<br />
nach Hause. Und<br />
zum Glück seien es<br />
ja nur noch zwei Tage bis dahin… n