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7. Kammermusik Festival Hohenstaufen Evangelische Kirche ...

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Freiraum.<br />

Für Werte.<br />

28.– 30. September 2012<br />

Die SÜDWESTBANK schafft Freiräume für Kultur.<br />

Ob Nachwuchskünstler oder Star –<br />

wir unterstützen Talente unserer Region.<br />

<strong>7.</strong> <strong>Kammermusik</strong><br />

<strong>Festival</strong> <strong>Hohenstaufen</strong><br />

<strong>Evangelische</strong> <strong>Kirche</strong><br />

<strong>Hohenstaufen</strong><br />

SÜDWESTBANK AG, Schützenstraße 8, 73033 Göppingen<br />

Telefon 07161 / 97 61-0, goeppingen@suedwestbank.de, www.suedwestbank.de<br />

www.hohenstaufen-festival.de<br />

Werte verbinden.


Mit freundlicher<br />

Unterstützung von<br />

Impressum<br />

© <strong>Kammermusik</strong> <strong>Festival</strong> <strong>Hohenstaufen</strong><br />

Künstlerische Leitung: Rahel Maria Rilling<br />

<strong>Festival</strong>leitung: Dr. Ulrich Grill<br />

Planung: Dávid Adorján<br />

Programmheft Inhalt: Holger Schneider<br />

Layout & Herstellung: Werner Böttler<br />

Logo & Titel: StudioKrimm Berlin<br />

www.hohenstaufen-festival.de


<strong>7.</strong><br />

kammermusik<br />

festival<br />

hohenstaufen<br />

28. bis 30. September 2012<br />

www.hohenstaufen-festival.de<br />

INHALT<br />

Grußworte Seite 2<br />

Programmseiten Freitag Seite 4<br />

Samstag Seite 5/6<br />

Sonntag Seite 7<br />

Konzerteinführungen Eröffnungskonzert Seite 8<br />

Liedermatinee Seite 18<br />

Benefizkonzert Seite 23<br />

Abschlusskonzert Seite 29<br />

Mitwirkende Seite 35<br />

Dank an<br />

<strong>Evangelische</strong> <strong>Kirche</strong>ngemeinde<br />

<strong>Hohenstaufen</strong><br />

Barbara und Ulrich Grill<br />

Gerhard Grill<br />

Elisabeth und Friedrich Meyer-Fetzer<br />

Drs. Sybille und Gerhard Müller-Schwefe<br />

Autohaus Ratzel GmbH, Zell u. A.<br />

Martina und Helmuth Rilling<br />

Renate und Roland Schoetz<br />

Dr. Wolfgang Umland<br />

Eintritt frei<br />

Aber Sie wissen schon: Die Musiker und alle wackeren<br />

Mit-Organisatoren lieben das reizende Publikum dieses<br />

kleinen <strong>Festival</strong>s umso mehr, je großzügiger es sich<br />

am Ausgang zeigt. Und Sie dürfen ganz sicher<br />

sein: solcherart Großzügigkeit wird ganz<br />

unmittelbar von Herzen belohnt werden.


Grußwort<br />

Liebe Freunde der <strong>Kammermusik</strong>,<br />

längst ist das <strong>Kammermusik</strong> <strong>Festival</strong> zu einem<br />

festen Bestandteil in der vielfältigen Kulturlandschaft<br />

Göppingens geworden und hieraus nicht<br />

mehr wegzudenken. Dank des großartigen Engagements<br />

der Mitglieder des Vereins Kammer -<br />

musik <strong>Festival</strong> <strong>Hohenstaufen</strong> e. V. kann auch im<br />

sogenannten verflixten siebten Jahr – gemeinhin<br />

als Jahr der Trennung bekannt – weiter Erfolgsgeschichte<br />

geschrieben werden.<br />

Auch heuer ist es gelungen, musikalische<br />

Leckerbissen in vier Konzerten zu vereinen. Elf erstklassige,<br />

etablierte, junge Künstlerinnen und Künstler konnten gewonnen<br />

werden und versammeln sich in der <strong>Hohenstaufen</strong>stadt,<br />

um gemeinsam zu musizieren. Werke von dreizehn Kompo -<br />

nisten werden die <strong>Evangelische</strong> <strong>Kirche</strong> in <strong>Hohenstaufen</strong> mit<br />

musikalischen Klängen erfüllen und die Zuhörerinnen und<br />

Zuhörer begeistern – egal, ob am Klavier, mit Streichinstrumenten<br />

oder – als besonderes Highlight in diesem Jahr – mit der<br />

Stimme, die Ensembles des <strong>Kammermusik</strong> <strong>Festival</strong>s garan -<br />

tieren höchstes Niveau.<br />

Der französische Dichter Victor Hugo bringt es auf den Punkt:<br />

»Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und<br />

worüber zu schweigen unmöglich ist.« Musik ist eine ganz<br />

besondere Form des Ausdrucks und der Kommunikation. Sie<br />

ist aussagekräftig – mit und ohne Worte, sie belebt Körper und<br />

Geist, sie beschwingt und sie verzaubert. In diesem Sinne<br />

wünsche ich allen Gästen bezaubernde Stunden und allen<br />

Musikerinnen und Musikern gutes Gelingen und viel Vergnügen<br />

dabei, die Zuhörer in den Bann der Musik zu ziehen.<br />

Willkommen<br />

Liebe <strong>Kammermusik</strong>freunde,<br />

angekommen im verflixten siebten <strong>Festival</strong>-Jahr<br />

können wir begeistert feststellen: Nicht dissonant,<br />

sondern harmonischer denn je geht es bei uns zu.<br />

Aber was wäre die Harmonie ohne Dissonanz?<br />

Der Kontrast muss da sein – auch wenn Claude<br />

Debussy einmal sagte: »Die Musik muss in aller Bescheidenheit<br />

danach suchen, Freude zu machen – die extreme Komplikation<br />

ist das Gegenteil von Kunst.«<br />

Zu Ehren von Claude Debussy, der am 22. August vor 150<br />

Jahren geboren wurde, werden wir diesmal in jedem Konzert<br />

ein Werk eines französischen Komponisten spielen – und<br />

keine Sorge, in einigen sind die tollsten Dissonanzen mit<br />

dabei. Wie zum Beispiel im wunderschönen Liederzyklus<br />

von Aribert Reimann »... oder soll es Tod bedeuten«, der<br />

kontrastreich mit Liedern von Mendelssohn spielt.<br />

Wie es schon Tradition hat, möchten wir Ihnen auch diesmal<br />

wieder Musiker vorstellen, die zum ersten Mal bei unserem<br />

<strong>Festival</strong> zu hören sind: Diesmal sind das zwei hochkarätige<br />

Sänger – Julia Sophie Wagner und Michael Nagy – auf die<br />

wir uns ganz besonders freuen.<br />

Doch natürlich lebt so ein <strong>Festival</strong> nicht von denjenigen<br />

allein, die Musik machen – genauso wichtig sind die Zuhörer.<br />

Ohne sie, ohne Sie also, wäre das <strong>Kammermusik</strong> <strong>Festival</strong><br />

<strong>Hohenstaufen</strong> nicht da, wo es jetzt ist. Dafür danke ich<br />

Ihnen von Herzen und wünsche Ihnen ein anregendes<br />

<strong>Festival</strong> 2012!<br />

Guido Till, Oberbürgermeister<br />

Rahel Rilling<br />

Künstlerische Leiterin<br />

2 kammermusikfestivalhohenstaufen<br />

kammermusikfestivalhohenstaufen<br />

3


I<br />

Eröffnungskonzert<br />

Konzertein führung Seite 8<br />

= ŒU<br />

Freitag, 28. September 2012, 19 Uhr<br />

<strong>Evangelische</strong> <strong>Kirche</strong> <strong>Hohenstaufen</strong><br />

Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791)<br />

Streichquartett d-Moll op. X Nr. 2 KV 421 (417 b)<br />

Allegro – Andante – Menuetto. Allegretto / Trio –<br />

Allegretto ma non troppo<br />

Rahel Rilling, Violine • Asaf Maoz, Violine<br />

Amihai Grosz, Viola • Zvi Plesser, Violoncello<br />

Claude Debussy (1862–1918)<br />

Premier Trio en Sol (G-Dur)<br />

für Violine, Violoncello und Klavier L 5/(3)<br />

Andantino con moto allegro –<br />

Scherzo / Intermezzo. Moderato con allegro –<br />

Andante espressivo – Finale. Appassionato<br />

Lena Neudauer, Violine • Dávid Adorján, Violoncello<br />

Paul Rivinius, Klavier<br />

»... oder soll es Tod bedeuten?« Acht Lieder und ein Fragment<br />

von Felix Mendelssohn Bartholdy (1809–1847) nach Gedichten<br />

von Heinrich Heine. Für Sopran und Streichquartett bearbeitet<br />

und verbunden mit sechs Intermezzi von Aribert Reimann (*1936)<br />

Leise zieht durch mein Gemüt – Intermezzo 1 –<br />

Der Herbstwind rüttelt die Bäume – Intermezzo 2 –<br />

Über die Berge scheint schon die Sonne – Intermezzo 3 –<br />

Auf Flügeln des Gesanges – Intermezzo 4 –<br />

Was will die einsame Träne (Strophe 1 und 2) –<br />

In dem Mondenschein im Walde –<br />

Was will die einsame Träne (Strophe 3) – Intermezzo 5 –<br />

Allnächtlich im Traume – Mein Liebchen, wir saßen zusammen –<br />

Intermezzo 6 – Warum sind denn die Rosen so blass? –<br />

Leise zieht durch mein Gemüt (Fragment)<br />

Julia Sophie Wagner, Sopran • Asaf Maoz & Rahel Rilling, Violine<br />

Sara Rilling, Viola • Antoaneta Emanuilova, Violoncello<br />

Liedermatinee<br />

Konzertein führung Seite 18<br />

II<br />

Franz Schubert (1797–1828)<br />

Gesänge aus »Wilhelm Meister«<br />

Samstag, 29. September 2012, 11 Uhr<br />

<strong>Evangelische</strong> <strong>Kirche</strong> <strong>Hohenstaufen</strong><br />

Mignon Kennst du das Land op. NL 20/3 D 321 (Julia)<br />

Gesänge des Harfners op. 12 D 478 (Michael)<br />

Wer sich der Einsamkeit ergibt<br />

Wer nie sein Brot mit Tränen aß<br />

An die Türen will ich schleichen<br />

Gesänge op. 62 D 877<br />

Lied der Mignon Nur wer die Sehnsucht kennt (Julia)<br />

Lied der Mignon Heiß mich nicht reden (Julia)<br />

Lied der Mignon So lasst mich scheinen (Julia)<br />

Mignon und der Harfner Nur wer die Sehnsucht kennt<br />

(Julia & Michael)<br />

Hector Berlioz (1803-1869)<br />

»Les Nuits d’été« (Die Sommernächte) op. 7 H 81<br />

Sechs Lieder nach Texten aus der Gedichtsammlung<br />

»La Comédie de la Mort« (Das Schauspiel des Todes)<br />

von Théophile Gautier<br />

Villanelle / Ländliche Idylle (Julia)<br />

Le Spectre de la Rose / Der Geist der Rose (Julia)<br />

Sur les Lagunes / Auf den Lagunen (Michael)<br />

Absence / Trennung (Michael)<br />

Au Cimetière / Auf dem Friedhof (Julia)<br />

L’Île inconnue / Die unbekannte Insel (Michael)<br />

Julia Sophie Wagner, Sopran • Michael Nagy, Bariton<br />

Paul Rivinius, Klavier<br />

Pjotr Iljitsch Tschaikowsky (1840–1893)<br />

Streichsextett d-Moll op. 70 »Souvenir de Florence«<br />

Allegro con spirito – Adagio cantabile e con moto –<br />

Allegretto moderato – Allegro vivace<br />

Lena Neudauer & Asaf Maoz, Violine • Amihai Grosz & Sara Rilling, Viola<br />

Zvi Plesser & Antoaneta Emanuilova, Violoncello<br />

4 kammermusikfestivalhohenstaufen<br />

kammermusikfestivalhohenstaufen<br />

5


Benefizkonzert<br />

Konzertein führung Seite 23<br />

III<br />

Samstag, 29. September 2012, 19 Uhr<br />

<strong>Evangelische</strong> <strong>Kirche</strong> <strong>Hohenstaufen</strong><br />

