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Auf fremdem Terrain – Wenn Männer pflegen - Bundesministerium ...

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<strong>Auf</strong> <strong>fremdem</strong> <strong>Terrain</strong> <strong>–</strong><br />

<strong>Wenn</strong> <strong>Männer</strong> <strong>pflegen</strong>


1<br />

Inhalt<br />

Vorwort .......................................................................................................................................................................................... 5<br />

<strong>Wenn</strong> <strong>Männer</strong> <strong>pflegen</strong> <strong>–</strong> eine thematische Einführung<br />

Martin Rosowski/Andreas Ruffing ..................................................................................................................................... 7<br />

Sieben auf <strong>fremdem</strong> <strong>Terrain</strong> <strong>–</strong> die Porträts<br />

Tonio Postel ................................................................................................................................................................................... 17<br />

Rodolfo Banton <strong>–</strong> der Familienmanager ................................................................................................................ 18<br />

Martin Meister <strong>–</strong> der Kümmerer ................................................................................................................................ 24<br />

Michael Karge <strong>–</strong> der <strong>Auf</strong>opferer .................................................................................................................................. 30<br />

Siegfried Fink <strong>–</strong> der Vertraute ...................................................................................................................................... 36<br />

Frank Geißler <strong>–</strong> der Unentbehrliche ......................................................................................................................... 42<br />

Ingo Dahmer <strong>–</strong> der Kreative .......................................................................................................................................... 48<br />

Adil Karakus <strong>–</strong> der Sinnsucher .................................................................................................................................... 56<br />

Literatur/Links ........................................................................................................................................................................... 62<br />

Die Autoren und die Fotografin ........................................................................................................................................ 62


Vorwort Denn sie ist besonders<br />

für diejenigen<br />

ein attraktives Angebot,<br />

die einen Vollzeitjob<br />

mit der Pflege<br />

„Pflege ist weiblich“ ist ein oft gehörter Ausspruch. eines Angehörigen<br />

Er spielt darauf an, dass derzeit vor allem Frauen vereinbaren müssen.<br />

in der Angehörigenpflege wie im professionellen Und das sind zurzeit<br />

Pflegesektor tätig sind. Allerdings gibt es auch<br />

immer mehr <strong>Männer</strong>, die umfassend Zeit und Ver-<br />

vor allem <strong>Männer</strong>.<br />

antwortung in der Pflege übernehmen: Während Mit unserem neuen Bundesfreiwilligendienst<br />

sie Anfang der 90er-Jahre mit nur 17 Prozent an können da neben <strong>Männer</strong> und Frauen <strong>–</strong> auch<br />

der Pflege beteiligt waren, sind es heute bereits gut über 27 Jahre <strong>–</strong> unter ande rem Einblicke in die<br />

30 Prozent. Diese <strong>Männer</strong> dürfen wir bei unserem Pflegeberufe gewinnen, die sie möglicherweise<br />

Bild über Pflege nicht länger ausschließen!<br />

In Deutschland werden mehr als zwei Drittel<br />

bis lang weniger in ihre Berufswahl mit einbezogen<br />

haben.<br />

der Pflegebedürftigen zu Hause versorgt. Die Noch ist die Übernahme von Pflegeaufgaben lei-<br />

An gehörigen gehen dabei häufig bis an die Gren- der für viele mit Rollenklischees verbunden und<br />

zen ihrer Belastbarkeit. Um sie zu entlasten, für <strong>Männer</strong> daher nicht selbstverständlich. Damit<br />

haben wir in diesem Jahr das Gesetz zur Verein- sich das ändert, ist es wichtig, die Geschichten<br />

barkeit von Pflege und Beruf beschlossen. Die von <strong>Männer</strong>n, die Verantwortung in der Pflege<br />

Familienpflegezeit trägt u. a. dazu bei, dass die Ver- übernehmen, zu erzählen und ihre Leistung einer<br />

einbarkeit von Pflege und Beruf nicht länger nur<br />

als <strong>Auf</strong>gabe von Frauen wahrgenommen wird.<br />

breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.


Die vorliegende Broschüre leistet dazu einen Ich danke allen herzlich, die an Konzeption und<br />

wich tigen Beitrag. Sieben <strong>Männer</strong> werden auf den Erstellung der Broschüre beteiligt waren! Mein<br />

nachfolgenden Seiten porträtiert. Nach Herkunft besonderer Dank gilt den porträtierten <strong>Männer</strong>n<br />

und Lebenssituation unterschiedlich, verbinden und ihren Angehörigen, die uns mit großer Offensie<br />

jedoch neue und bereichernde Erfahrungen, heit Einblick in ihr Leben und ihren Pflegealltag<br />

die sie auf dem „fremden <strong>Terrain</strong>“ der Pflege gegeben haben. Ihrem Mut und ihrer täglichen<br />

machen. Besonders beeindruckt hat mich: Sie Leistung gelten mein Respekt und meine Anerbe<br />

schönigen dabei nichts, dennoch hat keiner<br />

von ihnen den Schritt, den er gegangen ist, bereut.<br />

„Pflege <strong>–</strong> eine <strong>Männer</strong>sache?“ Für diese sieben ist<br />

die Antwort klar!<br />

kennung!<br />

Dr. Kristina Schröder<br />

Bundesministerin für Familie, Senioren,<br />

Frauen und Jugend


Von Martin Rosowski und Andreas Ruffing<br />

<strong>Wenn</strong> <strong>Männer</strong> <strong>pflegen</strong> <strong>–</strong><br />

eine thematische Einführung<br />

Rodolfo Banton und Martin Meister sind Män- alltäg lichen Hilfestellung für jemanden, der sich<br />

ner, die in unterschiedlichen kulturellen und nicht selbst helfen kann! Alle fünf bewältigen<br />

sozialen Umständen leben. Eines aber haben sie ihren Alltag „auf <strong>fremdem</strong> <strong>Terrain</strong>“ auf ihre je<br />

gemeinsam: Sie übernehmen Verantwortung für eigene Art und Weise, jeder engagiert, aufopfedie<br />

Pflege naher Angehöriger. Beide stellen wie rungsvoll, kreativ und liebevoll <strong>–</strong> genauso wie<br />

die anderen fünf <strong>Männer</strong>, deren Geschichten im die beiden hier vorgestellten <strong>Männer</strong>, die im<br />

Folgenden erzählt werden, zumindest zum Teil Freiwilligen Sozialen Jahr und als Pfleger in der<br />

ihr Leben in den Dienst pflegebedürftiger Men- professionellen Pflege tätig sind. Uns, die wir als<br />

schen. Wie schwierig und doch herausfordernd, Herausgeber, Autor und Fotografin diese Mänwie<br />

verzweifelt und doch hoffnungsvoll, wie frus- ner um ihre Erlebnisse und Erfahrungen gebeten<br />

trierend und doch erfüllend sich ihr Lebensalltag haben, haben diese Geschichten tief beeindruckt.<br />

gestaltet, das können wohl nur die so richtig nach- In unseren Porträts <strong>–</strong> so hoffen wir <strong>–</strong> kommen<br />

fühlen, die sich in einer ähnlichen Lebenssitua- unser Respekt und unsere Bewunderung für dietion<br />

befinden. se <strong>Männer</strong> zum Ausdruck:<br />

Fünf der sieben porträtierten <strong>Männer</strong> haben Rodolfo Banton, der „Familienmanager“, sorgt<br />

sich, wie so viele <strong>pflegen</strong>de Angehörige auch, ihre mit seiner Familie für Dean, den autistischen<br />

Situation nicht ausgesucht. Von heute auf mor- Sohn. Der Zehnjährige lebt in seiner eigenen<br />

gen standen sie vor einer Entscheidung, die ihr Welt, braucht bei allen alltäglichen Dingen Unter-<br />

Leben grundlegend verändern und sie in Lebens- stützung und Hilfe. Rodolfo organisiert das kleisituationen<br />

bringen würde, die ihnen, die uns ne Netzwerk der Familie, in der neben Rodolfo<br />

<strong>Männer</strong>n insgesamt, fremd sind: die Welten der die berufstätige Mutter und die beiden älteren


Stiefsöhne ohne fremde Hilfe ihren manchmal Eigentlich will Frank Geißler, der „Unentbehrrecht<br />

nervenden Sonnenschein versorgen. liche“, Jura studieren und in der Wirtschaft einen<br />

lukrativen Job antreten. Das hindert ihn aber<br />

Martin Meister, der „Kümmerer“, ist als leitender nicht daran, seinen Horizont zu erweitern und<br />

Redakteur einer renommierten Zeitschrift voll sich im Rahmen des freiwilligen sozialen Jahres<br />

in seinen Beruf eingespannt. Und doch managt in einem Altenheim zu engagieren. Frank hat seier<br />

den Alltag seiner nicht mehr selbstständigen ne Entscheidung selbstständig getroffen, weil er<br />

84-jährigen Mutter, mit der er, seine Frau sowie Einblicke in einen Lebensbereich gewinnen wollzwei<br />

Töchter unter einem Dach wohnen. Mar- te, der ihn „menschlich weiterbringen“ soll. Die<br />

tin sorgt für das tägliche gemeinsame Frühstück, Kolleginnen und die in der Mehrzahl Bewohner-<br />

Essen auf Rädern, Einkäufe, Arzt- und Friseurbe- innen des Heimes werden den jungen Mann, von<br />

suche, die Gesellschaft von Menschen … Er „küm- denen es in diesem Berufsfeld wenige gibt, nach<br />

mert“ sich halt um seine Mutter. seinem Weggang vermissen.<br />

Michael Karge, der „<strong>Auf</strong>opferer“, hat nicht Für Ingo Dahmer hätten wir viele Titel gehabt<br />

gedacht, dass sein „Blind Date“ ein schwer körper- <strong>–</strong> der Kreative, der Erfinder, der Entschiedene <strong>–</strong>,<br />

lich beeinträchtigter und hilfsbedürftiger junger seine in jeder Hinsicht anpackende Art ist ein-<br />

Mann im Rollstuhl sein würde. Heute ist er sein fach ermutigend! Ingo hat unmittelbar nach dem<br />

Lebenspartner und gibt ihm die Pflege, die ein schicksalsschweren Tag, der seine Frau in einen<br />

schwer HIV-infizierter Mensch braucht. Dabei ist Zustand des sogenannten Wachkomas versetzt<br />

Michael selbst seit langen Jahren aus Krankheits- hatte, seine Arbeit gekündigt, um voll für sie<br />

gründen Frührentner. und die Familie mit vier Kindern da zu sein. Er<br />

ist ein verantwortungsvoller, aktiver Vater und<br />

Siegfried Fink, wir nennen ihn den „Vertrauten“, hat der Krankheit seiner Frau den Kampf erklärt.<br />

weicht nicht vom Bett seiner infolge eines Schlag- In ganz kleinen Schritten, die er mit viel Kreatianfalles<br />

gelähmten Frau. 48 Jahre haben die bei- vität und technisch-medizinischem Know-how<br />

den unzertrennlich werden lassen. Gemeinsam gestaltet, folgen Ingo, Christine und die Kinder<br />

mit den Profis bemüht sich Siegfried darum, seiner<br />

Lucia das ans Bett gefesselte Leben so erträglich wie<br />

der Devise „Never give up!“.<br />

möglich zu machen. Sich gegenseitig Kraft gebend, Adil Karakus, der „Sinnsucher“, schließlich hat als<br />

hoffen der gesellige Bayer und seine Ehefrau auf Pfleger in der ambulanten Pflege seinen Traum-<br />

Besserung ihres Gesundheitszustandes. beruf gefunden. Noch arbeitet er auf 400-Euro-


Basis beim „Transkulturellen Pflegedienst“ in deutlich machen, was fehlt, um mehr Geschlech-<br />

Hannover. Aber sobald er den Führerschein hat,<br />

hofft er auf eine Festanstellung. Menschen zu<br />

tergerechtigkeit in der Pflege zu gewährleisten!<br />

helfen, die pflegebedürftig sind, das ist für den Demografischer Wandel als<br />

38-jährigen Muslim nun endlich der Beruf, der geschlechterpolitische Herausforderung<br />

ihn zufriedenstellt. Da macht es ihm auch nichts Der demografische Wandel macht die Frage nach<br />

aus, dass manche seiner Freunde sich über seine der Pflege in unserer Gesellschaft zu einem sozi-<br />

Berufswahl wundern. Adil will anderen etwas al- und zugleich geschlechterpolitischen Thema<br />

Gutes tun, in der ambulanten Pflege kann er dies ersten Ranges. Die Zahlen aller ernst zu nehnun<br />

Tag für Tag unter Beweis stellen. menden Statistiken sind nicht zu verleugnen:<br />

Unsere Gesellschaft wird älter <strong>–</strong> im Jahr 2050<br />

Warum erzählen wir diese Geschichten? Viel- wird jede und jeder Dritte über 65 Jahre und etwa<br />

leicht, weil sie nicht die Normalität der Pflege in jede und jeder Siebte unter 20 Jahre alt sein. Dabei<br />

unserem Lande darstellen, in dem weitaus mehr hat sich die Lebensphase des Alters in den ver -<br />

Frauen als <strong>Männer</strong> in der häuslichen wie in der gangenen Jahren radikal verändert. Der 10. Altenprofessionellen<br />

Pflege tätig sind. Vielleicht aber bericht der Bundesregierung spricht von den<br />

auch gerade deshalb, weil es sie eben auch gibt, Chancen neuer Rollenbilder des Alters. Die Mendie<br />

<strong>pflegen</strong>den <strong>Männer</strong>. Weil wir sie brauchen und schen jenseits des Berufslebens sind heute für eine<br />

weil wir anderen <strong>Männer</strong>n, jungen und alten, Mut relativ lange Zeit noch fit, flexibel, gesund und<br />

machen wollen, diesen Weg zu gehen. Die Gen- einsatzfähig. Häufig schließt sich eine gebrechderanalyse<br />

des Themas Pflege beginnt heute fast liche Hochaltersphase an. Immer mehr Menimmer<br />

negativ: „Die Last der Pflege trägt der weib- schen bedürfen eines hohen Maßes an Pflege in<br />

liche Teil unserer Gesellschaft.“ Sie beginnt eben den letzten Jahren ihres Lebens und immer mehr<br />

nicht: „Bereits heute sind fast 30 Prozent <strong>Männer</strong> Menschen im erwerbsfähigen Alter werden in<br />

an der Pflege ihrer Partnerinnen beteiligt.“ Damit absehbarer Zeit vor der Herausforderung stehen,<br />

dieser Anteil höher wird, damit <strong>Männer</strong> Bemü- Pflegeverantwortung für eine ihnen nahestehenhungen<br />

unternehmen, Beruf und Pflege in Einklang<br />

zu bringen, damit mehr junge <strong>Männer</strong> in<br />

de Person zu übernehmen.<br />

<strong>pflegen</strong>den Berufen eine berufliche Perspektive Die Pflege zu Hause wie im ambulanten und statisehen<br />

<strong>–</strong> dazu haben wir diese Broschüre gemacht. onären Dienst wird vorwiegend von Frauen geleis-<br />

Die Geschichten unserer „<strong>Männer</strong> auf <strong>fremdem</strong> tet. Anders als bei der Kindererziehung, scheinen<br />

<strong>Terrain</strong>“ sollen ermutigen, aber zugleich auch viele <strong>Männer</strong> die häusliche Pflege von Angehöri-


gen weiterhin den Frauen zu überlassen. Während Dennoch sind die <strong>Männer</strong> deutlich aktiver an der<br />

Frauen wegen der Übernahme von Pflegeaufga- Pflege beteiligt, als allgemein angenommen und<br />

ben die Erwerbsarbeit oft einschränken oder sogar immer wieder behauptet wird. <strong>Auf</strong>fallend ist: Der<br />

einstellen, sind <strong>Männer</strong> dazu erheblich weniger Anteil der <strong>pflegen</strong>den <strong>Männer</strong> hat in den letzten<br />

bereit. Hier gelten die gleichen Argumente, wie sie Jahrzehnten deutlich zugenommen. Waren es<br />

für das Thema der Vereinbarkeit von Vaterschaft 1991 noch 17 Prozent, sind es heute bereits ca.<br />

und Beruf längst überholt zu sein scheinen: Die 30 Prozent. Hinter diesen Zahlen verbirgt sich die<br />

Unterbrechung oder Reduzierung der Erwerbsar- große Gruppe der älteren <strong>Männer</strong>, die ihre Partbeitszeit<br />

wird sich als Karrierehemmnis erweisen; nerin <strong>pflegen</strong>. Während der Berufsphase dagegen<br />

einem männlichen Mitarbeiter wird die Pflege- kommen <strong>Männer</strong> in der Pflege seltener vor. Es ist<br />

zeit vom Rollenverständnis her nur sehr unwillig höchste Zeit, dass sich das ändert. Wir brauchen<br />

zugestanden; der Verdienstausfall beim Mann ist ein neues gesellschaftliches Bewusstsein dafür,<br />

aufgrund seines in der Regel besseren Einkom- dass Fürsorge wie auch Pflege selbstverständmens<br />

nicht zu verkraften. liche Elemente männlicher Identität darstellen.<br />

Nur eine grundsätzliche und nachhaltige Neube-<br />

Nach wie vor stellen also Frauen in Deutschland wertung der Pflegearbeit wird gerade auch jun-<br />

70 Prozent der Hauptpflegepersonen: Ehefrauen, ge <strong>Männer</strong> ermutigen, in Pflegeberufen tätig zu<br />

Töchter, Schwieger- oder Enkeltöchter. Noch eindeutiger<br />

ist die weibliche Dominanz in der pro-<br />

werden.<br />

fessionellen Pflege. Nach den Angaben der Pfle- <strong>Wenn</strong> <strong>Männer</strong> <strong>pflegen</strong> <strong>–</strong> <strong>pflegen</strong> sie anders<br />

gestatistik 2009 beträgt der Frauenanteil in den Gesamtgesellschaftlich betrachten <strong>Männer</strong> in<br />

ambulanten Pflegediensten 87 Prozent und in den der Mehrzahl die Pflege als bisher nicht zu ihren<br />

Pflegeheimen 85 Prozent. Zu Recht wird in diesem <strong>Auf</strong>gaben gehörig. Sie halten die professionellen<br />

Zusammenhang eine gerechtere Lastenvertei- Pflegeeinrichtungen für am besten geeignet, sich<br />

lung zwischen <strong>Männer</strong>n und Frauen angemahnt. fach- und menschengerecht um alte, kranke und<br />

