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Erfahrungsbericht Regieassistenz bei der Kompanie 'Un Excursus ...

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<strong>Erfahrungsbericht</strong><br />

<strong>Regieassistenz</strong> <strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>Kompanie</strong> <strong>'Un</strong> <strong>Excursus</strong>'<br />

vom 16.07.- 15.11. 2012<br />

Die Bewerbung<br />

Die Entscheidung zu einer <strong>Regieassistenz</strong> in Frankreich fiel während meines<br />

Erasmus-Studienaufenthaltes in Rennes (Bretagne). Meine Kommilitonen während des Jahres dort<br />

schienen konstant auf <strong>der</strong> Suche nach zukunftsweisenden außeruniversitären<br />

Aktivitäten, was auch von den Dozenten geför<strong>der</strong>t wurde. Da das Studium <strong>der</strong><br />

Theaterwissenschaft keinen anschließenden Berufsweg vorgibt, mich aber das <strong>der</strong> Beruf<br />

des Regisseurs am meisten reizt, schien es mir sinnvoll auf diesem Gebiet Erfahrungen zu<br />

sammeln und so auch eine genauere, verifizierte Idee meiner Idealvorstellung des Berufs<br />

zu bekommen. Außerdem hatte ich während des Studienaufenthalts nicht das Gefühl, eine<br />

authentische Idee vom Leben in Frankreich zu bekommen, da mein Leben doch mehr von<br />

Begegnungen mit an<strong>der</strong>en ausländischen Studenten als mit Einheimischen geprägt war.<br />

Die Möglichkeit dies zu än<strong>der</strong>n erhoffte ich mir durch die Praktikumszeit.<br />

Ich begann also im Winter 2011 in Rennes verschiedene Theater, die mich interessierten,<br />

in ganz Frankreich ausfindig zu machen. Ich muss zugeben, dass ich mich aufgrund des<br />

französischen Kulturzentralismus, <strong>bei</strong> dem es sich keineswegs nur um einen weit<br />

verbreiteten Mythos handelt, hauptsächlich auf Paris fokussiert habe. Auch die Faszination<br />

für die Stadt und <strong>der</strong> Wunsch dort einige Zeit zu verbringen, spielten da<strong>bei</strong> eine Rolle.<br />

Nach einigen enttäuschenden, aber zu erwartenden negativen Antworten <strong>der</strong> großen<br />

Bühnen, entschied ich, die Regisseure zukünftig persönlich zu kontaktieren. Ich stieß <strong>bei</strong><br />

meiner Suche nach Kontakten auf eine Liste französischer Theaterregisseure. Ich<br />

konzentrierte mich <strong>bei</strong>m Durchforsten dieser auf Regisseurinnen, da ich denke, dass<br />

Frauen eine an<strong>der</strong>e Herangehensweise an die Probleme haben, die in diesem Beruf<br />

auftreten können. In einem langwierigen Prozess gab ich nahezu alle Namen <strong>der</strong><br />

Regisseurinnen auf dieser Liste in die Suchmaschine ein. Durch diese Internetrecherche<br />

konnte ich die Liste, <strong>der</strong> Regisseurinnen mit denen ich gerne ar<strong>bei</strong>ten wollte auf ca. 30<br />

reduzieren. Da<strong>bei</strong> interessierte mich nicht bloß <strong>der</strong> kommerzielle Erfolg, son<strong>der</strong>n z.B.<br />

auch das soziale Engagement durch das Medium Theater. Je<strong>der</strong> dieser Regisseurinnen<br />

schrieb ich in einem aufwändigen Prozess eine personalisierte Bewerbung, in <strong>der</strong> ich<br />

beschrieb, warum ich mich ihre Ar<strong>bei</strong>t interessierte.<br />

Eine davon war Barbara Bouley-Franchitti mit <strong>der</strong> von ihr gegründete <strong>Kompanie</strong> Un<br />

<strong>Excursus</strong>, an <strong>der</strong> mich beson<strong>der</strong>s ihr Engagement in Afrika beeindruckte und zur<br />

