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Haut und Trauma: Zur Geschichte der Verletzung* - Esther Fischer ...

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<strong>Haut</strong> <strong>und</strong> <strong>Trauma</strong>: <strong>Zur</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> Verletzung *<br />

<strong>Esther</strong> <strong>Fischer</strong>-Homberger<br />

Was hat das <strong>Trauma</strong> mit <strong>der</strong> <strong>Haut</strong> zu tun?<br />

Nach heutigem Verständnis haben <strong>Haut</strong> <strong>und</strong> <strong>Trauma</strong> miteinan<strong>der</strong> wenig o<strong>der</strong> nichts<br />

zu tun. Denn als ›<strong>Trauma</strong>‹ wird heute gemeinhin entwe<strong>der</strong> das Psychotrauma bezeichnet<br />

o<strong>der</strong> aber die schwere Verletzung, im Rahmen <strong>der</strong>er allfällige <strong>Haut</strong>verletzungen,<br />

wenn sie nicht gerade großflächig sind, vernachläßigt werden können.<br />

Über Jahrh<strong>und</strong>erte jedoch sind ›<strong>Haut</strong>‹ <strong>und</strong> ›<strong>Trauma</strong>‹ eng assoziiert gewesen. 1<br />

›<strong>Trauma</strong>‹ heißt auf griechisch einfach ›W<strong>und</strong>e‹. Und die ›W<strong>und</strong>e‹ wurde immer<br />

wie<strong>der</strong> als »solutio continuitatis« o<strong>der</strong> »continui solutio«, (vgl. Hippokrates 1841,<br />

S. 203; Galenus 1821–1833, Bd 1, S. 238–239; Bd 7, S. 37–38; Bd 10, S. 160)<br />

als »Trennung des Zusammenhangs«, »solution de continuité« (Paré 1970, Bd 1,<br />

S.430; Fodéré 1820, S. 1), als »a breach made in the continuity« (Hunter 1794, S.<br />

202; 1797, S. 24) verstanden, wozu implizit o<strong>der</strong> explizit die Durchtrennung <strong>der</strong><br />

<strong>Haut</strong> gehörte.<br />

Mit dem Worte W<strong>und</strong>en bezeichnet man die Zusammenhangstrennungen <strong>der</strong> weichen<br />

Partien in Folge von directer Einwirkung äußerer mechanischer Ursachen. Eben so<br />

nennt man auch W<strong>und</strong>en <strong>der</strong> Knochen die Zusammenhangstrennungen des Gewebes<br />

dieser Organe, welche sich als unmittelbare Folge <strong>der</strong> Einwirkung eines stechenden<br />

o<strong>der</strong> schneidenden Instrumentes zeigen (…) (Sanson 1848, S. 399)<br />

Als ›dissolutio continuitatis‹ wird von Galen (Galenos von Pergamon, um 130 bis<br />

um 200 n. Chr.) bis Ambroise Paré (1510–1590) aber auch <strong>der</strong> ›Schmerz‹ beschrieben<br />

2 . In <strong>der</strong> Beschreibung des <strong>Trauma</strong>s, <strong>der</strong> W<strong>und</strong>e, als einer ›dissolutio continuitatis‹,<br />

welche die <strong>Haut</strong> betrifft, scheint <strong>der</strong> alte ›Schmerz‹ mitverstanden – <strong>der</strong><br />

* In: Günter H. Seidler; Wolfgang U. Eckart (Hg.): Verletzte Seelen. Möglichkeiten <strong>und</strong> Perspektiven einer his-<br />

torischen <strong>Trauma</strong>forschung, Psychosozial-Verlag, Giessen 2005, 57–83. Leichte Modifikationen/Korrekturen<br />

gegenüber dem Original.<br />

1 »Verw<strong>und</strong>ungen, Schläge treffen zunächst die <strong>Haut</strong>«, heißt es bei Grimm (1984)<br />

unter»<strong>Haut</strong>«.<br />

2 »Douleur doncques est un sentiment triste et fascheux, fait ou par une alteration subite,<br />

ou par solution de continuité« (Paré 1970, Bd 3, S. 547; vgl. Galenus (1821–1833),<br />

Bd 1, S. 357; Bd 10, S. 852; Bd 12, S. 544–545; <strong>Fischer</strong>-Homberger 1997, S. 106–<br />

107).<br />

57


<strong>Esther</strong> <strong>Fischer</strong>-Homberger <strong>Haut</strong> <strong>und</strong> <strong>Trauma</strong>: <strong>Zur</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> Verletzung<br />

physische Schmerz zunächst, den lokalisierend wahrzunehmen die <strong>Haut</strong> ja<br />

spezifisch geeignet ist (<strong>Fischer</strong>-Homberger 1998). Aber in <strong>der</strong> antiken ›solutio<br />

continuitatis‹ bilden Leiden am Integritätsverlust <strong>und</strong> W<strong>und</strong>schmerz,<br />

psychische <strong>und</strong> physische Aspekte <strong>der</strong> Trennung eine Einheit, kann die<br />

konkrete W<strong>und</strong>e daher auch für die W<strong>und</strong>e im weitesten Sinne stehen.<br />

Demgegenüber haben sich in <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne die <strong>der</strong> Chirurgie zugerechnete<br />

<strong>Trauma</strong>tologie <strong>und</strong> die Psychotraumatologie auseinan<strong>der</strong> entwickelt,<br />

wobei <strong>der</strong> populäre <strong>Trauma</strong>begriff heute eher für das Psychotrauma steht.<br />

Entsprechend gilt im späteren 20. Jahrh<strong>und</strong>ert als ›<strong>Trauma</strong>‹: Erstens das<br />

körperliche <strong>Trauma</strong> durch äußere Gewalteinwirkung, zweitens das psychische<br />

<strong>Trauma</strong>, hervorgerufen »durch ein – meist von inn. Triebspannungen<br />

bestimmtes – Erlebnis, (…) das vom Individuum nicht adäquat verarbeitet<br />

werden kann u. daher aus dem Bewusstsein verdrängt wird«. Die <strong>Haut</strong>verletzung<br />

kommt in diesem Lexikon als Nebenprodukt eines Spezialfalls von<br />

körperlichem <strong>Trauma</strong> vor: als »scharfes Tr. mit Kontinuitätstrennung des<br />

Integuments« (Real Lexikon <strong>der</strong> Medizin 1977). Das psychische <strong>Trauma</strong><br />

indessen geht sozusagen per definitionem nicht mit äußeren Spuren einher.<br />

Die alte Einheit von W<strong>und</strong>e, <strong>Haut</strong>verletzung <strong>und</strong> Schmerz<br />

»W<strong>und</strong>en«, lehrt <strong>der</strong> Klassiker <strong>der</strong> <strong>Trauma</strong>tologie, John Hunter (1728–1793),<br />

»sind Trennungen des Zusammenhangs, welche mehrentheils von <strong>der</strong> äussern<br />

Oberfläche anfangen, <strong>und</strong> sich von da einwärts erstrecken. Doch giebt es auch<br />

Fälle wo die Trennung von innen nach aussen geht, wie bei komplicirten Beinbrüchen«<br />

– die <strong>Haut</strong>läsion scheint hier selbstverständlich impliziert, Verletzungen,<br />

die mit <strong>der</strong> äußeren Luft nicht in Berührung kommen, nennt Hunter<br />

»accidents«. Sein Übersetzer, <strong>der</strong> Medizinprofessor Ernst Benjamin Gottlieb<br />

Hebenstreit (1758–1803) merkt dazu an: »zum Begrif einer W<strong>und</strong>e gehört noch<br />

meines Bedünkens dieses, daß sich dabei ein Ausfluß von Blut o<strong>der</strong> einer an<strong>der</strong>n<br />

dem Körper von Natur eignen Flüßigkeit findet« (Hunter 1797, S. 24–25;<br />

1794, S. 202–203; Sanson 1848, S. 400).<br />

1834 verweist auch Georg Friedrich Most’s Encyclopädie <strong>der</strong> gesammten<br />

medicinischen <strong>und</strong> chirurgischen Praxis von »<strong>Trauma</strong>, die W<strong>und</strong>e«, auf »Vulnus,<br />

<strong>Trauma</strong>, W<strong>und</strong>e«. Und dort heißt es:<br />

58<br />

Unter W<strong>und</strong>e verstehen wir eine jede durch äussere verletzende Werkzeuge,<br />

schneidende, hauende, stechende, durch geschossene Pfeile, Schrotkörner,<br />

Kugeln, gehacktes Eisen, Biss von Thieren etc. veranlasste Trennung <strong>der</strong><br />

Continuität (des Zusammenhanges) in den weichen Theilen des Körpers. (Most 1834,<br />

S. 602; 679–680)<br />

Durch »äussere verletzende Werkzeuge« wird die <strong>Haut</strong> notwendig mit verletzt.<br />

Auch in Johann Nepomuk Rusts Handbuch <strong>der</strong> Chirurgie von 1836 findet<br />

sich <strong>der</strong> Verweis vom Stichwort »<strong>Trauma</strong> (τραυµα)« auf »›Vulnus‹ (το<br />

τραυµα)«. »W<strong>und</strong>e«, steht dort,<br />

heißt eine Trennung des organischen Zusammenhanges, welche durch eine mechanisch<br />

wirkende Gewalt plötzlich hervorgebracht, <strong>und</strong> an <strong>der</strong> Oberfläche des Körpers<br />

wahrgenommen wird. Sobald irgend eine mechanische Verletzung organischer Theile<br />

nicht bis an die Oberfläche reicht, sobald sie z.B. mit unverletzter <strong>Haut</strong> besteht, kann<br />

sie demnach keine W<strong>und</strong>e genannt werden. Die Quetschung, bei welcher Blutgefäße<br />

o<strong>der</strong> Muskelfasern zerreißen, während die <strong>Haut</strong> unzertrennt bleibt, das Bersten <strong>der</strong><br />

Eingeweide <strong>und</strong> <strong>der</strong> Knochenbruch müssen deshalb von <strong>der</strong> Definition <strong>der</strong> W<strong>und</strong>e ausgeschlossen<br />

werden. – Wird die Trennung des Zusammenhanges durch einen organischen<br />

krankhaften Proceß, wie durch die Verschwärung, allmählig herbeigeführt, so<br />

darf sie eben so wenig eine W<strong>und</strong>e genannt werden; <strong>und</strong> wird sie von chemisch wirkenden,<br />

äußeren Schädlichkeiten o<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Hitze bewirkt, so schließt sie den Begriff<br />

<strong>der</strong> W<strong>und</strong>e ebenfalls aus. (Rust 1830–1836, Bd 16, S. 266; Bd 17, S. 432–433)<br />

Wenn ›<strong>Trauma</strong>‹ in den Handbüchern <strong>der</strong> Zeit kein eigenes Stichwort ist, ist<br />

es gewöhnlich unter ›W<strong>und</strong>e‹, ›plaie‹ o<strong>der</strong> <strong>der</strong>gleichen subsumiert. So zum<br />

Beispiel im Dictionaire des sciences médicales von 1812 3 ; auch in Prosch <strong>und</strong><br />

Ploss’ Encyklopädie von 1856 findet sich nur die »W<strong>und</strong>e (Vulnus)«: «die<br />

durch mechanische Gewalt plötzlich entstandene Trennung des Zusammenhangs«<br />

(Prosch & Ploss 1856, S. 873).<br />

Der konstitutiven Bedeutung <strong>der</strong> »Trennung des Zusammenhanges« für das<br />

›<strong>Trauma</strong>‹ entspricht die therapeutische Vereinigung <strong>der</strong> W<strong>und</strong>rän<strong>der</strong>. Die Behandlung<br />

<strong>der</strong> W<strong>und</strong>en durch »vereinigende Binden, durch Heftpflaster <strong>und</strong> durch<br />

die blutige Naht« (Rust 1830–1836, Bd 17, S. 449, 451), <strong>und</strong> <strong>der</strong> »bandage unissant«<br />

(vgl. Fodéré 1820) gehört zur ureigensten w<strong>und</strong>ärztlichen Gestik. »Die<br />

(…) natürlichen Erscheinungen, unter denen die W<strong>und</strong>en heilen, <strong>und</strong> die Continuität<br />

hergestellt wird,« schreibt <strong>der</strong> Berliner Chirurg <strong>und</strong> Medizinalbeamte<br />