Die von der Bundesregierung gemeinsam mit behinderte Menschen zu kümmern. Nur wenige<br />

den Ländern und Verbänden gestartete „Ausbil- sind zudem bereit, eine Reduzierung der Arbeitsdungs-<br />

und Qualifizierungsoffensive Altenpfle- zeit anzustreben, um sich, in welcher Form auch<br />

ge“ zielt u. a. auch darauf ab, mehr <strong>Männer</strong> für immer, der Pflege einer angehörigen Person zu<br />

das zukunftsträchtige Berufsfeld zu begeistern. widmen. Sie befürchten Nachteile am Arbeits-<br />

Damit können in diesem Bereich Fortschritte platz oder die bereits beschriebenen Einbußen im<br />

erzielt werden. Einkommen. Pflege gehört offensichtlich nicht


zum männlichen Rollenselbstverständnis. Doch Von einer Scheu vor der Nähe zum Körper, die viedas<br />

bedeutet eben nicht, dass sich <strong>Männer</strong> gene- len <strong>Männer</strong>n in der Pflege nachgesagt wird, kann<br />

rell der Pflegeverantwortung entziehen, wenn sie bei den von uns porträtierten <strong>Männer</strong>n allerdings<br />

in ihrer Lebenssituation von einem Pflegefall im keine Rede sein. Sicherlich spiegelt sich in ihren<br />

unmittelbaren Beziehungsumfeld, bei Krankheit Geschichten eine Art der Pflege, die eher <strong>Männer</strong>n<br />

der Frau oder Behinderung eines Kindes bei- zugeschrieben wird. So bringen sie ihre beruflichen<br />

spielsweise, betroffen sind. Viele <strong>Männer</strong> begeg- Erfahrungen und handwerklichen Talente in den<br />

nen dieser Situation mit großem Engagement und Pflegealltag ein. Ob der durch Seilwinde betrietun<br />

es aus einer Art freiwilliger Verpflichtung bene Hebelift, die Krankenhausbettkonstruktion<br />

heraus. Liebe und Dankbarkeit sind die Motive im ehelichen Schlafzimmer oder die Software zur<br />

dieser <strong>Männer</strong>. Viele wollen als Pflegende zurück- Steuerung von Kommunikation durch das Auge<br />

geben, was sie im Laufe ihrer Partnerschaft an der Kranken, das sind Beispiele für solche tech-<br />

Zuwendung und Unterstützung erhalten haben, nische Kreativität. Doch die meisten unserer Mänoder<br />

aber sind es nach eigenem Gefühl ihrer Part- ner übernehmen auch die alltägliche Körperpflenerschaft<br />

schuldig. ge ihrer Angehörigen. So wird deutlich: Pflegende<br />

<strong>Männer</strong> passen in keine Schublade der Geschlech-<br />

<strong>Männer</strong> sehen, wenn sie <strong>pflegen</strong>, hierin vor allem terrollenzuweisung <strong>–</strong> es wird eben getan, was getan<br />

eine <strong>Auf</strong>gabe, die organisiert und bewältigt werden<br />

muss. Dazu nehmen sie frühzeitig professio-<br />

werden muss, auf die jeweils ureigene Art!<br />

nelle Hilfe, vor allem für die körpernahen Pflege- Rahmenbedingungen für Pflege heute<br />

aufgaben, in Anspruch und bemühen sich um eine Viele zu <strong>pflegen</strong>de wie auch <strong>pflegen</strong>de Menschen<br />

begleitende reibungslose Pflegelogistik. Durch wünschen sich nichts sehnlicher als die Pflege<br />

eine gewisse technisch-organisatorische Syste- im eigenen Zuhause. Das sagen auch die von uns<br />

matik beugen sie vielfach der Gefahr der Selbst- porträtierten <strong>Männer</strong>, die Angehörige <strong>pflegen</strong>:<br />

ausbeutung und der emotionalen Überforderung Ein Heim wäre für ihren Partner, ihre Partnevor.<br />

In den Statistiken macht sich das in einem rin, ihr Kind nicht infrage gekommen. Es gilt in<br />

geringeren Belastungsgefühl gegenüber der Pfle- unserer Gesellschaft als zunehmend political corge<br />

und selteneren depressiven Krankheitsbildern rect, Angehörige in den eigenen vier Wänden zu<br />

bei den meisten <strong>Männer</strong>n bemerkbar. Möglicher- <strong>pflegen</strong>. Was aber, wenn die Kräfte dafür nicht<br />

weise können viele Frauen, die sich von der Pflege- mehr reichen, wenn ein Stadium erreicht ist, in<br />

situation daheim nahezu „aufgefressen“ fühlen, dem nur noch eine stationäre Pflege wirklich das<br />

von diesem systematischen Selbstschutz auch ist, was hilft, wenn die Demenz so weit fortgeetwas<br />

lernen. schritten ist, dass der zu Pflegende eine Gefahr


für sich selbst und andere wird, weil er wegläuft derte Onlineportal www.<strong>pflegen</strong>-und-leben.de<br />

oder aggressiv wird? Oder wenn die Angehörigen<br />

gar nicht mehr am Ort der zu Pflegenden wohnen?<br />

vorsieht.<br />

Es wäre fatal, wenn wir uns mit dem Argument Solche Gesichtspunkte dürfen angesichts der<br />

der zunehmenden Nichtfinanzierbarkeit profes- Schwerpunktsetzung auf die Frage der Finanziesioneller<br />

Pflege in falsche Alternativen drängen rung bei allen weiteren politischen Bemühungen<br />

ließen. Es gibt kein Entweder-oder: Die Menschen um eine umfassende Pflegereform nicht zu kurz<br />

in ihrer Unterschiedlichkeit brauchen das Ange- kommen. Nur eine flächendeckende wohnortbebot<br />

eines ausgewogenen Pflege-Mixes aus häus- zogene und umfassend vernetzte Organisation<br />

licher Pflege, ambulanter Unterstützung und von Beratung und Versorgung von Menschen in<br />

gegebenenfalls auch stationärer Unterbringung. Pflegesituationen, auch mit Unterstützung der<br />

freien Wohlfahrtsverbände, wird dem immer<br />

Die Verlagerung von zeitintensiver Pflege auf weiter steigenden Pflegebedarf angemessen und<br />

unterschiedliche professionelle und ehrenamt- menschenwürdig begegnen können. Dazu gehört<br />

liche Schultern schafft für die Hauptpflegeperson auch der Ausbau von Einrichtungen der Tages-<br />

Erholungsräume und Auszeiten, die den persön- und Kurzzeitpflege, die die zu Hause Pflegenden<br />

lichen Rhythmus des alltäglichen Lebens auf- erheblich entlasten und neue Perspektiven in<br />

rechterhalten und vor Überforderung, Erkran- manchmal aussichtslos und verzweifelt erscheikung,<br />

Frustration und womöglich gar Aggression<br />

und Gewalt schützen. Dazu sind der <strong>Auf</strong>bau und<br />

nenden Lebenssituationen bieten könnten.<br />

die Vernetzung von unterschiedlichen Unterstüt- Vereinbarkeit von Pflege und Beruf gewährleisten<br />

zungssystemen unersetzlich: Effektiv arbeitende <strong>Männer</strong> sind bislang unter anderem deshalb selund<br />

adäquat ausgestattete Pflegestützpunkte in ten Haupt<strong>pflegen</strong>de, weil sie allzu oft fraglos die<br />

der Region gehören ebenso dazu wie ehrenamt- ihnen zugeschriebene Rolle des Haupternährers<br />

liche Unterstützungsangebote gemeinnütziger der Familie annehmen. Doch die Geschlechter-<br />

Vereine und Verbände. Und bei alldem darf die arrangements wandeln sich. Immer mehr Frauen<br />

fachliche Aus- und Fortbildung wie die seelsor- nehmen am Erwerbsleben teil. Immer mehr<br />

gerliche, psychologische oder Coaching-Beglei- Familien orientieren ihren Lebensmittelpunkt<br />

tung aller persönlich, ehrenamtlich und profes- am Arbeitsplatz der Väter und Mütter und leben<br />

sionell <strong>pflegen</strong>den Menschen nicht vergessen oftmals weit von ihren Angehörigen entfernt.<br />

werden, wie es z. B. das vom <strong>Bundesministerium</strong> Und doch wird die Gesellschaft ohne freiwillifür<br />

Familie, Senioren, Frauen und Jugend geför- ge häusliche Pflegeaktivitäten in Zukunft nicht


auskommen. Umso wichtiger wird es sein, eine nität durch gegenseitig befriedigende Absprachen<br />

geschlechtergerechte Lastenteilung zu gewähr- mit dem Arbeitgeber zur Verfügung steht. Wie bei<br />

leisten. Dazu benötigen <strong>Männer</strong> wie Frauen Rah- der Kindererziehung auch, geht es um Fragen der<br />

menbedingungen, um Pflege <strong>–</strong> also die familiäre Heimarbeitsplätze, um flexible Arbeitszeiten oder<br />

Fürsorge über die Kindererziehung hinaus <strong>–</strong> und<br />

Beruf vereinbaren zu können.<br />

Tagesbetreuungsangebote durch den Betrieb.<br />

Solche tarifpartnerschaftlichen Arrangements<br />

Das am 1. Januar 2012 in Kraft getretene Famili- bedürfen der staatlichen Flankierung. Im Zusamenpflegezeitgesetz<br />

kommt daher zur rechten Zeit. menwirken von Betroffenen, Politik und Arbeit-<br />

Pflege ist keine Privatsache, sondern eine gesamt- gebern wird sich der Grad einer Fürsorgekultur<br />

gesellschaftliche Herausforderung, der sich Poli- unserer Gesellschaft erweisen und mit ihr der<br />

tik, Wirtschaft und Betroffene gemeinsam stellen Grad an Menschlichkeit, den diese Gesellschaft<br />

sollten. Erst wenn es gesellschaftlich und politisch<br />

ebenso unmissverständlich erwünscht ist,<br />

auszeichnet.<br />

dass <strong>Männer</strong> sich für Pflege mitverantwortlich Das Recht auf Würde <strong>–</strong> auch für die Pflegenden<br />

fühlen wie für die Erziehung der Kinder, wer- Menschen, die alt geworden sind und heute der<br />

den sich dauerhaft Veränderungen einstellen. Es Pflege durch andere bedürfen, haben in der Regel<br />

kann nicht oft genug wiederholt werden, dass hier ein Leben in Selbstbestimmung und Verantwordie<br />

gesamte Gesellschaft in der Pflicht steht und tung gelebt. Sie haben das Recht auf ein Altern<br />

eindeutige Signale senden sollte. Die Vereinbar- und ein Sterben in Würde. Um dies zu gewährleiskeitsfrage<br />

ist im Hinblick auf Familienfreund- ten, werden die beschriebenen Anstrengungen<br />

lichkeit eine Frage des wirtschaftlichen Standort- von Angehörigen und der Gesellschaft untervorteiles,<br />

die Ermöglichung von privater Pflege nommen. Doch auch die Pflegenden haben ein<br />

durch betriebliche Unterstützungssysteme wird Recht auf Würde. Dies betrifft die gesellschaftdies<br />

zukünftig in vergleichbarem Maße werden. liche Anerkennung ihrer Tätigkeit ebenso wie den<br />

Unternehmen sind angesichts eines wachsenden Schutz vor Überforderung, Erkrankung, Burn-<br />

Arbeitskräftemangels gut beraten, ihren Arbeitnehmern<br />

und Arbeitnehmerinnen Umfelder zu<br />

out, Aggression und Gewalt.<br />

schaffen, in denen berufliche und familiäre Pflich- Leider entwickeln die Krankenkassen keine zielten<br />

vereinbart werden können. Pflege erfordert gruppenspezifischen Kur- und Erholungsange-<br />

Zeit <strong>–</strong> diese kann ein Arbeitnehmer nur aufbrin- bote für Pflegende, da diese nicht in den gesetzlich<br />

gen, wenn ihm eine entsprechende Zeitsouverä- vorgegebenen Bedingungskatalog gehören, der


ausschließlich „in der direkten Erziehung Tätige“ sen, auf den ein anderer in seiner ganzen Existenz<br />

berücksichtigt. Eine geschlechtsspezifische Ana- angewiesen ist. Menschen, die <strong>pflegen</strong>, brauchen<br />

lyse der Belastungsaspekte in der Pflege durch Freiräume und Begegnungen mit Gleichge-<br />

<strong>Männer</strong> und Frauen gibt es ebenfalls nicht. In sinnten. Gesprächsgruppen für <strong>pflegen</strong>de Mänder<br />

soziologischen Forschung wird die Zielgrup- ner vor Ort <strong>–</strong> so selten sie auch noch sind <strong>–</strong> sind<br />

pe Pflegende ohnehin noch weitgehend weib- deswegen auch sehr erfolgreich. Es geht den Teillich<br />

definiert. Hier fehlt es erheblich sowohl an nehmern hier weniger um das Mitteilen ihrer<br />

wissenschaftlicher Expertise wie an konkreten Probleme als um den praktischen Austausch, wie<br />

Hilfsangeboten. der Alltag in dieser spezifischen Lebenssituation<br />

gut bewältigt werden kann <strong>–</strong> und vielfach einfach<br />

Von den heute in der sogenannten informellen auch nur darum, gemeinsam ein Bier zu trinken<br />

Pflege Tätigen leiden drei Viertel an Erkran- oder ein wenig Sport zu treiben. Hier gibt es für die<br />

kungen physischer wie psychischer Art, die durch Nachbarschaftshilfe, die Kirchengemeinden oder<br />

die Pflegebelastung verursacht werden. <strong>Männer</strong><br />

allerdings sind in dieser Gruppe eher unterreprä-<br />

die Vereine noch jede Menge zu tun.<br />

sentiert. Sie leiden offensichtlich weniger unter Ausblick<br />

der Pflegebelastung, weil <strong>Männer</strong> <strong>–</strong> wie schon Es war beeindruckend, wie wenig Forderungen<br />

erwähnt <strong>–</strong> sich besser als Frauen vor Selbstaus- unsere porträtierten <strong>Männer</strong> an Staat oder Gesellbeutung<br />

schützen können. Pflegende Frauen schaft stellten. Die Fürsorge für die ihnen Anverstehen<br />

zweifellos unter einem stärkeren gesell- trauten steht für sie im Vordergrund, nicht die<br />

schaftlichen Druck, weil <strong>–</strong> anders als bei <strong>Männer</strong>n programmatische Formulierung von Interessen.<br />

<strong>–</strong> Pflegetätigkeit von ihnen wie selbstverständlich Doch gerade deshalb ist es uns als Träger des<br />

erwartet wird. Projektes und Herausgeber der Broschüre wichtig,<br />

grundlegende Bedingungen für gute Pflege<br />

Dennoch dürfen die Belastungen <strong>pflegen</strong>der<br />

<strong>Männer</strong> nicht unterschätzt werden. Wer als Mann<br />

benannt zu haben.<br />

pflegt, bewegt sich, wie in unserem Titel ange- Die Familie Banton beispielsweise braucht flexideutet,<br />

auf <strong>fremdem</strong> <strong>Terrain</strong>. Hinzu kommt, dass ble, aufeinander abgestimmte Zeiten im Schicht-<br />

<strong>Männer</strong> nur ungern Hilfe in Fragen der Seele und dienst für Mutter und Vater, um das Familides<br />

Körpers in Anspruch nehmen. Sie lassen sich ennetzwerk organisieren zu können. Herr Meisviel<br />

eher in finanzieller oder technischer Hinsicht ter ist dankbar für die Möglichkeit, das Leben<br />

beraten. Doch auch sie erleben die Einsamkeit des- der Mutter vom Arbeitsplatz aus organisieren zu


können oder auch von zu Hause aus arbeiten zu Gelungene Beispiele für <strong>Männer</strong> in der Pflege sind<br />

dürfen, um bei ihr zu sein. Herr Karge fühlt sich daher kein Grund dafür, die Hände befriedigt in<br />

dagegen oft alleingelassen und wünschte sich den Schoß zu legen, sondern sie fordern heraus,<br />

mehr finanzielle Anerkennung für seine Pflege- nach wie vor existierende Probleme zu erkennen<br />

tätigkeit. Herr Fink wäre ohne die Unterstützung und sich politisch um tragfähige und nachhaltige<br />

der Pflegep rofis aufgeschmissen und ist dankbar Verbesserungen zu bemühen. Denn die „Sieben<br />

für die guten menschlichen Kontakte zu der jun- auf <strong>fremdem</strong> <strong>Terrain</strong>“ sollen keine exotischen<br />

gen Nachbarsfamilie, mit der er gern mal einen<br />

Grillabend gestaltet, oder für die abwechselnde<br />

<strong>Männer</strong>existenzen bleiben.<br />

Unterstützung der Söhne, die in der Nähe woh- Dank<br />

nen. Herr Geißler schätzt die zwischenmensch- Die Herausgeber sind stolz, dass es gelungen ist,<br />

lichen Erfahrungen, die er im alltäglichen dieses Projekt endlich zu verwirklichen, und<br />

Umgang mit den alten Menschen machen darf, dabei so viele Mitstreiter gefunden zu haben. An<br />

und wird vielleicht einmal sein wirtschaftliches dieser Broschüre, die die Situation von <strong>pflegen</strong>den<br />

und juristisches Studium in den Dienst einer <strong>Männer</strong>n öffentlich machen will, um deren Leis-<br />

Pflegeeinrichtung oder einer anderen sozialen tung zu würdigen und anderen <strong>Männer</strong>n, die vor<br />

Einrichtung stellen. Herr Dahmer möchte ein einer solchen Situation stehen, Mut zu machen,<br />

Vorbild für andere sein, denen er Mut geben will, waren Menschen und Institutionen beteiligt,<br />

um der Hoffnung auf Fortschritt willen die Pflege<br />

eines Menschen nicht den Institutionen zu<br />

denen es zu danken gilt.<br />

überlassen, sondern sie als ein Familienprojekt Das Bundeministerium für Familie, Senioren,<br />

zu betrachten <strong>–</strong> und dafür gibt er sich mit Hartz Frauen und Jugend lenkt mit der Finanzierung<br />