Bewerbung veranlasste. Die <strong>Kompanie</strong> hatte dort einige Jahre zuvor mit den Bewohnern<br />

einer kleinen Stadt ein Theater aufgebaut.<br />

Ich freute mich also ausgesprochen, als ich sie einige Wochen später aus den wenigen<br />

positiven Antworten aussuchen und telefonisch kontaktieren konnte. Ich fuhr für ein erstes<br />

Treffen mit ihr nach Paris und da das Resümee dieser Treffen auf <strong>bei</strong>den Seiten positiv<br />

ausfiel war die Entscheidung getroffen. Ich sollte im Herbst/Winter 2012 ihre<br />

Regieassistentin sein.<br />

Die Vorbereitung<br />

Da es sich <strong>bei</strong> dem Stück, das ich betreuen sollte, um eine Adaption <strong>der</strong> Orestie von<br />

Aischylos handelte, war eine thematische Vorbereitung auf die Ar<strong>bei</strong>t unumgänglichen.<br />

Eine Recherche- und Austauschphase mit <strong>der</strong> Regisseurin zu Beginn des Praktikums war<br />

zwar vorgesehen, doch um an diese bereits vorbereitet herangehen zu können, las ich mich<br />

ein. Ich jobbte während des Sommers in Marseille und nutzte die freien Minuten, die mir<br />

dort blieben um mich in <strong>der</strong> Bibliothek über den Mythos wie seine existierenden<br />

Adaptionen zu informieren. Barbara Bouley-Franchitti ist eine große Bewun<strong>der</strong>in von Pier<br />

Paolo Pasolini, und so wusste ich, dass gute Kenntnis seines Werks, <strong>der</strong> Zusammenar<strong>bei</strong>t<br />

mit ihr sicherlich zuträglich wäre. Auch sandte sie mir bereits Ende des Sommers immer<br />

wie<strong>der</strong> die aktuellsten Fassungen des von ihr verfassten Stücks zu, sodass ich auch am<br />

Prozess <strong>der</strong> Textkreation teilhaben konnte.


Die Unterkunft<br />

Ich hatte das Glück, einen Freund in Paris zu haben, <strong>der</strong> zu Beginn meiner Assistenz<br />

verreist war und mir seine Wohnung für diesen Zeitraum untervermietete. Auch danach<br />

blieb ich noch ein paar Wochen <strong>bei</strong> ihm, da es extrem schwierig war eine kostengünstige<br />

Unterkunft zu finden. Zu diesem Zweck meldete ich mich in <strong>der</strong> Couchsurfing-Gruppe<br />

(couchsurfmg.org ? Unterkunfts-Sharing-Seite für Reisefreudige mit kleinem Budget) für<br />

Unterkunftssuchende in Paris an. Dort wurde ich dann auch fündig und konnte <strong>bei</strong> einer<br />

sehr netten Journalistin einziehen, <strong>der</strong>en Mitbewohnerin für 2 Monate verreist war. Auch<br />

befand sich diese Wohnung im 18. und nicht wie die erste im 14. Bezirk Paris?, also am<br />

an<strong>der</strong>en Ende <strong>der</strong> Stadt, was mir die Möglichkeit gab, eine an<strong>der</strong>e, weniger touristische,<br />

Seiten von Paris kennenzulernen.<br />

Die Ar<strong>bei</strong>t<br />

Meine Ar<strong>bei</strong>t war für Un <strong>Excursus</strong> war von verschiedenen Phasen geprägt, weshalb ich sie<br />

als sehr abwechslungsreich bezeichnen kann.<br />

Wie bereits erwähnt handelte es sich in <strong>der</strong> ersten Phase um eine geistige Vorbereitung auf<br />

die Ar<strong>bei</strong>t am Stück. Ich wurde mit verschiedenen Rechercheaufgaben betraut.<br />

All dies geschah im regen Email-Austausch mit Barbara. Zudem setzten wir pro Woche<br />

mindestens ein persönliches Treffen an, in dem wir die Fortschritte unserer Ar<strong>bei</strong>t<br />

besprachen.<br />

Am 20. August begann dann die erste Probenphase, wofür ich zuvor im Kontakt mit allen<br />

Beteiligten einen Probenplan erstellt hatte. Ich lernte die Schauspielerinnen nun persönlich<br />

kennen. Sie hatten den Text bereits gelernt. Wir begannen trotzdem mit einigen<br />