Johann Nepomuk Rust (1775–1840), »dienen dem W<strong>und</strong>arzte zur Richtschnur<br />

3 »plaie«; »traumatique, adj.«: »traumaticus (…) qui a rapport aux plaies« (vgl. Fodéré<br />

1820; Dictionaire des sciences médicales 1812–1822, Bd 55, 514).<br />

59


<strong>Esther</strong> <strong>Fischer</strong>-Homberger <strong>Haut</strong> <strong>und</strong> <strong>Trauma</strong>: <strong>Zur</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> Verletzung<br />

seines Handelns: er ist ein getreuer Diener <strong>der</strong> Natur in einem Geschäfte, von<br />

welchem sein ganzes künstlerisches Wirken seinen Namen herleitet, W<strong>und</strong>arzneikunst«<br />

(Rust 1830–1836, Bd 17, S. 449).<br />

Etwa von <strong>der</strong> Mitte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts an erscheint die Verletzung <strong>der</strong> <strong>Haut</strong><br />

kaum mehr als notwendiges Charakteristikum des <strong>Trauma</strong>s bzw. <strong>der</strong> W<strong>und</strong>e.<br />

»Unter einer W<strong>und</strong>e«, heißt es 1856 bei Prosch <strong>und</strong> Ploss,<br />

60<br />

versteht man die durch mechanische Gewalt plötzlich entstandene Trennung des<br />

Zusammenhangs, entwe<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>Haut</strong>oberflächen allein, o<strong>der</strong> gleichzeitig, mit o<strong>der</strong><br />

ohne diese, einer grösseren o<strong>der</strong> geringeren Zahl <strong>der</strong> unter denselben liegenden Gebilde.<br />

»Durch stumpfe Gewalt, Quetschungen <strong>und</strong> Erschütterungen« herbeigeführte<br />

»W<strong>und</strong>en des Unterleibes« zum Beispiel »sind meist subcutane.« Dasselbe<br />

gilt für »W<strong>und</strong>en <strong>der</strong> Gelenke«, etwa Verstauchungen: »dieselben bestehen in<br />

subcutanen Verletzungen <strong>der</strong> einzelnen (…) Partien« (Prosch & Ploss 1856, S.<br />

873–916). Hier wird also die W<strong>und</strong>e ohne Verletzung <strong>der</strong> <strong>Haut</strong>oberfläche eigens<br />

als ›subcutan‹ bezeichnet. In Amédée Dechambre’s (1812–1886) Dictionnaire<br />

Encyclopédique des Sciences Médicales findet sich 1885 die Formel »solution<br />

de continuité ou de contiguïté des tissus« (»Auflösung des Aneinan<strong>der</strong>grenzens<br />

<strong>der</strong> Gewebe«) (Forgue 1885, S. 41), womit wohl beides, die äußere <strong>und</strong> die innere<br />

Verletzung, erfasst werden soll.<br />

Die Trennung des Zusammenhangs von <strong>Haut</strong> <strong>und</strong> <strong>Trauma</strong><br />

A. Anästhesie <strong>und</strong> Antisepsis.<br />

Die Bedeutung <strong>der</strong> <strong>Haut</strong>grenze verän<strong>der</strong>t sich<br />

Hintergr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Lösung des Begriffs ›<strong>Trauma</strong>‹ aus seinem alten Zusammenhang<br />

mit <strong>der</strong> Verletzung <strong>der</strong> <strong>Haut</strong> bildet eine Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Vorstellungen<br />

über Durchlässigkeit <strong>und</strong> Bedeutung von Grenzen. Im Lauf <strong>der</strong> Neuzeit, vor<br />

allem des späteren 18. <strong>und</strong> frühen 19. Jahrh<strong>und</strong>erts verlieren Grenzen an Porosität<br />

<strong>und</strong> räumlicher Ausdehnung, die Grenzen zwischen ›Innen‹ <strong>und</strong> ›Außen‹<br />

werden <strong>und</strong>urchlässiger <strong>und</strong> linearer <strong>und</strong> was ›innen‹ liegt, gewinnt an Wert <strong>und</strong><br />

Bedeutung (Benthien et al. 1999, S.10; vgl. Duden 1987). Austausch <strong>und</strong> Kontakte<br />

zwischen den Bereichen geschehen zunehmend durch mehr o<strong>der</strong> weniger<br />

kontrollierte, umschriebene Orte o<strong>der</strong> mehr o<strong>der</strong> weniger einseitig kontrolliert<br />

durch Auflösung, Durchbruch, Übergriff.<br />

Im Rahmen <strong>der</strong> Medizin vollzieht sich diese Verän<strong>der</strong>ung an <strong>der</strong> <strong>Haut</strong>, <strong>und</strong><br />

äußert sich unter an<strong>der</strong>em in <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung des Verhältnisses zwischen <strong>der</strong><br />

so genannten ›Inneren‹ Medizin <strong>und</strong> <strong>der</strong> W<strong>und</strong>arzneikunst, die sich um die<br />

von außen gesetzten Beschädigungen des Körpers kümmert. Bis in die frühere<br />

Neuzeit sind ›Medizin‹ <strong>und</strong> ›Chirurgie‹ weitgehend getrennte Bereiche <strong>der</strong><br />

Heilkunst gewesen, die sich auch an sehr verschiedenen theoretischen Paradigmen<br />

orientiert haben. Die Medizin orientierte sich von alters her an <strong>der</strong> Humoralpathologie,<br />

Krankheit bestand für sie in einem Ungleichgewicht <strong>der</strong> Säfte,<br />

Therapie in einer Wie<strong>der</strong>herstellung des humoralen Gleichgewichts. Die Diagnostik<br />

dieser klassischen Säftemedizin stützte sich auf alles, was aus dem Leib<br />

nach außen floss – wie Urin o<strong>der</strong> Eiter – <strong>und</strong> auf das, was sich auf <strong>der</strong> hautigen<br />

Leibeshülle an Farben, Effloreszenzen, Neubildungen etc. ablesen ließ. Die<br />

Chirurgie hingegen orientierte sich anatomisch – die Anatomie des menschlichen<br />

Inneren gehört zur Evidenz, mit welcher sie umzugehen hatte, wenn die<br />

Leibeshülle verletzt war, <strong>und</strong> physiologische Überlegungen über die Funktion<br />

<strong>der</strong> anatomischen Strukturen schlossen sich daran notwendig an. Im Rahmen<br />

<strong>der</strong> gerichtlichen Medizin haben Medizin <strong>und</strong> Chirurgie in verschiedener Hinsicht<br />

früh ineinan<strong>der</strong>gespielt <strong>und</strong> in <strong>der</strong> Zeit von <strong>der</strong> Mitte des 18. bis zur Mitte<br />

des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts wurden pathologische Anatomie <strong>und</strong> Physiologie zu gemeinsamen<br />

wissenschaftlichen Gr<strong>und</strong>lagen von Chirurgie <strong>und</strong> Medizin. Damit<br />

kam es zu vermehrt anatomischem, auch pathologisch-anatomischem Denken<br />

in <strong>der</strong> Medizin <strong>und</strong> zu einer Annäherung von W<strong>und</strong>arzneikunst <strong>und</strong> Medizin –<br />

die Humoralpathologie wich <strong>der</strong> Solidarpathologie. Es wird in diesem Zusammenhang<br />

auch von <strong>der</strong> ›Chirurgisierung‹ <strong>der</strong> Medizin gesprochen. Chirurgie<br />

<strong>und</strong> Innere Medizin unterschieden sich somit vorwiegend noch durch die Art<br />

ihrer diagnostischen <strong>und</strong> therapeutischen Technik – während die Chirurgie mit<br />

dem, was unter <strong>der</strong> <strong>Haut</strong> liegt, nach wie vor in verhältnismäßig direkten physischen<br />

Kontakt tritt, erschließt die Medizin das Innere vorwiegend indirekt.<br />

Mit <strong>der</strong> Idee, dass man auch bei unverletztem Körper, das heißt, ohne<br />

den Zusammenhang von <strong>Haut</strong> <strong>und</strong> tieferen Geweben trennen zu müssen, mithilfe<br />

<strong>der</strong> Auenbrugger’schen Perkussion (Leopold von Auenbrugger, 1761)<br />

etwas über das Körperinnere erfahren könne, hat die pathologisch-anatomisch<br />

f<strong>und</strong>ierte, solidarpathologische Diagnostik einen berühmten Anfang<br />

genommen. Das Perkutieren stellt bis heute eine <strong>der</strong> ärztlichsten aller Gesten<br />

dar, ähnlich sind das im frühen 19. Jahrh<strong>und</strong>ert erf<strong>und</strong>ene Stethoskop<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> Helmholtz’sche Stirnspiegel zu den charakteristischsten Attributen<br />

des Mediziners geworden (vgl. <strong>Fischer</strong>-Homberger 2004, S. 70–71).<br />

Von <strong>der</strong> Mitte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts an eröffnete sich dann mit <strong>der</strong> Entwicklung<br />

von Anästhesie <strong>und</strong> Antisepsis die Perspektive des »Siegs« über Schmerz <strong>und</strong> Infektionsgefahr.<br />

Nunmehr konnte sich die Chirurgie als therapeutisches Pendant<br />

61


<strong>Esther</strong> <strong>Fischer</strong>-Homberger <strong>Haut</strong> <strong>und</strong> <strong>Trauma</strong>: <strong>Zur</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> Verletzung<br />

zum diagnostischen Eindringen ins Körperinnere wie nie zuvor entfalten. Um<br />

dieselbe Zeit beginnt sich auch die – vor allem <strong>der</strong> Schmerzdämpfung dienende<br />

– subcutane bzw. ›hypo<strong>der</strong>matische‹ Injektion, zu verbreiten (vgl. Schramm<br />

1987). Im Laufe dieser Entwicklung verlor <strong>der</strong> Unterschied zwischen offenen<br />

<strong>und</strong> geschlossenen Verletzungen rasch seine bisherige gr<strong>und</strong>sätzliche Bedeutung.<br />

4<br />

Die neue Möglichkeit, die <strong>Haut</strong> problemlos durchdringen zu können, brachte<br />

also einen – langhand vorbereiteten, nun aber auch in <strong>der</strong> Praxis leicht realisierbaren<br />

<strong>und</strong> realisierten – Bedeutungssturz <strong>der</strong> <strong>Haut</strong>barriere mit sich. Diagnostik<br />

<strong>und</strong> Therapie legten ihre Invasionshemmung ab. Die <strong>Haut</strong> bildete für die Medizin<br />

fortan keine Grenze mehr zwischen Verborgenem <strong>und</strong> Wahrnehmbarem,<br />

ärztlichem Ich <strong>und</strong> dem Du <strong>der</strong> Kranken. Was <strong>der</strong> alte W<strong>und</strong>arzt bei schweren<br />

Verletzungen mit Entsetzen zu Gesicht bekam, ist unter <strong>der</strong> anästhesierenden<br />

<strong>und</strong> desinfizierenden Hand des Chirurgen <strong>und</strong> dem Röntgenblick <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen<br />

medizinischen Wissenschaft Oberfläche geworden – die mo<strong>der</strong>ne Medizin geht<br />

unter die <strong>Haut</strong> (vgl. <strong>Fischer</strong>-Homberger 1998; Benthien 1998, S. 88–100).<br />

B. ›Schock‹ <strong>und</strong> ›Erschütterung‹ assoziieren sich dem ›<strong>Trauma</strong>‹<br />

Für viele körperliche <strong>und</strong> psychische Störungen hat <strong>der</strong> ärztliche Blick unter<br />

<strong>der</strong> <strong>Haut</strong> solide ursächliche Erklärungen gef<strong>und</strong>en. An<strong>der</strong>e hat er da vergeblich<br />

gesucht.<br />

Den Gerichtschirurgen war es lange schon bekannt gewesen, dass in<br />

die Folgen von Verletzungen Faktoren eingingen, die den Tätern nicht<br />

zugerechnet werden konnten <strong>und</strong> die sich aus den gegebenen Läsionen<br />

nicht erklären ließen. Vorbestehende Leiden, Disposition, Alter, klimatische<br />