IV als Lebensunterhalt zufrieden. Herr Karakus der Broschüre die politische <strong>Auf</strong>merksamkeit auf<br />

hat zwar die Arbeit gefunden, die ihn ausfüllt, die geschlechtsspezifische Situation von Mänmerkt<br />

aber auch in seinem Umfeld, dass Berufe, nern in der Pflege und macht das Pflegethema zu<br />

in denen mehrheitlich Frauen arbeiten und die einem wichtigen Bestandteil der geschlechterpoweiblich<br />

konnotiert sind, vom sozialen Prestige<br />

her gegenüber „<strong>Männer</strong>berufen“ verlieren <strong>–</strong> um<br />

litischen Diskussion in unserer Gesellschaft.<br />

von der schlechteren Bezahlung einmal ganz zu Die <strong>Männer</strong>arbeit der EKD und die Gemeinschaft<br />

schweigen. Die <strong>Auf</strong>wertung des Pflegeberufes der Katholischen <strong>Männer</strong> Deutschlands (GKMD)<br />

<strong>–</strong> eine berufspolitische Herausforderung ersten haben bewusst die Neuauflage der empirischen<br />

Ranges <strong>–</strong> würde auch ihn stärken. <strong>Männer</strong>studie von 2008 um die Fragestellung der


Pflege erweitert. Nach der Präsentation der Ergeb- Isodora Tast, die Fotografin, macht seine Sprache<br />

nisse durch die Autoren der Studie, Paul Zulehner lebendig sichtbar. Ihre Fotos präsentieren in einund<br />

Rainer Volz, im Frühjahr 2009 haben sie die fühlsamer Genauigkeit den Alltag der <strong>pflegen</strong>den<br />

Pflege als <strong>Männer</strong>- und Genderthema etabliert <strong>Männer</strong>, zeigen eindrucksvoll, wie liebevoll und<br />

und mit viel Kraftanstrengung in das Licht der wertschätzend diese mit den ihnen anvertrauten<br />

öffentlichen Wahrnehmung gerückt. Menschen umgehen, und treffen uns in ihrer<br />

Emotionalität und Eindringlichkeit mitten ins<br />

Tonio Postel, der Autor unserer Porträts, musste<br />

als junger Journalist nicht lange von der Bedeu-<br />

Herz.<br />

tung des Themas überzeugt werden. <strong>Wenn</strong> ihm<br />

die Lebenssituation der betroffenen <strong>Männer</strong><br />

Allen Beteiligten sei herzlich gedankt.<br />

biografisch auch noch fern sein mag, so fing er Unser aller Dank aber gilt nicht zuletzt Ihnen, den<br />

doch von der ersten Begegnung und der ersten sieben <strong>Männer</strong>n, die Sie uns Ihre Türen bereitwil-<br />

Geschichte an Feuer. In empathischer, klarer und lig geöffnet und Einblick in die Wirklichkeit Ihres<br />

authentischer Sprache lässt er uns hautnah Anteil Pflegealltags gewährt haben. Für Ihren Mut, Ihr<br />

nehmen am alltäglichen Leben unserer Protago- Mitgefühl, Ihre Zivilcourage, Ihre Lebensfreude,<br />

nisten. die Sie jeden Tag neu unter Beweis stellen <strong>–</strong> Danke,<br />

Ihre Geschichten sind uns Verpflichtung zum<br />

Handeln!<br />

Hannover/Fulda, August 2011


Von Tonio Postel<br />

Sieben auf <strong>fremdem</strong> <strong>Terrain</strong> <strong>–</strong><br />

die Porträts


Rodolfo Banton <strong>–</strong> der Familienmanager<br />

Die U-Bahn der Linie 3 biegt kreischend um die mit ruhiger Stimme. „Dean wird einmal wie Rain<br />

Ecke und hält an einer großen Straße. Hier, nahe Man sein.“ Doch der Vater wirkt dabei nicht verder<br />

Station Weißer Stein in Eschersheim, einem bittert oder entsetzt, sondern vielmehr optimisruhigen<br />

Wohnviertel in Frankfurts Norden, tisch und entspannt. Er lehnt sich zurück, lächelt<br />

leben die Bantons in einer Vier-Zimmer-Altbauwohnung:<br />

Vater Rodolfo, Mutter Tessa, die beiden<br />

und nimmt einen Schluck aus seiner Tasse.<br />

Stiefsöhne Vince und Carlos sowie Rodolfos leib- 14.00 Uhr, Rodolfo streift sich eine Jacke über, geht<br />

licher Sohn Dean. hinab auf die Straße und wartet auf den Schulbus,<br />

der Dean unter der Woche täglich vor der Haus-<br />

Gleißender Sonnenschein durchdringt die hellen tür abholt und wieder absetzt. Dean geht auf eine<br />

Räume, die Jungs, 17 und 22, sind in der Schule, Mosaikschule, eine Förderschule für körperlich<br />

Tessa auf der Arbeit. Und Rodolfo, ein lebenslus- und geistig behinderte Kinder. Heute hat Rodolfo<br />

tiger Mann mit einer philippinischen Migrations- frei, sonst übernimmt das Abholen auch mal seine<br />

geschichte, empfängt bei Kaffee und Wasser am<br />

Küchentisch. Der 40-Jährige erzählt aufgeschlos-<br />

Frau oder die beiden Söhne, 17 und 22 Jahre alt.<br />

sen und unverkrampft die Geschichte seines Kurz darauf braust ein weißer Sprinter-Bus heran;<br />

zehnjährigen Sohnes Dean, der nur auf den ersten hinaus hüpft ein lebhafter schwarzhaariger Junge<br />

Blick ein Junge wie alle anderen ist. Denn Dean ist mit mandelförmigen Augen und wachem Blick.<br />

Autist. Er hat also eine fundamentale Entwick- Die Fremden werden kurz taxiert und dann rasch<br />

lungsstörung, kann weder sprechen noch sich<br />

über sein Mienenspiel mitteilen. „<strong>Wenn</strong> er etwas<br />

mit einem Handschlag integriert.<br />

möchte, führt er unsere Hand dorthin“, sagt der Dean hat jetzt Hunger. Wieder in der Wohnung<br />

Vater. Dennoch merkt man Dean seine Behinde- reißt sich der Junge rasch Jeans und Pullover vom<br />

rung zunächst kaum an. Leib. „Zu Hause bevorzugt er Jogginghose und<br />

T-Shirt“, sagt der Vater, während er Würstchen in<br />

Sein Vater Rodolfo hat, soweit es sein Beruf als der Pfanne wendet. „Deani“, wie Rodolfo Banton<br />

IT-Techniker bei Lufthansa Cargo erlaubt, Deans seinen Sohn nennt, vergnügt sich am Küchen -<br />

Pflege übernommen. „Ich weiß, dass dies ein tisch sitzend derweil mit einer rasselnden, durch-<br />

Leben lang so gehen kann“, sagt Rodolfo Banton sichtigen Plastikkugel. Er lässt sie über die Hand-


flächen gleiten, beobachtet die Kügelchen im Bis vor zweieinhalb Jahren arbeitete Rodolfo Ban-<br />

Inneren, stemmt sie plötzlich mit aufgerissenen ton in Teilzeit, umsorgte die Kinder, erledigte den<br />

Augen in die Höhe. Jetzt rollt er die Kugel über Haushalt. Heute kümmern sich auch seine ebenden<br />

Tisch und klatscht mehrmals aufgeregt in die falls voll arbeitende Frau, die Stiefsöhne, seine<br />

Hände. „Dean hat eine Schwäche für Kugeln. Er Schwester oder sein Vater um Dean. „<strong>Wenn</strong> mal<br />

sammelt auch Murmeln und Billardkugeln.“ Und ein Notfall ist, kann ich immer nach Hause oder<br />

Playmobilfiguren liebt er. So sehr, dass er darauf meine Arbeit verlegen“, sagt der Vater. Bei seinem<br />

bestehe, manche im Kaufhaus doppelt zu kaufen. Job komme es darauf an, dass die Dinge erledigt<br />

würden und nicht wann. Bantons Frau und er<br />

Die Würstchen sind fertig und liegen auf einer haben Schichtdienst, stimmen sich stets ab, damit<br />

Serviette in einem tiefen Teller vor Dean. einer nachmittags bei Dean sein kann. „<strong>Wenn</strong> ich<br />

nach Hause komme, übernehme ich ihn wieder.“<br />

Der Zehnjährige beobachtet seine Beobachter Denn Dean, der von der Krankenkasse in die mit<br />

genau; dabei zerpflückt er eine Nürnberger nach 400 Euro monatlich bezuschusste Pflegestufe 2<br />

der anderen und lässt die Stücke schmatzend im einsortiert wurde, muss täglich gewaschen und<br />

Mund verschwinden. „Seit gut zwei Jahren müs- aufs Klo begleitet, aber auch beinahe rund um die<br />

sen wir ihn nicht mehr füttern“, sagt der Vater. Uhr betreut werden. „Autisten fehlt die Gefahren-


wahrnehmung“, erklärt Rodolfo Banton. Manch- raus, da er immer seinen Kopf durchsetzen will“,<br />

mal versuche sich Dean sonst seine Pommes selbst sagt der Vater. Dann ignoriere er, dass alle außer<br />

zu frittieren, oder er verlässt einfach die Wohnung. ihm nach Hause möchten, oder er verharre vor<br />

Weitere professionelle Pflegehilfe nehmen die einem geschlossenen Geschäft. „Und falls er nicht<br />

Bantons nicht an. bekommt, was er will, kann er auch streiken oder<br />

ausrasten.“ Es komme auch vor, dass Dean sich<br />

Es wirkt, als gebe dieses engmaschige, familiäre selbst schlage, sich oder andere kratze. Dann müs-<br />

Netz Rodolfo Banton Halt und viel Kraft für den sen sie den Jungen festhalten, manchmal zu zweit.<br />

Alltag. Und die braucht er auch, um sich täglich<br />

den Optimismus im Umgang mit seinem „ewigen<br />

Kind“ zu bewahren, das in seiner eigenen, abgeschlossenen<br />

wie wortlosen Welt wohnt.<br />

Doch in der geht es durchaus lustig zu:<br />

Jetzt spielt Dean mit einem Teelöffel, beobachtet<br />

fasziniert die aufsteigenden Kohlensäurebläschen<br />

in seinem Glas. Nach dem Essen springt Dean auf<br />

das Bett seiner Eltern, wo auch er meist die Nächte<br />

verbringt, und spielt mit einem Teletubby aus<br />

grünem Stoff. In einer Ecke unterm Fenster steht<br />

ein Laptop auf einem Nachttisch. „Da sieht er sich<br />

immer Filme drauf an“, erklärt der Vater. „Aber<br />

meistens spult er einfach nur hin und her.“<br />

Ab und an zweifelt die Familie auch, denkt, es<br />

Das Telefon schellt, Rodolfo Bantons Schwester sei nötig, diese Rituale aufzubrechen, „weil sie<br />

ist dran. Er sagt ihr, dass sie trotz Sonnenscheins keinen Sinn ergeben“. Dies sind die schwierigen<br />

wohl zu Hause bleiben werden. Woher er das weiß? Momente im Alltag mit einem Autisten. „Nicht<br />

„Weil er sich ausgezogen hat.“ Häufig basiert der alle sind immer nur gut drauf, aber zum Glück<br />

Umgang mit Dean auf Interpretationen seines selten gleichzeitig“, sagt der Vater und lacht schon<br />

Verhaltens. Aber Dean ist auch leicht zu begeis- wieder. Die größte Optimistin von allen sei seine<br />

tern: Sobald wir die Jacken anziehen und uns in Frau Tessa, die er als „sehr gläubig“ bezeichnet.<br />

Richtung Ausgang bewegen, zieht er sich wie- „<strong>Wenn</strong> wir alle verzweifeln, kommt sie mit einer<br />

der an. „Eigentlich geht keiner gerne mit Dean neuen Idee.“


Meist gehen sie aber doch gemeinsam raus, dann heit.“ Die sei vor allem seit etwa einem halben<br />

pflegt der Junge seine Rituale in der Frankfurter Jahr größer geworden, seit er in eine neue Klas-<br />

Innenstadt: Erst geht es zu McDonald’s oder Bur- se mit neuen Lehrern kam. Und auch der letzte<br />

ger King, dann zum Kaiserdom oder zur Liebfrau- Urlaub in Kalifornien, wo seine Schwägerin ein<br />

enkirche und dann in die Süßigkeitenabteilung Haus mit Pool hat, habe ihn ausgeglichener wervon<br />

Kaufhof. Auch heute. den lassen. „Das ist sein Paradies.“ Dort planscht<br />

Dean den lieben langen Tag mit Schwimmflü-<br />

<strong>Auf</strong> der Straße nimmt Rodolfo Banton Deans geln herum. An normales Schwimmen sei nicht<br />

Hand. „Er würde alleine und ohne zu gucken über zu denken. Denn Deans Feinmotorik lässt koordie<br />

Straße laufen“, sagt Banton auf dem Weg zur<br />

Bahn. Dean liebt Bahn fahren. „Manchmal möch-<br />

dinierte Bewegungen kaum zu.<br />

te er nur hin und her fahren.“ Während die Bahn Seit der dritten Klasse, also seit zwei Jahren, macht<br />

der Innenstadt entgegenrollt, vorbei an im Son- Dean in der Schule einen Gebärdensprachkurs,<br />

nenschein blitzenden Pizzerien, Sonnenstudios um sich verständlich zu machen. Auch seine<br />

und Einkaufsmärkten, fängt der Junge unvermit- Eltern versuchen die Zeichensprache anzunehtelt<br />

an in die Hände zu klatschen. Irritierte Blicke men, doch alle haben damit noch ihre Schwieder<br />

Sitznachbarn. Es sei schon vorgekommen,<br />

dass der Vater daraufhin angesprochen wurde:<br />

rigkeiten.<br />

„Kann sich Ihr Sohn nicht benehmen?“ Er bleibe „Nächste Haltestelle: Hauptwache“, tönt es aus<br />

dann ruhig, sein Sohn Vince hingegen blaffe in den U-Bahn-Lautsprechern. Wir steigen aus und<br />

Fällen wie diesen gerne mal zurück. schlendern unterirdisch in Richtung Kaufhof,<br />

wo Rodolfos Frau Tessa wartet. Dort eröffnet<br />

Das Zusammenleben mit einem Autisten sei aber sich dem Besucher ein kunterbuntes Zuckerbeileibe<br />

nicht nur anstrengend, unterstreicht reich: Bonbons, Lollis, Lakritz, saure Zungen,<br />

Banton während der Fahrt. Selbst wenn Dean Schaumgummifrösche und vieles mehr stapeln<br />

wirklich keine Freundschaften knüpfen kann, sich mannshoch in turmartigen Plexiglasboxen.<br />

wie die Familie fürchtet, und auch wenn sich sei- Dean ist wie elektrisiert, er teilt mit seinem Vater<br />

ne Feinmotorik nicht verbessern sollte <strong>–</strong> wie sich eine besondere Schwäche für Naschereien. Im<br />

Autisten mit den Jahren entwickeln, ist indivi- Nu hat er sich eine große Tüte Gummibärchen<br />

duell unterschiedlich <strong>–</strong>, so gibt er den Bantons gekrallt und kreist jetzt, Runde um Runde, die<br />

auch viel zurück, findet der Vater: „Er belohnt uns Süßigkeitenberge ein. Nach etwa 20 Minuten hat<br />

täglich mit seinem Lächeln und seiner Zufrieden- er genug Bärchen beisammen, wir können weiter.


Zu McDonald's. „Dean mag kein gesundes Essen“, Zurück ans strahlende Tageslicht; die Kirche warklagt<br />

seine Mutter mit entschuldigendem Blick. tet auf Deans Besuch. Flugzeugabgase ziehen sich<br />

„Außer frischen Weintrauben.“ Ab und zu kön- wie endlose Kreidestriche über den azurblauen<br />

ne man ihn auch überzeugen zum Thailänder zu Himmel. Dean und Roberto Banton laufen mit<br />

gehen. Also schlemmt die ganze Familie häufiger zusammengekniffenen Augen der tief stehenden<br />

Burger, Apfeltaschen und Pommes, so wie heute.<br />

Dean macht sich mehr aus einer silbernen Spielfigur,<br />

die seine ganze <strong>Auf</strong>merksamkeit bindet.<br />

Wintersonne entgegen. Wie immer Hand in Hand.


Martin Meister <strong>–</strong> der Kümmerer<br />

Tief hängende Wolken haben einen Schleier „Es macht mich stolz, dass wir einer der wenigen<br />

über die Rotklinkerhäuser in Wentorf bei Ham- Drei-Generationen-Haushalte sind“, sagt Meister.<br />

burg gezogen, aus einer grauen Suppe tropft es Nur noch 270.000 gebe es davon in Deutschland,<br />

ohne Unterlass vom Himmel herab. Die Sicht ist von rund 39 Millionen. „Nur 0,7 Prozent aller<br />

schlecht. Und weil auch noch der Schriftzug auf<br />

dem Straßenschild verblasst ist, gleicht die Anrei-<br />

Privathaushalte!“<br />

se zu Martin Meister und seiner Mutter an diesem Doch so besonders es auch klingt, das Zusam-<br />

Januarmorgen dem sprichwörtlichen Stochern menleben ist nicht immer einfach: Denn Meisters<br />

im Nebel. Mutter, Marga Vera Meister, benötigt beim Bewältigen<br />

ihres Alltags Hilfe. Und die übernimmt und<br />

Hier, im Norden, lebt Martin Meister mit Frau plant, so weit er das mit seinem Beruf als leitender<br />

und Töchtern <strong>–</strong> und seiner 84-jährigen Mutter. Redakteur beim Magazin GEO vereinbaren kann,<br />

Sie bewohnen gemeinsam ein zweistöckiges<br />

Backsteinlandhaus mit großem Garten. Meist ers<br />

ihr jüngerer Sohn Martin.<br />

Familie wohnt unten, oben lebt die Mutter auf Der 50-Jährige ist ein groß gewachsener, schlanmit<br />

beigefarbenem Teppich ausgelegten 110 Qua- ker Mann, dessen Mundwinkel stets ein feines<br />

dratmetern. Lächeln umspielt. Sogar an Tagen wie diesem,<br />

da es kein reines Vergnügen ist, samstags früh<br />

aufzustehen, um mit seiner Mutter und einem<br />

Reporterteam einen Termin beim Friseur wahrzunehmen.<br />

Erst vor dem Friseursalon kommen wir dazu, Marga<br />

Meister zu begrüßen. „Kennen wir uns?“, will<br />

sie wissen. Sie ist eine gut gekleidete, schmächtige<br />

Frau, die freundlich aus strahlenden Augen blickt;<br />

mit etwas wackligen, kleinen Schritten nähert sie<br />

sich dem Salon. Auch das Gehör hat nachgelassen<br />

und auch Anzeichen von Vergesslichkeit hat ihr<br />

Sohn registriert.