Abschlusskonzert<br />

Konzertein führung Seite 29<br />

IVSonntag, 30. September 2012, 17 Uhr<br />

<strong>Evangelische</strong> <strong>Kirche</strong> <strong>Hohenstaufen</strong><br />

Zugunsten von<br />

U<br />

= Œ<br />

Anton Arensky (1861–1906)<br />

Streichquartett Nr. 2 a-Moll op. 35<br />

für Violine, Viola und zwei Violoncelli<br />

In memoriam P. Tschaïkowsky<br />

Moderato<br />

Variations sur un thème de P. Tschaikowsky<br />

Andante sostenuto<br />

Asaf Maoz, Violine • Amihai Grosz, Viola<br />

Zvi Plesser & Dávid Adorján, Violoncello<br />

Robert Kahn (1865–1951)<br />

Sieben Lieder mit Klaviertrio<br />

nach Paul Heyses »Jungbrunnen« op. 46<br />

Nun stehn die Rosen in Blüte (Julia)<br />

Mein Herzblut geht in Sprüngen (Michael)<br />

Waldesnacht, du wunderkühle (Julia)<br />

Wie bin ich nun in kühler Nacht (Michael)<br />

Wie trag ich doch im Sinne (Michael)<br />

In der Mondnacht (Julia)<br />

Es geht ein Wehen durch den Wald (Julia & Michael)<br />

Julia Sophie Wagner, Sopran • Michael Nagy, Bariton<br />

Rahel Rilling, Violine • Dávid Adorján, Violoncello<br />

Paul Rivinius • Klavier<br />

Gabriel Fauré (1845–1924)<br />

Klavierquintett Nr. 1 d-Moll op. 89<br />

Molto moderato<br />

Adagio<br />

Allegretto moderato<br />

Lena Neudauer & Rahel Rilling, Violine<br />

Sara Rilling, Viola • Antoaneta Emanuilova, Violoncello<br />

Paul Rivinius • Klavier<br />

Thème Moderato<br />

Var. I Un poco più mosso<br />

Var. II Allegro non troppo<br />

Var. III Andantino tranquillo<br />

Var. IV Vivace<br />

Var. V Andante<br />

Var. VI Allegro con spirito<br />

Var. VII Andante con moto<br />

Coda Moderato<br />

= ŒU<br />

Eugène Ysaÿe (1858–1931)<br />

Premier Trio de Concert pour Violon, Alto et Violoncelle<br />

»Le Chimay«<br />

(Molto Lento – Allegro non troppo – Poco più Lento –<br />

Allegro non troppo – Allegro fermo ma non Presto –<br />

Tempo Allegro Poco Presto – Presto)<br />

Lena Neudauer, Violine • Amihai Grosz, Viola<br />

Antoaneta Emanuilova • Violoncello<br />

Gustav Mahler (1860–1911)<br />

»Rückert-Lieder«<br />

Arr. für Bariton und Streichquartett von Dietrich Henschel<br />

Ich atmet’ einen linden Duft<br />

Blicke mir nicht in die Lieder!<br />

Ich bin der Welt anhanden gekommen<br />

Um Mitternacht<br />

Michael Nagy, Bariton • Asaf Maoz & Lena Neudauer, Violine<br />

Sara Rilling, Viola • Dávid Adorján, Violoncello<br />

Johannes Brahms (1833–1897)<br />

Klavierquartett Nr. 3 c-Moll op. 60<br />

Allegro non troppo<br />

Scherzo. Allegro<br />

Andante<br />

Finale. Allegro comodo<br />

Rahel Rilling, Violine • Amihai Grosz, Viola<br />

Zvi Plesser, Violoncello • Paul Rivinius, Klavier<br />

6 kammermusikfestivalhohenstaufen<br />

kammermusikfestivalhohenstaufen<br />

7


IFreitag<br />

19 Uhr<br />

»… in Kindesnöthen«<br />

Mozarts Quartett d-Moll<br />

Das war knapp: Am 15. Januar 1785 lud Mozart in seine Wohnung<br />

in der Schulerstraße 845 (heute Domgasse 5), um seine<br />

sechs neuen Streichquartette zu präsentieren. Doch noch am<br />

Vortag arbeitete er an der Vollendung des letzten Werks der<br />

Serie. Es war jenes C-Dur-Quartett, dem später der Name Dissonanzen-Quartett<br />

aufgestempelt werden sollte und mit welchem<br />

das <strong>Hohenstaufen</strong>er <strong>Festival</strong> 2008 eröffnet wurde. Gäste<br />