Faktoren o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e spezielle Verhältnisse konnten, das wussten sie,<br />

den tödlichen Ausgang scheinbar geringfügiger Verletzungen bewirken.<br />

Allmählich wurde es sodann klar, dass auch die Traumen selbst Erscheinungen<br />

verursachen konnten, die sich pathologisch-anatomisch nicht erklären<br />

ließen. Deutsche Gerichtsmediziner zogen die Physiologie bei, diese zu verstehen:<br />

Kreislauf <strong>und</strong> Nervensystem konnten durch Verw<strong>und</strong>ungen offenbar<br />

schwer verstört werden, ohne dass davon irgendetwas organisch fassbar wurde.<br />

In <strong>der</strong> Gerichtsmedizin, <strong>der</strong>en Urteil gerade in kontroversen Situationen eingeholt<br />

wird, die daher an kritikfesten (in erster Linie naturwissenschaftlichen) Begründungen<br />

vital interessiert ist, finden sich die Entwicklungen <strong>der</strong> Gesamtmedizin<br />

oftmals vorweggenommen (<strong>Fischer</strong>-Homberger 1983, S. 14, 298–299).<br />

4 <strong>und</strong> <strong>der</strong> Eiter seinen vorantiseptischen Ruf als »Balsamus vulnerarius« (Most 1834,<br />

S. 682; vgl. Schlüter 2000, S. 134; vgl. Whipple 1963).<br />

62<br />

Im 18. Jahrh<strong>und</strong>ert emergierte, nunmehr außerhalb <strong>der</strong> gerichtlichen Medizin, <strong>der</strong><br />

Begriff des ›Schocks‹. Es war die gelehrte Chirurgie im Großbritannien <strong>der</strong> ersten<br />

industriellen Revolution, die den »Schock« – nicht nur im Sinn des Stoßes,<br />

son<strong>der</strong>n auch im Sinne einer verstörenden Erschütterung – in Gebrauch gebracht<br />

hat (Groeningen 1885, S. 3–6). Sie beschrieb damit nicht nur den traumatischen<br />

Schock, son<strong>der</strong>n auch manche physiologischen Kollapsphänomene infolge von<br />

Operationen – die ja allerdings im erweiterten Sinne ebenfalls »traumatisch«<br />

wirken. »Die einfachste Verletzung«, heißt es bei John Hunter,<br />

ist eine Art von Erschütterung. 5 Die einzige hier erscheinende Wirkung ist eine<br />

Schwäche <strong>der</strong> Thätigkeit o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Funktionen des Theils o<strong>der</strong> des Ganzen, <strong>der</strong>jenigen<br />

ähnlich, welche durch Quetschungen veranlasst wird, wo <strong>der</strong> Zusammenhang nicht<br />

gelitten hat. 6<br />

Das 19. Jahrh<strong>und</strong>ert präzisiert die Lehre von <strong>der</strong> Erschütterung bzw. dem<br />

Schock, verallgemeinert sie <strong>und</strong> versucht, sie zu begründen. Dass beim Schock<br />

keine Unterbrechung <strong>der</strong> Kontinuität <strong>der</strong> <strong>Haut</strong> vorliege, bleibt dabei als Selbstverständlichkeit<br />

unerwähnt – zwischen <strong>Haut</strong> <strong>und</strong> Schock wird kein Zusammenhang<br />

angenommen. In Albert von Eulenburg’s Encyclopädie <strong>der</strong> Heilk<strong>und</strong>e<br />

stellt Simon Samuel, <strong>der</strong> Königsberger Dozent für allgemeine Pathologie <strong>und</strong><br />

Therapie, den »traumatischen Shock« als »Reflexparalyse« dar (Samuel).<br />

Er versucht den ›Schock‹ vom Begriff <strong>der</strong> ›W<strong>und</strong>e‹ loszulösen. Der Name<br />

»Schock«, schreibt er 1889, sei den »Bezeichnungen traumatischer Torpor,<br />

W<strong>und</strong>stupor, W<strong>und</strong>schreck entschieden vorzuziehen«. Er sei »von den Englän<strong>der</strong>n<br />

eingeführt für die nach schweren Verletzungen <strong>und</strong> Operationen eintretenden<br />

nervösen Zufälle, die mit dem Tode endigen können, ohne dass irgend eine<br />

ausreichende anatomische o<strong>der</strong> chemische Verän<strong>der</strong>ung nachweisbar wäre.«<br />

»Außer dem traumatischen Shock« fügt er später hinzu, »wird auch von einzelnen<br />

Autoren ein psychischer Shock statuirt. Dass zu den Neurosen, welche<br />

durch Emotion entstehen, auch eine Schrecklähmung gehört, selbst plötzlicher<br />

Tod durch Schreck, ist außer Frage« (Samuel 1889).<br />

5 Im Original: »a degree of concussion« (Hunter 1794, S. 192), wozu <strong>der</strong> Autor anmerkt:<br />

»Here I mean concussion as a general term, not confining it to the brain.«<br />

6 Es giebt vielerley Zufälle, welche den Beystand des W<strong>und</strong>arztes erfor<strong>der</strong>n aber nicht<br />

Krankheiten genannt werden können, weil sie von ausser dem Körper befindlichen<br />

Ursachen abhängen, <strong>und</strong> als Folgen einer ihm zugefügten Gewalt angesehen werden<br />

müssen, welche die Struktur <strong>der</strong> Theile gewissermassen abän<strong>der</strong>t, <strong>und</strong> die natürlichen<br />

Operationen unterbricht« (Hunter 1797, S. 4–5, vgl. auch S. 9; vgl. <strong>Fischer</strong>-Homberger<br />

1975, S. 47–54).<br />

63


<strong>Esther</strong> <strong>Fischer</strong>-Homberger<br />

Tatsächlich ist <strong>der</strong> ›Schock‹ mit dem ›Schrecken‹ von Anfang an eng assoziiert<br />

gewesen. Auch in <strong>der</strong> ›Erschütterung‹ schwingt ja von vornherein die psychische<br />

Erschütterung mit. ›Psychisch‹ heißt aber immer: ohne bekanntes o<strong>der</strong><br />

sogar überhaupt ohne organisches Substrat. Mit dem psychischen Schock geht<br />

das <strong>Trauma</strong> also nicht nur unter die <strong>Haut</strong> in die Tiefen <strong>der</strong> Gewebe, son<strong>der</strong>n<br />

sogar jenseits aller körperlichen Hüllen.<br />

Gegen Ende des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts kam offenbar angesichts mancher Leiden,<br />

die beim besten Willen nicht körpermedizinisch erklärt werden konnten, sowie<br />

ange-sichts von Erfahrungen mit <strong>der</strong> Hypnose die Frage auf, ob <strong>der</strong> Psychogenie<br />

in <strong>der</strong> Medizin nicht ein legitimer Platz gebühre.<br />

C. Grenzüberschreitung <strong>und</strong> Betäubung<br />

Es waren jedoch zunächst nicht in erster Linie die zunehmend häufig, mit Vorliebe<br />

bei bürgerlichen Frauen festgestellten, vornehmlich als hysterisch diagnostizierten<br />

Leiden, die dem Konzept <strong>der</strong> Psychogenie Auftrieb gaben. Die Idee von traumatisch<br />

ausgelösten Beschädigungen ohne auffindbares körperliches Substrat – ›sine materia‹<br />

– ist im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert schon im Zusammenhang mit dem Aufkommen <strong>der</strong><br />

Eisenbahnen – bzw. <strong>der</strong> Eisenbahnunfälle – entwickelt worden.<br />

Unfälle waren nur eine Form von Unheil, welches die Eisenbahn, <strong>der</strong> fast<br />

mythische Inbegriff allen technischen Fortschritts im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert, ebenso<br />

gefürchtet wie bejubelt, über die menschliche Gemeinschaft brachte. Mit ihrer<br />

Dampfentwicklung <strong>und</strong> ihrer unmenschlichen Geschwindigkeit galt die Eisenbahn<br />

auch als Ursache mannigfaltiger Krankheiten. Aber Unfälle – <strong>und</strong> solche<br />

passierten in den Anfängen <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Eisenbahnfahrt häufig – waren<br />

eine ganz beson<strong>der</strong>s spektakuläre, mit ganz beson<strong>der</strong>em Entsetzen rezipierte Begleiterscheinung<br />

<strong>der</strong> neuen Technik. Und: in Rücksicht auf diese Situation waren<br />

sie die ersten versicherten Unfälle (vgl. <strong>Fischer</strong>-Homberger 1972; vgl. Harrington<br />

2001, S. 34; Schäffner 2001, S. 81–82; Eghigian 2001, S. 98–99, 106).<br />

Mit <strong>der</strong> Einklagbarkeit von eisenbahn-unfallbedingten Beschädigungen kam es<br />

nun aber natürlich zu Klagen über alle möglichen Leiden, <strong>der</strong>en traumatische Ursache<br />

weniger sicher erschien als diejenige etwa einer W<strong>und</strong>e nach Schwerthieb. Das<br />

war insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Fall, nachdem das Buch des Londoner Chirurgen John Eric Erichsen<br />

(1818–1896) On railway and other injuries of the nervous system erschienen<br />

war (zuerst 1866 in London), welches die »Rückenmarkserschütterung« als häufige<br />

<strong>und</strong> hauptsächliche Folge von Eisenbahnunfällen deklarierte. Es gebe keine Unfälle,<br />

die einen <strong>der</strong>maßen heftigen Schock verursachten wie die Eisenahnunfälle,<br />

schrieb Erichsen. Und Schocks <strong>und</strong> Erschütterungen seien imstande, alle nervöse<br />

Kraft aus einem Menschen auszutreiben, gerade wie ein Hammerschlag alle<br />

64<br />

<strong>Haut</strong> <strong>und</strong> <strong>Trauma</strong>: <strong>Zur</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> Verletzung<br />

magnetische Kraft aus einem Magneten auszutreiben vermöge. Erichsen nahm an,<br />

dass <strong>der</strong> Rückenmarkserschütterung entzündliche Prozesse im Rückenmark <strong>und</strong><br />

seinen Häuten zugr<strong>und</strong>e lägen, <strong>der</strong>en Folgen – Schmerzen, Reizbarkeit, körperliche<br />

<strong>und</strong> geistige Schwäche aller Art – noch Jahre nach einem Unfall auftreten<br />

könnten. Die sichtbare Verletzung <strong>der</strong> <strong>Haut</strong>, in welcher das ›<strong>Trauma</strong>‹, verstanden<br />

als ›W<strong>und</strong>e‹, über Jahrh<strong>und</strong>erte per definitionem bestanden hat, spielte bei diesen<br />

Leiden nun keine Rolle mehr. Das Rückenmark liegt tief unter <strong>der</strong> Oberfläche.<br />

Erichsen stellte fest, dass die Rückenmarkserschütterungen mit dem Aufkommen<br />

<strong>der</strong> Eisenbahnen häufiger <strong>und</strong> infolge von Entschädigungsklagen zu einem<br />

<strong>der</strong> häufigsten <strong>und</strong> kontroversesten Gegenstand gerichtsärztlicher Aufmerksamkeit<br />

geworden seien. Wiewohl er den Ausdruck Railway Spine, <strong>der</strong> eine nosologische<br />

Einheitlichkeit <strong>der</strong> krankhaften Erscheinungen nach Eisenbahnunfällen suggerierte,<br />

ausdrücklich ablehnte, kam es auf seine Publikation hin natürlich zu einer Welle von<br />

sehr überzeugten Entschädigungsklagen <strong>und</strong> entsprechend heftigen mediko-legalen<br />

Kontroversen (Erichsen 1867, S. 18–19; vgl. Harrington 2001, S. 40–47).<br />

Erichsens Annahme »entzündlicher Prozesse« im Rückenmark konnte nicht<br />

bestätigt werden, konnte die Eisenbahnärzte also nicht lange von <strong>der</strong> Entschädigungspflicht<br />

ihrer Arbeitgeber überzeugen. Ärzte, welche die Erichsen’sche<br />

Art von Unfallopfern vertraten, mussten sich neue körperliche Gr<strong>und</strong>lagen für<br />

<strong>der</strong>en Entschädigungsansprüche einfallen lassen. So ist die ›Railway-Spine‹ in<br />