Etwa alle zwei Wochen kommt Marga Meister her, glücklich dabei aus. „Wir brauchen auch Zeiten, in<br />

um sich die eisgrauen Haare waschen und Locken denen wir nur als Kleinfamilie beisammen sind“,<br />

eindrehen zu lassen. Die beiden Damen aus dem sagt Martin Meister, „das nimmt sie uns aber nicht<br />

Salon begrüßen die Meisters mit familiärer übel.“ Ohne Gesellschaft vergisst die Mutter aller-<br />

Freundlichkeit. Nach einer halben Stunde steht dings manchmal schlicht das Essen. Vielleicht hat<br />

Mutter Meister mit welligem Haar wie eine Eins sie auch deshalb „nicht immer Hunger“, wie sie<br />

im Raum und drängt: „Können wir los?“ Manchmal<br />

sei sie durchaus ungeduldig, kommentiert<br />

sagt.<br />

das der Sohn. „Ich habe am Wochenende immer zwei Portemonnaies<br />

dabei“, sagt der Sohn und zahlt die<br />

Marga Meister hakt sich bei Martin Meister ein, 25 Euro im Feinkostladen aus der Kasse seiner<br />

der einen großen, dunkelblauen Regenschirm Mutter. Nach einem kurzen Abstecher zum<br />

über sie gespannt hat. <strong>Auf</strong> geht’s zum Feinkostla- Bäcker, tritt der Tross die Rückreise an. Der Nieselden.<br />

„Oft sagt sie: Mach nicht so große Schritte“, regen legt sich noch immer wie ein Waschlappen<br />

erzählt Martin Meister. Im Laden erliegt seine auf die Haut. Einen kurzen Schwenk in die neue<br />

Mutter rasch der lukullischen Verlockung: Ziel- Ausstellung im Heimatmuseum lehnt Marga Meisstrebig<br />

tippelt sie hinter die Theke, beugt den ter ab: „Ich kann nicht mehr stehen!“ Durch den<br />

Kopf über volle Auslagen. Marga Meister möchte Regen fahren wir zurück zum Haus, wo die Mutter<br />

Spargel kaufen. „Ist aber noch nicht die Saison<br />

dafür, oder?“, wendet ihr Sohn ein. „Wie wäre es<br />

rasch in ihr Schlafzimmer entschwindet.<br />

mit Trauben?“ Sie ist einverstanden. Clementinen Seit siebeneinhalb Jahren lebt Marga Meister im<br />

und Avocados sollen es auch noch sein. Haus ihres Sohnes. Anfangs noch gemeinsam mit<br />

ihrem Mann, doch der verstarb im Oktober 2008.<br />

Im Umgang mit seiner Mutter wirkt Martin Meis- Ein typischer Tag sieht so aus: Gegen halb acht<br />

ter geduldig und liebevoll; selbst wenn er, auf- weckt Martin Meister seine Mutter per Telefon,<br />

grund ihrer Hörschwäche, Dinge mehrmals wie- gemeinsam trinken sie eine Tasse Kaffee und<br />

derholen und stets langsam zu ihr sprechen muss. besprechen den Tag. „Sie fragt mich immer nach<br />

Mit einer Schachtel Butterkekse in der Hand, dem Wochentag, und ich bereite sie darauf vor,<br />

nähert sich die Mutter der Fleischtheke. Pastete was heute passiert.“ Auch wenn die Abläufe sich<br />

wünscht sie sich. Generell schätze sie Kartoffeln, gleichen: Wochentags kommt für zehn Minuten<br />

keinen Reis, stellt Marga Meister klar. Sie scheint eine Altenpflegerin vom Roten Kreuz vorbei, um<br />

sich aufs Essen zu freuen. Und doch: „Mittags bin beim Waschen und Anziehen zu helfen. Zwei Mal<br />

ich dabei alleine“, sagt sie und sieht nicht gerade die Woche erhält sie eine Stunde lang Besuch von


einer „Gesellschaftsdame“, wie Meister es nennt: Meister sich versichern will, dass sie nicht allein<br />

Eine Frau, die mit Marga Meister „Mensch ärgere im Hause ist. Sein Bruder, der viel im Ausland ist,<br />

dich nicht“ spielt oder Kreuzworträtsel löst. Aber kommt hin und wieder auf ein Sonntagsfrühauch<br />

mal Wäsche im benachbarten Hamburg- stück vorbei oder nimmt die Mutter auf einen<br />

Bergedorf kaufen geht. Ein Mal pro Woche wird Ausflug mit. Auch wenn die Kleinfamilie in die<br />

die Mutter von einer Haushaltshilfe „mit gol- Ferien fährt, kümmert er sich zusammen mit<br />

denem Herzen“, wie ihr Sohn sagt, unterstützt. Marga Meisters Schwester.<br />

Vormittags kommt der Dienst „Essen auf Rädern“<br />

vorbei, liefert ihr ein warmes Mittagessen. Weil<br />

sie das Abendessen manchmal auslasse, stellt<br />

Martin Meister oder seine Frau der Mutter Kekse,<br />

Kuchen und Obst hin.<br />

„Den Rest des Tages liegt sie recht antriebslos auf<br />

dem Bett“, berichtet der Sohn. Dieser Umstand<br />

mache es seinen Töchtern nicht immer leicht, auf<br />

die Oma zuzugehen. „Zu den meisten Gesprächen,<br />

zu vielen Aktionen als Jüngere den Anstoß zu<br />

geben <strong>–</strong> das liegt ihnen nicht.“ Es gebe zwischen<br />

Enkelinnen und Großmutter daher „leider weniger<br />

Begegnungen“, als es sich Meister einmal<br />

erhofft hatte. „Meine Töchter haben zudem viele<br />

eigene Unternehmungen.“ Schulausflüge, oder Dennoch gibt es Tage, an denen Martin Meister<br />

mit der Clique ins Café zu gehen, zum Beispiel; „der Einzige aus der Familie ist, den Mutter zu<br />

die Ältere studiert bereits. Hin und wieder würden Gesicht bekommt.“ Gegen 8.30 Uhr fährt Martin<br />

die Töchter aber mit der Oma spazieren gehen Meister in die Redaktion, selten kehrt er vor 20.30<br />

oder Karten spielen. Uhr heim.<br />

Seine Frau, die als Lehrerin im Nachbarort arbei- Auch auf der Arbeit begleitet Martin Meister der<br />

tet, kümmert sich unter der Woche nachmittags Gedanke an seine Mutter: Wie ein „Pflegemanaum<br />

den Einkauf für die Schwiegermutter, um ger“ organisiert er Termine bei Ärzten, bespricht<br />

Arztbesuche und Besorgungsfahrten. Vielleicht den Zustand seiner Mutter mit dem Roten Kreuz.<br />

wichtiger noch: Sie ist schlicht „da“, wenn Marga „Manchmal lebe ich für zwei“, sagt Meister und


wieder endet sein Satz mit einem Lächeln. Seine In den folgenden Wochen stellte sich die Familie<br />

Kollegen zeigen Verständnis für sein Bestreben, immer wieder die Frage: Wird sie je wieder laufen<br />

der Mutter ein „würdiges Altern“ zu sichern. Sie<br />

wissen: Jeder könnte in eine vergleichbare Situ-<br />

können?<br />

ation kommen. Weil Marga Meister es durch eisernen Willen,<br />

eine vierwöchige Reha und regelmäßige Kran-<br />

Ab und an verabredet Martin Meister seine Mutter kengymnastik wieder auf die Beine geschafft hat,<br />

mit alten Freunden oder Nachbarn, die mit ihr ist die Familie einig geworden, dass alles beim<br />

einen Spaziergang unternehmen. „Mutter läuft Alten bleiben kann. „Auch als Kassenpatient<br />

zwar unsicher, aber ausdauernd.“ Und manchmal wurde meine Mutter bestens versorgt: Wir haben<br />

soll dann alles so sein wie früher. Zum Beispiel einen Rollstuhl, eine Gehhilfe und einen Gehzu<br />

Fuß zum Einkaufen zu gehen, selbst wenn stock erhalten“, erzählt Meister beim Gespräch<br />

Marga Meister die einen Kilometer lange Strecke im Wohnzimmer der Mutter. Er sitzt auf einem<br />

gar nicht mehr gewohnt ist. So wie im September geschwungenen, grün-beige gestreiften Biedervorigen<br />

Jahres, kurz vor einer Geburtstagsfeier. meiersofa, über ihm hängen zwei Gemälde mit<br />

Naturmotiven an der Wand. „Sie musste wie-<br />

Da war die Großmutter plötzlich verschwunden. der lernen, ein Bein vor das andere zu setzen.“<br />

Ihre übliche Kleidung, auch die Schuhe lagen Eine besondere Herausforderung seien die rund<br />

noch in ihrer Wohnung. Genau wie der Ausweis 20 Treppenstufen gewesen, die Marga Meister bis<br />

und ihr Schlüssel. Die Feiergemeinschaft begab in ihre Wohnung bewältigen muss. Eine Weile<br />

sich auf eine halbstündige Suche: vergeblich. dachte die Familie, ein Treppenlift könne die<br />

Dann rief Martin Meister im örtlichen Kran- Lösung sein. Doch der sollte etwa 15.000 Euro<br />

kenhaus an. Dort lag die Mutter bereits seit zwei kosten <strong>–</strong> der Kassenzuschuss von 2.000 Euro<br />

Stunden, sie hatte die Telefonnummer von zu machte die Lösung kaum attraktiver. Zum Glück<br />

Hause vergessen. Diagnose: Oberschenkelhals- überwindet Meisters Mutter die Stufen heute<br />

bruch. „Das haben wir hier täglich“, sagte die<br />

Krankenschwester. Ein Mann hatte Marga Meis-<br />

bereits wieder eigenständig.<br />

ter, auf halbem Weg zum Supermarkt, auf dem Die Überlegung, ob es Mutter Meister in einem<br />

Bürgersteig liegend gefunden und einen Kran- Seniorenstift, dank Vorträgen, Ausflügen oder<br />

kenwagen alarmiert. Konzerten, nicht besser ergehen könnte, ist


immer wieder ein Thema. Doch für luxuriöse sein.“ Oder eben zusammen, wie früher. Manch-<br />

Einrichtungen, wo eine individuelle Wohnungs- mal schreibt Martin Meister seine Texte in einem<br />

einrichtung und betreutes Wohnen auf hohem Raum in der Wohnung seiner Mutter. „Dabei ist sie<br />

Niveau ermöglicht werden, müsste die gesamte für mich ein Ruhepol. Und sie freut sich, dass ich<br />

Familie erhebliche Opfer bringen. bei ihr bin.“ Sogar Miete für die Wohnung kann sie<br />

ihrem Sohn, einer guten Witwenrente sei Dank,<br />

Was aber, wenn seine Mutter irgendwann den zahlen. „Das ist mir lieber, als die Wohnung an<br />

ganzen Tag umhegt und gepflegt werden müsste? einen Fremden zu vermieten.“<br />

„Dann müsste sie vielleicht doch ins Heim“, sagt Zudem möchte Martin Meister seiner Mutter, die<br />

Martin Meister. Auch wenn er die Umstände, „manchmal etwas Puppenhaftes“ an sich habe<br />

unter denen seine Mutter hier lebt, als „unnormal und sich noch über „die kleinen Dinge“ freuen<br />

günstig“ beschreibt. „Sie hat ihren Hauseingang, könne, schlicht etwas zurückgeben: „Es gibt mir<br />

wir haben unseren und können auch mal allein ein gutes Gefühl, ihr zu helfen, so wie sie mir einst<br />

geholfen hat.“


Michael Karge <strong>–</strong> der <strong>Auf</strong>opferer<br />

Als Michael Jerry Karge seinen heutigen Part- „Viele behandeln HIV-Positive noch immer wie<br />

ner, Frank Schröter, vor zehn Jahren zum Blind Aussätzige“, sagt Michael Karge. Auch hier, in<br />

Date traf, erschien ein hagerer Mann in einem der hellgrauen Waschbetonsiedlung, wo sich der<br />

schweren Rollstuhl. Beide hatten sich über eine Sperrmüll vor den Haustüren beträchtlich sta-<br />

Telefon-Hotline namens „Er sucht ihn“ gefunden pelt und „Die Republikaner“ ihre Wahlplakate<br />

und darüber schon etliche kostspielige Stunden wie selbstverständlich in Reichweite angebracht<br />

vertelefoniert. Doch von seiner eingeschränkten haben, spüren sie das. „Manche Kinder hier rufen<br />

Lauffähigkeit, eine Spastik und eine Bänderver- uns schwule Sau.“ Ein Nachbar hat die Schmäkürzung<br />

im Bein, hatte Schröter nichts erwähnt. hung präzisiert: „Schwule Drecksau, euch kriege<br />

Auch eine noch schwerwiegendere Erkrankung ich auch noch hier raus“, entgegnete dieser Michahatte<br />

Schröter seinem Flirtpartner verheimlicht: el Karge, als er ihm nach einer Meinungsverschie-<br />

Er war bereits seit fünf Jahren HIV-positiv, hatte<br />

sich beim ungeschützten Geschlechtsverkehr<br />

denheit im Treppenhaus an die Gurgel ging.<br />

angesteckt. Nackenschläge wie diese können den beiden<br />

heute kaum noch etwas anhaben, so wirkt es. Sie<br />

Doch Michael Karge reagierte nicht, wie die stehen zueinander und auch zu ihrer Liebe. Sie<br />

meis ten Menschen es wohl getan hätten. Statt sind ein eingespieltes Team, harmonieren gut.<br />

auf dem Absatz kehrtzumachen und dem bedauernswerten<br />

30-Kilo-Mann Lebewohl zu sagen,<br />

entwickelte er im Gegenteil sogar Zuneigung für<br />

ihn: „Du bist auch ein lieber Mensch, hast Liebe<br />

und Zuneigung verdient“, dachte Karge und ließ<br />

die Liebe wachsen. „Ich habe Michael hoch angerechnet,<br />

dass er mich so nimmt, wie ich bin“, sagt<br />

Frank Schröter.<br />

Komme, was wolle.<br />

Bald darauf zog das Pärchen in eine gemeinsame<br />

45-Quadratmeter-Wohnung nach Frankfurt-<br />

Nied, in einen sozialen Brennpunkt der Mainmetropole,<br />

wo sie noch heute leben.


Und da kommt leider einiges auf sie zu: Neben sei- Die Bereitschaft zu helfen entdeckte der im pfälziner<br />

HIV-Infektion, von der Frank Schuster 1996 schen Altkanzler-Städtchen Oggersheim geboreerfuhr,<br />

und dem Aids-Ausbruch 2006 plagen den ne, rundliche Mann mit dem braunen Haarkranz<br />

inzwischen von Michael Karge auf 55 Kilo aufge- noch früher. „Seminare zur häuslichen Krankenpäppelten<br />

Mann noch eine chronische Hepatitis B, pflege machte ich schon mit 13 Jahren, die wurden<br />

eine Leberentzündung also, epileptische Anfälle<br />

und eine Demenz. „HIV-Enzephalopathie“, ein<br />

sogenannter Aids-Demenz-Komplex. Zudem ist<br />

Schröter inkontinent, muss Windeln tragen. Das<br />

alles mit 47 Jahren. „Als ich einen seiner heftigeren<br />

epileptischen Anfälle erlebte, zwei bis drei sind es<br />

etwa pro Jahr, sagte ich mir: So, jetzt bleibe ich rund<br />

um die Uhr bei dir“, sagt Michael Karge und blickt<br />

verständnisvoll auf seinen Partner im Rollstuhl.<br />

Und tatsächlich: Frank ist längst ein 24-Stunden-<br />

Pflegefall, dafür hat er ein Attest; seit zwei Jahren ist<br />

Schröter in Pflegestufe 2 einsortiert. Und Michael<br />

früher von der Kirche angeboten.“<br />

Karge kümmert sich wie selbstverständlich um Möglich wurde Karges heutiger Einsatz erst, weil<br />

ihn: Er wechselt seinem Freund nachts um drei die der gelernte Hotelkaufmann seit zehn Jahren<br />

Windeln, macht ihn sauber und kleidet ihn wieder Frührentner ist. „Wegen psychischer Probleme“,<br />

an. Er geht einkaufen, macht ihm <strong>–</strong> trotz häufiger sagt Michel Karge und blickt dabei auf den Boden.<br />

Appetitlosigkeit <strong>–</strong> Frühstück und Abendessen; an Zehn Jahre hatte er in der Hotellerie und bei einer<br />

schlechten Tagen füttert Karge seinen Partner. Er Fluglinie in München gearbeitet. „Ein Burn-outsorgt<br />

sich um das Geschirr und die Wäsche, „wie Syndrom kam noch dazu.“ Seither erhält Karge<br />

eine Hausfrau“, sagt Karge. Er macht mit seinem eine „Erwerbsminderungsrente“ von 700 Euro<br />

Partner Gedächtnistraining: Löst Kreuzworträt sel, im Monat. Für seinen Partner Frank Schröter<br />

spielt mit ihm Karten. Und besteht auf Bewegungs- stehen ihnen 430 Euro Pflegegeld monatlich zu.<br />

übungen, damit Schröter nicht völlig einrostet. „Für meine Leistung fühle ich mich damit unterbezahlt“,<br />

findet Karge. „<strong>Wenn</strong> einer von der Aids-<br />

Michael Karge weiß, was er tut und vor allem wie: hilfe mit Frank einen Ausflug macht, kriegt er<br />

Vor Jahren begann er eine Krankenpflegeraus- vom Landeswohlfahrtsverband 60 Euro <strong>–</strong> in der<br />

bildung, die er nach einem halben Jahr abbrach. Stunde.“ Zumal vom Pflegegeld auch noch Arzt-<br />

Die Grundlagen kämen ihm trotzdem heute noch besuche und beispielsweise eine demnächst fälzugute,<br />

sagt er. lige Brille bezahlt werden müssen.


