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Minnesang und Hip Hop. Ein Vergleich zweier lyrischer ... - Start

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vokalen Ursprung auch in der fixierten Form. Die Ansprache ans<br />

Publikum ruft die Erinnerung an eine mögliche direkte<br />

Konfrontation am augenfälligsten wach. Wo es bei Walther heißt:<br />

„Hoeret w<strong>und</strong>er, wie mir ist geschehen“ (L. 72, 31),<br />

gebraucht man im <strong>Hip</strong> <strong>Hop</strong> Floskeln wie<br />

oder:<br />

oder:<br />

„yo let me let y’ all niggas know one thing“ (Nas, ‘The message’, 1996),<br />

„check it out, yeah y’ all, here we go again“ (Public Enemy, ‘Bring the<br />

noise’, 1988),<br />

„Al’ salaam aleikum, people of good will“ (Aceyalone, ‘The guidelines’,<br />

1998).<br />

Dabei wird im <strong>Hip</strong> <strong>Hop</strong> noch stärker als im <strong>Minnesang</strong> auf den<br />

Vorgang des Sprechens beziehungsweise Singens Bezug<br />

genommen:<br />

„This is how we flow 8 .“ (Grand Puba, ‘360° [What goes aro<strong>und</strong>]’, 1992)<br />

Weitere Reflexe ursprünglicher Oralität oder ‘oral residues’, wie<br />

Walter J. Ong 9 sie nennt, sind nach einem Aufsatz von Suzanne<br />

Fleischman 10 vor allem Idiosynkrasien <strong>und</strong> Inkohärenzen<br />

orthografischer, grammatischer, stilistischer oder narrativer Art,<br />

logische Brüche <strong>und</strong> Sprünge, Elisionen <strong>und</strong> Synizesen,<br />

unmotivierter Tempus-, Subjekt- <strong>und</strong> Objektwechsel,<br />

Inkonzinnitäten, unregelmäßige Dynamik, Wiederholungen,<br />

Inversionen <strong>und</strong> andere Phänomene, die sich einer normativen<br />

Grammatik zumeist entziehen. <strong>Ein</strong>e umfangreichere<br />

textstatistische Untersuchung als die meine würde diese<br />

konstitutiven Merkmale von Oralität für beide Gattungen in<br />

meinem Blickfeld bestätigen. Ich will nur das Beispiel des Subjekt-<br />

<strong>und</strong> Objektwechsels nennen, das im <strong>Minnesang</strong> so viele<br />

8 Zur Bedeutung von ‘flow’ vgl. die Definition unter Punkt 3.<br />

9 Walter J. ONG, Oral Residue in Tudor Prose Style, in: PMLA 80 (1965), 145 - 154.<br />

10 Suzanne FLEISCHMAN, Philology, Linguistics, and the Discourse of the Medieval Text, in:<br />

Speculum 65 (1990), 19 - 37.<br />

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