<strong>der</strong> Folge rasch zum ›Railway-Brain‹, dann zum ›nervous shock‹, zur ›traumatischen<br />

Neurasthenie‹ <strong>und</strong> zur ›traumatischen Neurose‹ geworden. Alle diese<br />

Leiden waren aber vor Gericht <strong>der</strong> Simulation verdächtig – ihre angenommenen<br />

materiellen Gr<strong>und</strong>lagen waren die Rüstung, aber auch die Achillesferse<br />

ihrer ärztlichen Anwälte. Schließlich gaben diese gegen all ihre materialistische<br />

Ethik ihr Credo von <strong>der</strong> körperlichen Gr<strong>und</strong>lage aller Krankheiten, die diesen<br />

Namen verdienten – mindestens vorläufig – auf. Stattdessen entwickelten sie<br />

die Formel, was wie Simulation wirke, sei Symptom einer echten Neurose, allenfalls<br />

<strong>der</strong> »Simulationskrankheit« Hysterie (welche Charcot die »grande<br />

simulatrice« genannt hat), <strong>der</strong>en organische Basis eben durch die <strong>der</strong> Wissenschaft<br />

verfügbaren Instrumente noch nicht o<strong>der</strong> überhaupt nicht nachweisbar<br />

sei, daher vor<strong>der</strong>hand am besten als »psychisch« verstanden werden könne.<br />

Sehr differenziert diskutiert Hermann Oppenheim (1858–1919) in seiner<br />

Schrift über Die traumatischen Neurosen (1889) die Frage nach <strong>der</strong>en Ursachen.<br />

Er meint, »dass nicht grob-anatomische <strong>und</strong> ebensowenig mikroskopisch<br />

nachweisbare Verän<strong>der</strong>ungen die Gr<strong>und</strong>lage <strong>der</strong>selben bilden, son<strong>der</strong>n cerebrale<br />

functionelle Störungen, die ihren Sitz aller Wahrscheinlichkeit nach in<br />

<strong>der</strong> Großhirnrinde haben«. Aber das physische <strong>Trauma</strong> sei »für die Entstehung<br />

<strong>der</strong> Krankheit (…) nur zum Theil verantwortlich zu machen. Die Hauptrolle<br />

spielt das psychische: <strong>der</strong> Schreck, die Gemüthserschütterung« – »die seelische<br />

65


<strong>Esther</strong> <strong>Fischer</strong>-Homberger <strong>Haut</strong> <strong>und</strong> <strong>Trauma</strong>: <strong>Zur</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> Verletzung<br />

Erschütterung« sei das wichtigste Moment. Dass die traumatogenen Lähmungen<br />

durch »eine directe moleculare Umlagerung« hervorgerufen würden, ist ihm vorstellbar.<br />

66<br />

Wahrscheinlicher ist es aber, dass diese peripherische Erschütterung sich sogleich<br />

auf die entsprechenden Nervencentren fortpflanzt <strong>und</strong> diese lähmt. Das Wesen dieser<br />

Lähmung besteht allem Anschein nach in dem Verlust <strong>der</strong> Erinnerungsbil<strong>der</strong>, <strong>der</strong> Bewegungsvorstellungen.<br />

»Die Entstehung von Lähmungszuständen auf dem Wege <strong>der</strong> Vorstellung ist<br />

bereits den älteren Autoren bekannt gewesen, aber es ist das Verdienst Charcot’s,<br />

diese Lehre gründlich ausgebildet <strong>und</strong> experimentell gestützt zu haben«,<br />

schreibt Oppenheim (Oppenheim 1889, S. 86, 123–127; vgl. Lerner 2001, S.<br />

140–171).<br />

Tatsächlich hat Jean Martin Charcot (1825–1893), <strong>der</strong> Pariser »Papst <strong>der</strong><br />

Neurosen« das rein psychologische Konzept einer »Ideogenie« <strong>der</strong> traumatischen<br />

Neurose – die er als traumatische Hysterie auffasste – entwickelt. Er<br />

hat damit an die Hypnoseforschung seiner Zeit angeknüpft <strong>und</strong> dieser in <strong>der</strong><br />

Medizin zu einem respektablen Platz verholfen. Charcot war eigentlich ausgezogen,<br />

nach den neuropathologischen Gr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> Ursachen <strong>der</strong> Hysterie<br />

zu suchen, die er auch gef<strong>und</strong>en zu haben glaubte. Aber in <strong>der</strong> rechtlich<br />

relevanten Auseinan<strong>der</strong>setzung um die Entschädigungsberechtigung medizinisch<br />

schwer erklärbarer krankhafter Erscheinungen nach Unfällen erwiesen sich sogar<br />

seine Belege dafür als zu wenig tragfähig. So entwickelte er das Konzept, die<br />

traumatische Hysterie sei auf eine Idee, eine ›Ein-Bildung‹ <strong>und</strong> damit auf eine<br />

weiter nicht erklärungsbedürftige psychische Größe zurückzuführen. Charcot<br />

verglich den Zustand des Schocks – zum Beispiel nach Unfall – mit demjenigen<br />

<strong>der</strong> Hypnose. Diese hat er <strong>der</strong> Académie des Sciences schon 1882 als wissenschaftliche<br />

Methode anzuerkennen empfohlen. Er meinte, dass sich im Schock<br />

irgendwelche Ideen, vom »Ich« unkontrolliert, in <strong>der</strong> Psyche festzusetzen <strong>und</strong><br />

von da aus ihre Wirksamkeit zu entfalten vermöchten. So würde zum Beispiel<br />

die ängstliche Vorstellung, man sei infolge eines Eisenbahnunfalls gelähmt,<br />

eine reale Lähmung verursachen können. Im Zustand des Unfallschocks werde<br />

»jede (…) in das Gehirn eingeführte Vorstellung (…) von dem somnambulen<br />

Gehirn angenommen« <strong>und</strong> setze sich da »nach Art eines Parasiten« fest, »ohne<br />

von dem (…) betäubten Ich eine Anfechtung zu erfahren.«<br />

Ich behaupte also, es ist ein Akt <strong>der</strong> Autosuggestion, welcher unter den von mir<br />

angegebenen Bedingungen die hysterotraumatischen Lähmungen zu Stande<br />

kommen lässt (…) Dieser psychische Process bedarf einer gewissen Zeit zur<br />

Ausarbeitung, die ich auch als Inkubationszeit bezeichnet habe. 7 Dies ist die (…) psychologische<br />

Theorie, die ich für das Verständniss <strong>der</strong> localen hysterotraumatischen<br />

Lähmungen aufgestellt habe. Ich muss gestehen, ich halte etwas auf sie (Charcot 1892,<br />

S. 99–100).<br />

Charcots Plädoyer für die Anerkennung <strong>der</strong> Hypnose als wissenschaftliche<br />

Methode hat unter an<strong>der</strong>em den Philosophen Pierre Janet (1859–1947) zum<br />

Studium hypnotischer Phänomene angeregt. Janet hat schon als junger Lehrer<br />

nach einem wissenschaftlichen Zugang zu psychischen Leiden <strong>und</strong> psychischem<br />

Leben überhaupt gesucht <strong>und</strong> das Studium hypnotischer Phänomene erschien<br />

ihm als solcher geeignet. 1889 bildete er zusammen mit Liébeault, Bernheim<br />

<strong>und</strong> an<strong>der</strong>en das Komitee eines Internationalen Kongresses für experimentellen<br />

<strong>und</strong> therapeutischen Hypnotismus. Die traumatische Ursache von Nervenleiden<br />

hat er schon in seiner philosophischen Dissertation (Janet 1889) thematisiert.<br />

Bei fast <strong>der</strong> Hälfte <strong>der</strong> r<strong>und</strong> 600 oftmals hysterischen PatientInnen, die er in<br />

seinen ersten vier Büchern beschreibt, findet er eine <strong>Trauma</strong>togenie <strong>und</strong> entwickelt<br />

eine entsprechende Psychologie. Er betrachtete die Dissoziation als<br />

zentralen Prozess in <strong>der</strong> Genese <strong>der</strong> posttraumatischen Symptomatik. Er meint,<br />

psychische Ges<strong>und</strong>heit habe mit <strong>der</strong> Fähigkeit zu tun, die eigene Erfahrung<br />

angemessen zu kategorisieren <strong>und</strong> zu integrieren (van <strong>der</strong> Kolk et al. 1996,<br />

S. 52; van <strong>der</strong> Kolk 1996, S. 285). Geschehnisse, die mit allzu heftigen Emotionen<br />

einhergingen, traumatische Erinnerungen könnten nirgends abgelegt<br />

werden, dissoziierten daher von Bewusstsein <strong>und</strong> willentlicher Kontrolle, spalteten<br />

sich ab – zu Janets Zeit war die »multiple Persönlichkeit«, von welchen<br />

später zunächst nur die gespaltenen Persönlichkeiten übriggeblieben sind, ein<br />

7 Hier notiert <strong>der</strong> Übersetzer Freud: »Dies ist die berühmte Theorie von <strong>der</strong> Entstehung<br />

hysterischer Lähmungen durch Autosuggestion, die Charcot zuerst in den ›Neuen<br />

Vorlesungen, 1886‹ ausgesprochen hat« (Charcot 1892, S. 100). In den französischen<br />

Vorlesungsnotizen kommen ›Parasit‹ <strong>und</strong> ›Inkubation‹ an <strong>der</strong> analogen Stelle<br />

interessanterweise nicht vor (Charcot 1887, S 114–115). Den Begriff <strong>der</strong> ›Inkubation‹<br />

verwendet Freud unter seinem eigenen Namen zuerst 1888 im Zusammenhang mit<br />

<strong>der</strong> hysterischen Lähmung nach Eisenbahntrauma (1888b, G.W. Bd 19, S. 85), wo er<br />

auch erstmals »den Ausdruck des Unbewussten in einer Weise benutzt, die den späteren<br />

psychoanalytischen Gebrauch ahnen lässt«, wie die Herausgeberinnen notieren.<br />

1895 schreibt Freud: »Charcot nannte dieses Intervall mit Vorliebe die ›Zeit <strong>der</strong> psychischen<br />

Ausarbeitung‹« (1895d, G.W. Bd 1, S. 195; vgl. 1939a, G.W. Bd 16, S. 171;<br />

vgl. <strong>Fischer</strong>-Homberger 1999; 1971). Das Bild vom Parasiten findet sich beim frühen<br />

Freud wie<strong>der</strong>, wo bei Konversionen ein Erinnerungssymbol »nach Art eines Parasiten<br />

im Bewusstsein haust« (1894a, G.W. Bd 1, S. 63; Charcot 1892, S. 99).<br />

67


<strong>Esther</strong> <strong>Fischer</strong>-Homberger <strong>Haut</strong> <strong>und</strong> <strong>Trauma</strong>: <strong>Zur</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> Verletzung<br />

aktuelles <strong>und</strong> vieldiskutiertes Thema (vgl. Link-Heer 1996). Mit einem zusätzlichen<br />

Medizinstudium ausgerüstet, war dieser weitblickende <strong>und</strong> fre<strong>und</strong>liche<br />

Gelehrte spezifisch geeignet, solcherlei psychologisch-philosophischen Ideen<br />

in die Medizin einzubringen. So wurden seine Lehren seinerzeit – zumal sich<br />

gegen Ende des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts das medizinische Interesse für neue Konzepte<br />

in <strong>der</strong> Psychotherapie auf einem Höhepunkt befand – weltweit zur Kenntnis<br />

genommen.<br />

Als Sigm<strong>und</strong> Freud (1856–1939) 1885/86 für vier Monate nach Paris kam,<br />

fand er da also, was <strong>Trauma</strong>, Neurosen, traumatische Neurosen, die Ätiologie<br />

<strong>der</strong> Neurosen <strong>und</strong> Psychologie betraf, eine höchst angeregte Atmosphäre<br />

<strong>und</strong> fortgeschrittenes Nachdenken vor. Zudem besuchte er dort die gerichtsmedizinischen<br />

Veranstaltungen des Paul Brouardel (1837–1906), <strong>der</strong> in <strong>der</strong><br />

Tradition seines Vorgängers Misshandlung <strong>und</strong> Missbrauch von Kin<strong>der</strong>n zum<br />