Die Versorgung seines Partners empfindet haft unter der Nachweisgrenze.“ Frank Schröter<br />

Michael Karge auch deshalb als besonders hart: ist dennoch nicht zum Jubeln zumute, er wirkt<br />

„<strong>Wenn</strong> man eigene gesundheitliche Probleme hat, nachdenklich, seine Stimmung ist gedämpft.<br />

wird die Pflege härter.“<br />

Deshalb wünscht sich Michael Karge ab und an<br />

Auch wenn der Arzt heute Sätze sagt wie: „Er hat<br />

irgendwie die Kurve gekriegt.“<br />

Entlastung. Er stellte über das Sozialamt auch Frank Schröter wird nicht vergessen haben, was<br />

einen Antrag auf Tagespflege in einem städtischen Leo Locher ihm vor nicht allzu langer Zeit pro-<br />

Heim, die auch genehmigt wurde. Eine tägliche gnostiziert hatte: Eine Lebenserwartung von „vier<br />

Betreuung zwischen acht und 15 Uhr also. Allein, bis sechs Jahren“ bescheinigte dieser ihm damals,<br />

Frank Schröter spielte nicht mit. „Ich will da nicht „wenn es bombig läuft“. Inzwischen lebt Schrösterben“,<br />

sagte er. Dennoch ist Michael Karge die ter quasi in der Nachspielzeit. „Er ist schon etli-<br />

Belastung kaum anzumerken, er wirkt ruhig, che Jahre drüber“, sagt Michael Karge und weiß<br />

geduldig und liebevoll im Umgang mit seinem nicht, ob er sich darüber wirklich freuen kann.<br />

Partner, auch wenn er über ihn spricht. „Ich möchte Frank seine Zeit so schön wie möglich<br />

machen“, sagt er trotzig. „Denn er hat nicht mehr<br />

„Ich bin echt stolz auf Michael, er fängt mich so toll<br />

auf, immer wenn es mir schlecht geht“, sagt Frank<br />

so lange zu leben.“<br />

Schröter, ein kleiner Mann mit großen braunen Das Verhältnis Karges zum Tod seines Partners<br />

Rehaugen und einer überraschend fröhlichen, wirkt nicht wie ein Tabu; dafür ist er wohl zu präoptimistischen<br />

Art. Und, man höre und staune: sent. Eine Patientenverfügung haben die beiden<br />

Es gibt tatsächlich Anlass dafür. Mittwoch, 11.30 aber bereits formuliert. Michael Karge lächelt<br />

Uhr, Besuch im Infektiologikum Frankfurt, wo etwas gequält. „Ich habe gesagt, ich bleibe so lan-<br />

Schröter quartalsweise seine Blutwerte unter- ge bei Frank, bis sich der eiserne Vorhang senkt.“<br />

suchen lässt. Der behandelnde Arzt, Leo Locher, Karges Appell an seinen Partner lautet: „<strong>Wenn</strong> du<br />

hat gute Nachrichten für Frank Schröter. „Er ist 50 Jahre alt wirst, schenke ich dir eine Kreuzfahrt<br />

in einem guten Zustand, derzeit. Er war ja mal<br />

schwer krank“, sagt Locher, ein kleiner, entspann-<br />

auf der Donau.“<br />

ter Mann, der etwas an Dustin Hoffman erin- Draußen lacht derweil die Sonne und als die<br />

nert, im Behandlungszimmer. Die Medikamente ersten, zarten Sonnenstrahlen auf ihre Haut falwirkten<br />

gut, die Virusvermehrung sei derzeit len, lachen die beiden mit. „Ein herrlicher Tag“,<br />

„komplett unterdrückt“, die Helferzellen stabil. sagt Schröter, während ihn Karge durch die<br />

Auch die Werte seiner Hepatitis B seien gut. „Bei Innenstadt schiebt. <strong>Auf</strong> zum Kaffeeklatsch mit<br />

beiden Erkrankungen ist die Viruslast dauer- Leidensgenossen, die längst Schröters Freunde


geworden sind: in die Einrichtung „Basis“ der schließe die Augen und weine manchmal.“ Oder<br />

Aidshilfe Frankfurt, im Stadtteil Nordend. Das er hört laut Musik, ohne Rücksicht auf seinen senist<br />

für die beiden montags und mittwochs ein siblen Freund nehmen zu müssen.<br />

Stückchen Lebensqualität in einem ansonsten<br />

wenig freudvollen Alltag. Für Michael Karge, Denn bei aller Liebe: Manchmal fühlt sich Karge<br />

weil er dann ein paar freie Stunden hat, für Frank von Frank Schröter genervt: „Ich höre seine Klagen<br />

Schröter, weil er mal rauskommt, unter Leute. und Anweisungen ja jeden Tag.“ Beispielsweise Fragen<br />

wie: „Was tust du da, was suchst du da?“, oder<br />

In einem Hinterhof hocken ein paar <strong>Männer</strong> um Schröter moniere die Kälte, wenn Karge das Fenseinen<br />

runden Steintisch und genießen die Son- ter einen Moment länger geöffnet habe. Es sind<br />

ne. Smalltalk in breitem Hessisch, es geht um die eben auch hier die kleinen Dinge, die eine Bezie-<br />

Skandale von Staatschef Berlusconi und Star- hung belasten können. Freunde rieten Michael<br />

designer Galliano. Drinnen werden Berliner und Karge immer wieder: „Du musst mehr für dich<br />

Sahnetorte gereicht, dichter Zigarettenqualm tun!“ Und das möchte er künftig auch. „Einfach<br />

erfüllt die Luft. Auch Frank Schröter qualmt Ket- mal essen gehen, sich verabreden oder wegfahren.“<br />

te. Er blüht hier auf, geht von einem Tisch zum<br />

anderen, kichert, feixt und flirtet. „Unter Freunden<br />

spielt er gerne den Macker“, sagt Michael Karge<br />

und schmunzelt. Auch wenn Schröter seinen<br />

Gesprächspartnern heute eine traurige Nachricht<br />

überbringen muss: „Mein Neffe ist vor zwei Tagen<br />

gestorben. Eine Überdosis Heroin. Mit 30 Jahren!<br />

Schlimm, oder?“ Wirklich betroffen wirkt Schröter<br />

jedoch nicht; es wirkt, als gehörten Schicksalsschläge<br />

bereits zu seinem Alltag.<br />

Es ist beeindruckend, mit welcher Kraft und Ausdauer<br />

Michael Karge sich für seinen Partner enga- Dennoch zweifelt Michael Karge nicht. Weder an<br />

giert, ja aufopfert. Vieles davon entlädt sich in den seinen Gefühlen für seinen Partner noch an der<br />

wenigen Momenten, in denen Karge alleine ist. Richtigkeit seiner Taten; denn er bekommt auch<br />

Zum Beispiel, wenn sein Partner ohne ihn zum etwas zurück: „Ich bin nicht gerne allein.“ Frank<br />

Kaffeetrinken in die „Basis“ der Aidshilfe fährt Schröter nehme ihn, immer wenn er es brauche,<br />

oder ein Pfleger von dort mal mit Frank Schröter in den Arm. Zum Beispiel, als Karge vor zwei Jahin<br />

den Zoo fährt. „Dann lege ich mich aufs Bett, ren seinen Vater verlor.


Bei aller Fürsorge und Pflege eines HIV-Patienten, auf die Unterstützung eines lokalen Fahrdienstes<br />

hat Michael Karge keine Angst vor einer Infekti- zählen, ein Anruf genügt und sie werden abgeon?<br />

Karge verneint. Ein Mal nur, da sei es brenzlig holt. Nach einer zwanzigminütigen Fahrt über die<br />

gewesen. Der Notarzt hatte Schröter eine Spritze Autobahn, vorbei an der im Sonnenlicht blitzenverabreicht<br />

und vergessen, die gebrauchten Spritzen<br />

einzusammeln. Als Karge dies erledigen wollte,<br />

den Skyline, sind wir da.<br />

piekste er sich daran. „Drei Monate lang traute ich In der überschaubaren Wohnung, ein Wohnzimmich<br />

nicht einen Test zu machen.“ Doch es ist noch mer mit kleiner Küche und kleinem Bad, schlägt<br />

mal gut gegangen. „Ich trinke aus einem Glas mit einem eine Weichspülerwolke entgegen, Mara,<br />

ihm, esse vom gleichen Teller, das macht mir nix“, die Katze, schwänzelt um Frank Schröters dünsagt<br />

Karge. Er weiß sich zu schützen, hat sich über ne Beine herum. Er muss sich jetzt auf dem Bett<br />

die Krankheit informiert. Geschlechtsverkehr ausruhen, Ausflüge wie der heutige verlangen<br />

hätten sie aber nie gehabt, „höchstens Petting“. ihm viel Kraft ab. An den teilweise untapezierten<br />

Wänden hängt ein Lady-Di-Kalender von 1998,<br />

Seine Mutter habe Karge, bezüglich der Pfle- neben dem Fenster ragt eine offene Steckdose herge<br />

von Frank Schröter, eine Grenze empfohlen: vor. Über einem etwas durchgelegenen Schlaf-<br />

„<strong>Wenn</strong> Frank dich nicht mehr erkennt, muss er ins sofa, aus dem Schröter auch schon mal rausfalle,<br />

Heim.“ Karge schüttelt entschieden den Kopf. Das hängen mehrere farbenfrohe Gemälde von einem<br />

würde er nicht übers Herz bringen. „Ich möchte, befreundeten Künstler. „Ebenfalls HIV-positiv“,<br />

dass er zu Hause sterben kann.“ Frank Schröters sagt Schröter knapp und zieht die Stirn in Fal-<br />

Familie lebt in der Nähe von Karlsruhe und kann ten. Ein Krankenbett stehe ihnen (noch) nicht zu,<br />

oder will sich nicht wirklich um ihn kümmern: bedauert Michael Karge. „Das gibt es erst ab Pfle-<br />

Seine Mutter muss zwei Schlaganfälle verdauen, gestufe 3.“ Eigentlich stehe den beiden eine größeder<br />

Rest scheint mit eigenen Problemen beschäf- re Wohnung zu, habe die Aidshilfe geraten, allein<br />

tigt. Ab und an telefonierten sie. es fehlt Karge „die Kraft“ für den Gang durch die<br />

Ämter. „Man bekommt nichts einfach so, für alles<br />

Generell fordert Michael Karge von Angehörigen<br />

in vergleichbaren Pflegefällen etwas mehr Ein-<br />

muss man kämpfen.“<br />

satz und Hilfsbereitschaft. Ginge es nach ihm, so Michael Karge geht auf den kleinen Balkon und<br />

würden Kinder bereits in der Schule auf die Pfle- blickt auf die nahen Gipfel des Taunus, die sich<br />

gesituation ihrer Eltern vorbereitet. hinter den trostlosen Häusern ihrer Siedlung am<br />

wolkenlosen Horizont abzeichnen. „Morgens und<br />

Gegen 16 Uhr ist es Zeit, nach Hause zu fahren. abends fliegen hier Fischreiher, Gänse und Spechte<br />

Für alle anfallenden Fahrten können die beiden entlang“, sagt er. „Die beobachten wir gerne.“


Siegfried Fink <strong>–</strong> der Vertraute<br />

Wer einmal krank war und ein paar Tage lang niemals infrage. „<strong>Auf</strong> Ihre Verantwortung“, entnicht<br />

vor die Tür treten konnte, erfreut sich nach- gegnete der behandelnde Arzt. „Sie wird Sie nur<br />

her an warmen Sonnenstrahlen auf der Haut und<br />

einer frischen Brise in der Nase wie ein Kind.<br />

belasten.“<br />

Wie aber muss sich jemand fühlen, der elf Monate<br />

am Stück im Bett verbringt, hinterm Fenster das<br />

Kommen und Gehen der Jahreszeiten beobachtet,<br />

täglich die Sonne auf- und untergehen sieht,<br />

ohne auch nur für fünf Minuten draußen sein zu<br />

dürfen?<br />

Lucia Fink hat dies erlebt. Dennoch dürfte sich<br />

die 65-Jährige darüber nicht zu sehr ärgern. Sie<br />

wird vielmehr froh sein, ihre Umwelt überhaupt<br />

wieder wahrnehmen zu können. Denn das war<br />

anfangs nicht absehbar. Nach einem schweren<br />

Schlaganfall, erlitten im Mai 2010, erholt sich die Diese Verantwortung hat Siegfried Fink seither<br />

gebürtige Augsburgerin erstaunlich gut. Sie kann mit ganzer Leidenschaft übernommen. Und es<br />

wieder sprechen, sogar in ganzen Sätzen, auch hat sich gelohnt, da gibt es für Familie Fink kei nen<br />

wenn sie sich heute mit Äußerungen zurückhält. Zweifel. Dennoch: Lucia Finks Alltag wird noch<br />

„Sie weiß immer, welcher Wochentag gerade ist“, immer vom Nichtstun und von endlos langen<br />

sagt ihr Gatte, Siegfried Fink. „Das erstaunt uns Stunden voller ungemütlicher Unbeweglichkeit<br />

immer wieder.“ im Bett geprägt. Ihre rechte Schädeldecke wurde<br />

vorübergehend abgenommen und ist noch ein-<br />

Ärzte hätten kaum noch einen Pfifferling auf die gefroren, da ihr stark angeschwollenes Gehirn als<br />

Genesung seiner Frau gesetzt, sagt der 70-Jährige. Folge des Schlaganfalls Platz benötigte. Derzeit<br />

„Das wird nichts mehr mit ihr“, lautete deren wird das Denkzentrum von Lucia Fink nur von<br />

Einschätzung. Sogar die Einstellung der Versor- einer dünnen Hautschicht geschützt. Von vorgung<br />

wurde erwogen. Für Familie Fink kam dies ne betrachtet ist eine deutliche Mulde in ihrem


Schädel sichtbar, die bei Kaubewegungen sachte Heute hat sich eine Friseurin angekündigt, erstauf<br />

und ab wippt. Dieser Zustand macht Frau Fink mals seit dem Unfall. Auch für Evelyn Vinarsky,<br />

zu schaffen, immer wieder leidet sie seither unter die sich auf mobiles Haareschneiden von Pfledepressiven<br />

Phasen, sagt Siegfried Fink. „Dann gefällen spezialisiert hat, stellt Frau Fink eine<br />

sagt sie: ‚Alles wäre leichter ohne mich.‘.“ Stets Herausforderung dar. Doch mit ihrer unaufgeversichert<br />

ihr Mann ihr dann: „Wir brauchen dich regten, freundlichen Art gibt sie dem älteren<br />

doch!“ Ehepaar gleich ein Gefühl von Sicherheit und<br />

Kompetenz.<br />

Fink kümmert sich seit dem Unfall in Vollzeit um<br />

seine Frau, die von der Pflegeversicherung in Stufe<br />

2 eingeordnet wurde. Unterstützung erhält er<br />

von einer Pflegerin der örtlichen Sozialstation,<br />

einem Physiotherapeuten und seinen beiden Söhnen.<br />

Für den gelernten Maurer mit den strahlend<br />

blauen Augen, dem vergnügten Lächeln und dem<br />

gemütlich klingenden, bayrischen Dialekt eine<br />

Selbstverständlichkeit. „Ich bin eh ein häuslicher<br />

Typ“, sagt Fink, der auch über 30 Jahre als Straßenbahnfahrer<br />

gearbeitet hat, „da bin ich froh, immer<br />

daheim zu sein.“ Ihm reiche es aus, „ab und an über Doch zunächst gilt es, Lucia Fink dafür aus ihrem<br />

den Hof zu gehen“. Bett in einen Stuhl zu hieven. Die Kraft dreier<br />

Erwachsener ist hierfür nötig und Siegfried Fink<br />

Drei Mal am Tag kommt die Pflegerin vorbei, ist erleichtert, dass sie ausnahmsweise zur Verum<br />

Lucia Fink flüssige Nahrung zu geben und fügung stehen. Normalerweise müssen die Finks<br />

sicherzustellen, dass sie sich nicht wund liegt. mit solchen Aktionen bis zum Abend warten, bis<br />

Deshalb wird sie mehrmals am Tag gewendet, wenigstens einer der beiden in der Nachbarschaft<br />

muss Pflas ter auf Rücken und Gesäß tragen. Mor- lebenden Söhne mit der Arbeit fertig ist.<br />

gens wird Frau Fink im Bett gewaschen, über eine<br />

Nasensonde bekommt sie ihr Frühstück genauso „So, Mädchen, jetzt geht’s los“, sagt Herr Fink und<br />

wie Medizin und 600 Milliliter Wasser pro Tag greift seiner Frau beherzt unter die Arme. Mit<br />

verabreicht. vereinten Kräften gelingt das schweißtreibende


Manöver nach mehreren Anläufen schließlich, Das Schlafzimmer ist ein kleiner Raum, an dessen<br />

für Lucia Fink bedeutet es zusätzliche Schmer- Wänden viele Familienfotos prangen. Daneben<br />

zen. Vor allem ihre Knie und die Hüfte machen hängt ein Flachbildfernseher und ein Fenster gibt<br />

der früheren Kellnerin im Fußballstadion des den Blick auf einen üppigen, grün blühenden Gar-<br />

FC Augsburg wegen des Bewegungsmangels zu ten mit mehreren Bäumen frei. Doch viel davon<br />

schaffen. kann Lucia Fink aus ihrem Bett nicht sehen und<br />

selber aufrichten kann sie sich <strong>–</strong> trotz eines Hal-<br />

„Wie viel schneiden wir ab?“, fragt die Friseurin. tebügels <strong>–</strong> auch schlecht. Daher guckt sie gerne<br />

So viel, bedeutet ihr Frau Fink und zeigt mit Dau- in die Röhre. Besonders Telenovelas haben es<br />

men und Zeigefinger der ausgestreckten, rech- ihr angetan: Täglich, um 15 Uhr, verfolgt sie den<br />

ten Hand etwa sieben Zentimeter an. Jetzt sitzt „Sturm der Liebe“. „Da wird sie munter“, freut sich<br />

sie, notdürftig mit Handtüchern bekleidet, mit ihr Mann und seine blauen Augen beginnen zu<br />

leerem Blick im Stuhl und schaut ihren auf den strahlen. Auch er sieht gerne fern, besonders weil<br />

Boden segelnden, dunkelgrauen Locken hinter- langes Lesen zu anstrengend sei: „Die Zeilen verher.<br />

Friseurin Vinarsky lässt sich Zeit, greift sich schwimmen immer zu einer Linie.“ Dennoch lie-<br />

Strähne für Strähne und flötet: „Sie haben aber gen drei Tageszeitungen auf dem rustikalen Hänschöne<br />

Locken.“ Siegfried Fink pflichtet ihr freu- getisch in der Küche, die, wie die ganze Wohnung,<br />

dig bei. „Ja, oder?“ mit viel hellem Holz ausgelegt ist.<br />

Inzwischen sei seine Frau „wacher“, findet Fink. Mittagszeit, Essenszeit. Es klingelt an der Tür, die<br />