Leseproben, <strong>bei</strong> denen letzte Fragen zum Text beantwortet wurden und eine finale<br />

Strichfassung erstellt wurde. An den folgenden Tagen ließ Barbara den Schauspielerinnen<br />

in ihren Rollen weitestgehend freien Lauf, auch um ihre Spielweise und Körperlichkeit<br />

kennen zu lernen, um dann im Nachhinein die gelungenen Momente mit ihnen zu<br />

besprechen.<br />

Jeden Abend besprach sie daraufhin den Tagesverlauf sowie das Vorgehen in den nächsten<br />

Tagen mit mir. So war es mir möglich zwischen den Gesamtkonzept und den<br />

Anweisungen, die sie jeweils den Schauspielerinnen gab, eine Brücke zu schlagen.<br />

Ich führte während <strong>der</strong> Proben ein Protokoll bzw. Tagebuch mit Anmerkungen und<br />

Fragen, das wir in diesem Rahmen auch miteinan<strong>der</strong> durchgingen.<br />

Zudem war ich damit beauftragt, mich um kleine Kostüm- und Lebensmitteleinkäufe zu<br />

kümmern.<br />

Nach dieser 2-wöchigen Probenphase begann die Kostüm- und Bühnenbild-Recherche.<br />

Da es sich <strong>bei</strong> Un <strong>Excursus</strong> um eine eher kleine <strong>Kompanie</strong> handelt, gibt es für diese<br />

Aufgabenbereiche des Theaters keine eigenen Zuständigen. So lag die Ideensammlung<br />

und Anschaffung hier<strong>bei</strong> ebenfalls <strong>bei</strong> Barbara und mir.<br />

Während dieser probenfreien Phase ar<strong>bei</strong>tete ich aber ebenfalls mit <strong>der</strong> Beauftragten für<br />

Öffentlichkeitsar<strong>bei</strong>t <strong>der</strong> <strong>Kompanie</strong>, die mir erklärte, wie ein Stück vermarktet und<br />

verkauft wird.<br />

Ich ar<strong>bei</strong>tete dann ca. die Hälfte <strong>der</strong> Zeit mit ihr, lernte einen Pressebericht zu schreiben<br />

und half ihr, die Kontakt- und Versandliste zu aktualisieren und dann alle notwendigen<br />

Infomaterialien zu verschicken.<br />

Dann stand auch schon die letzte Probenphase an. Das Bühnenbild stand bis auf kleine<br />

Details bereit und auch die Kostüme hatten wir in mühsamer Kleinstar<strong>bei</strong>t organisiert.<br />

Nun ging es darum die Freiheit, die den Schauspielerinnen vorher gegeben worden war,<br />

einzugrenzen und dem Stück klare Linien zu geben.<br />

Dies funktionierte besser als ich es erwartet hatte und auch wenn die letzte Zeit von Druck<br />

und Stress geprägt war das Licht musste eingestellt werden, letzte erinnernde Werbung<br />

gemacht war ich am Tag <strong>der</strong> Premiere sehr zuversichtlich und glücklich.<br />

Alle Vorstellungen waren sehr gut besucht und die Kritik am Stück war größtenteils sehr<br />

positiv, das ganze Team glücklich.<br />

Sprache<br />

Sprachlich kann ich sagen, dass ich während meines Aufenthalts in Paris viel mehr<br />

Fortschritte gemacht habe als während <strong>der</strong> 2 vorangehenden Semester Studium in Rennes.<br />

Dies kam natürlich dadurch Zustande, dass ich in Paris ausschließlich in einem<br />

frankophonen Umfeld verkehrte.