Thema gemacht hatte. Im Rahmen seiner Suche nach <strong>der</strong> allgemeinen Ätiologie<br />

<strong>der</strong> Neurosen hat Freud dann den Eisenbahnunfall durch das sexuelle <strong>Trauma</strong><br />

ersetzt <strong>und</strong> die Idee <strong>der</strong> wesentlich psychischen <strong>und</strong> traumatischen Ursache <strong>der</strong><br />

Neurosen generalisiert. »Meine dreizehn Fälle von Hysterie«, schreibt er 1896<br />

in einer ersten Entdeckerfreude,<br />

68<br />

waren durchwegs von schwerer Art, alle mit vieljähriger Krankheitsdauer, einige nach<br />

längerer <strong>und</strong> erfolgloser Anstaltsbehandlung. Die Kin<strong>der</strong>traumen, welche die Analyse<br />

für diese schweren Fälle aufdeckte, mussten sämtlich als schwere sexuelle Schädigungen<br />

bezeichnet werden; gelegentlich waren es geradezu abscheuliche Dinge (1896b,<br />

G.W. Bd 1, S. 381)<br />

Die Annahme, dass es sich dabei um den Missbrauch von Mädchen o<strong>der</strong> Knaben durch<br />

männliche Täter handelt (worauf sich Freud offiziell keineswegs festlegt – nur in einem<br />

Brief an Fliess redet er davon, »dass in sämtlichen Fällen <strong>der</strong> Vater als pervers beschuldigt<br />

werden musste, mein eigener nicht ausgeschlossen« [Masson 1984, S. 114]), evoziert<br />

zunächst Bil<strong>der</strong>, die alten W<strong>und</strong>en-Bil<strong>der</strong>n nicht unähnlich sind. Kin<strong>der</strong> werden beschädigt<br />

»von directer Einwirkung äusserer mechanischer Ursachen«, eine »äussere Gewalteinwirkung«<br />

– ein männliches Glied zum Beispiel – respektiert nicht die Grenze des kindlichen<br />

»<strong>Haut</strong>-Ichs« (Anzieu 1991). Vagina, Anus o<strong>der</strong> M<strong>und</strong> erscheinen in solchem Kontext<br />

als w<strong>und</strong>enartige Löcher im Körper. 8 Dem entspricht die Analogisierung von Penis<br />

8 Die Betrachtung <strong>der</strong> W<strong>und</strong>e als M<strong>und</strong> kommt in <strong>der</strong> alten Lehre von <strong>der</strong> ›cruentatio<br />

cadaverum‹ zum Ausdruck, welche besagt, dass die W<strong>und</strong>en Ermordeter in Gegenwart<br />

ihrer Verursacher neu zu bluten, sozusagen Blut zu reden anfingen (vgl.<br />

<strong>Fischer</strong>-Homberger 1983, S. 306–311; Benthien 1998, S. 117, 160). Interessant sind<br />

<strong>und</strong> Vagina mit Schwert <strong>und</strong> Schwertscheide, welche <strong>der</strong> patri-archalen Kultur in<br />

ihrem Zeugungsstress so nahe liegt. »Scheide« übrigens – zu »scheiden«, »spalten,<br />

trennen« – bezeichnete ursprünglich »eine Hülse aus zwei Holzplatten«, ein<br />

»gespaltenes Holzstück« – die Bedeutung ›weibliche Scham‹, heißt es in <strong>der</strong> Duden-<br />

Etymologie, habe das Wort im 17. Jahrh<strong>und</strong>ert nach lateinisch vagina »Schwertscheide;<br />

weibliche Scham« erhalten (Drosdowski 1989). Ein W<strong>und</strong>encharakter des<br />

weiblichen Genitals zeigt sich auch in <strong>der</strong> dem 19. Jahrh<strong>und</strong>ert geläufigen Analogisierung<br />

des Blutes, das <strong>der</strong> Verletzung des Kriegers entfließt, mit demjenigen,<br />

das die Frauen monatlich <strong>und</strong> bei je<strong>der</strong> Geburt verlieren. Auch in <strong>der</strong> alten Idee,<br />

dass die Kirche »aus <strong>der</strong> Seite Christi kam, so wie Eva aus <strong>der</strong> Seite Adams« ist die<br />

Assoziation von männlicher W<strong>und</strong>e <strong>und</strong> weiblichem Geburtsweg enthalten (vgl.<br />

<strong>Fischer</strong>-Homberger 1997, S.163). Die Analogisierung männlicher Verletztheit mit<br />

<strong>der</strong> Anatomie des weiblichen Geschlechts lässt die Frau in männlicher Sicht als<br />

eine personifizierte W<strong>und</strong>e erscheinen.<br />

Wenn Freud den Gedanken <strong>der</strong> traumatischen Ätiologie <strong>der</strong> Hysterien weiterverfolgt<br />

hätte, hätte er vielleicht die Welt verän<strong>der</strong>t – wahrscheinlicher freilich ist,<br />

dass seine Psychoanalyse dann nicht weiter rezipiert worden wäre. So dürften wissenschaftspolitische<br />

Motive ihn mitbestimmt haben, die »<strong>Trauma</strong>-Hypothese« zugunsten<br />

<strong>der</strong> »Wunsch-Theorie« <strong>der</strong> Neurose zu verwerfen <strong>und</strong> sich <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e zu<br />

überzeugen, dass »die neurotischen Symptome nicht direkt an wirkliche Erlebnisse<br />

anknüpften, son<strong>der</strong>n an Wunschphantasien, <strong>und</strong> dass für die Neurose die psychische<br />

Realität mehr bedeute als die materielle« (1925d [1924]) G.W. Bd 14, S. 59–60).<br />

Die psychische Realität war damit von <strong>der</strong> äußeren »Wirklichkeit« dissoziiert, <strong>der</strong><br />

Zusammenhang zwischen ›innen‹ <strong>und</strong> ›außen‹ unterbrochen. Eine solche Dissoziation<br />

ist eine geläufige <strong>Trauma</strong>folge, das exogene <strong>Trauma</strong> aber in ein endogenes zu<br />

verwandeln, war ein theoriebildnerisches Kunststück, da das <strong>Trauma</strong> eigentlich per<br />

definitionem von außen kommt. Freud bewerkstelligte es unter an<strong>der</strong>em, indem er<br />

aus dem ›<strong>Trauma</strong>‹ den ›traumatischen Moment‹ werden ließ, den Augenblick, in<br />

dem <strong>der</strong> unlösbare Konflikt erlebt wird. »Dabei dehnte er die Bedeutung von ›<strong>Trauma</strong>‹<br />

<strong>und</strong> ›traumatisch‹ bis an die Grenze des Vertretbaren aus«, schreibt May-<br />

[Tolzmann] dazu, »so daß das <strong>Trauma</strong> im Sinne des ›traumatischen Moments‹ zum<br />

in diesem Zusammenhang die Beobachtungen von M. Kütemeyer, welche findet,<br />

dass bei verborgenen psychischen <strong>Trauma</strong>ta die W<strong>und</strong>heilung oftmals unregelmäßig<br />

verläuft – verzögert zum Beispiel, o<strong>der</strong> unter überschießen<strong>der</strong> Narbenbildung. Kütemeyer<br />

hält »die jeweilige Offenheit o<strong>der</strong> Verschlossenheit des M<strong>und</strong>es (…), seine<br />

Fähigkeit o<strong>der</strong> Unmöglichkeit, bedrohliche Gefühle, Fantasien, Erinnerungen auszusprechen«,<br />

für eine <strong>der</strong> Bedingungen solcher Unregelmäßigkeiten. Offene W<strong>und</strong>en,<br />

schreibt sie, könnten sich schließen, »sobald (…) <strong>der</strong> M<strong>und</strong> sich öffnet« (Kütemeyer<br />

et al. 2003, S. 246).<br />

69


<strong>Esther</strong> <strong>Fischer</strong>-Homberger <strong>Haut</strong> <strong>und</strong> <strong>Trauma</strong>: <strong>Zur</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> Verletzung<br />

Gegenteil dessen wurde, was man sich darunter eigentlich vorstellt, nämlich<br />

zu einem ausschließlich durch das intrapsychische Geschehen determinierten<br />

Faktor« (zuerst: 1894a, G.W. Bd 1, S. 64; May [-Tolzmann] 1996, S.<br />

49–56, spez. S. 53–54). Die <strong>Haut</strong>, die im körpernahen Denken Modell <strong>und</strong><br />

Basis <strong>der</strong> Grenze zwischen Diesseits <strong>und</strong> Jenseits, »Zu-mir-Gehörigem«<br />

<strong>und</strong> »Nicht-zu-mir-Gehörigem« stellt, ist damit außerhalb <strong>der</strong> psychoanalytischen<br />

Aufmerksamkeit gerückt, ebenso das hautverletzende <strong>Trauma</strong> –<br />

wie weggeblasen erscheint damit die Assoziation von <strong>Haut</strong> <strong>und</strong> <strong>Trauma</strong>.<br />

<strong>Zur</strong>ück bleibt ein psychoanalytisches Körperbild, das die Züge einer<br />

<strong>Trauma</strong>tisierung trägt: ein hochverletzlicher <strong>und</strong> verletzter Körper mit<br />

w<strong>und</strong>enartig empfindlichen Löchern <strong>und</strong> ohne eine <strong>Haut</strong>, die vermittelst<br />

ihrer unterschiedlichen Sinne für Wärme, Druck o<strong>der</strong> Schmerz verschiedene<br />

Grade von Nähe <strong>und</strong> Distanz differenziert wahrzunehmen <strong>und</strong> im Fall<br />

ihrer Verletzung sich zu regenerieren fähig ist. Ein Körper mit Löchern –<br />

M<strong>und</strong>, Anus <strong>und</strong>, bei <strong>der</strong> Frau, Geschlecht – um welche sich in Freuds<br />

psychologischem Modell die Psyche, ihre Entwicklung <strong>und</strong> das Verhältnis<br />

<strong>der</strong> Geschlechter organisiert (vgl. <strong>Fischer</strong>-Homberger 2004, S. 65),<br />

<strong>und</strong> mit einer <strong>Haut</strong>, die in Freuds Schriften vorwiegend überreizt, gerötet,<br />

verbrannt, verletzt, auch abgezogen, gedrückt, gekneipt, mit <strong>der</strong> Nadel<br />

gestochen, verdorben, weggerissen, schmerzhaft, hyper- <strong>und</strong> hypalgetisch<br />

<strong>und</strong> krank erscheint, wenn nicht als sexuell reizendes, lustbringendes <strong>und</strong><br />

sozusagen an beliebiger Stelle erregbares Organ. 9 Freud setzt den traumatisierten<br />

<strong>und</strong> leicht re-traumatisierbaren Körper offenbar als den normalen<br />

voraus. William Ronald Dodds Fairbairn (1889–1964) hat diesen Körper<br />

schon 1946 als »Ergebnis pathologischer Prozesse« bezeichnet.<br />

70<br />

Die Konzeption erogener Zonen basiert auf einer atomistischen o<strong>der</strong> molekularen<br />

Vorstellung vom Organismus (…) Einen normal funktionierenden Organismus<br />

kann man nur vom künstlichen Standpunkt wissenschaftlicher Analyse<br />

in getrennt wirkende Teile aufglie<strong>der</strong>n (…) 10<br />

9 Konkordanz zu den gesammelten Werken von Sigm<strong>und</strong> Freud (1995). Im Rahmen <strong>der</strong><br />

sado-masochistischen Abirrungen übernimmt »die <strong>Haut</strong>, die sich an beson<strong>der</strong>en Körperstellen<br />

(…) zur Schleimhaut modifiziert hat, also die erogene Zone κατ’εξοχην«,<br />

überhaupt die Rolle einer erogenen Zone (1905d, G.W. Bd 5, S. 84, 68–69).<br />

10 Hermann Schmitz würde hier von »Leibesinselschw<strong>und</strong>« sprechen (Schmitz 1965, S.<br />

25–28, 151–69; Fairbairn 1982, S. 66; vgl. <strong>Fischer</strong>-Homberger 2004, S.80–81).<br />