„Anfangs bekam sie stärkere Medizin, da ist sie Pflegerin ist wieder da und macht sich gleich an<br />

meist in einem Dämmerzustand gewesen, wenn die Ernährungspumpe, die ähnlich wie ein Tropf<br />

sie nicht gerade schlief.“ Derzeit ruhe seine Frau an einem Ständer neben dem Bett steht. Über<br />

noch mindestens zehn Stunden täglich. Sieg- einen Schlauch ist die Pumpe mit Frau Finks<br />

fried Fink, der seit 2000 Rentner ist, hat sein Nasensonde verbunden, ein Pflaster sichert den<br />

schmales, von einem hellen Holzgestell einge- Halt. In einem durchsichtigen Beutel befindet sich<br />

fasstes Bett neben das breite und höhenverstell- eine aprikosenfarbene Substanz, „diätische Nahbare<br />

Pflegebett seiner Frau gerückt und manch- rung für besondere medizinische Zwecke“steht<br />

mal legt er sich neben sie und schlummert für auf der Verpackung. Die Pumpe pumpt aber nicht,<br />

ein Stündchen. piepst bloß. „Luftalarm“, diagnostiziert die Pflegerin.<br />

Dann geht es los. Die Nahrung läuft sur-


end durch den Schlauch über Lucia Finks Nase in manchmal anstrengend seien. Menschen, die desihren<br />

Magen, ohne das irgendwelche äußerlichen halb vor Gericht ziehen und wegen Lärmbelästi-<br />

Regungen sichtbar würden. Kein Schlucken, kein gung klagen, könne er einfach nicht verstehen.<br />

Kauen. Frau Fink lässt alles gelassen über sich „Richter, die Kindergärten in Wohngebieten verergehen,<br />

sie sieht müde aus. Nachdem alles einge- bieten, würde ich ohne Pension rausschmeißen“,<br />

stellt wurde, verlassen die Pflegerin und Herr Fink echauffiert er sich. „Kinder dürfen heute doch eh<br />

den Raum und gehen zum Plaudern in die Küche.<br />

Siegfried Fink redet gerne, es wirkt als genieße er<br />

beinahe nichts mehr.“<br />

den Smalltalk. Sicherlich auch, weil dies seiner Dass Siegfried Fink überhaupt in der Lage ist, sei-<br />

Frau nicht gerade leicht fällt. ne Frau zu <strong>pflegen</strong>, ist nicht selbstverständlich.<br />

Nach einer Operation im vergangenen Oktober,<br />

Aus dem Küchenfenster fällt der Blick hier, im bei der ihm verstopfte Venen in den Beinen gereinördlichen<br />

Augsburger Stadtteil Firnhaberau, nigt wurden und zwei neue Stents zum Herzen<br />

auf eine Schrebergartenkolonie. Direkt vor dem gelegt werden mussten, weiß Siegfried Fink, was<br />

Haus der Finks liegt ein einsamer Tennissand- es bedeutet, plötzlich nicht mehr zu funktioplatz,<br />

um den sich Siegfried Fink mit dem Pflicht- nieren. Fink sitzt am Küchentisch und zieht zur<br />

bewusstsein eines Platzwarts kümmert: Er lässt Verdeutlichung sein türkises T-Shirt über seiihn<br />

von einer Firma instand halten und vermietet nen runden Bauch, der seither von einer langen,<br />

ihn regelmäßig an etwa zehn Parteien. „Früher violetten Narbe überzogen ist. „Ich bekam kaum<br />

war hier mehr los“, sagt Fink und schaut etwas noch Luft, musste mich alle fünf Minuten hinsetwehmütig.<br />

Er selbst kann, seit einer Operation zen.“ Es sei eine Vorstufe zum Infarkt und durchan<br />

den Venen seiner Beine, nicht mehr spielen. aus eine „lebensbedrohliche Situation“ gewesen.<br />

Siegfried Fink bedauert das sehr. Etwa 20 Jahre Vier Wochen verbrachte Fink deshalb im Kranlang<br />

war Tennis sein Hobby, er erfreute sich an kenhaus. „Falls ich es nicht geschafft hätte, wäre<br />

dem ehemaligen Volkssport. Auch viele seiner Lucia wohl ins Heim gekommen.“ Als „letztes<br />

Bekannten könnten längst kein Tennis mehr Mittel“ sieht Familie Fink diese Option. Auch die<br />

spielen, „wegen den Gelenken“, sagt Fink. „Andere Söhne würden eher ihren Job aufgeben, als die<br />

sind schon gestorben.“ Mutter ins Heim abzuschieben, versichert Vater<br />

Fink. 52 Jahre sind die beiden nun schon ein Paar,<br />

Neben dem Tennisplatz hat sich ein Kindergar- 48 Jahre davon verheiratet, bemerkt Siegfried<br />

ten niedergelassen, von wo lautes Getöse in die Fink und lächelt selbst etwas ungläubig ob solch<br />

Wohnung dringt. Fink lächelt liebevoll, wenn er<br />

von den Kindern spricht, auch wenn diese schon<br />

großer Zahlen.


Andere Zahlen wirken da schon bedrohlicher. Mit episoden. Als es draußen kürzlich so warm war,<br />

dem Geld der Pflegeversicherung und ihrer Rente wollte seine Frau unbedingt mit ihrem Rollstuhl<br />

kommen die Finks eher schlecht als recht über auf den Balkon. Nachdem sie aus dem Bett dort<br />

die Runden. Für den Pflegedienst fällt ein monat- hineingehoben worden war, musste sie den<br />

licher Zuschuss von 500 Euro aus eigener Kasse an. Traum von ein paar Sonnenstrahlen auf der Haut<br />

Auch für Lucia Finks Windeln und einige Kleinig- kurz vor der Ziellinie begraben: Mit dem breiten<br />

keiten müssen die Finks selbst aufkommen. Rollstuhl kam sie nicht am Schrank neben dem<br />

Ausgang vorbei. Nun soll der Schrank als Nächs-<br />

„Wir haben nicht damit gerechnet, so viel für die<br />

Pflege ausgeben zu müssen“, sagt Siegfried Fink.<br />

tes ein wenig verkürzt werden.<br />

Dennoch ist er nicht undankbar, denn „das meiste Doch Familie Fink hat schon weitergedacht und<br />

zahlt ja die Pflegeversicherung.“ Den Rollstuhl bereits richtige Ausflüge im Hinterkopf, zum Beibeispielsweise,<br />

die Sonde größtenteils oder die spiel mit einem Schiff über den Main zu gleiten.<br />

Miete für das Pflegebett. Trotzdem mussten sie Einen teuren Treppenlift, der Frau Fink aus der<br />

kürzlich auch deshalb die Eigentumswohnung Wohnung im ersten Stock heben kann, haben sie<br />

seiner Frau in der Stadt verkaufen. bereits einbauen lassen.<br />

In der Küche schwelgt Fink erneut in Erinne- Das Wiedersehen mit der Natur und der Sonne<br />

rungen und spricht von gemeinsamen Alltags- rückt täglich ein Stück näher.


Frank Geißler <strong>–</strong> der Unentbehrliche<br />

Wer einen Tag im Hamburger Hospital zum Hei- Eingesetzt wird Geißler in der beschaulichen<br />

ligen Geist verbringt, kann sich kaum vorstellen, Einrichtung in Poppenbüttel, im Hamburger<br />

dass es im dortigen „Haus Begonie“ auch ohne Norden, bisher offiziell in der sozialen Betreu-<br />

Frank Geißler gehen wird. Der 19-Jährige leistet ung; eine von drei Säulen im Hospital, neben der<br />

in der „Kleinen Stadt für Senioren“ mit insgesamt Pflege und der Hauswirtschaft. In der Realität<br />

1.200 Bewohnern gerade sein Freiwilliges Sozi- aber ist er eine „Zusatzkraft, ähnlich wie ein<br />

ales Jahr (FSJ), beendet dies aber, wegen eines Jura- Zivildienstleist ender“, wie Geißler sagt, der überstudiums,<br />

nach sieben Monaten. Dann wird der<br />

1, 90-Meter-Mann mit den ins Gesicht gekämmten<br />

all dort einspringt, wo es brennt.<br />

Haaren und der lockeren Art hier, statt täglich Und hinter den grau-roten Waschbeton-Backacht<br />

Stunden und mehr, nur noch einmal in der stein-Wänden lodern einige Feuerstellen: Heute<br />

Woche arbeiten, fortan auf 400-Euro-Basis. Morgen bereitet die Prothese von Frau Tetzlaff


Sorgen; deshalb muss Geißler die Frau mit dem dem Sessel, hebt sie mit einem Ruck aufs Bett.<br />

schmerzverzerrten Ausdruck im Rollstuhl zum Weiter geht’s, über den durch Neonlicht erhellörtlichen<br />

Zahnarzt, ein paar Straßenzüge weiter, ten Flur, wo Kunstdrucke von Cézanne oder Van<br />

ins „Haus Hortensie“ bringen. Der Umgang mit Gogh etwas von der blassen Krankenhaussteri-<br />

Frau Tetzlaff, wie mit vielen anderen Bewohnern,<br />

ist, auch wegen ihrer Hörschwäche <strong>–</strong> trotz Hörge-<br />

lität nehmen sollen.<br />

rät <strong>–</strong> , nicht immer einfach. Doch Frank Geißler Frau Tetzlaff wartet schon. Sie hat es nicht leicht:<br />

reagiert routiniert. Er spricht laut und langsam Neben den Zähnen bereitet ihr auch der Rücken<br />

mit ihr, wiederholt seine Sätze notfalls mehrfach, Schmerzen, ihr Arm wurde nach einem Sturz<br />

stets ohne Schärfe im Ton. eingegipst. Deshalb leidet Frau Tetzlaff laut.<br />

Doch Frank Geißler weiß, wie ihr Wehklagen<br />

„Hilfe, Hilfe“, schallt es jetzt aus Zimmer 130. Frau einzuschätzen ist <strong>–</strong> deshalb hält sich sein Mit-<br />

Neudeck möchte sich ins Bett legen „und unter die leid in Grenzen. Vielleicht bleibt dafür in einem<br />

warme Decke kuscheln“, wie sie sagt, doch dafür hektischen Alltag ohne Verschnaufpausen auch<br />

benötigt sie die Unterstützung einer helfenden<br />

Hand. Frank Geißler ist zur Stelle. Er hilft ihr aus<br />

schlicht keine Zeit.


Wieso sich Geißler, wie jährlich über 30.000 ande- Frank Geißler berichtet von teilweise traditionell<br />

re junge Menschen zwischen 16 und 27 Jahren, für geprägtem Rollenverständnis der Senioren: Zum<br />

das FSJ entschieden hat? Er sitzt im Wartezimmer Beispiel, wenn er deren Betten machen wolle, fieder<br />

Zahnarztpraxis und hält einen Moment inne, len schon mal Kommentare wie: „Kann das nicht<br />

sagt dann: „Weil ich nach der Schule nicht wusste, besser eine Pflegerin machen?“ <strong>Männer</strong> seien beswas<br />

ich studieren sollte.“ Anfangs sei er noch unsicher<br />

gewesen, ob es das Richtige für ihn sei. Doch<br />

ser anderswo aufgehoben.<br />

es hat sich gelohnt: „Ich habe von den Damen Zeit für ausschweifende Gedanken bleibt nicht,<br />

und Herren hier viel über das Leben gelernt.“ Die weitere <strong>Auf</strong>gaben warten. Geißler muss wieder<br />

sieben Monate hätten ihn vor allem „menschlich los, zur Apotheke, Medikamente abholen. Und<br />

weitergebracht“, ist er überzeugt. „Ich kann das Frau Tetzlaff wartet beim Zahnarzt. Dass ihr nach<br />

nur jedem empfehlen.“ Zudem habe Geißler auch der Behandlung das Gebiss fehlt, bedeutet, dass<br />

die Erfahrung in der Arbeitswelt gesammelt, die Geißler morgen wieder mit ihr in die Praxis muss.<br />

er suchte: Beispielsweise, wie es ist, acht Stunden Doch der freiwillige Helfer gewinnt dem ewigen<br />

am Tag durchzuarbeiten, oder „wie man sich sei- Hin und Her etwas Gutes ab: „Dort arbeiten eininem<br />

Chef gegenüber verhält“.<br />

Völlig umsonst müssen Menschen wie Frank<br />

ge hübsche Zahnarzthelferinnen“, sagt er und<br />

schmunzelt lausbübisch.<br />

Geißler nicht arbeiten, doch der Lohn gleicht eher Frank Geißler macht den Job gerne, er fühlt sich<br />

einem Taschengeld: In den sieben Monaten erhielt wohl dabei. Sein 20-köpfiges Team, darunter ein<br />

er 540 Euro monatlich, davon müssen aber auch weiterer FSJ’ler, habe ihm die Eingewöhnung<br />

noch Fortbildungsseminare bezahlt werden. leicht gemacht, sagt er auf dem Rückweg ins Haus<br />

Begonie. „Nur das <strong>Auf</strong>stehen um fünf Uhr nervt.“<br />

Der Umgang mit den Bewohnern im Hospital Draußen hat der Frühling seine Vorboten entzum<br />

Heiligen Geist erfordere auch Überwin- sandt: Zarte Sonnenstrahlen locken viele Bewohdung,<br />

denn gerade bei den „fitteren“ Vertretern, ner auf die Anlage, die ihre Gehhilfen, sogenannte<br />

die noch mehr mitbekämen, falle ihm das Kon- Rollatoren, vor sich her schieben. Auch die Vögel<br />

taktherstellen nicht leicht: „Ich möchte ja deren<br />

Intimsphäre nicht stören.“<br />

freuen sich und pfeifen wild um die Wette.<br />

Geißler schiebt Frau Tetzlaff in den <strong>Auf</strong>enthalts-<br />

Auch weit unangenehmere Momente gebe es. raum, wo etwa 20 Senioren wortlos beisammen<br />

Manche Bewohner vertrauten ihm an, sie wün- sitzen und Popmusik aus dem Radio schallt. Für<br />

schten sich, dass ihr Leben bald zu Ende gehe. „Was Speis und Trank ist in der privaten Einrichtung,<br />

soll man da sagen, da kann man nur noch zuhören.“ die von einer Stiftung namens „Curator“ und


durch Spendengelder unterstützt wird, im Über- rungen geduldig zu: Sie erzählt im norddeutschen<br />

fluss gesorgt: Nach dem Frühstücksbuffet folgt Tonfall von Problemen mit ihrer Tochter, von<br />

eine Zwischenmahlzeit, bevor um 11.45 Uhr das einem Krankenhausaufenthalt. Und davon, wie<br />

Mittagessen aufgefahren wird. Gegen 14.30 Uhr sie eine Freundin immer zum Lachen gebracht<br />

gibt es Kaffee und Kuchen, dann eine Zwischen- hat. Doch Geißler hört nicht nur zu, er fühlt sich<br />

mahlzeit. Nach dem Abendessen, von 18 bis 19.30 behutsam, aber aufmerksam in die Erzählung ein,<br />

Uhr, hat jeder auch noch Anspruch auf eine Spät- gibt Ratschläge, fragt nach. Sie ist noch immer<br />

mahlzeit, häufig hilft auch Geißler bei der Essens- eine beeindruckende Erzählerin. Da lacht Geißler<br />

ausgabe. Es wirkt, als seien die vielen Mahlzeiten gerne mit. „Man wird so geduldig bei der Arbeit“,<br />

der freundliche Versuch, einem für die Mehrzahl<br />

ereignisarmen Tag mehr Struktur zu verleihen.<br />

sagt er und lächelt entspannt.<br />

Doch eigentlich mangelt es im Hospital zum Das kommt bei den Bewohnern an. In den sieben<br />

Heiligen Geist nicht an Angeboten: Gedächtnis- Monaten, die er hier war, hat sich der belastbare<br />

training oder Livemusik zum Mitsingen wird Helfer beliebt gemacht. Sein Abschied ist Thema<br />

angeboten, „Kreatives Gestalten“, „Kaffee Klön- bei beinahe jedem, den er heute trifft, auch bei<br />

schnack“ oder Gesellschaftsspiele. Bei der Presse- den Bediensteten, und stets klingt aus den Stimschau<br />

lesen Frank Geißler und sein Team aktuelle men Anerkennung und Bedauern über seinen<br />

Berichte aus Zeitungen vor. Auch einen <strong>Männer</strong>stammtisch<br />

für die wenigen vertretenen <strong>Männer</strong><br />

nahenden, teilweisen Abschied.<br />

gibt es: Unter den 60 Bewohnern im „Haus Bego- Überhaupt herrscht hier eine herzliche Stimnie“<br />

leben nur 5 <strong>Männer</strong>, sagt Geißler. Es gibt einen mung: In der „kleinen Stadt für Senioren“ grüßen<br />

Festsaal, wo sonntags ein Gottesdienst abgehalten sich auch Fremde freundlich. Das schätzt Frank<br />

wird, Theater- und Choraufführungen und auch Geißler. „Nicht wie üblich auf der Straße, wo jeder<br />

Filme aufgeführt werden; in einem kleinen Park<br />

können die Senioren mit Freunden, Angehörigen<br />

gleich wegguckt.“<br />

oder Betreuern spazieren gehen. Auch eine Kegel- Geißler fühlt sich wohl bei der Arbeit und wenn er<br />

bahn und ein Hallenbad können sie nutzen. von seinem Arbeitgeber spricht, sagt er „wir“. Länger<br />

wolle er den Job dennoch nicht machen. „Mir<br />

Frank Geißler leiht den Bewohnern gerne sein fehlt die geistige Herausforderung.“ Letztens, als<br />

Ohr. Er steht im Zimmer einer 90-jährigen Dame <strong>–</strong> ihn seine Mutter zum Einkaufen schickte, habe<br />

jeder hier bewohnt ein individuell eingerichtetes er nicht mal mehr gewusst, wie man Mürbeteig<br />

Einzelzimmer <strong>–</strong> und hört ihren klaren Ausfüh- schreibt. Geißler wohnt noch zu Hause, bis zu


seinem Referendariat wolle er dort wohnen blei- Engagement sei ihm „sehr wichtig“. Ein Widerben.<br />

Was er später werden will? Einen Job „in der spruch zu dem Bestreben, in die Wirtschaft zu<br />

Wirtschaft“ wünsche er sich, „vielleicht als Mana- wollen? Geißler sitzt am Mittagstisch, schmiert<br />

ger“. Dennoch habe er schon immer eine soziale sich ein Brot und schüttelt den Kopf. Ganz sicher<br />

Ader gehabt. „Früher habe ich in der örtlichen sei er sich da noch nicht, sagt er. „Sogar hier im<br />

Gemeinde mit den Kindern gebastelt.“ Soziales Hospital werden ja Juristen benötigt.“


Ingo Dahmer <strong>–</strong> der Kreative<br />

Manche Menschen müssen häufiger mit dem Zwar nimmt sie ihre Umwelt kaum wahr, kann<br />

Schicksal hadern als andere. Zu ihnen zählen sich nicht mitteilen. „Aber auf Kommandos reajene,<br />

die ohne eigenes Verschulden in schlimme giert sie“, sagt Ingo Dahmer.<br />

Unfälle verwickelt werden, oder solche, denen<br />

der eigene Körper von einem Tag auf den anderen<br />

brutal aufzeigt, dass Gesundheit das höchste<br />

Gut und keineswegs selbstverständlich ist. Oder<br />

deren Angehörige.<br />

Zum Beispiel Ingo Dahmer aus Dortmund-<br />

Wickede.<br />

Der 43-jährige Familienvater von vier Kindern<br />

zwischen 5 und 21 Jahren muss seit zweieinhalb<br />

Jahren damit leben, dass seine Frau die Außenwelt<br />

nur noch wie durch eine Wattewand wahrnimmt<br />

und wohl lebenslänglich an einen Rollstuhl<br />

gefesselt bleiben wird. Die meiste Zeit kauert sie aber vor dem Fernseher,<br />

oder schaut darauf eine Diashow mit Fotos aus<br />

Nach einem Schlaganfall, erlitten im Juni 2008, gesunden Tagen an. Mehr geht bislang nicht.<br />

kann Christine Dahmer nur noch die Augen rollen<br />

und <strong>–</strong> nach langem Training <strong>–</strong> den rechten In einem schlichten Wohngebiet, am östlichen<br />

Arm langsam bewegen, die rechte Hand öffnen Rand des Ruhrgebiets, leben die Dahmers im Erdund<br />

schließen, nutzen aber kann sie sie nicht. geschoss eines modernen Mehrfamilienhauses.<br />

Ihre Zeit verbringt sie, mehr oder weniger Den Zugang in die Wohnung erleichtert eine<br />

regungslos, in ihrem Rollstuhl. Zunächst laute- Stahlrampe, die auf den Balkon und von dort barte<br />

die Diagnose „Wachkoma“, auch „vegetativer rierefrei in die 4-Zimmer-Wohnung der Familie<br />

Zustand“ genannt; heute trifft das nicht mehr führt.<br />

ganz zu, denn Christine Dahmer hat sich etwas<br />

entwickelt.


