Latein
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Pag. 1/1 Sessione ordinaria 2011<br />
Seconda prova scritta<br />
Ministero dell’Istruzione dell’Università e della Ricerca<br />
M490 - ESAME DI STATO DI LICEO CLASSICO<br />
CORSO DI ORDINAMENTO<br />
Versione dal LATINO<br />
Il vero bene è la virtù<br />
Quicumque beatus esse constituet, unum esse bonum putet quod honestum est; nam si<br />
ullum aliud existimat, primum male de providentia iudicat, quia multa incommoda<br />
iustis viris accidunt, et quia quidquid nobis dedit breve est et exiguum si compares<br />
mundi totius aevo. Ex hac deploratione nascitur ut ingrati divinorum interpretes simus:<br />
querimur quod non semper, quod et pauca nobis et incerta et abitura contingant. Inde<br />
est quod nec vivere nec mori volumus: vitae nos odium tenet, timor mortis. Natat<br />
omne consilium nec implere nos ulla felicitas potest. Causa autem est quod non<br />
pervenimus ad illud bonum immensum et insuperabile ubi necesse est resistat voluntas<br />
nostra quia ultra summum non est locus. Quaeris quare virtus nullo egeat?<br />
Praesentibus gaudet, non concupiscit absentia; nihil non illi magnum est quod satis.<br />
Ab hoc discede iudicio: non pietas constabit, non fides; multa enim utramque praestare<br />
cupienti patienda sunt ex iis quae mala vocantur, multa inpendenda ex iis quibus<br />
indulgemus tamquam bonis. Perit fortitudo, quae periculum facere debet sui; perit<br />
magnanimitas, quae non potest eminere nisi omnia velut minuta contempsit quae pro<br />
maximis vulgus optat; perit gratia et relatio gratiae si timemus laborem, si quicquam<br />
pretiosius fide novimus, si non optima spectamus.<br />
_______________________<br />
Durata massima della prova: 4 ore.<br />
È consentito soltanto l’uso del dizionario di latino.<br />
Non è consentito lasciare l’Istituto prima che siano trascorse 3 ore dalla dettatura del tema.<br />
Seneca
Der Text entstammt den EPISTULAE MORALES AD LUCILIUM, dem Hauptwerk Senecas. Es ist<br />
das eine Sammlung von 124 Briefen (der Text hier ist ein Ausschnitt aus dem sehr langen Brief 74),<br />
von denen bis heute unter den Forschern umstritten ist, ob es echte Briefe sind, die wirklich abgesandt<br />
wurden, oder nur eine literarische Fiktion.<br />
Vorbilder für die EPISTULAE MORALES sind die Briefe Platons und Epikurs: Beide hielten den<br />
Kontakt zu ihren ehemaligen Schülern über Briefe aufrecht, um sie auf diese Weise philosophisch<br />
weiterzubilden.<br />
Dieses Ziel verfolgt auch Seneca: Er will seinen Freund Lucilius begleiten auf dessen Weg zur<br />
sapientia. Dabei bemüht sich Seneca, nicht bloß theoretisches Wissen zu vermitteln, sondern mit<br />
praktischen Beispielen Lucilius zum Guten hinzuführen.<br />
Die Briefform kommt diesem Anliegen zustatten: Sie ermöglicht eine abgestufte Unterweisung und<br />
hat darüber hinaus den Vorteil, dass in jedem Brief ein anderes Thema aufgegriffen werden kann. Das<br />
kommt dem philosophischen Charakter Senecas entgegen, der nicht systematisch eine Lehre<br />
entwickeln, sondern einzelne ethische Fragen beantworten will.<br />
Seneca entwirft dabei das Bild eines Menschen, der sich in seinen Idealen schon recht weit dem der<br />
Christen nähert. Das hat dazu geführt, dass ihm sogar ein Briefwechsel mit dem Apostel Paulus<br />
„untergeschoben“ wurde, der aber nicht echt ist. Trotzdem war aus diesem Grund sein Ansehen im<br />
Mittelalter sehr hoch.<br />
Übersetung:<br />
Jeder, der sich entschließen will, glücklich zu sein, soll glauben, dass einzig das ein Gut ist,<br />
was sittlich vollkommen ist; denn wenn er irgend etwas anderes so einschätzt, urteilt er<br />
zunächst schlecht über die Vorsehung, weil viele Unannehmlichkeiten gerechten Männern<br />
zustoßen und weil alles, was sie uns gegeben hat, von kurzer Dauer und geringfügig ist,<br />
wenn man es mit dem Alter des ganzen Weltalls vergleicht.<br />
Von diesem Gejammer rührt es her, dass wir Gaben der Götter ohne Dankbarkeit deuten:<br />
Wir beklagen uns, dass sie uns nicht immer, dass sie uns in geringer Zahl und unsicher und<br />
so zuteil werden, dass sie vergehen. Daher kommt es, dass wir weder leben noch sterben<br />
wollen: Hass aufs Leben packt uns, Furcht vor dem Tod. Jeder Entschluss schwankt, und<br />
kein Glück kann uns erfüllen.<br />
Der Grund liegt aber darin, dass wir nicht zu jenem unermesslichen und unüberwindlichen<br />
Gut gelangt sind, wo unser Wollen notwendigerweise verharrt, weil es jenseits des Höchsten<br />
keinen Platz gibt. Du fragst, warum die sittliche Vollkommenheit nichts braucht? Sie freut<br />
sich über das, was vorhanden ist, sie strebt nicht nach dem, was nicht vorhanden ist; alles ist<br />
für sie groß, da es ausreichend ist.<br />
Von folgendem Urteil halte dich fern: Das Pflichtgefühl wird nicht unverändert bleiben,<br />
nicht die Treue; viel muss nämlich der, der beides leisten möchte, erleiden aufgrund der<br />
Dinge, die Übel genannt werden; viel muss er aufwenden aufgrund der Dinge, denen wir<br />
uns hingeben, als ob es Güter wären. Es verschwindet die Tapferkeit, die sich selbst auf die<br />
Probe stellen muss; es verschwindet die Hochherzigkeit, die nur herausragen kann, wenn sie<br />
alles als unbedeutend verachtet, was die Masse als das Wichtigste wünscht; es verschwinden<br />
Dankbarkeit und Bezeugung von Dankbarkeit, wenn wir Mühe fürchten, wenn wir etwas<br />
Wertvolleres als die Treue kennen, wenn wir nicht auf das Beste schauen.<br />
Übersetzung nach R. Rauthe