Das Bild, welches Freud vom Integument des Körpers entwirft, ist nicht das<br />

eines multimodal fühlenden, empfindlichen, abwehr- <strong>und</strong> strapazierfähigen Organs,<br />

welches Kontakt <strong>und</strong> Abgrenzung reguliert, son<strong>der</strong>n das einer in Frage<br />

gestellten, wenn nicht – als erogene Zone – explizit zur Überschreitung einladenden<br />

Grenze. Wer so umhüllt ist, wird, wenn überhaupt, höchstens einen<br />

schmalen Bereich von Berührung we<strong>der</strong> als integritätsverletzend noch als isolierend<br />

erleben können.<br />

Freuds Blick ist eben in erster Linie auf die körperlichen <strong>und</strong> psychischen<br />

Gegenden gerichtet, die unter <strong>der</strong> <strong>Haut</strong> liegen – dort, <strong>und</strong> nicht an <strong>der</strong> Oberfläche,<br />

sucht er die erste Wahrheit. Mit diesem Interesse für das Verborgene<br />

liegt er ganz im Enthüllungs- <strong>und</strong> Demaskierungstrend seiner Zeit, die von<br />

allem fasziniert ist, was unter <strong>und</strong> hinter Fassaden, Kulissen, Polsterungen,<br />

Klei<strong>der</strong>n, Schminken, Behauptungen, Oberflächen überhaupt liegt, die insgesamt<br />

bestrebt ist, die Strukturen unter <strong>und</strong> hinter Vorgezeigtem freizulegen (Ellenberger<br />

1970, S. 273–278; 537–540). Wie<strong>der</strong>holt hat Freud die psychoanalytische<br />

Arbeit mit dem archäologischen Schürfen nach Zeugen von Vergessenem<br />

verglichen (das bergmännische Fachwort ›schürfen‹ geht übrigens auf mittelhochdeutsch<br />

›schür[p]fen‹ zurück, das auch für das Ritzen <strong>der</strong> <strong>Haut</strong> gebraucht<br />

wurde). Auch im kriminologischen Fahnden nach <strong>der</strong> versteckten Wahrheit<br />

wurzelt wohl Freuds penetrativer Blick. Tatsächlich gehörten gerichtspsychiatrisch<br />

interessierte Mediziner zu seinen wichtigen Lehrern: Jean Martin Charcot,<br />

Brouardel <strong>und</strong> Richard von Krafft-Ebing (1840–1902), <strong>der</strong> Verfasser gerichtspsychiatrischer<br />

Lehrbücher <strong>und</strong> Autor <strong>der</strong> Psychopathia sexualis (1886).<br />

Freuds Aufmerksamkeit auf alles, was unter <strong>der</strong> Oberfläche liegt, entspricht<br />

schließlich auch dem Stand <strong>der</strong> somatischen, speziell <strong>der</strong> Wiener Medizin<br />

seiner Zeit. Jenes Wien gilt als »die Wiege <strong>der</strong> Endoskopie« (Seydl 1997, S.<br />

35) – einer Diagnostik, die alle verfügbaren Löcher benützt, das Körperinnere<br />

den Sinnen unmittelbar zugänglich zu machen. So besehen kann Freud füglich<br />

als Entdecker <strong>der</strong> ›Psychoskopie‹ bezeichnet werden. Jenes medizinische Wien<br />

hat auch den Aufschwung einer Chirurgie gesehen, welche sich ab Mitte des<br />

19. Jahrh<strong>und</strong>erts dank Anästhesie <strong>und</strong> Antisepsis durch die <strong>Haut</strong>grenze kaum<br />

mehr am Eindringen in den Körper behin<strong>der</strong>t fand. In den 1870er <strong>und</strong> 1880er<br />

Jahren dringen Ch. A. Theodor Billroth (1829–1894) <strong>und</strong> seine Schüler erstmals<br />

in eine <strong>der</strong> großen Körperhöhlen vor, was eine spektakuläre Erweiterung<br />

des chirurgischen Handlungsradius bedeutete <strong>und</strong> die Chirurgie zur sozusagen<br />

inbegrifflichen Therapie aufsteigen ließ. Freud hat es daher nahegelegen, seine<br />

psychoanalytische Kur mit <strong>der</strong> Chirurgie zu vergleichen.<br />

Ich habe bei mir häufig die kathartische Psychotherapie mit chirurgischen<br />

Eingriffen verglichen, meine Kuren als psychotherapeutische Operationen<br />

71


<strong>Esther</strong> <strong>Fischer</strong>-Homberger <strong>Haut</strong> <strong>und</strong> <strong>Trauma</strong>: <strong>Zur</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> Verletzung<br />

72<br />

bezeichnet, die Analogien mit Eröffnung einer eitergefüllten Höhle, <strong>der</strong> Auskratzung<br />

einer kariös erkrankten Stelle u. dgl. verfolgt,<br />

schreibt er (1895d [1893–95] [Zusammen mit: Breuer, Josef], G.W. Bd 1, S.<br />

311) <strong>und</strong>: »Die psychoanalytische Behandlung ist einem chirurgischen Eingriff<br />

gleichzusetzen« (1916–17a [1915–17], G.W. Bd 11, S. 476–478). Eine<br />

abgebrochene Psychoanalyse vergleicht er mit einer unvollendeten Operation<br />

(1913c, G.W. Bd 8, S. 462) <strong>und</strong> in einem Fall sieht er pathogene Erinnerungen,<br />

die in einer Analyse nicht zum Vorschein gekommen waren, sich nachträglich<br />

abstoßen »wie Fäden nach einer Operation o<strong>der</strong> nekrotische Knochenstückchen«<br />

(1937c, G.W. Bd 16, S. 61; 1910d, G.W. Bd 8, S. 110; vgl. 1910a. [1909],<br />

G.W. Bd 8, S. 56–57; 1912e, G.W. Bd 8, S. 380–381; 1915a [1914], G.W.<br />

Bd 10, S. 320–321; 1926e, G.W. Bd 14, S. 265–266). Auch die Entwicklung<br />

<strong>der</strong> Lokalanästhesie ist eng mit Wien verb<strong>und</strong>en: 1884 hat <strong>der</strong> Augenarzt Carl<br />

Koller (1857–1944), damals noch in Wien, die lokalanästhetische Wirkung des<br />

Kokains definitiv entdeckt. Freud hat sich geärgert, dass nicht er, son<strong>der</strong>n Koller<br />

als »Entdecker <strong>der</strong> Lokalanästhesie durch Kokain, die für die kleine Chirurgie<br />

so wichtig geworden ist« in die <strong>Geschichte</strong> eingegangen ist. 11<br />

So verliert das Organ <strong>Haut</strong> für die psychoanalytische ›Tiefenpsychologie‹ –<br />

<strong>der</strong> Ausdruck stammt von Eugen Bleuler – ähnlich wie für die Chirurgie an Bedeutung.<br />

Kaum mehr ein Hin<strong>der</strong>nis auf dem Weg zur Tiefe wird sie zum kaum<br />

mehr relevanten, leicht zu lüftenden Schleier, <strong>der</strong> zur Ent-deckung <strong>der</strong> unter<br />

ihm verborgenen Schätze <strong>und</strong> Fürchterlichkeiten geradezu einlädt.<br />

Nachbil<strong>der</strong><br />

Im Lauf <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> W<strong>und</strong>e von <strong>der</strong> blutigen <strong>und</strong> schmerzenden<br />

Durchtrennung <strong>der</strong> <strong>Haut</strong> zum blut- <strong>und</strong> schmerzlosen psychischen <strong>Trauma</strong> hat<br />

sich die <strong>Haut</strong> dematerialisiert, nicht allerdings, ohne ihre Spuren zu hinterlassen.<br />

Vielleicht zählt eben die Assoziation von <strong>Haut</strong> <strong>und</strong> <strong>Trauma</strong> zu den körperlich gespeisten,<br />

para- <strong>und</strong> transhistorischen Denkfiguren, die in den »›Tiefenstrukturen›<br />

anthropologischer Begriffsbildung <strong>und</strong> Konzeptualisierung« wurzeln. Derartige<br />

Tiefenstrukturen (Assmann) sind historischem Wandel wenig unterworfen, weil<br />

11 »Ich kann hier rückgreifend erzählen, dass es die Schuld meiner Braut war, wenn ich<br />

nicht schon in jenen jungen Jahren berühmt geworden bin. (…) Carl Koller (…) gilt<br />

(…) mit Recht als <strong>der</strong> Entdecker <strong>der</strong> Lokalanästhesie durch Kokain (…) ich aber habe<br />

mein damaliges Versäumnis meiner Braut nicht nachgetragen« (1925d [1924], G.W.<br />

Bd 14, S. 38–39; Freud 1884 [1884e]).<br />

sie sich »infolge einer dem Bewusstsein entzogenen ›Ressourcenkontinuität‹«<br />

– diesmal körperlicher Natur – so o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>s immer wie<strong>der</strong> neu herzustellen<br />

neigen (Pouchelle 1983, S. 339, 157–159; Duden 1987, S. 53; Assmann 1996,<br />

S.155–156; <strong>Fischer</strong>-Homberger 1997, S. 146–147). Denn die <strong>Haut</strong> ist die nahe<br />

liegende physische Basis allen Begreifens von Grenze <strong>und</strong> Grenzverletzung.<br />

Jedenfalls durchzieht die Assoziation von ›<strong>Haut</strong>verletzung‹ <strong>und</strong> ›<strong>Trauma</strong>‹<br />

– ›sine materia‹ allerdings – auch die <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> Psychotraumatologie. Sowohl<br />

Oppenheim 12 als auch Charcot 13 erwähnen ausdrücklich, dass die <strong>Trauma</strong>ta,<br />

welche den traumatischen Neurosen zugr<strong>und</strong>e liegen, die <strong>Haut</strong> nicht<br />

notwendig mit betreffen. Und beide Autoren bezeichnen Sensibilitätsstörungen<br />

<strong>der</strong> <strong>Haut</strong> – namentlich Anästhesien, ein Erbstück <strong>der</strong> alten Hysterie – als<br />

typisch für die traumatogenen Neurosen (Oppenheim 1889, S. 91, 101; Charcot<br />

1992, S. 99–102). Hatte die Unterbrechung <strong>der</strong> Kontinuität des <strong>Haut</strong>gewebes<br />

an umschriebener Stelle akut geschmerzt, ging die Dissoziation von körperlicher<br />

Hülle <strong>und</strong> <strong>Trauma</strong> mit typischen Sensibilitätsausfällen <strong>der</strong> <strong>Haut</strong> einher.<br />

Interessanterweise erinnert auch Charcots durch den Schock betäubtes<br />

›Ich‹, welches seine Kontrollfunktion über den Austausch zwischen innen<br />

<strong>und</strong> außen nicht mehr wahrzunehmen vermag <strong>und</strong> daher eine krankmachende<br />

Idee wie einen Parasiten unkontrolliert ins Gehirn eindringen lässt, an eine<br />

betäubte <strong>Haut</strong>. Durch hypnotische Ausschaltung bestimmter Bewusstseinsteile<br />

sind ja übrigens Anästhesien seinerzeit auch gezielt herbeigeführt worden.<br />

Auch Janet’s ›Dissoziation‹ erinnert an die alte ›Trennung <strong>der</strong> Continuität‹.<br />

Um eine Trennung des Zusammenhanges geht es übrigens auch in <strong>der</strong> seinerzeitigen,<br />

ebenfalls in <strong>der</strong> Hypnoselehre wurzelnden Lehre von den (oftmals<br />

ebenfalls durch <strong>Trauma</strong> hervorgerufenen) multiplen Persönlichkeiten 14 ,<br />

ebenso später bei Constantin von Monakows (1853–1930) dem Schock verwandter<br />

Diaschisis (»Trennung in einzelne Teile durch Ausschaltung eines<br />

12 Oppenheim schreibt, es seien im Allgemeinen Ȋussere Verw<strong>und</strong>ungen gar nicht entstanden,<br />

o<strong>der</strong> sie sind so unbedeutend <strong>und</strong> oberflächlich, dass sie für die nervösen Folgeerscheinungen<br />

nicht verantwortlich gemacht werden können« (Oppenheim 1889,<br />

S. 86).<br />

13 »la production d’une contusion, d’une plaie, ou encore d’une commotion cérébrale<br />

proprement dite, ne sont pas des agents nécessaires pour faire apparaître le mal«<br />

