Programmheft - kammermusik festival hohenstaufen
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Das wiedererrichtete Mendelssohn-Denkmal in<br />
Leipzig, Februar 2009<br />
der Veröffentlichung, gemeinsam mit dem<br />
glücklichen Widmungsträger in Leipzig –<br />
unter den Zuhörern damals auch Richard<br />
Wagner. Spohr erinnerte sich, wie ihn Mendelssohn<br />
am nächsten Tag zur Bahn begleitete<br />
und nach dem Abschied „bei anfangs<br />
langsamem Fortschreiten des Zuges noch<br />
eine ganze Strecke neben dem Wagen<br />
herlief, bis es nicht mehr anging, und seine<br />
freundlich glänzenden Augen waren der<br />
letzte Eindruck, den die Reisenden von<br />
Leipzig mitnahmen...“<br />
„Lust am Experimentieren“<br />
Haydns Quinten-Quartett<br />
„Vor einigen<br />
Tagen war ich<br />
wieder bei<br />
Haydn [...] Bei<br />
dieser Gelegenheit<br />
spielte er<br />
mir auf dem Clavier<br />
vor, Violinquartette,<br />
die ein<br />
Graf Erdödi für<br />
100 Ducaten bei<br />
ihm bestellt hat<br />
und die erst<br />
nach einer gewissen<br />
Anzahl<br />
von Jahren gedruckt<br />
werden<br />
dürfen.“<br />
(Frederik Samuel<br />
Silverstolpe,<br />
14. Juni 1797)<br />
Wolfram Schwinger hat in seiner großen Liebe zu Haydns Quartetten<br />
und mit seinem unvergleichlichen Schreibstil den folgenden Text für<br />
ein <strong>Programmheft</strong> zum Europäischen Musikfest Stuttgart 1995 verfasst,<br />
den wir hier mit einem Gruß der Verehrung erneut abdrucken<br />
möchten:<br />
Auf dem mit Opus 33 erreichten Gipfel hat Haydn noch fünfunddreißig<br />
weitere Streichquartette getürmt, von denen die 1797, sechs<br />
Jahre nach Mozarts Tod entstandenen, vom Grafen Joseph Erdödy<br />
bestellten und mit 100 Dukaten bezahlten Quartette op. 76 den letzten<br />
kompletten Sechser-Zyklus bilden. In den vielen Jahren bis dahin<br />
hat Haydn niemals die Lust an weiterem Experimentieren verloren<br />
und immer wieder nach neuen Möglichkeiten gesucht, beim Komponieren<br />
die thematische Arbeit durch raffiniertes Zerlegen, Umbilden<br />
und neues Zusammenfügen des motivischen Materials so sehr zu<br />
beleben, dass er sogar des öfteren darauf verzichten konnte, dem<br />
vielfältig abgewandelten Hauptgedanken noch ein kontrastierendes<br />
Seitenthema gegenüberzustellen. Zunehmend liebte er es auch, den<br />
von ihm selber fest gefügten Formgesetzen des Sonatensatzes nicht<br />
immer streng zu folgen, die thematische Arbeit nicht bloß auf den<br />
Durchführungsteil zu beschränken, sondern schon in der Exposition<br />
und dann auch noch in der Reprise anzuwenden – ganz zu schweigen<br />
von den immer reicher genutzten Möglichkeiten, Sonaten-,<br />
Variations- und Rondo-Elemente zu mischen und schließlich auch<br />
alle bisher kaum denkbaren harmonischen und modulatorischen<br />
Kühnheiten ergötzlich auszunutzen. Zu Haydns geistigen Höhenflügen<br />
gehörte halt immer auch eine gehörige Portion Humor. Zudem<br />
ist es begreiflich, dass in den sechs Quartetten op. 76 auch etwas<br />
von dem Stolz mitklingt, der Haydn nach seinen beiden ruhmreichen<br />
England-Reisen sehr wohl zustand.<br />
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<strong>kammermusik</strong><strong>festival</strong><strong>hohenstaufen</strong>