der prominenten Wiener Zusammenkunft waren einige<br />

Freunde und der Widmungsträger der Quartette, Joseph<br />

Haydn. Einen Monat später gab es eine weitere derartige<br />

Hausmusik, die zu Haydns legendären Worten gegenüber<br />

Leopold Mozart führte: »ich sage ihnen vor gott, als ein ehrlicher<br />

Mann, ihr Sohn ist der größte Componist, den ich von<br />

Person und den Nahmen nach kenne: er hat geschmack und<br />

über das die größte Compositionswissenschaft.«<br />

Die sechs Haydn-Quartette sind etappenweise von 1782 bis<br />

1785 entstanden. In der Widmung an Haydn bezeichnete sie<br />

Mozart (beziehungsreich, wie zu lesen sein wird), als seine<br />

»sechs Kinder«, entstanden als »die Frucht einer langen und<br />

mühsamen Arbeit«. Im zweiten Quartett in d, dem einzigen in<br />

Moll in der Serie, begegnen wir einem Wechselbad der Stimmungen<br />

und Bewegungen: Steigen und Fallen hier, Unbeweglichkeit<br />

da, der »Gestus des Leidens«, aber auch Leidenschaft<br />

und Auflehnung bestimmen einerseits das Geschehen, welches<br />

im Andante mit seinem »Blick auf das verlorene Paradies«<br />

innehält: »Nirgends tickt ein Metrum. Die Zeit scheint<br />

stillzustehen.« (Wilhelm Seidel)<br />

Der heikle Umstand, dass historische Beschreibungen seitens<br />

der modernen Forschung flugs als komplett unhaltbar<br />

abgestempelt werden, sofern sie ›compositionswissenschaftlich‹<br />

nicht hundertprozentig gesichert, sehr wohl aber im Rahmen<br />

des Wahrscheinlichen verwurzelt sind, und die traurige<br />

Mutmaßung, die Musikwissenschaft könnte die alte Binsenweisheit<br />

vom Fünkchen Wahrheit längst verloren haben, hat<br />

den Lesern unzähliger Programmhefte oftmals wichtige,<br />

schöne, wertvolle, heitere, anrührende Erzählungen vorent -<br />

Mozart und Thomas Linley<br />

bei der Familie Gavard des Pivets<br />

in Florenz, 1770<br />

Anonymes Ölbild, Französische<br />

Schule, 18. Jahrhundert<br />

halten. Diesen engen Pfad wollen wir in <strong>Hohenstaufen</strong> gern<br />

verlassen. Denn in Anbetracht eines nur als wunderbar zu<br />

bestaunenden Zuwachs’ innerhalb unserer kleinen <strong>Festival</strong>-<br />

Künstlerfamilien muss die Schilderung der detaillierteren<br />

Entstehungsumstände des Mozartschen Quartetts unbedingt<br />

eine gebührende Erwähnung finden. Dazu mag man<br />

den eifrigen Forschern nicht einmal die Feder aufs Neue brechen,<br />

denn sie geben zwar unter großen Gewissensschmerzen,<br />

aber immerhin einvernehmlich zu, an der Sache könne<br />

tatsächlich was dran sein. Lesen wir also bei Georg Nikolaus<br />

Nissen, einem der ersten Mozart-Biografen, folgende Überlieferung<br />

(1828):<br />

»Zur Zeit, als seine Frau zum ersten Male in Kindesnöthen<br />

war, arbeitete er sogar an dem zweyten der sechs Quartetten,<br />

welche er 1785 Joseph Haydn widmete. Diese Umstände<br />

waren gewiss nicht zum Notendenken geeignet, da<br />

er nie am Claviere componirte, sondern die Noten zuvor<br />

schrieb und vollendete, und sie dann erst probirte; und dennoch<br />

belästigte ihn nichts, wenn er in dem Zimmer arbeitete,<br />

wo seine Frau lag. So oft sie Leiden äusserte, lief er auf sie<br />

zu, um sie zu trösten und aufzuheitern; und wenn sie etwas<br />

beruhigt war, ging er wieder zu seinem Papier. Nach ihrer eigenen<br />

Erzählung wurden der Menuett und das Trio gerade<br />

bey ihrer Entbindung [1<strong>7.</strong> Juni 1783] componirt.« – Das<br />

möge uns doch ruhig bewegend durch den Kopf und zu<br />

Herzen gehen, wenn unser <strong>Festival</strong> also mit einem von<br />

»Mozarts Kindern« beginnt…<br />

8 kammermusikfestivalhohenstaufen<br />

kammermusikfestivalhohenstaufen<br />

9


Blick auf<br />

Florenz,<br />

Aquarell von<br />

Mendelssohn,<br />

1830<br />

»Ecco Firenze u. ich kuckte…«<br />

Toskanische Stippvisiten<br />

Die Schöne, die Blühende, Wiege der Renaissance, Perle<br />

der Toskana – Florenz: »Da liegt es vor uns in dem sonnendurchfluteten<br />

Tal, durchflossen von dem sich dahinwindenden<br />

leuchtenden Band des Arno und eingeschlossen von<br />

schwellenden Hügeln. Seine Kuppeln, Türme und Paläste<br />

erheben sich aus der üppigen Landschaft als eine riesige<br />

schimmernde Masse und glänzen in der Sonne wie Gold.«<br />

(Charles Dickens) Wohl jeder Künstler, der einmal in Florenz<br />

war, erlag dem Charme der alten toskanischen Stadt: »Ein<br />

Herz der Welt« (Saramago); »Gottlob, in Florenz fängt mir<br />

das Herz wieder an aufzugehen« (Herder); »Die Tage und<br />

Abende in Florenz sind in gewisser Weise das Schönste,<br />

was ich je erlebt habe« (Hofmannsthal) u.s.f.<br />

Unser heutiges Programm atmet allenthalben florentinisches<br />

Flair, was sich nicht nur aus Titeln wie Souvenir de<br />

Florence als Werk eines schwermütigen Russen, der dem<br />

toskanischen Charme der Stadt nur widerstrebend verfiel,<br />

herauslesen und -hören lässt. Nein, auch der junge Mozart<br />

war in Florenz, und da das dazugehörige Geschichtchen<br />

(respektive Abb. S. 9) gar zu schön und außerdem wahr ist,<br />

soll es hier mit den Worten von Vater Leopold (Brief vom<br />

21.April 1770) seinen Platz finden: »In Florenz fanden wir<br />

einen jungen Engelländer, welcher ein Schüler des Berühmten<br />

Violinisten Nardini ist. dieser knab, welcher wunderschön<br />

spielt, in des Wolfg: Grösse und alter ist, kam in das Hauß<br />

[und] diese 2 knaben producierten sich wechselweise den<br />

ganzen abend unter beständigen umarmungen. den anderen<br />

tag Ließ der kleine Engelländer, ein allerliebster Knab, seine<br />

Violin zu uns bringen, und spielte den ganzen nachmittag,<br />

der Wolfg. accompagnierte ihm auf der Violin. den tag darauf<br />

[spielten sie] den ganzen nachmittag wechselsweise,<br />

nicht als knaben, sonderen als männer! der kleine Tomaso<br />

begleitete uns nach Hause, und weinte die bittersten Thränen,<br />

weil wir den tag darauf abreiseten.«<br />

Klar, auch Mendelssohn sah die italienische Schöne auf<br />

seiner Bildungsreise nach Italien, und auch er hinterließ uns<br />

neben einer (eigens angefertigten) Zeichnung eine kleine<br />

briefliche Kostbarkeit (23. Oktober 1830): »Der Fuhrmann<br />

zeigte auf eine Stelle zwischen den Hügeln, wo blauer Nebel<br />

lag u. sagte: Ecco Firenze u. ich kuckte geschwind hin u.<br />

sah den runden Dom im Duft vor mir, u. das breite weite Thal<br />

in dem die Stadt sich lagert: mir wurde wieder reisemäßig zu<br />

Muthe, als nun auch Florenz erschien [...] u. als es dem Arno<br />

entlang zu Schneiders hinging ins berühmte Wirthshaus, da<br />

kam mir die Welt wieder ganz prächtig vor.« Kein Wunder,<br />

dass auch Aribert Reimanns künstlerische Auseinandersetzung<br />

mit Mendelssohns Liedern bereits ihren Weg nach Florenz<br />

gefunden haben, wo »... oder soll es Tod bedeuten?«<br />

2005 mit der Premieren-Sopranistin Juliane Banse aufgeführt<br />

wurde.<br />

Zunächst aber besuchen wir Florenz gemeinsam mit<br />

einem talentierten Pariser Burschen, der sich – wie auch<br />

Tschaikowsky um diese Jahre – ›im Gepäck‹ einer kunstliebenden<br />

russischen Baronesse in der Stadt aufhielt und sich<br />

von ihr inspirieren ließ…<br />

10 kammermusikfestivalhohenstaufen<br />

kammermusikfestivalhohenstaufen<br />

11


Pjotr<br />

Daniltschenko,<br />

Władysław<br />

Pachulski<br />

und Claude<br />

Debussy<br />

»Kurz und gut, ein charmanter Junge«<br />

Debussys Premier Trio<br />

Claude Debussys frühes Klaviertrio<br />

(Premier Trio en Sol) galt lange Zeit als<br />

verschollen und wurde erst 1986 veröffentlicht,<br />

nachdem man einige Jahre zuvor<br />

in einer New Yorker Bibliothek und<br />

im Nachlass eines Debussy-Schülers die<br />

Manuskripte wiedergefunden hatte. Damit<br />

wurde – wenn hier auch der spätere<br />

Debussy noch nicht recht erkennbar<br />

scheint – das Repertoire um eine schöne<br />

Jugendwerks-Facette und unser Programm<br />

um ein leichtfüßiges Souvenir de<br />

Florence bereichert.<br />

Im Sommer 1880 war der 18-jährige<br />

Pariser Student zum ersten Mal als pianistischer<br />

›Au pair‹-Junge von Frau von<br />

Meck angeheuert worden. Die russische<br />

Mäzenin Baronesse Nadeshda von<br />

Meck, die wir als Brieffreundin und Förderin<br />

Tschaikowskys kennen, hatte sich<br />

auf der Suche nach einem hochmusikalischen<br />

Lehrer und Begleiter an die Klavierklasse<br />

des Pariser Conservatoire gewandt. Antoine<br />

Marmontel empfahl seinen Schüler Debussy, der 1879 mit<br />

dem ersten Preis im Partiturspiel ausgezeichnet worden war.<br />

Die Baronesse stellte nicht geringe Anforderungen: Der<br />

junge Reisepianist sollte den Kindern Klavierstunden geben,<br />

ihre 27-jährige Tochter Julia beim Gesang begleiten und mit<br />

ihr selbst zu vier Händen spielen. Debussy stieß am 20. Juli<br />

in Interlaken zu den Mecks, von da aus ging die Reise über<br />

Arcachon, Paris, Nizza, Genua und Neapel nach Florenz, wo<br />

die Reisegruppe am 19. September eintraf.<br />

Hier wurde die russisch-französische Gesellschaft um<br />

den Cellisten Daniltschenko, der geradewegs vom Studienabschluss<br />

am Moskauer Konservatorium kam, und den<br />

Geiger Pachulski, der Frau von Meck überdies bei Korres-<br />

pondenzen behilflich war und später ihre Tochter Julia heiratete,<br />

erweitert (vgl. Abb.) – Auf diese Weise kamen gemeinsame<br />

musikalische Soireen in der Villa Oppenheim zusätzlich<br />

in das ›Unterhaltungsprogramm‹ von »Bussy«, wie Nadeshda<br />

ihren Hauspianisten nannte. In diesem Kontext entstand<br />

Debussys erstes (und wohl einziges) Klaviertrio, das er später<br />

seinem Lehrer Emile Durand mit den Worten widmete: »Beaucoup<br />

de notes accompagnées de beau coup d’amitié, offert<br />

par l’auteur a son professeur Monsieur Emile Durand.« Durand,<br />