(Charcot 1889, S. 30; vgl. Micale 2001).<br />

14 Link-Heer spricht im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Faszination, die seinerzeit von Spaltungsphänomenen<br />

ausging, von einer »interdiskursiv gesteigerten Aufmerksamkeit,<br />

die eine von Denormalisierungsangst ergriffene Kultur auf die Dynamik <strong>der</strong> hyperästhetischen<br />

o<strong>der</strong> anästhetischen (…) Nervenfunktionen richtet« (Link-Heer 1996, S.<br />

275; 1998, S. 172).<br />

73


<strong>Esther</strong> <strong>Fischer</strong>-Homberger <strong>Haut</strong> <strong>und</strong> <strong>Trauma</strong>: <strong>Zur</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> Verletzung<br />

dirigierenden Verbindungsgliedes«), welche Monakow übrigens mit <strong>der</strong> »›Sejunktion‹<br />

Wernicke« vergleicht. 15<br />

Bei Freud schließlich scheint <strong>der</strong> innerpsychische, als Ursprung <strong>der</strong> Scheidung<br />

zwischen dem Bewusstsein <strong>und</strong> dem Unbewussten imaginierte Verdrängungsmechanismus<br />

das Erbe <strong>der</strong> <strong>Haut</strong> übernommen zu haben. So nennt Freud den Schmerz »das<br />

Vorbild <strong>und</strong> das erste Beispiel <strong>der</strong> psychischen Verdrängung« <strong>und</strong> »die Abwendung<br />

von <strong>der</strong> Erinnerung«, die bei <strong>der</strong> Verdrängung stattfindet, »eine Wie<strong>der</strong>holung <strong>der</strong><br />

einstigen Flucht vor <strong>der</strong> Wahrnehmung«, <strong>der</strong> Wahrnehmung eines Schmerzes nämlich,<br />

welche die nociceptive Fluchtbewegung auslöst (1900a, G.W. Bd 2, S. 606).<br />

Als im Ersten Weltkrieg die ›traumatische Neurose‹ als ›Shell Shock‹, ›Kriegsneurose‹<br />

<strong>und</strong> ›Kriegshysterie‹ geradezu epidemisch auftrat, brach das exogene<br />

<strong>Trauma</strong> wie<strong>der</strong> in das psychoanalytische Bewusstsein durch. Gleichzeitig generierte<br />

die psychoanalytische Theorie ein neues <strong>Haut</strong>äquivalent, das nun wie<strong>der</strong><br />

seinen ange-stammten Ort zwischen einzelnen Individuen <strong>und</strong> ihrer äußeren Umgebung<br />

einnahm.<br />

Die Exogenie psychischer Kriegstraumata nicht anzuerkennen bedeutete zunächst<br />

entwe<strong>der</strong>, mit manchen patriotischen Militärärzten anzunehmen, Kriegsneurotiker<br />

seien Memmen <strong>und</strong> Drückeberger <strong>und</strong> reagierten hysterisch <strong>und</strong> zweckgerichtet<br />

(d.h. auch weibisch <strong>und</strong> simulationsnah) auf die Kriegssituation. O<strong>der</strong> es hieß,<br />

am endogenen Triebtrauma <strong>der</strong> klassischen Psychoanalyse festzuhalten. Das<br />

wäre gut möglich gewesen, wenn man die Existenz eines passiv-homosexuellen<br />

Wunsches, sich vom feindlichen Geschoß penetrieren zu lassen, angenommen<br />

hätte. Damit wäre die Kriegsw<strong>und</strong>e des Mannes nochmals mit dem weiblichen<br />

Introitus analog gesetzt gewesen <strong>und</strong> <strong>der</strong> gefallene Mann <strong>der</strong> gefallenen Frau. 16<br />

Diesen Gedanken hat Freud aber so wenig gepflegt wie er denjenigen des sexuellen<br />

Missbrauchs als Ursache von Hysterien weiterverfolgt hat. Hingegen hat<br />

er 1917 den »traumatischen Moment« zur »traumatischen Situation« erweitert,<br />

welche nun wie<strong>der</strong> deutlich mit äußeren Verhältnissen zu tun hatte. 17 Mit diesen<br />

hat er sich dann 1918 am Kongress <strong>Zur</strong> Psychoanalyse <strong>der</strong> Kriegsneurosen erstmals<br />

intensiv auseinan<strong>der</strong>gesetzt. Damals, wie vor allem dann 1920 mit seiner<br />

Arbeit zur Theorie Jenseits des Lustprinzips, hat er einige Vorschläge zur<br />

15 Monakow bezieht sich auf Carl Wernicke’s Gr<strong>und</strong>riss <strong>der</strong> Psychiatrie (von Monakow<br />

1905, S. 240–248 (Shock <strong>und</strong> Diaschisis), speziell S. 245, 247; vgl. <strong>Fischer</strong>-Homberger<br />

1972, S. 52.<br />

16 Malleier weist darauf hin, »dass bei den Soldaten ein Zusammenhang hergestellt wurde<br />

zwischen ›Tötungspotenz‹ <strong>und</strong> sexueller Potenz« (vgl. Malleier 1994, S. 213).<br />

17 »In ihren Träumen wie<strong>der</strong>holen diese Kranken regelmässig die traumatische Situation«<br />

(Freud, 1916–17a [1915–17], G.W. Bd 11, S. 283–284).<br />

74<br />

Rettung <strong>der</strong> Sexual- <strong>und</strong> Triebtheorie (<strong>und</strong> damit des Prinzips <strong>der</strong> Endogenie<br />

<strong>der</strong> Neurosen) gemacht, die ohne Rekurs auf ein homosexuelles Begehren <strong>der</strong><br />

Kriegsverletzten auskamen (<strong>Fischer</strong>-Homberger 1999, S. 281–285; 1975, S.<br />

151–159). Aber er konzedierte nun, dass bei <strong>der</strong> Entstehung <strong>der</strong> Kriegsneurose<br />

eine äußere Einwirkung auf die Psyche wirksam werde. In diesem Zusammenhang<br />

führte er den Begriff des ›Reizschutzes‹ ein. Diesem, so lehrte er, komme<br />

die Aufgabe zu, übermäßige Erregung vom seelischen Apparat abzuhalten.<br />

Erregungen von außen, die stark genug sind, den Reizschutz zu durchbrechen, heissen<br />

wir traumatische. Ich glaube, dass <strong>der</strong> Begriff des <strong>Trauma</strong>s eine solche Beziehung<br />

auf eine sonst wirksame Reizabhaltung erfor<strong>der</strong>t. (…) Ich glaube, man darf (…) wagen,<br />

die gemeine traumatische Neurose als die Folge eines ausgiebigen Durchbruchs<br />

des Reizschutzes aufzufassen.<br />

Freud beschreibt den ›Reizschutz‹ als eine reizaufnehmende Rindenschicht,<br />

welche die lebende Substanz vor <strong>der</strong> mit erschlagenden Energien geladenen<br />

Außenwelt schützt. Und zwar, indem sie an ihrer äußeren Oberfläche »die dem<br />

Lebenden zukommende Struktur aufgibt, gewissermaßen anorganisch wird <strong>und</strong><br />

nun als eine beson<strong>der</strong>e Hülle o<strong>der</strong> Membran reizabhaltend wirkt, das heißt,«<br />

dass sie von den »Energien <strong>der</strong> Außenwelt« nur einen Bruchteil an die nächsttieferen,<br />

»lebend gebliebenen Schichten« weitergibt.<br />

Diese können nun hinter dem Reizschutz sich <strong>der</strong> Aufnahme <strong>der</strong> durchgelassenen<br />

Reizmengen widmen. Die Außenschicht hat aber durch ihr Absterben alle tieferen vor<br />

dem gleichen Schicksal bewahrt, wenigstens so lange, bis nicht Reize von solcher<br />

Stärke herankommen, dass sie den Reizschutz durchbrechen. Für den lebenden Organismus<br />

ist <strong>der</strong> Reizschutz eine beinahe wichtigere Aufgabe als die Reizaufnahme,<br />

schreibt Freud. Die reizaufnehmende, lebendig gebliebene Substanz hat sich<br />

demgegenüber »in die Tiefe des Körperinnern zurückgezogen« 18 (1920g,<br />

G.W. Bd 13, S. 26–31). 1925 vergleicht er den Reizschutz mit dem Zelluloidblatt<br />

des sogenannten »W<strong>und</strong>erblocks«. Der W<strong>und</strong>erblock besteht aus einer<br />

dunkeln Wachstafel, einem darüberliegenden Seidenpapier <strong>und</strong> eben diesem<br />

strapazierfähigen durchsichtigen Deckblatt. Schreibt man, etwa mit einer<br />

18 Nur die Sinnesorgane hat sie sozusagen »an <strong>der</strong> Oberfläche (…) zurückgelassen.«<br />

Auch diese sind mit beson<strong>der</strong>en Vorrichtungen zum »Schutz gegen übergrosse Reizmengen<br />

<strong>und</strong> zur Abhaltung unangemessener Reizarten« ausgestattet, Fühlern vergleichbar,<br />

»die sich an die Aussenwelt herantasten <strong>und</strong> dann immer wie<strong>der</strong> von ihr<br />

zurückziehen« (Freud, 1920g, G.W. Bd 13, S. 27).<br />

75


<strong>Esther</strong> <strong>Fischer</strong>-Homberger <strong>Haut</strong> <strong>und</strong> <strong>Trauma</strong>: <strong>Zur</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> Verletzung<br />

Stricknadel, auf dieses oberste Blatt, wird dadurch das Seidenpapier, welches<br />

direkter Berührung durch das Schreibwerkzeug nicht lange standhielte, auf die<br />

Wachstafel gedrückt, sodass <strong>der</strong>en Dunkel in <strong>der</strong> Form <strong>der</strong> Schriftzüge durch<br />

das feine Papier hindurch sichtbar wird. Indem man mithilfe eines am W<strong>und</strong>erblock<br />

angebrachten Hebels einen beweglichen feinen Trennstreifen zwischen<br />

Wachsschicht <strong>und</strong> Seidenpapier durchführt, löscht man die Schrift wie<strong>der</strong>. 19<br />

So gleicht also Freuds ›Reizschutz‹ einer <strong>Haut</strong> – einer harten, durchbruchsgefährdeten<br />

<strong>Haut</strong>, einer narbigen <strong>Haut</strong> im Gr<strong>und</strong>e, welche »die dem Lebenden zukommende<br />

Struktur« aufgegeben hat. Eine <strong>Haut</strong> auch, die nach außen notdürftig<br />

schützt, nach innen aber keine regulativen Funktionen erfüllt – »Reizschutz gibt es<br />

(…) nur gegen äußere Reize, nicht gegen innere Triebansprüche« (1926d [1925],<br />

G.W. Bd 14, S. 121). Freuds Reizschutz gleicht <strong>der</strong> äußersten, <strong>der</strong> »toten« Hornschicht<br />

<strong>der</strong> Epi<strong>der</strong>mis, wie sie die Dermatologie beschreibt (Brockhaus 2001).<br />

Die Verletzung des Reizschutzes geht mit Schmerz <strong>und</strong> Trennung einher – die<br />

alte »dissolutio continuitatis«, welche den ›Schmerz‹, aber auch die klassische<br />

›W<strong>und</strong>e‹ bedeutet. Schmerz sei, schreibt Freud, die »Reaktion auf den Objektverlust<br />

(…) Schmerz (…) entsteht, wenn ein an <strong>der</strong> Peripherie angreifen<strong>der</strong> Reiz<br />

die Vorrichtungen des Reizschutzes durchbricht« (1926d [1925], G.W. Bd.14,<br />

S. 160, 203–204). Entsprechend wirkt Freuds Beschreibung <strong>der</strong> Reaktionen auf<br />

einen solchen Durchbruch wie die Übersetzung von zellularpathologischen Beschreibungen<br />

von W<strong>und</strong>heilung <strong>und</strong> Entzündung ins Psychische 20 :<br />

76<br />

Und was können wir als die Reaktion des Seelenlebens auf diesen Einbruch erwarten?<br />

Von allen Seiten her wird die Besetzungsenergie aufgeboten, um in <strong>der</strong> Umgebung<br />

