Hauszeitung der ASIG Wohngenossenschaft Nr. 108 Frühling 2012 ...

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PORTRÄT BEI DER ASIG DAHEIM, FOLGE 89: LOUIS SCHNEIDER, MATTACKERSTRASSE 79 Christa Gall, Text; Ralph Hut, Fotos Der Ruf der un- begrenzten Freiheit LOUIS SCHNEIDER HAT DANK SEINES VIRUS FREUNDE IN ALLER WELT. DAS VIRUS HEISST REISEN. MIT DEM LEI- DENSCHAFTLICHEN HOBBY HAT ER VIELE EINSICHTEN GEWONNEN. In die Unendlichkeit hineinfahren, von der Landschaft aufgesogen werden, sich selber finden in der Stille der Wüste. Louis 4 nachbarn 1/2012 Schneider ist Weltenbummler. Kein Kontinent, den er nicht erkundet hat. «Es ist wie ein Virus, ich kann es nicht lassen», sagt der bald 70-Jährige von sich. Besonders Afrika tat es ihm an. Vergangenen Frühling war er wieder da. Mit dem Landrover fuhr er hinunter bis nach Ghana und wieder zurück. Knapp 20 000 Kilometer liess er in elf Wochen hinter sich, holperte über Gebirgs- wege, Pisten und Schotterstrassen, ruckelte über löchrige Asphaltstrassen, pflügte sich durch Sand und Schlamm. Diesmal war Marokko der Ausgangspunkt seines Abenteuers. Es ist das Land der betörenden Königsstädte, das Land, wo sich Lehmhäuser in den Wüstensand ducken, im Hintergrund das schneebedeckte Atlas-Gebirge. Dann fuhr er durch
Mauretanien, Mali und Burkina Faso, quer durch Wüsten und Savannen, an üppigen Oasen vorbei, bis zu den rot, grün und gelb leuchtenden Hütten in Ghana. Gefährliche Routen Vor allem in Mauretanien ist das Risiko von Entführungen durch islamistische Gruppen für Europäer hoch. Abseits der städtischen Gebiete, dort, wo keine Sicherheitskräfte patrouillieren, kommt es immer wieder zu Kidnappings. Schneider bildete deshalb mit ein paar anderen Europäern einen Konvoi und des Nachts eine Wagenburg. Die Frage nach Sinn und Unsinn, überhaupt durch solches Gebiet zu reisen, beantwortet Louis Schneider so: «Mit den entsprechenden Massnahmen sind wir ein kleineres Risiko eingegangen als einer, der die Eigernordwand hochklettert.» Das sei aber nicht die Art Abenteuer, die er suche. Louis Schneider faszinieren die fremden Kulturen, die atemberaubenden Landschaften. «Das ist der Kick!» Schon als Jugendlichen zog es ihn in die Ferne. «Mama, ich geh dann wieder nach Afrika.» Und weg war er in den nächsten Tagen. Die Eltern hätten ihm gerne eine Bäcker-Konditorlehre angedeihen lassen. Diese liess er sausen und arbeitete als Handlanger auf dem Bau, da, wo man von Anfang an gutes Geld verdienen konnte. «Ich brauchte das Geld für meine Reisen.» Dabei blieb es, bis heute. Auch eine Familie hatte da keinen Platz. «Eine Frau? So ein Hausdrachen wie mein Kollege einen hat? Nein danke!» Allerdings, so gesteht er, hätte er heute gerne Kinder, wenn er wünschen dürfte. Sie wachsen und gedeihen zu sehen, das wäre schon schön. Dafür hat Schneider ein Patenkind und Freunde in aller Welt. Einer der engsten ist Fatau. Den hat er hier in der Schweiz auf dem Bau getroffen. Geschick und Fleiss des jungen Ghanesen sind Schneider sofort aufgefallen. Nach einem Jahr musste dieser wieder in sein Heimatland zurück. Seither war Schneider schon sechsmal bei ihm in Ghana. Sein Freund hat mit dem Lohn aus der Schweiz ein Haus gebaut und eine ganze Sippe unterhalten. Auch Schneider hat ihm später mit Geld und Lebensmittelpaketen geholfen. «Oft bin ich erschrocken, unter welchen Umständen die Menschen anderswo leben müssen.» Die Schweiz sei wie ein Boot und da draussen in der Welt tobe ein Sturm mit zehn Meter hohen Wellen. Was er damit meine? Schneider führt uns in die Küche, öffnet den Kühlschrank, zeigt auf Kochherd und Schubladen: «Schauen Sie, dieser Luxus, dieser Luxus! In Russland gibt es Orte, ich war erst grad ein paar Monate im Sommer da, müssen sich zehn Parteien eine solche Küche teilen.» Leben auf Sparflamme Schneider hat auf seinen Reisen gelernt, nur mit dem Nötigsten auszukommen. Er empfiehlt reine Baumwollkleider. Mit denen könne man drei bis vier Tage ohne Körperpflege auskommen, ohne dass schlechte Gerüche aufkommen würden. Eine Mahlzeit kann auch mal nur aus einer Banane und einer Orange bestehen und auf Fern- Links: Der Weltenbummler Louis Schneider. Unten: Banknoten, Fotos und schöne Tücher: Erinnerungen an fremde Länder. seher und Internet kann Schneider sowieso verzichten. «Ein paar Millionen wären schon schön, aber wenn ich sie dann hätte, wären sie mir nichts mehr wert.» Viel wertvoller sind ihm zwei gesunde Beine und Hände und ein munterer Geist zum Reisen. Sagts und beugt sich über den Atlas. Seine nächste Reise diesen Frühling wird ihn nahe an den Polarkreis führen. Ein russischer Offizier, den er einst in Westafrika kennen gelernt hat, hat ihn zu seinem Stützpunkt nach Archangelsk eingeladen. «Wie fahre ich da am besten?», hat Schneider ihn gefragt. Er müsse nur schnell nach Moskau, dann auf die M8 und dann sei er schon bei ihm, so die Antwort des Offiziers. Schneider rechnete nach, kam auf knapp 3000 Kilometer und sagte sich: «Warum nicht?» Am Weissen Meer war er noch nie. nachbarn 1/2012 5
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