der Debussy in Klavierbegleitung unterrichtete, hatte im<br />

Juni 1878 notiert: »Mit seinem musikalischen Instinkt und seinem<br />

Temperament als Begleiter und Vom-Blatt-Spieler wäre<br />

Debussy ein ausgezeichneter Schüler, wenn er weniger unordentlich<br />

und leichtsinnig wäre.«<br />

Dieser jugendliche Leichtsinn wiederum entzückte Frau<br />

von Meck durchaus, die die Kompositionen des Franzosen<br />

»ganz nett« fand: »Er behauptet, zwanzigjährig zu sein, doch<br />

gibt man ihm nicht mehr als sechzehn Jahre«, schrieb sie an<br />

Tschaikowsky, und ergänzte im Sommer 1881: »Debussy ist<br />

Pariser bis in die Fingerspitzen […] geistreich wie kaum ein<br />

zweiter, er brilliert in Imitationen […] man lacht sich tot. Er hat<br />

einen guten Charakter; alles gefällt ihm und er unterhält uns<br />

ausgezeichnet. Kurz und gut, ein charmanter Junge.« Bis zu<br />

seiner Rückkehr ans Conservatoire Ende Oktober blieb Debussy<br />

in Florenz bzw. Fiesole. Die darauf folgenden Sommer<br />

verbrachte er erneut bei der Familie (1881 in Moskau, 1882<br />

von Russland nach Wien). Die Beziehung endete mit Debussys<br />

Versuch, einer der Meck-Töchter den Hof zu machen.<br />

»... oder soll es Tod bedeuten?«<br />

Mendelssohn & Heine & Reimann:<br />

Acht Lieder & ein Fragment & sechs Intermezzi<br />

Vor sechs Jahren erschien der umfangreiche Band 11 der<br />

Schumann-Forschungen unter dem Titel Robert Schumann in<br />

Endenich (1854–1856): Krankenakten, Briefzeugnisse und<br />

zeitgenössische Berichte. Das Vorwort schrieb der Komponist<br />

Aribert Reimann, in dessen Privatbesitz die Akten als Erb-<br />

12<br />

kammermusikfestivalhohenstaufen<br />

kammermusikfestivalhohenstaufen<br />

13


Aribert Reimann<br />

im Foyer -<br />

gespräch der<br />

Oper Frankfurt<br />

am 18. 9. 2010<br />

(Foto: Aldus<br />

Rietveld)<br />

schaft gelangt waren. Damit<br />

brach Reimann den<br />

Bann des strengsten Stillschweigens,<br />

mit dem die<br />

Weitergabe der Unterlagen<br />

bis dato belegt war.<br />

DIE ZEIT schrieb: »Nach<br />

langer Überlegung zerschlug<br />

Reimann den<br />

Knoten aus Pietät, Datenschutz<br />

und Öffentlichkeitspflicht.<br />

Ein Impuls<br />

war der Wunsch, einen<br />

Schlussstrich unter ›Verleumdungen<br />

und abenteuerliche Erfindungen‹ über Schumanns<br />

Endenicher Zeit zu ziehen.« Sicherlich ist damit der<br />

Wissenschaft eine entscheidende Quelle zugänglich gemacht<br />

worden, auch wenn sich über die Legitimität der<br />

Publ izierung kaum erträglicher Schilderungen von intimsten<br />

menschlichen Leidensmomenten weiterhin streiten lassen<br />

muss.<br />

Der Reimann-Kenner Andreas Krause sieht in dieser<br />

Offenlegung (die Übergabe der Papiere an die Berliner<br />

Akademie der Künste erfolgte 1994) mehr als eine »biografische<br />

Randnotiz« und stellt sie überdies in einen Deutungszusammenhang<br />

mit der Reihe von Reimanns zyklischen<br />

Liedbearbeitungen, die vom Komponisten »zugleich als Auseinandersetzung<br />

für die latente Gefährdung nicht allein jeder<br />

künstlerischen, sondern vor allem menschlichen Existenz<br />

ausgebaut werden.« Hierzu zählen neben Adaptionen des<br />

späten Schumann und rein instrumentalen Reflexionen auch<br />

Reimanns Schubert-Bearbeitung Mignon, in der er Lieder<br />

und Fragmente inhaltlich neu reiht, im Unterschied zum<br />

Werk des heutigen Abends jedoch nicht mit eigenen Intermezzi<br />

versieht. In seinem 1996 entstandenen Zyklus<br />

»... oder soll es Tod bedeuten?« ordnet Reimann die ausgewählten<br />

acht Lieder und ein Fragment Mendelssohns, alle<br />

nach Texten von Heinrich Heine, zunächst in eine »inhaltlichpsychologische<br />

Folge, den großen Liederzyklen Schuberts<br />

vergleichbar, den unverstehbaren Verlust der Liebe und den<br />

Weg in die Einsamkeit als äußere Rahmenhandlung aufnehmend.«<br />

(Andreas Krause, 2008)<br />

Der Komponist selbst schrieb in seiner Einführung: »Im<br />

neuen Stück ›… oder soll es Tod bedeuten‹ (die letzte Zeile<br />

des Liedes In dem Mondenschein im Walde) habe ich sechs<br />

Intermezzi für Streichquartett dazukomponiert, die die Lieder<br />

miteinander verbinden: Reflexionen in meiner Sprache über<br />

ein bereits gehörtes oder folgendes Mendelssohn-Lied.<br />

Nach-Gedanken oder vorauseilende, durch die sich, in<br />

kurzen Anklängen, fortschreitend Teile aus dem letzten Lied<br />

ziehen, dem Fragment Warum sind denn die Rosen so blaß,<br />

mal in das strukturelle Geschehen eingewoben oder es<br />

durchbrechend oder kontrastierend eingeschnitten. Um<br />

auch gedanklich einen Zusammenhang zu schaffen, habe<br />

ich acht Lieder und ein Fragment nach Gedichten von Heinrich<br />

Heine ausgewählt […] Die Bearbeitung für Streichquartett<br />

geht über eine bloße Transkribierung weit hinaus. In einigen<br />

Liedern, vor allem in den Strophenliedern Auf Flügeln<br />

des Gesanges, Allnächtlich im Traume, Mein Liebchen, wir<br />

saßen beisammen, bin ich vom Klaviersatz sehr abgewichen<br />

und habe viel dazu komponiert, ohne in die Mendelssohnsche<br />

Harmonik einzugreifen, um sie dadurch auch gegen<br />

meine eigene Gedankenwelt abzugrenzen, die dann immer<br />

wieder von Fragmenten des Mendelssohn-Fragments auf -<br />

gebrochen wird.«<br />

»Schrecklich, wie zufrieden ich über mich bin«<br />

Tschaikowskys Souvenir de Florence<br />

»Mir scheint, in Rom könnte ich nicht für längere Zeit leben.<br />

Dort [...] gibt es keine Zeit zum Träumen, sich zu versenken.<br />

Wenn ich die Wahl hätte, ich würde Florenz bevorzugen [...]<br />

Florenz ist netter, graziöser.« 1878 erlebte Tschaikowsky hier<br />

– wie es die Biographen apostrophierten – sein »Florentiner<br />

Idyll« als Gast seiner reichen Mäzenin und Brieffreundin<br />

Nadeshda von Meck. Der zweite Aufenthalt in Florenz im<br />

Winter und Frühling 1890 sollte vor allem dazu dienen, die<br />

14<br />

kammermusikfestivalhohenstaufen<br />

kammermusikfestivalhohenstaufen<br />

15


Tschaikowsky<br />

(rechts) mit<br />

seinen Brüdern<br />

Modest und<br />

Anatoly (stehend)<br />

und Freund<br />

Nikolaj<br />

Kondratjew,<br />

Moskau 1875<br />

mit seiner mandolinenartigen pizzicato-Begleitung wie eine<br />

Opernszene mit Ständchen unterm Balkon, das in ein<br />

Liebesduett mündet. Aber Souvenir heißt auch, dass der<br />

Komponist in Florenz zuallererst an seine russische Heimat<br />

dachte; mit dem dritten Satz und einem Hauch Melancholie<br />

entführt er uns dorthin, bevor Tschaikowsky im Finale alle<br />

Erinnerungen in einen Rundtanz von Toskanern, Russen und<br />

sonstigem Volk zusammenzaubert.<br />

Zu Beginn der Niederschrift schrieb er noch an seinen<br />

Lieblingsbruder Modest: »Schreibe unter ungewöhnlichem<br />

Druck. Bin in Verlegenheit nicht wegen eines Mangels an<br />

Ideen, sondern infolge der mir neuen Form. Ich brauche<br />

sechs unabhängige und gleichzeitig ähnliche Stimmen. Das<br />

ist unglaublich schwierig.« Als das Sextett fertig war, bekannte<br />

er, die Komposition sei ihm so leicht gefallen, dass er<br />

sich gar keiner Anstrengung bewusst gewesen sei:<br />

»Schrecklich, wie zufrieden ich über mich bin ... Ich werde<br />

immer mehr davon gefesselt.«<br />

Komposition der Pique Dame ungestört und in angenehmerem<br />

Klima voranzubringen. Dieser Aufenthalt gilt als Aus -<br />

löser für Tschaikowskys Streichsextett, das im Juni in<br />

St. Petersburg begonnen wurde, und so heißt es denn etwa:<br />

»Da scheint er einmal glücklich gewesen zu sein, im sonnigen<br />

Italien« – was angesichts einiger recht derber Tagebucheintragungen<br />

vom Januar/Februar 1890 bezweifelt werden<br />

darf: »Ein Fettwanst. Zigarren. [...] Hundsfott von Dirigent.<br />

Grauenhafte Chöre. Überhaupt alles provinziell. [...] Chansonsängerinnen.<br />

Langeweile. [...] Die abscheuliche Kälte<br />

dauert an. Noch nie ist mir Florenz während dieses Auf -<br />

enthaltes so zuwider gewesen wie heute. [...] Wie mir die<br />

hiesige Küche zum Halse heraushängt!«<br />

Er erscheint als folgerichtig, Tschaikowskys Souvenir<br />

nicht auf den Aufenthalt von 1890 festzulegen, sondern im<br />

mehrfachen Sinne zu verstehen: als Souvenir an den hübschen<br />

Sänger, dem er in Florenz wieder und wieder lauschte<br />

oder als Erinnerung an die schönen Tage von 1878, als Frau<br />

von Meck in seiner Nähe war (eine direkte Begegnung vermieden<br />

beide bekanntlich). So gehört, klingt der zweite Satz<br />

Florenz, Blick<br />

vom Forte di<br />

Belvedere<br />

(vorn Skulptur<br />

von Jean-Michel<br />

Folon)<br />

16<br />

kammermusikfestivalhohenstaufen<br />

kammermusikfestivalhohenstaufen<br />

17


II<br />

Samstag<br />

11 Uhr<br />

Verwundert werden Sie nun…<br />

… dieses Heftchen durchblättern und sich fragen, ob der<br />

Redaktör es schlichtweg nicht für nötig hielt, die Texte der<br />

Lieder abzudrucken. Seine Antwort dürfte in etwa auf ein<br />

Jein hinauslaufen: Ja, weil er die beiden Stimmkünstler<br />

kennt und meint, sie sängen recht wohlverständlich. Ja<br />

auch, weil im Schummerlicht der <strong>Kirche</strong> beispielsweise ein<br />

synchrones Augenmerk auf einen französischen Text, die<br />

dazu gehörige Übersetzung, auf Sängerin und Pianist ihm<br />

nicht ohne weiteres möglich erschien. Ja umso mehr, je<br />

nachdenklicher ihn die andere Blickrichtung machte: jene<br />

von der Bühne auf ein Publikum, das gemeinhin als besonders<br />

freundlich gilt, nun aber unerklärlicherweise kollektiv im<br />

Schummerlicht furchtbar angestrengt nach unten blickt…<br />

Nein wiederum, weil er sich sehr wohl allerhand Gedanken<br />

gemacht hat, letztlich allerdings sehr ängstlich wurde, als<br />

ihm die Rechnung aufging, dass andernfalls aus dem <strong>Festival</strong>-Heftchen<br />