<strong>der</strong> Einbruchstelle entsprechend hohe Energiebesetzungen zu schaffen. Es wird eine<br />

großartige ›Gegenbesetzung‹ hergestellt, zu <strong>der</strong>en Gunsten alle an<strong>der</strong>en psychischen<br />

Systeme verarmen (1920g, G.W. Bd 13, S. 30)<br />

Der französische Psychoanalytiker Didier Anzieu hat – in seinem <strong>Haut</strong>-Ich (Le<br />

Moi-peau) – die Idee entwickelt, dass Freuds Reizwahrnehmungs-System an das<br />

19 »Immerhin erschient es mir jetzt nicht allzu gewagt, das aus Zelluloid <strong>und</strong> Wachspapier<br />

bestehende Deckblatt mit dem System W-Bw <strong>und</strong> seinem Reizschutz, die<br />

Wachstafel mit dem Unbewussten dahinter, das Sichtbarwerden <strong>der</strong> Schrift <strong>und</strong> ihr<br />

Verschwinden mit dem Aufleuchten <strong>und</strong> Vergehen des Bewusstseins bei <strong>der</strong> Wahrnehmung<br />

gleichzustellen (Freud 1925a [1924], G.W. Bd 14, S.7).<br />

20 Angefangen mit <strong>der</strong> 1914 nachgedruckten klassischen Arbeit des Virchow-Schülers<br />

Julius Cohnheim »Über Entzündung <strong>und</strong> Eiterung« aus dem Jahre 1867 (Virchow’s<br />

Archiv; vgl. Allgöwer 1956).<br />

reale Organ ›<strong>Haut</strong>‹ angelehnt sei (Anzieu 1991, S.110–117), womit er die<br />

körperliche Fantasie erfasst, die das Freud’sche Konzept offenbar speist –<br />

»dieses Kettenglied« jedoch »überspringt Freud«. Wenn Freud selbst eine<br />

organische Basis seines zwischen außen <strong>und</strong> innen eingeschalteten Systems<br />

imaginiert, liegt ihm die einer Rindenschicht des Bewusstseins, die mit dem<br />

›Ich‹ assoziierte Großhirnrinde, näher als die <strong>Haut</strong> – nochmals ein vor exogenen<br />

Reizen schützendes Konzept. »Die Embryologie als Wie<strong>der</strong>holung<br />

<strong>der</strong> Entwicklungsgeschichte zeigt auch wirklich, dass das Zentralnervensystem<br />

aus dem Ekto<strong>der</strong>m hervorgeht, <strong>und</strong> die graue Hirnrinde ist noch immer<br />

ein Abkömmling <strong>der</strong> primitiven Oberfläche <strong>und</strong> könnte wesentliche Eigenschaften<br />

<strong>der</strong>selben durch Erbschaft übernommen haben.« »Das Ich ist«,<br />

schreibt er 1923, »nicht nur ein Oberflächenwesen, son<strong>der</strong>n selbst die Projektion<br />

einer Oberfläche. Wenn man eine anatomische Analogie für dasselbe<br />

sucht, kann man es am ehesten mit dem ›Gehirnmännchen‹ <strong>der</strong> Anatomen<br />

identifizieren, das in <strong>der</strong> Hirnrinde auf dem Kopf steht« (1923b, G.W. Bd 13,<br />

S. 253–254). 21<br />

Rematerialisierung <strong>der</strong> <strong>Haut</strong>? Rückgewinnung <strong>der</strong><br />

W<strong>und</strong>e?<br />

So sind von <strong>der</strong> alten, sinnfälligen Assoziation des <strong>Trauma</strong>s mit <strong>der</strong> <strong>Haut</strong>verletzung<br />

sozusagen nur Schatten übrig geblieben, Leerstellen in einem<br />

Denken, welches von Sinnlichem weg abstrahiert. Ein wissenschaftliches<br />

Denken, welches ausschließlich die von bekannten naturwissenschaftlichen<br />

Gesetzen beherrschten Erscheinungen als Realitäten anerkennt, welches<br />

seinen Gegenstand isoliert, um ihn objektiv zu untersuchen, basiert auf <strong>der</strong><br />

zur Norm gewordenen Unterbrechung des Zusammenhangs zwischen dem<br />

wahrnehmenden Subjekt <strong>und</strong> dem Gegenstand seiner Wahrnehmung.<br />

Dass die Beziehung zwischen den Topoi ›<strong>Haut</strong>‹ <strong>und</strong> ›<strong>Trauma</strong>‹ also lange<br />

kaum mehr Gegenstand ärztlicher Aufmerksamkeit gewesen ist, hat es indessen<br />

nicht verhin<strong>der</strong>t, dass sie, <strong>der</strong> Wissenschaft sozusagen unbewusst, weiter bestanden<br />

hat. Es ist in diesem Zusammenhang interessant, festzustellen, dass in<br />

21 »Diesem Text wurde seit 1927 mit Freuds Genehmigung in <strong>der</strong> englischen Version<br />

folgende Fußnote hinzugefügt: ›Das heisst, das Ich leitet sich letztlich von körperlichen<br />

Gefühlen ab, hauptsächlich von solchen, die auf <strong>der</strong> Körperoberfläche entstehen.<br />

Es könnte deswegen als eine psychische Projektion <strong>der</strong> Körperoberfläche angesehen<br />

werden <strong>und</strong> nicht nur, wie wir oben gesehen haben, als Darstellung <strong>der</strong> Oberfläche des<br />

psychischen Apparats‹« (SE, Bd. XIX, S. 26, zit. n. Anzieu 1991, S. 114).<br />

77


<strong>Esther</strong> <strong>Fischer</strong>-Homberger <strong>Haut</strong> <strong>und</strong> <strong>Trauma</strong>: <strong>Zur</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> Verletzung<br />

den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts, in welchen das <strong>Trauma</strong> aus verschiedenen<br />

Gründen neue Aktualität gewonnen hat, vielerorts auch wie<strong>der</strong> ein<br />

<strong>Haut</strong>bewusstsein erwacht ist, ohne dass diese Koinzidenz bislang als solche<br />

aufgefallen o<strong>der</strong> thematisiert worden wäre.<br />

In <strong>der</strong> angeregten Atmosphäre des Nachdenkens französischsprachiger Philosophen<br />

(vgl. Schmidgen 1999, S. 337–338) über Körper, Membranen <strong>und</strong> Grenzen<br />

ist 1985 auch Anzieus Le Moi-peau (Dt. 1991: Das <strong>Haut</strong>-Ich) herausgekommen.<br />

Das westliche Denken habe »Erkennen« allzulange mit dem Zertrümmern<br />

<strong>der</strong> Schale gleichgesetzt, schreibt <strong>der</strong> Psychoanalytiker. Das sei überholt, vielerorts<br />

werde neuerdings die zentrale Bedeutung <strong>der</strong> Grenzflächen erkannt. »Die<br />

Biologen haben ihr Interesse vom Zellkern auf die Zellmembran verlegt,« die<br />

Hirnrinde liege ja auch an <strong>der</strong> Peripherie – <strong>und</strong>: »hat nicht das Denken genausoviel<br />

mit <strong>der</strong> <strong>Haut</strong> wie mit dem Gehirn zu tun?« Anzieu erachtet ein neues Grenzbewusstsein<br />

für gesamtkulturell dringend. »Wenn ich zusammenfassend die<br />

Lage <strong>der</strong> westlichen Län<strong>der</strong>, vielleicht sogar <strong>der</strong> ganzen Menschheit am Ende des<br />

zwanzigsten Jahrh<strong>und</strong>erts zu beurteilen hätte, so würde ich die Notwendigkeit<br />

unterstreichen, Grenzen zu setzen«, schreibt er, <strong>und</strong>:<br />

78<br />

Grenzen wie<strong>der</strong>herzustellen, Beschränkungen wie<strong>der</strong>einzuführen, bewohnbare Gebiete,<br />

in denen es sich auch leben lässt, festzulegen sind vordringliche psychische <strong>und</strong><br />

soziale Aufgaben; Beschränkungen <strong>und</strong> Grenzen, die gleichzeitig Differenzierung <strong>und</strong><br />

Austausch zwischen den auf diese Weise abgegrenzten Bereichen (wie die Psyche, das<br />

Wissen, die Gesellschaft, die menschliche Natur sie darstellen) ermöglichen (Anzieu<br />

1991, S. 17–21).<br />

»Dass das Thema <strong>Haut</strong> zur Zeit Konjunktur hat, ist bekannt«, schreibt Claudia<br />

Benthien, die eine erste integrative Studie zur Kultur- o<strong>der</strong> Literaturgeschichte<br />

<strong>der</strong> <strong>Haut</strong> publiziert hat. »Seit den 70er Jahren haben sich auch (…) Künstler, insbeson<strong>der</strong>e<br />

aber Künstlerinnen, mit <strong>der</strong> <strong>Haut</strong> auseinan<strong>der</strong>gesetzt« (vgl. Benthien<br />

1998, S. 13–14) – tatsächlich scheint die altgewohnte geschlechterpolitische<br />

Identifikation <strong>der</strong> Frau mit ihrer Körperlichkeit <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Benutzeroberfläche<br />

Frauen speziell zu befähigen, Körperlichkeit <strong>und</strong> <strong>Haut</strong> auch intellektuell, historisch,<br />

reflektiert zu begreifen. 22 Auch Didier Anzieu scheint zu seiner Forschung<br />

nicht zuletzt von Annie Anzieu angeregt worden zu sein (Anzieu 1991, S.<br />

22, 170–171, 285–286, 298).<br />

22 Vgl. auch Dudens <strong>Geschichte</strong> unter <strong>der</strong> <strong>Haut</strong>, welche die <strong>Haut</strong> als solche allerdings<br />

weniger ins Zentrum stellt als die <strong>Geschichte</strong> von Körperverständnis <strong>und</strong> -erleben<br />

zwischen ›Innen‹ <strong>und</strong> ›Außen‹ (Duden 1987; vgl. Schmuckli 2001, spez. S. 91–116).<br />

Etwa zu <strong>der</strong>selben Zeit ist auch eine Welle von neuem Interesse für das<br />

psychische <strong>Trauma</strong> angerollt (im Zusammenhang mit dem ›KZ-Syndrom‹ <strong>und</strong><br />

diversen Kriegersyndromen, mit <strong>der</strong> Beschäftigung mit Folteropfern <strong>und</strong> einer<br />

breiten Reflexion <strong>der</strong> kulturellen Norm männlicher Gewalttätigkeit) (<strong>Fischer</strong>-<br />

Homberger 1999, S. 290–291). Diese Welle dürfte durch die aktuelle Kultur <strong>der</strong><br />

systematischen Grenzmissachtung fürs Erste freilich wie<strong>der</strong> gebrochen sein.<br />

Gewalt anästhesiert, die Hammernarkose funktioniert. Reduzierte Empfindlichkeit<br />

ist ein integrieren<strong>der</strong> Bestandteil <strong>der</strong> Maschinerie <strong>der</strong> Gewalt, befreit<br />

jedoch höchstens kurzfristig von Schmerz. Werden wir wie<strong>der</strong>um unsere Empfindlichkeit<br />

drangeben, damit uns nichts wehtut?<br />

O<strong>der</strong> werden wir einen Weg finden zwischen Unempfindlichkeit <strong>und</strong> Überempfindlichkeit,<br />

Wehleidigkeit <strong>und</strong> Quälerei? 23 Ist es möglich, vom Segen <strong>der</strong><br />

Schmerzbekämpfung Gebrauch zu machen, ohne den Schmerz zu verteufeln?<br />

Werden wir es schaffen, unsere empfindliche, auch schmerzempfindliche <strong>Haut</strong><br />

– die Basis <strong>und</strong> Verkörperung <strong>der</strong> Idee von Grenze – wie<strong>der</strong> mehr zu spüren?<br />

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23 Morris weist darauf hin, dass die klassische Hysterie des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts keineswegs<br />

zufällig sowohl mit Anästhesien als auch mit Hyperästhesien einherging (Morris<br />

1993, S. 115, 118).<br />

79


<strong>Esther</strong> <strong>Fischer</strong>-Homberger <strong>Haut</strong> <strong>und</strong> <strong>Trauma</strong>: <strong>Zur</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> Verletzung<br />

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