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Fuchs“ (http://www.barksb<strong>as</strong>e.de, http://www.laurentianum.wafonline.de/lgphae03.htm).<br />

Die Sprache muss als die zentrale Qualität für alles Menschliche gesehen werden<br />

(Vygotskij, Lurija 1930/1992). Bei aller Wichtigkeit der NonverbaIität, die wir in der<br />

Integrativen Therapie im Umgang mit „heftigen und sanften Gefühlen“ (Petzold 1974j,<br />

2004h) betonen und für die wir besondere methodische Arbeitsformen entwickelt<br />

haben, vertreten wir, d<strong>as</strong>s menschliches Miteinander, Arbeit mit Menschen auf eine<br />

emotionale und bedeutungsvermittelnde „dichte Sprache“, die Sinnfülle erschließt<br />

und die hinter dem bedeutungsgeladenen Gestus steht, im Prinzip nicht verzichten<br />

kann. Es ist deshalb ein theoretischer Standort erforderlich, der Verbalität und<br />

Nonverbalität verbindet (Petzold 2007n). Wir vermitteln uns, unser „selbst“ in „dichten<br />

Beschreibungen“ (Ryle 1971), übermitteln Geschehen in „dichten Beschreibungen“<br />

von Ereignissen – reich an Bildern, Symbolen, Metaphern, und wenn die Worte<br />

verloren gehen oder karg werden – in Sterbesituationen zuweilen – so trägt<br />

sprachlich durchdrungenes Welterleben durch seinen Niederschlag im „Gedächtnis<br />

des Leibes“ auch noch in Situationen der kognitiven Involution, wie man in der Arbeit<br />

mit Demenzkranken immer wieder beobachten kann. Menschliche Gefühle und<br />

Gefühlsäußerungen sind immer im Gesamtzusammenhang menschlichen Fühlens,<br />

Wollens, Denkens und den damit gegebenen individuellen und kollektiven<br />

Sinnbezügen und Bedeutungsnetzen zu sehen. „Wenn Tiere weinen“ (M<strong>as</strong>son 1996)<br />

oder denken (Griffin 1990; Hauser 2001), denken sie nicht „auf Menschenweise“<br />

(Nagel 1974), sie sehen die Welt auf Affenweise (Cheney, Seyfarth1994), erleben die<br />

Maus auf Katzenweise (Bluhm 2004). Dieser Blick auf die Tierdebatte in Philosophie<br />

und Verhaltenswissenschaft hilft uns, Gefühle eines Menschen als Gefühle dieses<br />

Menschen zu sehen und immer nach dem Bedeutungszusammenhang zu schauen,<br />

der keineswegs nur „zweckrational“ (Janich 1997) gedacht werden darf oder im<br />

Sinne der Freudschen Tendenz zur Rationalisierung (Annerl 2006).<br />

Im Rahmen der Evolution haben sich in Primatengruppen überlebenssichernde Sinnund<br />

Bedeutungszusammenhänge gebildet, die in biologischen Programmen wurzeln<br />

und sie zugleich hervorbringen in rekursiven Prozessen, bei denen die emotionale<br />

Sinngebung und die kognitive Bedeutungszuweisung eine große Rolle spielen. Über<br />

die Primatenentwicklung und über die Hominisation wurden die Bedeutungen und<br />

Sinnzusammenhänge immer differenzierter, und damit auch die emotionalen<br />

Bedeutungsgebungen. Historische Prozesse als Prozesse des Bedeutungslernens,<br />

d<strong>as</strong> wesentlich auch emotionales Lernen ist, haben die Bedeutungsschattierungen<br />

und die Möglichkeiten ihrer Versprachlichung immer feiner und sinnhaltiger werden<br />

l<strong>as</strong>sen. Individuelle Erfahrungen und Erkenntnisse als Prozesse der Kulturarbeit<br />

münden in reflektierte Wertsetzungen, kollektive Wertsysteme, die wiederum durch<br />

Enkulturations- und Sozialisationsprozesse auf die individuellen Systeme<br />

zurückwirken, wie es für die rekursiven Prozesse der Kulturbildung charakteristisch<br />

ist (Petzold 2008b). Damit wachsen für Einzelne und Kollektive die Fähigkeiten, mit<br />

Sinn umzugehen: die „Sinnerf<strong>as</strong>sungskapazität, die Sinnverarbeitungskapazität<br />

und die Sinnschöpfungskapazität“, die in rekursiven Prozessen der Kulturarbeit<br />

erscheint.<br />

Wenn wir heute im 21. Jahrhundert diese Themen differentieller Emotionalität<br />

angehen, dann tun wir d<strong>as</strong> anders, als in früheren Generationen. Wir tun es vor dem<br />

Hintergrund kulturellen Wissens: philosophischer, psychologischer,<br />

neurowissenschaftlicher Wissensstände, die – vernetzt – ein Wissen in und zwischen<br />

Systemen generieren: ein systemisches Wissen. Mit einem „systemischem Blick“<br />

sehen wir dann, d<strong>as</strong>s die „großen Gefühle“: Trost oder Trauer, Leid oder Freude,<br />

Wut oder Angst in allen Kulturen zu finden sind. Sie sind etw<strong>as</strong><br />

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