Mit einem kräftigen Schwung schiebt Ingo Dah- ihrer Bewegungsfähigkeit und der Motorik. Monmer<br />

seine Frau Christine jetzt hinauf, nachdem tag und Freitag kommt eine Physiotherapeutin<br />

er sie zuvor aus dem rollstuhlgerechten Chrysler-<br />

Van gehievt hat. Über ihnen glänzt ein wolken-<br />

vorbei, Montag und Mittwoch eine Logopädin.<br />

loser Himmel, da fahren sie gerne spazieren. <strong>Auf</strong> ihrem in alle Lagen verstellbaren Bett knetet<br />

Therapeutin Wiesthal Christine Dahmers Schul-<br />

Es wirkt, als sei dies alles für Ingo Dahmer bereits tern, die verkrampft und schlaff daliegenden<br />

Routine, jeder Handgriff sitzt auf Anhieb. Und das Arme, Schenkel und Beine, bis langes Stöhnen<br />

muss er auch, denn gleich hat sich, wie täglich, und Ächzen das Schlafzimmer durchdringt.<br />

Besuch angekündigt. Carina Wiesthal lautet ihr „Bist du überhaupt in Stimmung heute?“, fragt<br />

Name, von Beruf ist die junge blonde Frau Ergo- die Therapeutin in frisch-fröhlichem Ruhrpotttherapeutin.<br />

Wie jeden Dienstag- und Donners- Singsang. Scherze gehören dazu: „Du hörst dich<br />

tagvormittag feilt sie mit Christine Dahmer an ja an wie ’ne alte Tür.“


Hinter ihr steht Ingo Dahmer, schmunzelt und gleichen Abend die Kinder ins Bett gebracht hatte,<br />

wartet auf seinen Einsatz. Der kommt, sobald „machte es plötzlich einen Knall“. Sie lag auf dem<br />

es gilt, die 64 Kilo der Gattin mit den rosa-rot Boden, krümmte sich, war nicht mehr ansprechlackierten<br />

Fingernägeln und der Tätowierung um bar. Der Notarzt kam. „Ich sah sofort, dass es ernst<br />

den rechten Zeigefinger zu wenden oder aufzu- war“, sagt Ingo Dahmer. Wie ernst konnte er nicht<br />

richten. So wie jetzt. „Es ist wichtig, ein Körper- ahnen: Nach einer sogenannten Lysetherapie, bei<br />

gefühl zu bewahren, auch wenn man sich kaum der ein Blut verdünnendes Medikament verabnoch<br />

bewegen kann“, sagt Carina Wiesthal. reicht wird, um die Verstopfungen in den Adern<br />

zu lösen, entstanden Hirnblutungen. Das Blut war<br />

Ingo Dahmer, ein muskulöser Mann mit Bürsten- zu dünn geworden <strong>–</strong> eine bekannte, aber offenbar<br />

haarschnitt, der eine kleine Kugel vor sich her unvermeidbare Nebenwirkung, vermutet Dahträgt,<br />

opfert sich wie selbstverständlich für seine mer. Die Atmung setzte aus, Christine Dahmer<br />

41-jährige Frau auf, mit der er seit 23 Jahren ver- musste künstlich beatmet werden. „Das waren<br />

heiratet ist. Dahmer zögerte nicht, als existenzielle<br />

Entscheidungen anstanden: Nach dem Tag, der<br />

Anzeichen, wie wenn sie stirbt.“<br />

das Leben von Familie Dahmer durcheinander- So weit kam es nicht. Dennoch wurden insgesamt<br />

wirbelte wie ein Taifun, kündigte Ingo Dahmer wie zehn Operationen nötig, um das Leben seiner Frau<br />

selbstverständlich seinen Job als Radio- und Fern- zu retten. Was den Schlaganfall ausgelöst haben<br />

sehtechniker, um sich seither in Vollzeit zu Hause könnte? „Rauchen und die Pille“ sei eine Vermuum<br />

seine Frau Christine kümmern zu können.<br />

„Meine Freunde sagten: Du hast einen an der Waf-<br />

tung, doch genau weiß das niemand.<br />

fel.“ Doch Ingo Dahmer behauptet, man brauche Von der Krankenkasse erhalten die Dahmers<br />

nur ein „dickes Fell“ und Durchsetzungsvermö- heute die Unterstützung aus Pflegestufe 3 <strong>–</strong> der<br />

gen, um solch eine Situation zu meistern. Opti- höchst möglichen Stufe. Nach einem Scharmützel<br />

mismus und viel Geduld gehören sicherlich auch mit der Bundesagentur für Arbeit (BA) bekommt<br />

dazu. <strong>Auf</strong> Wehklagen oder Zweifel kann man bei Ingo Dahmer inzwischen Hartz IV <strong>–</strong> obwohl er<br />

Ingo Dahmer jedenfalls lange warten. Auch wenn nicht, wie vorgeschrieben, dem Arbeitsmarkt zur<br />

das Geschehene unfassbar ist: Christine Dahmer Verfügung steht. Seine Frau hat Anspruch auf<br />

klagte damals, an einem Sommertag vor zwei- eine Erwerbsunfähigkeitsrente. „Wir kommen<br />

einhalb Jahren, über Schmerzen im Arm, erinnert<br />

sich ihr Mann am Esstisch. Keiner der Ärzte<br />

gut damit über die Runden“, sagt Ingo Dahmer.<br />

ahnte warum. Ein Orthopäde gab ihr eine Spritze Nach 45 Minuten ist die Massagesitzung vorbei,<br />

gegen die Schmerzen. Als Christine Dahmer am jetzt gilt es, Christine Dahmer vom Bett zurück in


den Rollstuhl zu bekommen. Ingo Dahmer breitet mit den dunkelbraunen Haaren und den beiden<br />

einen fallschirmartigen Stoff auf dem Bett aus, hervorblitzenden, goldenen Schneidezähnen<br />

rollt seine Frau sachte darauf. Jetzt befestigt er<br />

ihn an einer Schiene des „Deckenlifts“ und schiebt<br />

dabei empfindet.<br />

seine festgeschnallte und nun schwebende Frau „Wir wollen bald ganz auf die Sonde verzichten“,<br />

bequem bis über den Rollstuhl. Beim Abseilen sagt Ingo Dahmer. „Das geht erst, wenn ich weiß,<br />

knuddelt Dahmer seine Frau innig. Die Idee für dass sie 1,5 Liter Flüssigkeit zu sich nehmen kann.“<br />

den Lift, dessen Schiene von der Schlafzimmer- Selbstständiges Trinken sei bislang unmöglich,<br />

decke bis ins Bad reicht, hatte Ingo Dahmer, als „dafür brauchen wir noch ein Jahr.“ Noch aber esse<br />

ihm gewahr wurde, dass der Rollstuhl nicht durch sie sehr unsicher. „Das muss sicherer und schneldie<br />

Tür passte. Wie viel dieser wert ist, erfährt ler gehen“, formuliert Ingo Dahmer ambitioniert.<br />

er beispielsweise im Urlaub, wenn Dahmer seine Vermessen klingt das nicht, schließlich haben sie<br />

Frau alleine vom Bett in den Rollstuhl und zurück dank Dahmers unbändigem Willen und seiner<br />

tragen muss. zupackenden Art mehr erreicht, als alle Ärzte<br />

für möglich hielten: Diese hatten es als unwahr-<br />

Mittagszeit, Essenszeit. Chistine Dahmer hockt scheinlich eingestuft, dass Dahmers Frau jemals<br />

dennoch vor dem großen Flachbildfernseher, die wieder würde selbstständig essen und schlucken<br />

Augen auf den Boden gerichtet. An den Wänden<br />

hängen lebensfrohe Bilder von ihr, von früher<br />

können. „Die glauben halt nicht an Wunder.“<br />

und heute, teilweise überlebensgroß. Sie wirken Nach der einjährigen Rehazeit fiel die Diagnose<br />

wie kleine Kraftquellen für die gebeutelte Fami- zunächst noch vernichtender aus: Ärzte atteslie.<br />

Über eine Magensonde bekommt Christine tierten Christine Dahmer eine „infauste“ (lat.<br />

Dahmer nun 500 Milliliter flüssige Babynahrung ungünstige) Prognose, eine Verbesserung sei<br />

tröpfchenweise eingeflößt. „Früher bekam sie nicht zu erwarten. Sogar der Tod sei wahrscheindas<br />

drei Mal täglich“, also 1.500 ml, sagt Dahmer. lich. „Da dachte ich mir: So, jetzt erst recht!“ Ingo<br />

Heute genüge eine Ration, da sie, nach langem Dahmer blickt stolz und kampfeslustig durch den<br />

Training mit der Logopädin, auch etwas über den Raum, wenn er dies erzählt. „Das alles wäre im<br />

Mund zu sich nehmen, eigenständig schlucken Heim nie möglich gewesen.“ Dahmer ist überkann.<br />

Brei und Püree, Quark oder Pudding. „Alles, zeugt, dass viele Patienten deshalb den ganzen<br />

was lecker ist“, sagt Ingo Dahmer und lacht. Laut- Tag im Bett lägen, weil sie von ihren Angehörigen<br />

los lässt Christine Dahmer alles über sich ergehen, aufgegeben würden. „Die denken, es lohnt sich<br />

man kann nur schwer deuten, ob und was die Frau nicht mehr.“ Ingo Dahmer tickt anders. Und sein


Kampf um Ansätze von Normalität, die er und Haare aus dem Gesicht, hält ihre Hand. Was sie<br />

seine Familie sich seit mehr als zwei Jahren täglich mit ihrer Mutter unternimmt? „Morgens lege<br />

scheibchenweise erarbeiten, geht weiter. Weil die ich mich oft zum Kuscheln zu ihr. Und wenn ich<br />

Dahmers schnell erkannt haben, dass Kommuni- mit dem Wii-Computer spiele, lacht sie mit mir.“<br />

kation und Mitteilungsfähigkeit das Wichtigste Auch Ingo Dahmer hat längst einen Draht zu seibeim<br />

Miteinander sind, hat sich Ingo Dahmer auf ner Frau gefunden. „Möchte sie Ja sagen, schließt<br />

Internetrecherche nach Lösungsansätzen bege- sie länger die Augen.“ Vor allem auf Sprache und<br />

ben: Er suchte nach einem Computerprogramm, Bilder reagiere Christine Dahmer. Sonst teile sie<br />

welches speziell für Behinderte entwickelt wurde sich über Lachen mit. Für Fremde ist nicht gleich<br />

und auf bloße Bewegungen reagiert. Nachdem er<br />

fündig wurde, folgte der Hausbesuch eines Fir-<br />

ersichtlich, ob es nicht ein Wimmern ist.<br />

menvertreters. Dieser empfahl ein Programm, Wie gehen die Kinder und der Rest der Familie mit<br />

welches über eine Augensteuerung läuft. „Das ist der Situation um? Mehr oder weniger tapfer. Kimeine<br />

Art Tablet-Computer mit Touchscreen und berly wirkt nicht niedergeschlagen oder traurig,<br />

zwei Kameras, die die Augenbewegungen scan- wenn sie über das eingeschränkte Familienleben<br />

nen und an die Computermaus weiterleiten“, nachdenkt. Sie hat gelernt, nach dem Vorbild ihres<br />

erklärt Dahmer. Und tatsächlich: Es klappte. Seine Vaters, sich das Positive im Negativen zu bewah-<br />

Frau konnte die Maus auf dem Computer tatsäch- ren. Das ist nicht immer einfach. Zum Beispiel,<br />

lich mit ihren Augen steuern. Doch die Kosten für wenn sie einen Ausflug machen und andere Kindas<br />

System sind enorm: 21.000 Euro. Deshalb hat der fragen: „Mama, warum gehen die mit einer<br />

die Krankenkasse vorgeschlagen, das Gerät erstmal<br />

testweise zu mieten. Eine gewisse Euphorie<br />

Puppe spazieren?“<br />

strahlt jetzt aus Ingo Dahmers Augen. Es wäre Für den 19-jährigen Sohn Christopher wurde die<br />

ein weiterer Etappensieg. „Dann wären wir einen Situation unerträglich; er brach den Kontakt zur<br />

Riesenschritt weiter.“ Familie nach der Reha seiner Mutter ab. Mit seiner<br />

Schwester hingegen spricht Ingo Dahmer nicht<br />

Inzwischen ist auch die 11-jährige Kimberly mehr. „Weil sie mich gebeten hatte, meine Frau<br />

von der Schule zurück und löffelt im Nu einen nicht zu ihrer Geburtstagsfeier mitzubringen. Sie<br />

„Fruchtzwerg“ aus. „Sie war die Erste, die Kontakt<br />

mit Christine aufnahm“, erinnert sich der<br />

könnte die Gäste irritieren.“<br />

Vater. Das wache Mädchen mit den langen, brau- Ingo Dahmer erzählt dies mit gleichmütiger<br />

nen Haaren streichelt ihrer Mutter sanft die Miene, doch man merkt, dass er gelernt hat, eine


makellose Fassade zu wahren. Er möchte kei- Dahmer. Heute hat er gelernt, dass man die Situane<br />

Schwäche zulassen, will Stärke demonstrie- tion akzeptieren muss und nicht auf eine schnelle<br />

ren. Unser Pressebesuch ist Teil dieser offensiven<br />

Bewältigungsstrategie. Er möchte gerne als<br />

Besserung hoffen darf.<br />

Vorbild für andere herhalten, sagt er. Und auch ein Der Tag von Familie Dahmer beginnt um sechs<br />

Video, das die Familie beim Videoportal You -Tube Uhr früh. Nachdem Kimberly gegen sieben aus<br />

eingestellt hat, zählt dazu: Der Drei-minuten- der Tür ist, wäscht Ingo Dahmer seine Frau <strong>–</strong><br />

Streifen mit dem gewöhnungsbedürftigen Titel im Bett. Dann zieht er ihr etwas an und schiebt<br />

„Wachkoma-Skate-Tour 2009“, untermalt mit Chris tine Dahmer an ihren Platz vor dem Ferneinem<br />

Refrain „I feel fantastic“, zeigt die Fami- seher, füttert sie mit Sondenkost. Um acht Uhr<br />

lie beim Rollerbladen im Sommer. Als wollten weckt er die 5-jährige Jona und bringt sie um<br />

sie der Welt damit bedeuten: Seht her, wir geben neun Uhr zum Kindergarten. „Danach bin ich<br />

nicht auf <strong>–</strong> und haben auch noch Spaß dabei. erstmal kaputt, mache mir Kaffee und Brötchen.“<br />

Schwache Momente, Ängste und Zweifel habe es Danach gibt Ingo Dahmer seiner Frau Medikanur<br />

anfangs gegeben. „Da hat es mir den Boden mente: Antidepressiva, „wie für alle solche Patiunter<br />

den Füßen weggezogen“, erinnert sich Ingo enten“, etwas für die Schilddrüse, den Magen und


zur Blutverdünnung. Weitere Arzneien hat Dah- Auch wenn Ingo Dahmer nicht jede Regung seiner<br />

mer abgesetzt. „Alles, was im Krankenhaus ver- Frau einzuordnen vermag, er versucht es so gut<br />

abreicht würde, um sie pflegeleichter zu machen.“ er kann. Dabei tauscht er sich stets mit seinem<br />

Soll heißen: Schmerz- und Beruhigungsmittel. Er Hausarzt aus. Auch in einem Forum im Internet<br />

ist sicher: „Sie leidet seither nicht mehr.“ bietet Dahmer Menschen in vergleichbaren Situationen<br />

inzwischen Rat an. Auch das helfe ihm.<br />

Überhaupt, die Ärzte. Mit ihnen verbindet Ingo Ingo Dahmer zweifelt nicht daran, dass das beste<br />

Dahmer ein kritisches Verhältnis. Denn: „Ärzte Pflegeergebnis zu Hause, in seiner Obhut, erzielt<br />

kennen sich kaum mit Wachkomapatienten aus.“ werde. Ingo Dahmer schenkt sich einen Kaffee<br />

Und das ist nicht verwunderlich: „Bei Wachkoma- nach, nimmt einen Schluck und sagt: „Manche<br />

patienten ist jede Diagnose eine Gratwanderung“, Wachkomapatienten sind wieder relativ fit geheißt<br />

es dazu in einem Artikel auf der Internetsei- worden.“ Er denkt dabei vor allem an einen Fall<br />

te des WDR. „Es gibt keine Sicherheit, wie eine kla- aus der Schweiz. Nach einem Schlaganfall gelang<br />

re Prognose sie liefern soll.“ Denn viele Untersu- es einem Mann, wieder zu sprechen. Nach 14 Jahchungsmethoden<br />

seien „unzulänglich“. Studien<br />

des Neurowissenschaftlers Steven Laureys an der<br />

belgischen Uni in Lüttich hätten ergeben, dass ein<br />

Drittel aller Diagnosen bei Patienten im Wachkoma<br />

falsch seien. Das Wachkoma gehöre zu den<br />

„am wenigsten verstandenen medizinischen Phänomenen.“<br />

ren.