ein nicht mehr heftbares dickes schweres<br />

Irgendwas geworden wäre. Und das wollten letztlich weder<br />

er noch die <strong>Festival</strong>planer.<br />

»Nur wer die Sehnsucht kennt…«<br />

Schubert-Lieder aus Wilhelm Meister<br />

634! – Sechshundertvierunddreißig! – Schuberts Lieder bilden<br />

einen Kosmos, der in seiner Dichte wie in seiner Dimensionierung<br />

nach wie vor schwer fassbar scheint und dessen<br />

Konsistenz es offenbar niemandem erlaubt, ohne Schutzhülle<br />

gänzlich in ihn einzudringen, es sei denn, er sucht die<br />

extreme Herausforderung und kümmert sich nicht um Nachwirkungen<br />

auf das verletzliche Gemüt oder den klaren<br />

Kopf… Wir wollen es wagen, auch wenn die Risiken nicht<br />

geringer werden mit der Tatsache, dass unsere zwei Sangeskünstler<br />

heute vormittag nur ein Achtzigstel des Schubertschen<br />

Liedschaffens auf die <strong>Festival</strong>bühne bringen.<br />

Denn diese acht Gesänge aus Goethes Wilhelm Meister haben<br />

es in sich: »Meine Erzeugnisse sind durch den Verstand<br />

für Musik und durch meinen Schmerz vorhanden;<br />

jene, welche der Schmerz allein<br />

erzeugt hat, scheinen am wenigsten die<br />

Welt zu erfreuen.« (Tagebuch, 2<strong>7.</strong> März<br />

1824)<br />

Mit Goethe befasste sich Schubert<br />

nachweislich seit 1814, vermittelt vermutlich<br />

durch seine Freunde Johann Mayr -<br />

hofer oder Josef von Spaun. Mit nahezu<br />

80 Vertonungen von Goethe-Gedichten<br />

(die erste Hälfte entstand bereits bis<br />

1816) ist der Weimarer Geheime Legationsrat<br />

der am häufigsten in Schuberts<br />

Liedschaffen vertretene Dichter. Ein Brief<br />

jedoch, den Spaun 1816 mit einer von<br />

Schubert selbst erstellten und ins Reine<br />

geschriebenen Auswahl von Liedern an<br />

Goethe schickte, blieb unbeantwortet (die<br />

Lieder wurden ›höflicherweise‹ retourniert),<br />

und für die Übersendung zweier<br />

prachtvoller Vorzugsexemplare von op. 19 durch den Komponisten<br />

im Jahr 1825 hatte der deutlich ältere Dichter nur<br />

eine lakonische Erwähnung in seinem Tagebuch übrig…<br />

Aus Schuberts Beschäftigung mit Goethes Lied-Gedichten<br />

aus dem 1795/96 erschienenen Bildungsroman Wilhelm<br />

Meisters Lehr- und Wanderjahre sind uns insgesamt 26<br />

Kompositionen aus den Jahren zwischen 1815 und 1826<br />

überliefert, darunter allerdings etliche Umarbeitungen und<br />

Fragmente, so dass sich die Anzahl der Gedichte auf 9 reduziert.<br />

Im September 1816 komponierte Schubert mit den drei<br />

Gesängen des Harfners seine erste zyklische Liedersammlung,<br />

die 1822 in überarbeiteter Form als Opus 12 herauskam;<br />

um den Jahreswechsel 1825/1826 entstanden dann<br />

die drei auf Mignon fokussierten Gesänge aus »Wilhelm<br />

Meister« op. 62. Nahezu alle Meister-Vertonungen befassen<br />

sich mit den beiden rätselhaften Hauptfiguren des Romans,<br />

der androgynen Mignon und dem etwas verwirrten Harfner,<br />

einem Bänkelsänger, wobei Schubert sämtliche Lieder der<br />

beiden vertont hat. Das ist erstaunlich: Während Philine als<br />

Harfner und<br />

Mignon,<br />

Zeichnung von<br />

Woldemar<br />

Friedrich,<br />

ca. 1883/84<br />

(Bildpostkarte)<br />

18 kammermusikfestivalhohenstaufen<br />

kammermusikfestivalhohenstaufen<br />

19


eine der spannendsten Frauenfiguren im Roman von Schubert<br />

nicht in seinen Vertonungen bedacht wurde, übergeht er kein<br />

einziges der Lieder Mignons und des Harfners. Vermutlich entsprach<br />

der wehmütig-schmerzliche Grundgestus der beiden<br />

tragischen Zupfinstrument-Figuren (Mignon schlug im Unterschied<br />

zum Harfner, ihrem eigentlichen Vater, die leichtere<br />

Zither) am ehesten seinen eigenen thematischen Perspektiven.<br />

Das zumindest passt ganz gut ins Schubert-Klischee: Fremde<br />

der Welt, erzwungene Wanderschaft, ewige Sehnsucht, unendlicher<br />

Schmerz, Verzweiflung…<br />

»Er verfiel in eine träumende Sehnsucht, und wie einstimmend<br />

mit seinen Empfindungen war das Lied, das eben in<br />

dieser Stunde Mignon und der Harfner als ein unregelmäßiges<br />

Duett mit dem herzlichsten Ausdrucke sangen:<br />

Nur wer die Sehnsucht kennt,<br />

Weiß, was ich leide!<br />

Allein und abgetrennt<br />

Von aller Freude,<br />

Seh ich ans Firmament<br />

Nach jener Seite.<br />

Ach! der mich liebt und kennt,<br />

Ist in der Weite.<br />

Es schwindelt mir, es brennt<br />

Mein Eingeweide.<br />

Nur wer die Sehnsucht kennt,<br />

Weiß, was ich leide!«<br />

(Wilhelm Meisters Lehrjahre, Viertes Buch, Elftes Kapitel)<br />

»Das Schauspiel des Todes«<br />

Berlioz’ Les Nuits d’été<br />

Über drei Jahrzehnte hinweg komponierte Hector Berlioz Lieder<br />

für Gesang und Klavier. Dass diese noch heute einigermaßen<br />

erstaunliche Tatsache sehr bald vollends ins Abseits geriet, verdankt<br />

sie dem Komponisten selbst, der mit dem Erfolg seiner<br />

Orchesterfassung von Les Nuits d’été, ohne es ahnen zu können,<br />

als Schöpfer des ersten Zyklus’ von Orchesterliedern<br />

in die Musikgeschichte einging. Tatsächlich hatte die Instru-<br />

mentierung der sechs Lieder zwischen 1843<br />

und 1856 für (posthumen!) Furor gesorgt, zumal<br />

Berlioz durch die Transposition zweier<br />

Lieder die überarbeitete Fassung von Les<br />

Nuits d’été einer breiteren Auswahl von<br />

Stimmlagen zugänglich machte.<br />

Ausdrücklich bedauerte Berlioz 1861,<br />

dass er Les Nuits d’été noch nie vollständig<br />

habe hören können; tatsächlich sind uns von<br />

keiner der beiden vollständigen Fassungen<br />

des Zyklus’ Aufführungen zu seinen Lebzeiten<br />

bekannt, und von der Klavierfassung<br />

wurde gar nur eines der Lieder (Absence)<br />

damals aufgeführt: am 24. April 1842 von<br />

Madame Mortier am Pariser Conservatoire<br />

sowie von seiner späteren Frau Marie Recio<br />

im Januar/Februar 1843 in Weimar, Leipzig<br />

und Dresden. Eine geplante Darbietung von Nr. 2 und 4 am<br />

8. November 1840 im Pariser Conservatoire mit einem Tenor<br />

namens Wartel und einem Monsieur Collignon am Pianoforte<br />

kam nicht zustande.<br />

Mit der Komposition der sechs Lieder, ursprünglich für<br />

Mezzosopran oder Tenor und Klavier gesetzt, begann<br />

Berlioz 1840 und beendete sie im September 1841 kurz vor<br />

ihrer Veröffentlichung bei Catelin in Paris.<br />

Der Dichter Théophile Gautier, dessen 1838 erschienener<br />

Gedichtsammlung La Comédie de la Mort Berlioz die sechs<br />

vertonten Texte entnahm, sollte uns zumindest durch das<br />

Vorwort zu seinem ersten Roman Mademoiselle de Maupin<br />

geläufig sein, in welchem er die berühmte Theorie über<br />

»L’art pour l’art« (Kunst als Selbstzweck) entwickelte: Es<br />

könne nur schön sein, was nicht nützlich wäre, während<br />

alles Nützliche hässlich sein müsse… Für seinen Zyklus<br />

änderte Berlioz die Titel einzelner Lieder und stellte die Reihenfolge<br />

innerhalb der Sammlung um.<br />

Der Zyklus beginnt mit der im Frühling erwachenden<br />

Liebe im Strophenliedchen der Villanelle, die bei aller<br />

Schlichtheit mit aparter Harmonik und einer reizenden Melodie<br />

aufwartet. Doch bereits mit Le Spectre de la Rose welkt<br />

Eine weitere<br />

Postkarte aus der<br />

Sammlung H.S.<br />

20<br />

kammermusikfestivalhohenstaufen<br />

kammermusikfestivalhohenstaufen<br />

21


der Frühling dahin und weicht der Erinnerung. Im Traum hört<br />

das lyrische Ich die Stimme einer Rose, die an der Brust einer<br />

schönen Frau gestorben ist, gleichwohl nichts anderes<br />

als solches Glück sich wünschte. Das durchkomponierte<br />

Lied enthält mit seiner ruhig absteigenden Linie, dem folgenden<br />

Oktavsprung und der charakteristischen Wendung nach<br />

Moll die vielleicht schönste Melodie im ganzen Zyklus, die<br />

von der Singstimme bis hin zu ekstatischen Ausbrüchen und<br />

zurückfallend in traumentrückte Sphären geführt wird.<br />

In Sur les Lagunes, dem einzigen Moll-Lied innerhalb des<br />

Zyklus’ und gleichzeitig dessen Mittelpunkt, kleidet Berlioz<br />

die Totenklage um die geliebte Freundin in einen wiegenden<br />

Barkarolen-Rhythmus, der allerdings sofort durch ein kurzes<br />

chromatisches Lamento-Motiv getrübt wird. Aus der Einsamkeit<br />

des Meeres kehrt Absence mit dem gleichwohl<br />

vergeblichen Wunsch nach der Wiederkunft der Geliebten<br />

ins Leben zurück und changiert zwischen verzweifelten<br />

Aus brüchen von Trauer und melancholischem Nachsinnen.<br />

In Au Cimetière mit seinen engen Traum-Bezügen zum Geist<br />

der Rose wird die Grabesszenerie zur Klage der Toten über<br />

das Verschwinden der Erinnerung an die »bleiche Taube«.<br />

Das Schlusslied L’Île inconnue nimmt den leichten Tonfall<br />

des Beginns als Refrainlied wieder auf und schaukelt mit<br />

den Wellenfiguren von Meer und Wind erneut in die Bar -<br />

karole. Grund dafür ist eine neue Liebe, die voller Überschwang<br />

an jede gewünschte Anlegestelle gesegelt werden<br />

möge. Einzig ihr Wunsch, ans Ufer der Treue gebracht zu<br />

werden, ist nicht erfüllbar, denn dieser Ort sei im Land der<br />

Liebe nur wenig bekannt. Mit seinem verhaltenen Schluss<br />

erlaubt uns Berlioz das Atemholen vor jenem Moment der<br />

Stille, nach welchem das Schauspiel des Todes erneut<br />

aufgezogen wird und alles wieder von vorn beginnt…<br />

»In memoriam P. Tschaikowsky«<br />

Arenskys Streichquartett a-Moll<br />

Alexander Skrjabin und Sergej Rachmaninow waren Studienfreunde<br />

am Moskauer Konservatorium. In der Kunst der<br />

Fuge sollten sie von Anton Arensky unterwiesen werden, der<br />

zwar als hervorragender Komponist galt, sich jedoch keinesfalls<br />

zum Pädagogen berufen fühlte. Kein Wunder, dass die<br />

beiden begabten Schüler in Arenskys Unterricht vor Aufmerksamkeit<br />

und Wissendurst nicht eben zu strotzen gedachten.<br />

Als in den letzten beiden Lektionen vor der Prüfung<br />

Sergej Tanejew für den erkrankten Arensky eingesprungen<br />

war, erklärte er den ahnungslosen Schülern in zwei Stunden<br />

die wichtigsten Prinzipien des Fugenaufbaus. Mit Arensky<br />

als alleinigem Mentor wären sie hochkant durch die Prüfung<br />

gesaust!<br />

Wenngleich er als Lehrer zumindest bei seinen nicht unfaulen<br />

Meisterschüler-Haudegen einerseits einen ohnehin labilen<br />

Status zu wahren hatte, konnte Arensky doch andererseits<br />

umso sicherer auf sie zählen, denn als Komponisten<br />

verehrten sie ihn. Und die Tschaikowsky-Verehrung wie-<br />

III<br />

Samstag<br />

19 Uhr<br />

Anton Arensky<br />

(hinter dem Tisch<br />

sitzend) mit den<br />

Schülern seiner<br />

Abschlussklasse<br />

1892, rechts<br />

neben ihm<br />

Rachmaninow<br />

22<br />

kammermusikfestivalhohenstaufen<br />

kammermusikfestivalhohenstaufen<br />

23


derum lehrte er wie kein anderer in seinen kunstvollen Tonschöpfungen;<br />

insbesondere die <strong>Kammermusik</strong> Arenskys<br />

steht unter dem Einfluss des großen Vorbilds. Sein zweites<br />

Streichquartett ist Tschaikowsky nicht nur gewidmet, sondern<br />

erhält durch den Zusatz in memoriam die Bedeutung<br />

einer Requiem-Komposition. Unter dem unmittelbaren Eindruck<br />

des Todes von Tschaikowsky entstanden, fällt zunächst<br />

die unübliche, aber keinesfalls zufällige Besetzung<br />

mit zwei Violoncelli auf: »Es ist dies aber keine Grille des Autors,<br />

sondern die Konsequenz einer bestimmten Werkidee,<br />

das Resultat gründlicher Überlegungen, die auf ein kompakteres,<br />

fülligeres und dunkleres Klangbild zielen – auf ein<br />

Klangbild, das bisweilen an den Klang einer Orgel oder eines<br />

Männerchors erinnert.« (Alexander Ossowski, Rezension anlässlich<br />

der Erstausgabe, 1894)<br />

Ungeachtet dessen, dass der erwähnte Rezensent in seinem<br />

Resümee ausgerechnet eine »authentisch russische<br />

Diktion« innerhalb des a-Moll-Quartetts vermisste, vermittelt<br />

es doch den sicheren Eindruck, es handele sich um ein zutiefst<br />

russisches Werk – fast ist man geneigt sein zu sagen,<br />

noch russischer geht’s schlichtweg kaum noch. Möglicherweise<br />

resultiert solcherart ›Erkennen‹ aus der Fülle von Sinnund<br />

recht prominenten Zitat-Ebenen, die der Komponist hier<br />

geschickt zusammenführt.<br />

Dem Thema des ersten Satzes liegt eine psalmodierende<br />

Phrase der orthodoxen Totenmesse panichida zugrunde:<br />

Der zweite Satz entwickelt Variationen über Tschaikowskys<br />

Lied Legende op. 54, Nr. 5:<br />

Im Schlusssatz bildet das kirchenslawische Requiem-Thema<br />

wetchnaja pamjat die langsame Einleitung:<br />

Es wird mit dem bekannten Volkslied Slava!, das zur russischen<br />

Krönungshymne avancierte und übrigens auch von<br />

Beethoven im Scherzo-Trio seines »Rasumowsky«-Quartetts<br />

op. 52, 2 verwendet wurde, in teilweise fugierten Abschnitten<br />

effektvoll verarbeitet:<br />

Das Werk wurde noch vor der Drucklegung am 20. Januar<br />

1894 in einem Konzert der Kaiserlichen Musikgesellschaft in<br />

Moskau vom Manuskript gespielt.<br />

»… von einer schönen Frau vorsingen lassen«<br />

Kahns Jungbrunnen-Lieder mit Klaviertrio<br />

Es muss wohl – wie an dieser Stelle bereits vor fünf Jahren<br />

vermutet – ohne jeden Zweifel in der Familie liegen: »... und<br />

hier wartete das ganze Haus voller Gäste mit gezückten Instrumenten<br />

auf mich! Wir hatten ein richtiges dreitägiges<br />

Musikfest mit <strong>Kammermusik</strong> und Gesang«, schrieb Robert<br />

Kahn 1933 aus Feldberg. »Unser Haus liegt völlig einsam<br />

am Rand eines schönen Waldes, 20 Min. von dem kleinen<br />

Städtchen entfernt, das man von Neustrelitz mit einem<br />

Bimmelbähnchen in 3/4 Std. erreicht.«<br />

Dass es sich bei jenem Robert um den Urgroßvater von<br />

Rahel und Sara Rilling handelt, mag ja noch als erstaunlicher<br />

Zufall durchgehen, dass er allerdings im Geburtsjahr seines<br />

Schwiegerenkels Helmuth mitten im Mecklenburgischen ein<br />

<strong>Kammermusik</strong>festival mit Gesang veranstaltete: das ist mehr<br />

als verblüffend! Es stimmt alles, wobei unser »Josefle« (die<br />

leider 1984 rückgebaute <strong>Hohenstaufen</strong>bahn) wohl eher<br />

dampfgepfiffen und später gehupt, als Bähnchen nie aber<br />

gebimmelt hat…<br />

Das »Haus Obdach« befand sich auf dem Ziegenberg im<br />

kleinen mecklenburgischen Feldberg, und da Kahns jüdische<br />

Herkunft hier nicht bekannt war, konnte er sich dem Zugriff<br />

der Nazis vorerst entziehen, entschloss sich jedoch nach<br />

den Ereignissen vom Spätherbst 1938, Deutschland zu ver-<br />

24 kammermusikfestivalhohenstaufen kammermusikfestivalhohenstaufen<br />

25


Kahn mit seinen<br />

Töchtern Irene<br />

(Mutter von Martina)<br />

und der älteren<br />

Hanna in Kampen,<br />

1909<br />

lassen, um die verbleibenden<br />

12 Jahre seines Lebens in<br />

England zu verbringen. Hier<br />

haben ihn die fünfjährige Martina<br />

und ihr Bruder Gottfried<br />

Greiner 1950 »mit abenteuerlichen<br />

Papieren von Leipzig<br />

aus« einmal besucht, können<br />

sich aber lediglich »an einen<br />

schönen langen Bart und viel<br />

Schokolade« erinnern.<br />

Nach einer prägenden Begegnung<br />

mit Johannes Brahms<br />

1886 lebte Robert Kahn als<br />

freischaffender Komponist in<br />

Berlin, war dann Korrepetitor am Stadttheater in Leipzig und<br />

kehrte als Dozent der Königlichen Hochschule für Musik nach<br />

Berlin zurück. Neben <strong>Kammermusik</strong>- (darunter zwei Streichquartette,<br />