Auch mein Vokabular hat sich erweitert und ist auch in theaterspezifischer Hinsicht<br />

reicher geworden, was mir hinsichtlich einer Zukunft in diesen Sektor, als wichtig<br />

erscheint.<br />

Fazit des Aufenthalts<br />

Auch wenn es nicht immer einfach war, habe ich die Entscheidung zu dieser Assistenz in<br />

Paris nie bereut. Meine Liebe zur Stadt und zum Theater hat die finanziell zeitweise<br />

schwierigen Momente überdauert. Ich habe tolle Menschen innerhalb des Theaterbetriebs<br />

kennengelernt, die es für die Schönheit <strong>der</strong> Sache in Kauf nehmen ein finanziell unsicheres<br />

Leben zu führen.<br />

Ich habe für mich allerdings aus dieser Erfahrung auch mitgenommen, dass ich mir ein<br />

ganzes Leben nicht unter solchen Umständen vorstellen kann. Ich habe in mir ein<br />

Sicherheitsbedürfnis kennengelernt, über das ich mir vorher nicht bewusst war und auch<br />

dafür bin ich dankbar.<br />

Das bedeutet nicht, dass ich dem Theater abschwöre, son<strong>der</strong>n bloß, dass ich <strong>der</strong> Meinung<br />

bin, man sollte immer einen Ausweichplan haben, um nicht von solch extremen<br />

Existenzängsten wie ich sie mit ansehen musste, heimgesucht zu werden.<br />

Ich habe vom Regieberuf nun sicherlich eine bessere Idee.<br />

Es hat mich <strong>bei</strong>spielsweise sehr beeindruckt, wie meine Regisseurin mit den 3<br />

charakterlich doch sehr verschiedenen Schauspielerinnen umzugehen wusste.<br />

Mir ist klar geworden, dass es sich <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Produktion eines Stücks vor allem auch um ein<br />

sehr komplexes und fragiles Machtgeflecht handelt. Die eigene Idee durchzusetzen, ohne<br />

dass <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e dies als Machteinbuße wahrnimmt, bedarf eines beson<strong>der</strong>en<br />

Fingerspitzengefühls.<br />

Auch um die Einblicke in die Öffentlichkeitsar<strong>bei</strong>t, die mit <strong>der</strong> Kreation eines Stücks<br />

einhergeht war ich sehr dankbar. Auch wenn mich dieser Teilbereich des Theaters<br />

prinzipiell am Wenigsten interessiert, finde ich es doch wichtig für meine Zukunft als<br />

Kulturschaffende, eine Gewisse Kenntnis über diese Abläufe zu haben.<br />

Alles in allem kann ich aber sagen, dass mich das Praktikum, trotz aller negativen<br />

Einblicke, die ich auch habe gewinnen können, in dem Wunsch bestärkt hat, meine<br />

Zukunft am Theater zu suchen und den Traum von <strong>der</strong> Regie weiterzuverfolgen.<br />

Tipps für Praktikanten in Paris<br />

Paris ist für unter 27-jährige, zumindest kulturell, ein Paradies. Ein Großteil <strong>der</strong><br />

städtischen Museen, wie <strong>der</strong> Louvre, sind kostenlos. Auch sonst gibt es viele<br />

kostengünstige Angebote, die es auf zahlreichen Internetseiten als sogenannte bon plans zu finden gibt.<br />

Am sinnvollsten ist es allerdings, wie überall, sich von Ortsansässigen<br />

selbst die Stadt und ihre beson<strong>der</strong>en Ecken zeigen zu lassen. Dies ist jedoch während <strong>der</strong><br />

Sommermonate problematisch, da die Stadt zu diesem Zeitpunkt nahezu ausschließlich<br />

von Touristen bevölkert ist. Erst ab September kommt <strong>der</strong> durchschnittliche Pariser wie<strong>der</strong><br />

aus den Süden o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en beliebten Urlaubszielen in <strong>der</strong> Sonne zurück und auch die<br />

Lokale und Geschäfte mit bezahlbaren Preisen öffnen wie<strong>der</strong> ihre Türen.<br />

Tipps für Praktikanten<br />

Praktikumssuche: über Internet, (siehe Bericht)<br />

Wohnungssuche: couchsurfing. org pap.fr<br />

Telefon-/Internetanschluss: sfr Flatrate - für 20 Euro kostenlos ins europäische Festnetz sowie in<br />

französischeFest- und Mobilnetze<br />

Bank/Kontoeröffnung: LCL. Dieses Konton musste ich bereits während meines Studienaufenthalts in<br />

Rennes eröffnen, da ich dafür eine Assurance 'Habitación' benötigte<br />

Ausgehmöglichkeiten: http://www.bon-plan-party.fr/ (nicht nur für Parties)

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