Adil Karakus <strong>–</strong> der Sinnsucher<br />

In seinem früheren Leben war Adil Karakus selbst- gebedürftiger Menschen aller Altersklassen<br />

ständig, betrieb mit seinem Bruder ein Wettcafé und Nationalitäten und besucht sie hierfür zu<br />

und ein Restaurant in Hannover. Alles lief ordentlich,<br />

bis die beiden eines Tages Pleite gingen <strong>–</strong> und<br />

Hause.<br />

plötzlich vor dem Nichts standen. Vor sechs Jah- Wie sich Adil Karakus’ Leben derart ändern<br />

ren war das. konnte? Er richtet sich auf und holt Luft; Karakus<br />

erzählt seine Geschichte gerne.<br />

Nach dem Verlust seines Jobs arbeitete der 38-jährige<br />

Muslim mit den schwarzen, grau melierten<br />

Haaren und dem Kinnbart unter anderem als<br />

Gärtner und in einer Schokoladenfabrik. „Das<br />

war aber alles Sklaverei“, sagt er heute. Eines<br />

Tages kam ihm der Gedanke, künftig in erster<br />

Linie helfen zu wollen, statt nur nach dem<br />

schnellen Geld zu gieren. Also entschloss sich<br />

der kleine, muskulöse Mann im Oktober 2008<br />

zu einer Ausbildung zum Altenpfleger in der<br />

Johanniter-Akademie. Und zwar für den intensiveren<br />

Schnelldurchgang: ein Jahr statt der<br />

üblichen drei. Denn: „Ich wollte so schnell wie<br />

Heute sitzt Adil Karakus in einem einfach ein- möglich arbeiten!“ Nach verschiedenen Praktigerichteten<br />

Bürozimmer des „Transkulturellen ka, darunter in einem Altersheim, war für ihn<br />

Pflegedienstes“ in der Hannoveraner Nordstadt, klar: Er wollte unbedingt in einen ambulanten<br />

einem Multikulti-Stadtteil, der zu den bevöl- Pflegedienst. „Da ist die Atmo sphäre familikerungsstärksten<br />

der Stadt zählt, und empfängt ärer.“ Altersheime bezeichnet er im Nachhinein<br />

Gäste mit einem charmanten, offenen Lächeln. als „Fabriken“, in denen „tägliche Fließband-<br />

Sogar um 7 Uhr morgens bei Nieselregen. Der Pflege“ verrichtet werde. Nichts für ihn. Adil<br />

Pflegedienst mit dem Leitsatz „Pflegen mit Karakus ist die familiäre Stimmung im Umgang<br />

Respekt und Fürsorge“ kümmert sich um die mit seinen Patienten beim Transkulturellen<br />

Pflege und die Versorgung kranker oder pfle- Pflegedienst, für den er seither arbeitet, wich-


tig. „Als türkischer Mann ist man in dem Beruf betagte Dame kein Problem, allerdings besteht<br />

sehr gefragt“, sagt er und strahlt. „Wir wollen sie donnerstags, am Waschtag, auf die Versorgung<br />

den Pflege-Adil“, richten ihm seine Kunden durch eine Pflegerin. Das hat sie mit mancher<br />

oft aus, wenn er unpässlich ist. Muslima gemein, auch sie wollen häufig nur von<br />

Frauen gewaschen werden. Ansonsten aber spiele<br />

An diesem verhangenen Morgen schaut Karakus der Glaube beim Pflegen kaum eine Rolle, versials<br />

Erstes nach der 91-jährigen Frau Thielemann. chert Karakus. „Daran denke ich beim Pflegen<br />

Er ist heute früh mit dem Rad unterwegs, auch nicht“, sagt der Mann, der sich selbst als „nicht<br />

die Straßenbahn nimmt er manchmal, denn streng gläubig“ bezeichnet. Nicht mal der Fasteneinen<br />

Führerschein hat Karakus nicht. Noch monat Ramadan spiele bei seinen muslimischen<br />

nicht, denn er ist dabei, diesen Makel zu beheben, Kunden eine Rolle, sagt Karakus. „Die fasten ja<br />

aufgrund dessen er weniger Patienten besuchen nicht. Wer Medikamente einnimmt, muss auch<br />

und versorgen kann. Ein Mal allerdings ist er vor essen, sonst gefährden sie ihre Gesundheit.“ Und<br />

wenigen Wochen bereits durch die theoretische auch sonst verlangten Muslime keine außerge-<br />

Prüfung gerasselt. „Mein Kopf war nicht frei“, entschuldigt<br />

er sich schmunzelnd. „Ich hatte privat<br />

wöhnliche Behandlung.<br />

viel um die Ohren.“ Adil Karakus hält zwei schwarze Kompressionsstrümpfe<br />

bereit, die Thrombose vorbeugen sollen.<br />

Bevor Adil Karakus das Haus von Frau Thiele- „Wichtig ist die Partie an den Fersen“, betont der<br />

mann betritt, besprüht er seine Hände mit einem Pfleger, „da dürfen keine Falten sein“. Karakus<br />

Desinfektionsmittel. Auch Einweghandschuhe versucht den Strumpf mit einem Ruck über die<br />

trägt er bei jedem Patienten. ausgestreckten Beine der im Sessel sitzenden Frau<br />

zu stülpen, was mit einigem Kraftaufwand auch<br />

Klack, klack, sachte dreht sich der Schlüssel im gelingt. Jetzt folgen die anderen Strümpfe und<br />

Schloss, Frau Thielemann ruft von innen: „Ich bin auch in die Hose hilft er ihr. Hochziehen und vergleich<br />

so weit.“ Adil Karakus begrüßt die Dame schließen kann Frau Thielemann sie aber selbst.<br />

freundlich, die nach einem Schlaganfall erneut Darauf legt Karakus Wert: Denn die Patienten<br />

sprechen lernen musste und noch immer ohne sollen, so weit es geht, selbstständig bleiben. „Res-<br />

Gehhilfe auskommt; die Stimmung ist gelöst. sourcen fördern“ lautet das Motto. Nicht jedem<br />

Zwei Mal täglich kommt jemand vom Multikulti- Patienten gefalle das, manche verweigerten die<br />

Pflegedienst zu der Deutschen nach Hause. Mit Mithilfe, da sie denken, dazu sei der Pflegedienst<br />

der fremden Nationalität einiger Pfleger hat die doch da.


In einem hellen Ordner ist der Wochenplan der ihn halbseitig gelähmt zurückließ. Seither<br />

für die Medikamentenvergabe abgeheftet. Frau verbringt Ceyhan die meiste Zeit in einem Pfle-<br />

Thiele mann erhält Blutverdünner zur Throm- gebett. Adil Karakus kommt einmal wöchentlich<br />

bosevorbeugung, ein Mittel gegen Bluthochdruck her, um ihn zu waschen, Krankengymnastik und<br />

und Herztabletten, die den Kreislauf stabil halten ergotherapeutische Übungen mit ihm zu machen.<br />

sollen. „Seine Frau hilft mir, wo sie kann, das ist eine Art<br />

Teamarbeit“, frohlockt Karakus.<br />

„Können Sie mich dann nächste Woche auch zum<br />

Zahnarzt begleiten?“, will Frau Thielemann zum<br />

Schluss wissen. „Natürlich, sehr gerne“, antwortet<br />

Karakus. „Soll ich Ihnen denn noch eine Dose öffnen?“,<br />

fragt er vorsichtshalber, bevor er auf dem<br />

Rad weiter zum nächsten Patienten rollt.<br />

Der nächste Patient möchte nicht in die Öffentlichkeit<br />

und verweigert dem Reporter deshalb den<br />

Zutritt zu seiner Wohnung.<br />

Nach einer guten halben Stunde vor der Haustür,<br />

in der Karakus seinen Patienten rasiert und<br />

ihm Insulin verabreicht hat, geht es zurück in die<br />

betreute Wohneinrichtung. Der Transkulturelle<br />

Pflegedienst hat dort ein Büro und steht außer Heute ist Waschtag. Der Pfleger muss Herrn Ceyfür<br />

die sechs zahlenden Patienten auch noch für han dafür aber erstmal aus dem Bett befördern.<br />

die übrigen 42 Wohnparteien 24 Stunden lang zur Wer dies einmal versucht hat, weiß, wie schwer<br />

Verfügung. „Es gibt noch drei, vier andere Pflege- ein erwachsener Mensch sein kann. Mit drei, vier<br />

dienste, aber die haben kein Büro hier und kön- fachmännischen Griffen aber rollt er den schnaunen<br />

sich notfalls also schlecht nachts kümmern“, benden Patienten auf die Seite. Und hebt ihn, miterklärt<br />

Karakus die noble Geste. hilfe seiner Frau, in den Rollstuhl. „Das ist ein<br />

echter Knochenjob“, ächzt Karakus. Die größte<br />

Im Parterre des Hauses lebt Herr Ceyhan mit sei- Gefahr dabei sei ein Bandscheibenvorfall. Daher<br />

ner Frau. Auch er muss sich von einem Schlagan- werde in der Ausbildung eine „kinästhetische<br />

fall erholen, den er vor drei Jahren erlitten hat und Pflegetechnik“, also bestimmte Haltegriffe, um


den eigenen Rücken zu schonen, vermittelt. „Ich über den Tag, der sein Leben so einschränkte,<br />

möchte ja noch länger in dem Beruf arbeiten“, dass er nun täglich betreut werden muss. Doch<br />

sagt Karakus schmunzelnd. <strong>Wenn</strong> Karakus mit vieles schafft Ulbrich immerhin selbst: Er hebt<br />

dem Klischee konfrontiert wird, Pflegeberufe seine Beine eigenständig aus dem Bett und weiß<br />

seien doch etwas für Frauen, kann er nur darü- auch, wie er sich den Katheter legt. Er schafft es<br />

ber lachen. auch eigenständig vom Bett in den Rollstuhl und<br />

zurück. Adil Karakus hilft ihm, seine Zehen zu<br />

Tatsächlich wirkt Adil Karakus in seinem <strong>Auf</strong>- strecken, und entleert für ihn eine neben dem Bett<br />

treten, seiner Ansprache und Betreuung überaus stehende Colaflasche, in die Ulbrich uriniert. Zum<br />

kompetent, geduldig und einfühlsam. Eigen- Schluss verabreicht Karakus ihm ein Medikament<br />

schaften, die in der heutigen Pflege leider keine gegen seine Blasenspastik und lässt den jungen<br />

Selbstverständlichkeit sind.<br />

Ab und an kann Frau Ceyhan ihren Mann dazu<br />

Mann in seiner abgedunkelten und nach Rauch<br />

riechenden Einzimmerwohnung zurück.<br />

überreden, mit dem Rollstuhl durch ein paar Gegen elf Uhr ist Karakus’ Arbeitstag bereits vor-<br />

Straßenzüge in ihren Schrebergarten zu rollen. bei <strong>–</strong> das fehlende Auto ist schuld. Bislang arbei-<br />

„Dort bauen wir Tomaten und Gurken an“, lässt tet der muslimische Pfleger auf 400-Euro-Basis<br />

seine Frau übersetzen. Auch nach über 25 Jahren für den Transkulturellen Pflegedienst. Da er derin<br />

Deutschland spricht sie kaum Deutsch, ihr Ehe- zeit aber Hartz-IV-Empfänger ist, darf er neben<br />

mann ist schon seit 1964 hier <strong>–</strong> und beantwortet seinen Bezügen von der Behörde nicht mehr als<br />

Fragen auch lieber auf Türkisch. Also plaudern 260 Euro im Monat verdienen. Also arbeitet er<br />

die drei in ihrer Muttersprache. Die Stimmung nur alle 14 Tage, je nach Bedarf. „Sobald ich<br />

in dem unaufgeräumten und etwas stickigen meinen Führerschein habe, bekomme ich eine<br />

Zimmer ist gelöst, im Fernseher läuft eine tür- Festanstellung“, sieht Karakus optimistisch in<br />

kische Serie. Nach einer guten halben Stunde ist die Zukunft. Diese Sicherheit würde auch seine<br />

die Arbeit getan, der nächste Pflegefall wartet ein Familie freuen: Auch sein Vater und seine Mutpaar<br />

Stockwerke weiter oben: Andreas Ulbrich ter sowie drei seiner vier Geschwister leben in<br />

ist erst 20 Jahre alt <strong>–</strong> und seit einem Unfall in der Hannover. Karakus ist geschieden und hat eine<br />

Turnhalle im Jahr 2007 querschnittsgelähmt.<br />

Es geschah beim Hochsprung, so viel verrät der<br />

9-jährige Tochter.<br />

schmale Mann mit der bleichen Gesichtsfarbe und Viele seiner Freunde hätten sich ob seiner Berufsden<br />

rot gefärbten Haaren. Er spricht nicht gerne wahl gewundert, erzählt Karakus in den Haupt-


äumen des Pflegedienstes. „Bei denen sind Pflegeberufe<br />

weniger anerkannt als zum Beispiel Kfz-<br />

Mechaniker.“<br />

Seine Berufswahl hat Adil Karakus bisher nie<br />

bereut. „Es ist einfach ein schönes Gefühl, Menschen<br />

zu helfen. <strong>Wenn</strong> man nach der Arbeit nach<br />

Hause geht, weiß man, dass man etwas Gutes<br />

getan hat“, sagt Karakus. „Früher hätte ich mir<br />

diesen Beruf nie vorstellen können“, fügt er hinzu.<br />

„Doch hätte ich damals schon gewusst, wie<br />

der Beruf wirklich ist, hätte ich ihn schon mit 18<br />

ergriffen.“


Literatur/Links und der <strong>Männer</strong>arbeit der Evangelischen Kirche in<br />

Deutschland. Forschungsreihe Band 6. Hrsg. vom<br />

Neuere Literatur zum Thema „<strong>Männer</strong> in der Pflege“ <strong>Bundesministerium</strong> für Familie, Senioren, Frauen<br />

und Jugend. Baden-Baden.<br />

Beckmann, Sabine (2008): Geteilte Arbeit? <strong>Männer</strong><br />

und Care-Regime in Schweden, Frankreich und Links<br />

Deutschland. Münster. <strong>Bundesministerium</strong> für Familie, Senioren,<br />

Frauen und Jugend: www.bmfsfj.de<br />

Hammer, Eckart (2009): <strong>Männer</strong> <strong>–</strong> Alter <strong>–</strong> Pflege:<br />

Pflegen <strong>Männer</strong> ihre Angehörigen oder werden sie Gemeinschaft der Katholischen <strong>Männer</strong><br />

nur gepflegt? In: Sozialmagazin H. 7/8, S. 22 ff. Deutschlands: www.kath-maennerarbeit.de<br />

Herrenbrück, Almut (2010): Pflegende Söhne <strong>–</strong> gän- <strong>Männer</strong>arbeit der Evangelischen Kirche in<br />

gige Rollenmuster oder neue Lebensentwürfe. Men- Deutschland: www.maennerarbeit-ekd.de<br />

schenArbeit. Freiburger Studien Band 30. Konstanz.<br />

BUNDESFORUM MÄNNER <strong>–</strong> Interessenverband<br />

Klott, Stefanie (2010): „Ich wollte für sie sorgen“. Die für Jungen, Väter und <strong>Männer</strong> e. V.:<br />

Situation <strong>pflegen</strong>der Söhne: Motivation, Heraus- www.bundesforum.de<br />

forderungen und Bedürfnisse. Frankfurt/Main.<br />

Die Autoren<br />

Langehennig, Manfred/Betz,Detlef/Dosch,Erna Tonio Postel, freier Journalist in Hamburg<br />

(2012): <strong>Männer</strong> in der Angehörigenpflege, Weinheim<br />

(erscheint Oktober 2012) Martin Rosowski, Hauptgeschäftsführer der <strong>Männer</strong>arbeit<br />

der Evangelischen Kirche in Deutschland<br />

Langehennig, Manfred (2012): Genderkonstruierte<br />

Angehörigenpflege: <strong>Wenn</strong> <strong>Männer</strong> >männ- Dr. Andreas Ruffing, Leiter der Kirchlichen<br />

lich< <strong>pflegen</strong>, in: Informationsdienst altersfragen Arbeitsstelle für <strong>Männer</strong>seelsorge und <strong>Männer</strong>-<br />

4(2012) arbeit in den deutschen Diözesen e. V.<br />

Volz, Rainer/Zulehner, Paul M. (2009): <strong>Männer</strong> in Die Fotografin<br />

Bewegung. Zehn Jahre <strong>Männer</strong>entwicklung in Isadora Tast, selbstständige Fotografin in Ham-<br />

Deutschland. Ein Forschungsprojekt der Gemein- burg, u. a. für Brigitte, Bundespresseamt, Geo, Der<br />

schaft der Katholischen <strong>Männer</strong> Deutschlands Spiegel, Stern, Zeit Leben


Diese Broschüre ist Teil der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung;<br />

sie wird kostenlos abgegeben und ist nicht zum Verkauf bestimmt.<br />

Herausgeber:<br />

<strong>Bundesministerium</strong><br />

für Familie, Senioren, Frauen<br />

und Jugend<br />

11018 Berlin<br />

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Konzeption und Redaktion:<br />

Martin Rosowski, <strong>Männer</strong>arbeit der Evangelischen Kirche in Deutschland<br />

Dr. Andreas Ruffing, Gemeinschaft der Katholischen <strong>Männer</strong> Deutschlands<br />

Bezugsstelle:<br />

Publikationsversand der Bundesregierung<br />

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Artikelnummer: 4BR91<br />

Stand: Juli 2012, 1. <strong>Auf</strong>lage<br />

Gestaltung: www.avitamin.de<br />

Bildnachweis Frau Dr. Schröder: BMFSFJ/L. Chaperon<br />

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