Nachdem Heinrich Mann, der ehemalige ... - Ricarda jubiliert
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entstandenen Reiche sehr gepflegt: Bil<strong>der</strong> <strong>der</strong> neuen Kaiser wurden neben den Bil<strong>der</strong>n<br />
<strong>der</strong> alten aufgestellt, mittelalterliche Burgen wurden ausgebaut, Kaiser Wilhelm wurde<br />
als <strong>der</strong> Barbarossa des Kyffhäuser gefeiert. Dies alles wirkte künstlich und oft kitschig,<br />
weil Symbole immer unecht und hässlich ausfallen, wenn ihr Sinn nicht in <strong>der</strong> Gesin-<br />
nung und im Handeln <strong>der</strong>er lebendig sind, die sich mit ihnen dekorieren.“<br />
Aus alldem ergibt sich als abschließende For<strong>der</strong>ung, das jetzt zu erneuernde deutsche<br />
Reich solle „kein zentralistischer Großstaat“ sein, son<strong>der</strong>n „als Ganzes vorzugsweise<br />
ruhend“; und es habe „als vornehmste Aufgabe das Recht und den Frieden zu wahren<br />
und die Macht und den Reichtum … in ihren Ausschreitungen zu beschränken.“ So Ri-<br />
carda Huch, die konservative deutsche Patriotin, im Frühjahr 1931, weniger als zwei<br />
Jahre vor Hitlers Machtübernahme.<br />
Schon 1923 hatte sie solche deutschen Reichs-Vorstellungen mit einer <strong>der</strong> unwahr-<br />
scheinlichsten, aber aus ihrer Perspektive durchaus naheliegenden politischen Überzeu-<br />
gung verbunden: mit dem Anarchismus nämlich, wie ihn Michail Bakunin im Russland<br />
des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts proklamiert hatte. Ihre große, erzählende Biographie Michael Ba-<br />
kunin und die Anarchie schil<strong>der</strong>t Bakunin als Feind aller Knechtschaft, gleichgültig in<br />
wessen Namen sie etabliert wird; dieselbe Vereinigung von kollektiven, sozialen und<br />
individuellen Freiheitsrechten, die sie am Idealbild des deutschen Reiches rühmte, gegen<br />
die Tyrannei je<strong>der</strong> Art von „Fürstentum“, die sah sie hier in Bakunins menschenfreund-<br />
lichem Anarchismus auf neue Weise Gestalt annehmen. Das mochte eine überraschende,<br />
vielleicht etwas bizarre Allianz sein; aber sie brachte <strong>der</strong> Autorin dankbare Solidarität<br />
von unerwarteter Seite ein. Der anarchistische Dichter Erich Mühsam, <strong>der</strong> wegen seiner<br />
politischen Aktivitäten im Gefängnis saß, las dort 1924 <strong>Ricarda</strong> Huchs Bakunin-Buch<br />
und schrieb ihr daraufhin: „daß Sie das scheinbar Wi<strong>der</strong>spruchsvolle in seinem Tun und<br />
Lassen überall aus <strong>der</strong> großen reichen Menschlichkeit zu erklären wissen, ... dies hat mir<br />
das Bedürfnis Ihnen zu danken unabweisbar gemacht.“<br />
Meine Damen und Herren: Eine nationalkonservative Kosmopolitin, eine Liebhaberin<br />
<strong>der</strong> Reichsidee, die sozialistische Ideen achtet, grande dame und Anarchistin – kein<br />
Zweifel, mit <strong>der</strong> Vertreterin einer <strong>der</strong>artigen Reichs-Idee war ein ‚Drittes Reich’ nicht<br />
zu machen.<br />
Die Nazis allerdings hatten ihr nicht richtig zugehört und erwarteten mit, wie es<br />
schien, größter Selbstverständlichkeit, dass diese Verkün<strong>der</strong>in eines deutschen Reiches<br />
sich im Ernstfall schon auf ihre Seite schlagen werde. Wie haben sie sich geirrt! Als <strong>der</strong><br />
Ernstfall eintrat, im Januar 1933, da zeigte sich ausgerechnet <strong>Ricarda</strong> Huch, gerade Ri-<br />
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