Ausgabe 12/2006 - Kassenärztliche Vereinigung Sachsen
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Auch er war Arzt<br />
Auch er war Arzt<br />
Engelbert Kaempfer<br />
Arzt aus Lemgo begründete die wissenschaftliche Erforschung Japans<br />
Von Manfred P. Bläske<br />
Erst ein halbes Jahrhundert nach der Entdeckung<br />
Amerikas durch Kolumbus gelangten<br />
Europäer nach Japan. Es waren schiffbrüchige<br />
portugiesische Abenteurer, die<br />
der Sturm nach Kiuschu, eine der vier<br />
japanischen Hauptinseln, des „Landes der<br />
aufgehenden Sonne“, verschlagen hatte.<br />
Offensichtlich fanden sie eine freundliche<br />
Aufnahme, denn es entwickelte sich bald ein<br />
gewinnbringender Handel mit den in China<br />
und Malakka angesiedelten Portugiesen.<br />
Den Kaufleuten folgten die Glaubensboten,<br />
so 1549 der Mitbegründer des Jesuitenordens<br />
und heiliggesprochene Franz Xaver<br />
(1506 –1552). Doch dann blieb Japan von<br />
1641 bis 1854 den Europäern verschlossen;<br />
nur die Holländer durften im Hafen von<br />
Nagasaki eine bescheidene, streng bewachte<br />
Handelsniederlassung unterhalten,<br />
der ein Arzt zugeteilt war. Diesen Ärzten<br />
der Niederländisch-Ostindischen Kompanie<br />
verdanken wir die frühen wissenschaftlichen<br />
Werke über Japan. Erster war Engelbert<br />
Kaempfer aus Westfalen. Ihm folgten<br />
der in Schweden geborene Sohn deutscher<br />
Eltern Carl Peter Thunberg (1743 – 1828)<br />
und der Spross der berühmten bayerischen<br />
Ärztefamilie Philipp Franz von Siebold<br />
(1796 – 1866) *) – Forscher mit jenem kritisch-scharfen<br />
Blick, der den Gelehrten des<br />
bürgerlich-klassischen Zeitalters eigen war.<br />
✯<br />
Am 16. September 1651, der Dreißigjährige<br />
Krieg war vor erst drei Jahren zu Ende gegangen,<br />
wurde Engelbert Kaempfer in der<br />
Hansestadt Lemgo geboren. Noch litt die<br />
Stadt unter der Inquisition, die viele Opfer<br />
forderte und von der auch sein Vater, Pastor<br />
an der Nikolaikirche, bedroht war. Der<br />
schickte Engelbert auf die Lateinschule in<br />
Hameln, wo Erziehung und Erleben den<br />
Grund für sein Ringen gegen Unwissenheit<br />
und Aberglauben legten. Es folgten die<br />
Gymnasien in Lüneburg, Lübeck, Danzig<br />
und ab 1674 Studium an den Universitäten<br />
Warschau und Königsberg. Seinen Lebensunterhalt<br />
verdiente er als Hauslehrer und<br />
widmete sich neben seinem Brotstudium,<br />
der Medizin, intensiv den Naturwissenschaften.<br />
*) siehe Heft 2/1996, Seite 25<br />
Von Engelbert Kaempfer ist kein Porträt überliefert.<br />
Er verewigte sich jedoch in von ihm<br />
angefertigten Illustrationen zu seinen Werken,<br />
so auch in einem Bild in der „Beschreibung<br />
von Japan“, das eine etwa hundertköpfige<br />
Gesandtschaft, sorgfältig nummeriert, wiedergibt.<br />
Daraus stammt der obige Ausschnitt;<br />
Kaempfer hoch zu Ross.<br />
Für nur kurze Zeit kehrte Kaempfer 1680 in<br />
seine Heimat zurück, aber noch im gleichen<br />
Jahr ging der Welthungrige, inzwischen<br />
Sprachkundige und vielseitig Gebildete<br />
zum Abschluss seines Studiums erneut<br />
nach Königsberg und von da nach Uppsala.<br />
Als Schwedens König Karl XI. 1683 eine<br />
Gesandtschaft nach Russland und Persien<br />
beschloss, die wirtschaftliche Kontakte<br />
zum Orient eröffnen sollte, begleitete der<br />
deutsche Arzt Kaempfer den niederländischen<br />
Missionsleiter Fabricius als Legationssekretär.<br />
Die Reise führte von Stockholm über Finnland<br />
nach Nyenschanze, so hieß damals<br />
St. Petersburg, dann über Estland nach<br />
Moskau. Von dort ging es, meist zu Schiff,<br />
nach Astrachan und weiter nach Baku, wo<br />
Kaempfer als erster Europäer das „ewige<br />
Feuer“, die Erdölfelder auf der Halbinsel<br />
Apscheron beschrieb. Im Februar 1684 betrat<br />
die Delegation bei Astara persischen<br />
Boden, brauchte aber noch zweiunddreißig<br />
Reisetage um nach Isfahan, damals Persiens<br />
Hauptstadt, zu gelangen. Bis zum Empfang<br />
der schwedischen Gesellschaft nahm sich<br />
der Schah vier Monate Zeit, die Kaempfer<br />
mit bewundernswürdigem Fleiß für Studien<br />
und Zeichnungen nutzte. – Nach der Audienz<br />
endete der Auftrag des Königs von<br />
Schweden, und Ende 1685 trat Kaempfer<br />
als Oberchirurgus in die Dienste der Niederländisch-Ostindischen<br />
Kompanie.<br />
Kaempfer, von Beruf Arzt, von Berufung<br />
indes Forscher mit vorwiegend völkerkundlichen<br />
und botanischen Interessen, war erfreut<br />
über das Angebot, als Arzt der Kompanie<br />
nach Nagasaki gehen zu können. Dort<br />
traf er am 26. September 1690 ein; ein denkwürdiger<br />
Tag für die geographische Öffnung<br />
Japans, da wir mit Kaempfers wertvollen<br />
und detailreichen Berichten eine bis<br />
heute unentbehrliche Quelle für die<br />
Japanologie besitzen.<br />
Nach zehn Jahren war Kaempfer wieder<br />
daheim. Zwar wurde er Leibarzt seines<br />
Landesherren, doch Zeit und Mittel für<br />
die Aufarbeitung des reichlich angesammelten<br />
Materials reichten nicht aus, so<br />
dass bis zu seinem Tode am 2. November<br />
1716 nur wenig veröffentlicht werden<br />
konnte. Seinen Nachlass kaufte 1724 ein<br />
englischer Arzt, der ihn dem späteren<br />
British Museum in London vermachte.<br />
Dort erschien 1727 die „History of Japan“,<br />
die in vielen Übersetzungen das europäische<br />
Bild Japans ein Jahrhundert lang<br />
prägte.<br />
Titelblatt der französischen <strong>Ausgabe</strong> von 1729<br />
18<br />
KVS-Mitteilungen Heft <strong>12</strong>/<strong>2006</strong>