das erste vom Joachim-Quartett uraufgeführt) und<br />

Chorwerken komponierte er zahlreiche Lieder, die ab etwa<br />

1905 deutlich ins Zentrum seines Schaffens treten.<br />

Mit großem Interesse wendet sich Kahn auch der Lyrik<br />

Paul Heyses zu, schreibt einen Großteil seiner insgesamt<br />

21 Vertonungen des Dichters innerhalb des ersten Jahrzehnts<br />

nach 1900. Anders als die meisten Komponisten vor ihm<br />

greift er nicht zu den italienischen oder spanischen Liedern,<br />

sondern wie Peter Cornelius zu Heyses Jugendgedichten. In<br />

seinen Liedern aus dem Jungbrunnen von 1906 konzentriert<br />

er sich ganz auf musikalische Grundstimmungen mit einer in<br />

sich abgerundeten Melodie im Mittelpunkt. Die Instrumente<br />

partizipieren dabei vielfach selbst an der Gesangsmelodik,<br />

bieten darüber hinaus allerdings kaum eigene thematische<br />

Impulse oder kompositorische Entwicklungen, wie es in<br />

Kahns späteren Liedern immer öfter zu beobachten sein wird.<br />

Vielleicht steckte ihm noch eine Episode in den Gliedern,<br />

bei der Kahn von keinem Geringeren als Brahms einen<br />

ordentlichen Rüffel bekam: »Eines Abends sah er, daß aus<br />

meiner Rocktasche ein Manuskript hervorguckte. Es waren<br />

Lieder, die ich im vergangenen Jahr [1885] geschrieben, sie<br />

taugten nicht gerade viel, gefielen mir aber<br />

damals noch ganz gut. Er ließ sie sich geben,<br />

las sie durch und brummte zum Schluß nur:<br />

›Hm, die müßte man sich mal von einer schönen<br />

Frau vorsingen lassen‹. Ich war etwas verdutzt,<br />

verstand nicht gleich, was er damit sagen wollte, und beging<br />

die Ungeschicklichkeit [etwas] darauf zu erwidern […]« – Woraufhin<br />

Brahms die Liedern vollends und »ziemlich grausam«<br />

zerpflückte, insbesondere eine leidenschaftliche Komposition,<br />

bei der Kahn sich »in so eine Rage hineinge redet« habe. Was<br />

letzterer hinfort zu vermeiden suchte.<br />

»Absolute Musik im reinsten Sinne des Wortes«<br />

Faurés erstes Klavierquintett d-Moll<br />

Mit dem Aufschlagen einer <strong>Kammermusik</strong>-Partitur von Gabriel<br />

