PDF 6.768kB - TOBIAS-lib - Universität Tübingen
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und Silchers Grab wurde die Inanspruchnahme und Umdeutung ihrer Werke durch den<br />
Nationalsozialismus in Wort und Bild verdeutlicht, als Rug Hölderlins Gedicht „Der<br />
Tod fürs Vaterland“ und die Propagandarede bei der NS-Feier zum 100. Todestag<br />
Hölderlins 1943 vortrug. Silchers Vereinnahmung wird in <strong>Tübingen</strong> durch das monumentale<br />
Denkmal auf der Platanenallee deutlich.<br />
Das Grab Uhlands bot schließlich für Rug<br />
Gelegenheit, auf dessen Einsatz für die Demokratie<br />
und insbesondere seine Mitgliedschaft in der<br />
Nationalversammlung der Frankfurter Paulskirche<br />
hinzuweisen. Die bis heute nachwirkende und<br />
ununterbrochene Inanspruchnahme von Uhland und<br />
Silcher für das Militär in Deutschland brachte Rug<br />
den ZuhörerInnen durch die Intonierung des Stücks<br />
„Der gute Kamerad“ (Text: Uhland, Melodie:<br />
Silcher) auf der Mundharmonika nahe. Diese Melodie<br />
wird seit über hundert Jahren bei<br />
Gefallenenfeiern des deutschen Militärs gespielt –<br />
bedingt durch die Auslandseinsätze der Bundeswehr<br />
auch derzeit wieder.<br />
Wie sich die <strong>Universität</strong> der Diktatur ergab, war<br />
Thema an verschiedenen Gedenktafeln im Innern der <strong>Universität</strong>. Als vorwiegend<br />
deutsch-national ausgerichtete <strong>Universität</strong> mussten nur wenige Wissenschaftler nach<br />
dem Machtantritt der Nazis entlassen werden. Auch der Erweiterungsbau der Neuen<br />
Aula mit Ehrenhof und Festsaal von 1928/29 nahm architektonisch vorweg, was dann<br />
die Nazi-Zeit prägte. So war es auch nicht überraschend, dass das Rektor-Portrait dieser<br />
Zeit den Professor für Psychiatrie, Hermann Hoffmann, in SA-Uniform zeigt. Wie<br />
schwer sich die <strong>Universität</strong> mit ihren Verstrickungen in der Nazi-Zeit tat, machten die<br />
Daten der Gedenktafeln deutlich, die sich im Eingangsbereich der Neuen Aula befinden:<br />
sie wurden erst Jahrzehnte nach Ende der NS-Herrschaft angebracht. Die Umbenennung<br />
des Vorplatzes der Neuen Aula in „Geschwister Scholl-Platz“ war jedoch ein<br />
frühes Zeichen nach außen. Das Clubhaus, als amerikanische Stiftung zur Förderung<br />
der demokratischen Einstellung der Studierenden, ist ein anderes deutliches Friedenszeichen<br />
– das aber wohl kaum von der heutigen Studierendenschaft noch als ein solches<br />
wahrgenommen wird.<br />
Der neuzeitliche Militarismus begann sich ab den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts in<br />
<strong>Tübingen</strong> festzusetzen. Heute kann man <strong>Tübingen</strong> als ein Musterbeispiel für die Konversion<br />
militärischer Einrichtungen bezeichnen. Dies wird vor allem an der veränderten<br />
Nutzung der Kasernen deutlich. Mit der Thiepval-Kaserne, die 1876 gebaut wurde,<br />
wurde <strong>Tübingen</strong> Garnisonsstadt und damit zu einem Teil des „Kriegs nach außen“.<br />
Dies ließ sich gut mit dem deutsch-nationalen Geist der <strong>Universität</strong>, ihren Burschenschaften<br />
und der städtischen Oberschicht in Einklang bringen. Im Ersten Weltkrieg<br />
und zur Vorbereitung des Zweiten Weltkrieges kamen 1914-1916 die Loretto- und<br />
1938 die Hindenburg-Kasernen und der Lazarettbau auf dem Sand dazu. Der Name<br />
Thiepval wurde der Kaserne 1938, vier Tage nach dem Niederbrennen der Synagoge<br />
in der Gartenstraße in einer großen öffentlichen Feier verliehen, und sollte dem Revanche-Gedanken<br />
für die riesigen Verluste der deutschen Truppen bei der Somme-<br />
Schlacht 1916 in der Nähe des französischen Dorfs Thiepval Vorschub leisten. Ca.<br />
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