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Nachdem Heinrich Mann, der ehemalige ... - Ricarda jubiliert

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Nichts bleibt, wo mein Haupt sich ruht,<br />

Bis einsam ich sterbe.<br />

Meine Kin<strong>der</strong> verwehte <strong>der</strong> Krieg;<br />

Wer bringt sie mir wie<strong>der</strong>?<br />

Beim Klange <strong>der</strong> Lie<strong>der</strong><br />

Feiern Fürsten und Herren den Sieg.<br />

Sie freun sich beim Friedensschmaus,<br />

Die müß’gen Soldaten fluchen –<br />

Ich ziehe am Stabe hinaus,<br />

Mein Vaterland suchen.<br />

Aristokratische Bürgerin und vielgelesene Romanautorin, Historikerin und Lyrikerin,<br />

eigensinnige Intellektuelle und grande dame mit Stil und Distinktion – an ihrem sech-<br />

zigsten Geburtstag 1924 steht diese <strong>Ricarda</strong> Huch auf dem Höhepunkt ihres Ansehens.<br />

Kein Geringerer als Thomas <strong>Mann</strong>, seit kurzem Nobelpreisträger, hält die Festrede in<br />

<strong>der</strong> Preußischen Akademie, <strong>der</strong> sie als einzige Frau angehört, und er sagt: „nicht nur die<br />

erste Frau Deutschlands ist es, die man zu feiern hat, es ist wahrscheinlich heute die ers-<br />

te Europas“. Unter den Büchern, auf die sich dieses Urteil begründet, spielt Huchs Stu-<br />

die Blüthezeit <strong>der</strong> Romantik (Leipzig 1899) eine beson<strong>der</strong>e Rolle. Diesen Band nun hat<br />

Thomas <strong>Mann</strong> offensichtlich bereits lange vor dem Geburtstagsartikel gelesen; Anstrei-<br />

chungen und Randnotizen in seinem noch immer erhaltenen Exemplar zeugen von einer<br />

intensiven, ja leidenschaftlichen Lektüre schon in <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> Buddenbrooks und des<br />

Tonio Kröger. Geht man diesen Bleistift-Spuren nach, dann führen sie in ein noch heute<br />

aktuelles Thema, das ihn, den heimlich homosexuellen bürgerlichen <strong>Mann</strong>, mit <strong>der</strong> bür-<br />

gerlichen und um Emanzipation kämpfenden Frau verbindet und dessen Reichweite er<br />

in seiner Rede nur diskret andeutet. Es ist die Frage nach Beschaffenheit und Wandel<br />

<strong>der</strong> Geschlechterrollen.<br />

So streicht Thomas <strong>Mann</strong> beispielsweise <strong>Ricarda</strong> Huchs Bemerkung an, dass erst „in<br />

neuerer Zeit ... die Differenzierung des Weiblichen und Männlichen immer schärfer“<br />

ausgeprägt worden und dass für die Zukunft ein Mensch zu erwarten sei, „in dem sich<br />

Männliches und Weibliches vereinigt, ohne in einan<strong>der</strong> unterzugehen.“ Das ist ganz sei-<br />

ne Meinung; er selbst hat ähnliche Gedanken in manchen seiner frühen Essays formu-<br />

liert. Dieser „Zukunftsmensch“ sei also, so streicht er an an<strong>der</strong>er Stelle an, „<strong>der</strong> mann-<br />

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