Fauré öffnet sich immer wieder zugleich ein wundersames<br />

Schatzkästlein. Seine Musik erreicht nicht selten jenen<br />

Charme, den Debussy mit der »Geste einer schönen Frau«<br />

verglich, sie ist von geradezu zärtlicher Harmonie und taumelt<br />

träumerisch zwischen alten Tanzweisen und der glühenden<br />

Energie eines leidenschaftlichen Liebhabers. So kennen wir<br />

ihn, doch hinter dem jungen Salonmusiker verbirgt sich noch<br />

ein anderer Fauré, der tiefgründiger, noch geheimnisvoller ist<br />

und dessen Gesten sich dem galanten Flirt verweigern. Es ist<br />

jener oft zitierte »unendliche Reichtum«, mit dem seine Musik<br />

aufwartet, ohne dass man ohne weiteres analysieren könnte,<br />

aus welchen Einzelbestandteilen diese Überfülle an Kostbarkeit<br />

besteht – was ja auch überhaupt nicht notwendig ist. Das<br />

Schönste am Schatz ist schließlich sein Geheimnis.<br />

Die ersten Skizzen stammen aus dem Jahr 1891, als Fauré<br />

zunächst vorhatte, ein drittes Quartett zu schreiben. Er gab<br />

diesen Plan auf und nahm die Skizzen 1903 erst wieder hervor,<br />

um sie nun für eine Quintettbesetzung zu erweitern. Die<br />

Arbeit an der Partitur fiel ihm schwer – zumal er mit einem<br />

starken Tinnitus erste Anzeichen der Taubheit spürte – und erstreckte<br />

sich über mehrere Jahre, hauptsächlich während seiner<br />

Schweizer Sommeraufenthalte. Am 23. März 1906 erklang<br />

26<br />

kammermusikfestivalhohenstaufen<br />

kammermusikfestivalhohenstaufen<br />

27


Gabriel Fauré<br />

und seine Frau<br />

Marie in Prunay<br />

das Werk zum ersten Mal im<br />

Cercle Royal Gaulois in Brüssel<br />

mit dem Quatuor Ysaÿe und<br />

dem Komponisten am Klavier.<br />

Der Geiger und Komponist<br />

Eugène Ysaÿe, dem das Werk<br />

gewidmet ist, war tief bewegt:<br />

»Großartiger und erhabener als<br />

die Quartette und in noch<br />

höherem Maße jeder Effekt -<br />

hascherei abhold, absolute<br />

Musik im wahrsten Sinne des<br />

Wortes.«<br />

In Faurés Quintett ist der<br />

Höhepunkt einer konsequenten<br />

Entwicklung erreicht; alles<br />

ist vorhanden: die nunmehr nur<br />

noch dreisätzige Form, das<br />

soghafte Dahinfließen der Melodie mit ihren modal immerwährend<br />

andersfarbigen polyphonen Linien, sein schwere -<br />

loses (quasi impressionistisches) und doch immer logisch<br />

strukturiertes Jonglieren mit den Finessen spätromantischer<br />

Harmonik, wiederkehrende rhythmische Motive voll eleganter<br />

Bewegung, doch auch der faszinierende Charme seiner<br />

Jugendwerke, der sich auf feinsinnige Art ins Geschehen<br />

hineinschwingt. Mit alledem weiß Fauré zu bezaubern, zu<br />

verführen, wie mit einem geheimnisvollen Lichtschimmer aus<br />

einer fernen Welt: Wir befinden uns mitten drin in seinem<br />

wundersamen Schatzkästlein.<br />

»… mit Brauerei-Tradition?«<br />

Ysaÿes Premier Trio<br />

Diese verflixte Unart, jedem seriös wirkenden Musikstück<br />

irgendeinen zusätzlichen Namen verpassen zu müssen! Als<br />

ob die Musikwissenschaft nicht schon genug damit zu tun<br />

hätte, ihre doch recht einsame Definition des eigenen Selbstverständnisses<br />

ein wenig zu erweitern, muss sie sich immerwährend<br />

mit Titeln dubioser Herkunft befassen, um meistens<br />

pflichtschuldigst widerlegen zu können, dass sie irgendetwas<br />

mit den Intentionen der Komponisten zu tun gehabt haben<br />

könnten. –<br />

Liest man sich durch die spärliche Sekundärliteratur zu<br />

Ysaÿes Trio, begegnet man rasch einem halben Dutzend Erklärungsversuche<br />

zur Herkunft des Namens »Le Chimay«:<br />

Eine »Schimäre« mythischen Ursprungs mag als Entgleisung<br />

rasch außer Relevanz fallen, doch der »belgische Ort mit<br />

Brauerei-Tradition«, gar ein »belgisches Trappisten-Bier« klingen<br />

schon recht plausibel und ohnehin nicht schlecht (zumal<br />

Ysaÿe wohl hin und wieder ein, zwei Gläschen vor dem Auftritt<br />

zu sich genommen hat). Weitere mögliche Provenienzen<br />

werden mit einer »belgischen Abtei« oder dem »Prinzen von<br />

Chimay« zu klären gesucht, sogar ein Instrument dieses<br />

Namens soll es gewesen sein! Tatsächlich spielte Ysaÿe bei<br />

einem Konzert der Künstlergruppe<br />

»Les XX« im Jahr 1890<br />

d’Indys Lied pour violoncelle auf<br />

einer Bratsche (!) des Prinzen<br />

von Chimay aus dessen Sammlung<br />

am Brüsseler Konservatorium.<br />

Doch auch hier hatte der<br />

Komponist nicht die geringste<br />

Ahnung vom Spitznamen seines<br />

Trios, und die Chause ist in diesem<br />

Fall noch viel pointierter,<br />

denn offensichtlich hat es jemand<br />

vermocht, den Zusatz »Le<br />

Chimay« im Kontext der ersten<br />

IV<br />

Sonntag<br />

17 Uhr<br />

Ysaÿe (sitzend) im<br />

Haus des<br />

Meistergeigenbauers<br />

Pierre Hel in Lille,<br />

1927<br />

28<br />

kammermusikfestivalhohenstaufen<br />

kammermusikfestivalhohenstaufen<br />

29


ekannten Aufführung des Werkes im »Château des Princes<br />

de Caraman-Chimay« zu lancieren, und die fand erst 1964<br />

statt! Seither tappt man weitgehend im Dunkeln, welche Verbindung<br />

es zwischen Ysaÿe und irgendeinem Chimay gegeben<br />

haben könnte, während der norwegische Geiger und Forscher<br />

Tor Johan Bøen des Rätsels Lösung erst bzw. bereits<br />

vor vier Jahren herausfand – herrlich!<br />

Zwei Streichtrios komponierte Eugène Ysaÿe im Sommer<br />

1927 in Le Zoute an der belgischen Nordseeküste, beide als<br />

einsätzige, aber deutlich gegliederte Werke. Das erste – unser<br />

– Trio entstand Mitte Juli/August, das zweite im September<br />

(es wurde erst 2008 durch den erwähnten Norweger aus der<br />

Taufe gehoben). Ein Entwurf zu einem dritten Trio hat Ysaÿe<br />

nicht fertiggestellt. Das Premier Trio ist dem belgischen Bratscher<br />

Léon van Hout gewidmet, der von 1888 bis 1894 Mitglied<br />

im Quatour Ysaÿe war.<br />

In Ysaÿes erstem Trio »wechselt intimes Musizieren mit<br />

Ausbrüchen, die klanglich über die kleine Besetzung hinaus<br />

streben«, heißt es in seiner CD-Rezension (klassik.com 2009).<br />

»Doch liegt über allem – trotz der immer wieder aufkeimenden,<br />

flirrenden Farbfelder –, eine herbe, spätherbstliche<br />

Strenge, verbunden mit subtiler Kontrapunktik und einem bisweilen<br />

in kurze Monologe mündenden Schweifen, das über<br />

mehrere Abschnitte unterschiedlichen musikalischen Charakters<br />

führt.« Dabei wird jedes der drei Instrumente technisch<br />

wie gestalterisch ungemein gefordert und vielfach die Intensität<br />

des Ausdrucks über die Schönheit des Tons gestellt; das<br />

Ganze bewegt sich an der Grenze der Tonalität, ohne dieselbe<br />

gänzlich zu verlassen. »Le Chimay« – jetzt wissen wir’s also…<br />

»… der Welt abhanden gekommen«<br />

Mahlers Rückert-Lieder in der Henschel-Bearbeitung<br />

Im Vergleich zu Brahms, Schumann oder gar Schubert hat<br />

Gustav Mahler wenige Lieder komponiert. Neben der Vertonung<br />

von Volkslieddichtungen aus Des Knaben Wunderhorn<br />

(mit 28 Texten) lagen ihm die Werke Friedrich Rückerts besonders<br />

am Herzen, von dem er insgesamt 10 Gedichte vertonte.<br />

Die Sieben Lieder aus letzter Zeit (1899–<br />

1903) fügen mit zwei Wunderhorn-Gedichten<br />

und den fünf Rückert-Liedern<br />

nochmals diese beiden Mahlerschen<br />

Magnetfelder zusammen. Dabei bilden<br />

letztere keinen eigenen Zyklus, auch<br />

wenn sie (gemeinsam mit dem heute<br />

nicht zu hörenden Lied Liebst du um<br />

Schönheit, das als frühes Liebesgeschenk<br />

an Alma entstanden war) als solcher<br />

immer wieder aufgeführt werden.<br />

Waren ihm die Volkslied-Texte einerseits immer eine Art<br />

›Naturstoff‹ oder »Felsblöcke, aus denen jeder das Seine formen<br />

dürfe«, wie es Ida Dehmel als Mahlers Bemerkung in ihr<br />

Tagebuch notiert hat, so sah Mahler in Rückerts Lyrik kraft ihrer<br />

eigener Musikalität die Herausforderung, durch eine Verschmelzung<br />

beider Ebenen zu einer Musik mit ureigenem<br />

Sprachcharakter zu gelangen. Anton Webern berichtete, Mahler<br />

habe die Rückert-Gedichte (neben den fünf erwähnten die<br />

Kindertotenlieder) als »Lyrik aus erster Hand« bezeichnet. Jedenfalls<br />

zählte er selbst diese Lieder zu seinen persönlichsten<br />

Schöpfungen. Im Lied Ich atmet’ einen linden Duft liege »die<br />

verhaltene glückliche Empfindung, wie wenn man in der Gegenwart<br />

eines lieben Menschen weilt, dessen man ganz sicher<br />

ist, ohne daß es auch nur eines Wortes zwischen den<br />

beiden Seelen bedürfe« (1901 lernte Mahler Alma Schindler<br />

kennen), Blicke mir nicht in die Lieder! sei für ihn »so charakteristisch,<br />

als ob er es selbst gedichtet«, und das »Ich«, das<br />

der Welt abhanden gekommen ist – das sei er selbst.<br />

Im Jahr 2004 hat der Bariton Dietrich Henschel, eigentlich<br />

ausgebildeter Dirigent und Pianist, die fünf Rückert-Lieder von<br />

Gustav Mahler für Stimme und Streichquartett bearbeitet. Anlässlich<br />

der deutschen Erstaufführung am 5. November 2005<br />

im Berliner Konzerthaus mit Henschel selbst und dem Vogler-<br />

Quartett erklärte der vielseitige Künstler gegenüber der BZ:<br />

»Bei Mahler hat mich die Möglichkeit gereizt, diese Stücke<br />

– die es ja in einem originalen Klaviersatz und in einem originalen<br />

Orchestersatz gibt – manipulativ zu behandeln. Wenn<br />

ich zum Beispiel im Konzert vor dem Klavier stehe, dann habe<br />

Ausschnitt aus<br />

der Bearbeitung<br />

des Liedes<br />

Um Mitternacht<br />

30<br />

kammermusikfestivalhohenstaufen kammermusikfestivalhohenstaufen<br />

31


ich, während ich den Pianisten spielen höre, in meiner Fantasie<br />

die Vorstellung eines idealen Orchesterklangs. Diesen<br />

Klang habe ich allerdings noch nie von einem Orchester gehört.<br />

Es hat mich gereizt, in einer sehr reduzierten Besetzung<br />

diesem Ideal in bestimmten Momenten näher zu kommen,<br />

unter anderem, in dem ich auch moderne Spieltechniken einsetzte.<br />

Die Stücke sind sehr zart, sehr ätherisch. Und was mir<br />

klanglich vorschwebte, sollte ebenso sein. Nur eben unter<br />

Einsatz von Mitteln, die mir aus meiner modernen Klangerfahrung<br />

erwachsen. […]<br />

Fakt ist, dass es eine große Skepsis gegenüber dem<br />

Genre ›Lied‹ gibt, weil im Lied ganz oft eine emotionale Äußerung<br />

im Verhältnis eins zu eins in Kunst übersetzt werden soll.<br />

Im Lied ist an und für sich keine theatralische Brechung dieser<br />

Emotionalität angelegt. Diese Skepsis erledigt sich aber<br />

meiner Ansicht nach von selbst, weil sich ein Sänger, der Lieder<br />

singt, ohnehin auf eine Bühne stellt und Theater macht.<br />

Inzwischen sind unsere theatralischen Gewohnheiten so weiterentwickelt,<br />

dass man diese Emotionalität nicht mehr direkt<br />

umzusetzen braucht, um sie trotzdem verstehbar zu machen.«<br />

»… einen Kopf – mit der Pistole davor«<br />

Brahms’ Klavierquartett c-Moll<br />

Der Kopfsatz von 1855 und ein langsamer Satz in cis-Moll<br />

von 1856 bilden aller Wahrscheinlichkeit nach die ersten Entwürfe<br />

zu einem Quartett, denen ein Finale folgte, das uns –<br />

wie auch der langsame Satz – »zu großem musikologischen<br />

Jammer« (Siegfried Oechsle) nicht überliefert ist. Brahms hat<br />

sich dann nachweislich seit 1869 wieder mit dem Werk beschäftigt;<br />

seine endgültige Gestalt erhielt es allerdings erst im<br />

Sommer 1875 im Urlaubsort Ziegelhausen bei Heidelberg, wo<br />

es auch in Anwesenheit von Clara Schumann probiert wurde.<br />

Kopfsatz und Scherzo gehen auf frühere Fassungen zurück,<br />

während Andante und das Finale der im November 1875 veröffentlichen<br />

c-Moll-Fassung jüngeren Datums sind.<br />

In einer für Brahms typischen ›Kokett-Ironie‹ kommentierte<br />

er die Zusendung des Manuskripts an seinen Verleger Sim-<br />

rock am 12. August 1875: »Nun ist das<br />

Schlimme, daß mir Peters für so ein Stück<br />

gern 1000 Taler gibt! Das ist es nicht wert –<br />

aber was geht das mich an! Ich rate nicht<br />

dazu und wasche meine Hände. Einen Vorteil<br />

hat das Stück. In welcher Weise Sie<br />

auch meinem Talent mißtrauen, dies kann<br />

ich entschuldigen. Halten Sie mich jetzt für<br />

altersschwach und philiströs oder meinen<br />

Sie gegenteils, jetzt erst lerne ich endlich<br />

einiges – dies Quartett ist zur Hälfte alt, zur<br />

Hälfte neu – es taugt also der ganze Kerl<br />

nichts!« Selbstverständlich nahm Simrock<br />

das Quartett sofort mit Kusshand.<br />

Im selben Brief äußerte sich Brahms<br />

aber auch deutlich rücksichtsloser, mit einer<br />

geradezu sui zidalen Werther-Stimmung,<br />

die sich nur noch in mühsam witzigen Sarkasmus<br />

kleidet: »Außerdem dürfen Sie auf dem Titelblatt ein<br />

Bild anbringen Nämlich einen Kopf – mit der Pistole davor.<br />

Nun können Sie sich einen Begriff von der Musik machen!<br />

Ich werde Ihnen zu dem Zweck meine Photographie schicken!<br />

Blauen Frack, gelbe Hosen und Stulpstiefeln können<br />

Sie auch anwenden, da Sie den Farbendruck zu lieben<br />

scheinen.«<br />

Der Kieler Brahms-Kenner Siegfried Oechsle meint dazu:<br />

»Dies mit der Liebe zu Clara Schumann zu verbinden, liegt<br />

anscheinend nahe und hätte – biographisch wörtlich genommen<br />

– zu bedeuten, dass Brahms sich in den Jahren<br />

1855/56 im Zustand tiefster Verzweiflung befand. Vor einer<br />

direkten Zuordnung von biographischem Wissen und kompositorischen<br />

Sachverhalten wäre indes zu warnen; denn<br />

Brahms’ späte Äußerungen bemühen einen literarischen<br />

Topos, der noch dazu durch das Mittel der Ironisierung auf<br />

Distanz gehalten wird. Überdies scheint Clara Schumann<br />

von den fatalen Entstehungsumständen kaum Ahnung<br />

besessen zu haben; denn sie kritisierte 1875 den hoch -<br />

pathetischen ersten Satz und regt mit einer fragwürdigen<br />

Ermunterung sogar eine Neukomposition an: ›Wie leicht fin-<br />

Brahms-Postkarte<br />

32<br />

kammermusikfestivalhohenstaufen<br />

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33


dest Du dieselbe Stimmung wieder, das hast Du ja manchmal<br />

schon bewiesen und wie herrlich‹. Wenn Clara diesen<br />

Gedanken mit der Bemerkung: ›Verzeih, vielleicht ist es<br />

dumm, was ich sage‹, beschließt, dann regt dies noch heute<br />

zu intensiven Spekulationen über Brahms’ Reaktion an.«<br />

Die erste Aufführung des c-Moll-Quartetts fand am<br />

18. November 1875 im Wiener Musikvereinssaal mit dem<br />

Hellmesberger-Quartett und Brahms am Flügel statt; eine<br />

Generalprobe aus den Korrekturfahnen war kurz davor anlässlich<br />

der Einweihung von Billroths neuem Musiksaal veranstaltet<br />

worden. Vor der letzten Überarbeitung im Sommer<br />

1875 ist das Quartett allerdings bereits am 12. Oktober 1874<br />

in Leipzig den Besuchern eines<br />

Gewandhaus-Extrakonzerts vorgestellt<br />

worden. Am Klavier saß<br />

Fräulein Jeanne Becker, während<br />

Herr Jean Becker das Streichtrio<br />

seines Quartetts anführte: Es handelte<br />

sich um das bis 1880 bestehende<br />

»Florentiner Quartett Jean<br />

Becker«, das der Geiger im Jahre<br />

1865 während einer Konzertreise<br />

gegründet hatte – in Florenz…<br />

Arrivederci!<br />

Die Mitglieder des Florentiner<br />

Streichquartetts, um/nach 1874<br />

Foto von Emilie Biber<br />

(Porträtsammlung Manskopf,<br />

Universität Frankfurt a.M.)<br />

Verein <strong>Kammermusik</strong><br />

<strong>Festival</strong> <strong>Hohenstaufen</strong> e.V.<br />

Der Eintritt zu den Konzerten des<br />

<strong>Kammermusik</strong> <strong>Festival</strong> <strong>Hohenstaufen</strong><br />

ist traditionell frei. Wie<br />

geht das? Seit Beginn des <strong>Festival</strong>s<br />

2006 treten unsere Künstler<br />

ohne Honorar auf. Die Freude am<br />

gemeinsamen Musizieren und die<br />

einzigartige Atmosphäre in <strong>Hohenstaufen</strong><br />

machen es möglich.<br />

Trotzdem kostet so ein <strong>Festival</strong><br />

natürlich viel Geld.<br />

Mit Ihrem (frei wählbaren) Mitgliedsbeitrag<br />

unterstützen Sie uns<br />

nachhaltig und sichern somit das<br />

Fortbestehen des <strong>Festival</strong>s. Für<br />

Sie als Vereinsmitglied reservieren<br />

wir die besten Sitzplätze für die<br />

Konzerte in der <strong>Kirche</strong>. Wir bieten<br />

Ihnen die Möglichkeit – nach Anmeldung<br />

– ausgewählte Proben<br />

zu besuchen und werden Sie<br />

selbstverständlich frühzeitig über<br />

alle Neuigkeiten informieren. Außerdem<br />

laden wir Sie, Ihre Familie<br />

und Ihre Freunde persönlich zu<br />

exklusiven Mitgliederkonzerten<br />

mit anschließender Versammlung<br />

ein. Zu Weihnachten erhalten Sie<br />

eine CD mit einem Mitschnitt der<br />

<strong>Festival</strong>konzerte.<br />

Wir würden uns ganz außer -<br />

ordentlich freuen, Sie als Mitglied<br />

in unserem Verein begrüßen<br />

zu dürfen.<br />

Dávid<br />

Violoncello<br />

Dávid Adorján, 1972 in Köln geboren, erhielt<br />

seinen ersten Cellounterricht im Alter<br />

von fünf Jahren. Seine Lehrer waren Jan<br />

Polasek, Frans Helmerson und Heinrich<br />

Schiff. 1986 wurde er Bundes preis träger<br />

beim Wettbewerb »Jugend Musiziert«,<br />

1993 erhielt er den Kulturförderpreis<br />

Gasteig und gewann im Jahr darauf den<br />

1. Preis beim Internationalen Cellowettbewerb<br />

in Gorizia, Italien. 1999 wurde er<br />

Solocellist im Deutschen Symphonie-<br />

Orchester Berlin. Dávid Adorján ist <strong>Kammermusik</strong>partner<br />

von Renaud Capuçon,<br />

Jörg Widmann und Heinrich Schiff und<br />

spielt an der Seite der Pianisten Alexander<br />

Lonquich, Oliver Triendl, Alexandre<br />

Rabinovitch, Paolo Giacometti und Anna<br />

Gourari. Als Solist konzertierte Dávid mit<br />

Orchestern in Deutschland, Italien, Frankreich,<br />

der Türkei, Slowenien, Österreich,<br />

Japan und Südamerika unter der Leitung<br />

von Dirigenten wie Christopher Hogwood,<br />

Michael Gielen und Mariss Jansons.<br />

Rundfunkproduktionen (BR, SWR, WDR,<br />

DRS) und CD-Produktionen bei Labels wie<br />

cpo und Thorofon dokumentieren seinen<br />

künstlerischen Rang. Dávid Adorján spielt<br />

ein Violoncello von Carlo Giuseppe<br />

Testore, Mailand, aus dem Jahre 169<strong>7.</strong><br />

34<br />

kammermusikfestivalhohenstaufen<br />

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Ani<br />

Violoncello<br />

Amihai<br />

Viola<br />

Asaf<br />

Violine<br />

Michael<br />

Bariton<br />

Antoaneta Emanuilova absolvierte ihr<br />

Studium bei Wolfgang Boettcher und Jens<br />

Peter Maintz in Berlin, sowie bei Joel<br />

Krosnick an der Juilliard School in New<br />

York. Neben etlichen ersten Bundespreisen<br />

beim Wettbewerb »Jugend Musiziert«<br />

erhielt sie einen 1. Preis beim Domenico-<br />

Gabrielli-Violoncellowettbewerb in Berlin<br />

und den Grand Prix beim internationalen<br />

Wettbewerb »Musik und Erde« in Sofia.<br />

Als Solistin spielte sie u.a. mit den Baden-<br />

Badener Philharmonikern, den Sofioter<br />

Solisten sowie der Sinfonietta Sofia. Ihre<br />

intensive kammermusikalische Tätigkeit<br />

führte sie zu künstlerischer Zusammenarbeit<br />

mit u.a. Thomas Brandis, Eszter<br />

Haffner und dem Kuss-Quartett. Antoaneta<br />

Emanuilova war von 2007- 2012 im<br />

Gürzenich Orchester Köln, zuerst als erste<br />

Solocellistin und später mit einem festen<br />

Vertrag als stellvertretende Solocellistin.<br />

Zur Zeit lebt sie als freischaffende Musikerin.<br />

Sie ist eine gefragte <strong>Kammermusik</strong>erin,<br />

spielt regelmäßig im Mahler Chamber<br />

Orchestra und ist Mitglied des Lucerne<br />

<strong>Festival</strong> Orchestra unter der Leitung von<br />

Claudio Abbado.<br />

Amihai Grosz, geboren 1979 in Jerusalem,<br />

ist Gründungsmitglied des renommierten<br />

Jerusalem Quartet. Seit zwei Jahren spielt<br />

er als erster Bratscher bei den Berliner Philharmonikern<br />

und widmet sich seiner solistischen<br />

Karriere, die ihn bereits mit international<br />

renommierten Orchestern wie Daniel<br />

Barenboims West-Eastern Divan Orchestra<br />

oder dem Jerusalem Symphony Orchestra<br />

zusammenführte; aktuelle Projekte beinhalten<br />

Konzerte an der Oper in Valencia, im<br />

Concertgebouw Amsterdam, im Megaron in<br />

Athen und mit dem Israel Philharmonic<br />

Orchestra. Grosz übte sich im Alter von 5<br />

Jahren zunächst an der Violine, bevor er mit<br />

11 Jahren zur Viola wechselte. In Jerusalem<br />

erhielt er Unterricht bei David Chen, später<br />

bei Tabea Zimmermann in Frankfurt und<br />

Berlin sowie in Tel Aviv bei Haim Taub, der<br />

ihn in hohem Maße prägte. Schon früh erhielt<br />

er Stipendien und Preise und war Mitglied<br />

der »Young Musicians Group« des<br />

Jerusalem Music Centers, eines Programms<br />

für besonders talentierte junge Musiker. In<br />

solistischen und kammermusikalischen<br />

Projekten arbeitet er mit Künstlern wie Yefim<br />

Bronfman, Emmanuel Pahud, Mitsuko Uchida,<br />

Oleg Maisenberg, Janine Jansen, Julian<br />

Rachlin und David Geringas zusammen.<br />

Amihai Grosz spielt eine Gaspar-da-Salo-<br />

Bratsche von 1570, die ihm von einer privaten<br />

Sammlung auf Lebenszeit als Leihgabe<br />

zur Verfügung gestellt wurde.<br />

Asaf Maoz, 1979 in Israel geboren, studierte<br />

an der Rubin Academy of Music in Tel<br />

Aviv bei Ahuva Driblat, Simon Yerushevich<br />

und Ora Shiran und an der Hochschule für<br />

Musik in Rostock bei Axel Wilczok.<br />

Meisterklassen bei Isaac Stern, Ralph<br />

Kirschbaum, Tabea Zimmermann, Henry<br />

Mayer und Pinchas Zuckerman verfeinerten<br />

seine Ausbildung. Er diente als Musiker<br />

in der »Israeli Defenense Force« und spielte<br />

zahlreiche Rundfunkaufnahmen mit<br />

Werken junger prominenter israelischer<br />

Komponisten ein. Er gewann diverse<br />

Wettbewerbe und erhielt Stipendien von<br />

der America-Israel Foundation, von der<br />

Yehudi Menuhin Stiftung »Live Music Now«<br />

und der Fundación Barenboim-Said.<br />

Momentan lebt Asaf in Berlin und arbeitet<br />

als Konzertmeister und Stimmführer der<br />

zweiten Violinen an der Komischen Oper,<br />

im Deutschen Kammerorchester Berlin, im<br />

Tel Aviv Soloists Ensemble und im Verbier<br />

<strong>Festival</strong> Chamber Orchestra. Seit 2000<br />

ist er Mitglied im West-Eastern Divan<br />

Orchestra unter der Leitung von Daniel<br />

Barenboim. 2006/07 war er Stimmführer<br />

bei den Bielefelder Philharmonikern. Als<br />

erfahrener <strong>Kammermusik</strong>er wurde er zu<br />

<strong>Festival</strong>s in die USA, in die Schweiz, und<br />

nach Israel eingeladen. Überdies ist Asaf<br />

Mitglied des Capital Dance Orchestra, das<br />

sich auf Swing-Musik spezialisiert hat.<br />

Der 1976 geborene Bariton Michael Nagy<br />

studierte Gesang bei Rudolf Piernay, Liedgestaltung<br />

bei Irwin Gage sowie Dirigieren<br />

und gewann 2004 den Internationalen<br />

Wettbewerb für Liedkunst der Hugo-Wolf-<br />

Akademie Stuttgart. Nach zwei Spielzeiten<br />

an der Komischen Oper Berlin wechselte er<br />

2006 bis 2011 ins Ensemble der Oper<br />

Frankfurt. Gastengagements führten ihn<br />

zuletzt ans Opernhaus Oslo, an die Bayerische<br />

Staatsoper und ans Theater an der<br />

Wien. Höhepunkt seiner bisherigen Opernkarriere<br />

ist für den Sänger sein Debüt bei<br />

den 100. Bayreuther Festspielen als Wolfram.<br />

Als Konzertsänger gastierte Michael<br />

Nagy u. a. im Concertgebouw Amsterdam,<br />

der NHK Hall Tokio und der Carnegie Hall<br />

New York. Mit Adam Fischer und dem<br />

Chamber Orchestra of Europe, Paavo Järvi<br />

mit dem hr Sinfonieorchester, Thomas<br />

Hengelbrock und dem Balthasar-<br />

Neumann-Chor sowie Christoph Eschenbach<br />

und dem NDR Sinfonieorchester<br />

finden sich in jüngster Vergangenheit prominente<br />

musikalische Partner für sein breit<br />

gefächertes Konzertrepertoire. Einladungen<br />

beim BR Sinfonieorchester (Mahler<br />

Wunderhornlieder) und eine Reise mit René<br />

Jacobs nach Seoul (Bach h-Moll-Messe)<br />

stehen im aktuellen Kalender. Zusammen<br />

mit Gerold Huber präsentiert sich Michael<br />

Nagy im März 2012 mit einem Liederabend<br />

beim Deutschlandfunk Köln.<br />

36 kammermusikfestivalhohenstaufen<br />

kammermusikfestivalhohenstaufen<br />

37


Lena<br />

Violine<br />

Zvi<br />

Violoncello<br />

Rahel<br />

Violine<br />

Sara<br />

Viola<br />

Lena Neudauer, 1984 in München geboren,<br />

zeigte schon früh eine außergewöhnliche<br />

Begabung, sah sich aber nie als Wunder -<br />

kind. Mit 11 Jahren kam sie in die Klasse von<br />

Helmut Zehetmair an das Mozarteum Salzburg.<br />

Internationale Aufmerksamkeit errang<br />

Lena Neudauer, als sie 15-jährig spektakulär<br />

den Leopold-Mozart-Wettbewerb in Augsburg<br />

nicht nur gewann, sondern auch nahezu<br />

alle Sonderpreise erhielt. Sie studierte<br />

bei Christoph Poppen, Helmut und Thomas<br />

Zehetmair, spielte viel <strong>Kammermusik</strong> und<br />

Neue Musik, nebenher Schlagzeug und Keyboard<br />

in einer Rock band, heiratete und erfreute<br />

sich über die Geburt ihrer zwei Kinder.<br />

Ihre Offenheit für die unterschiedlichsten<br />

musikalischen Richtungen hat Lena Neu -<br />

dauer immer weiter entwickelt: sei es bei<br />

Boulez und seiner Lucerne <strong>Festival</strong> Academy<br />

oder mit Mozarts Musik, zu der sie eine<br />

besondere Affinität hat. 2010 erschien ihre<br />

preisge krönte Debüt-CD bei Hänssler Classic<br />

mit einer Gesamteinspielung der Werke<br />

für Violine und Orchester von Robert Schumann.<br />

Zum Wintersemester 2010 wurde sie<br />

als Professorin an die Hochschule für Musik<br />

Saar berufen. Sie engagiert sich neben ihrer<br />

Konzerttätigkeit in der von Lars Vogt gegrün -<br />

deten Organisation »Rhapsody in School«,<br />

welche sich für die Vermittlung von Klassik in<br />

Schulen einsetzt. Lena Neudauer spielt auf<br />

einer Geige von Lorenzo Guadagnini aus<br />

dem Jahr 1743.<br />

Der israelische Cellist Zvi Plesser kann eine<br />

bemerkenswerte Karriere als Solist, Kam -<br />

mermusiker und Professor vorweisen. Solis -<br />

tische Auftritte mit dem Israel Philharmonic<br />

Orchestra, dem Jerusalem Symphony<br />

Orchestra, dem Israel Chamber Orchestra,<br />

dem Shanghai Symphony Orchestra oder<br />

der Academy of Saint Martin in the Fields<br />

mit Dirigenten wie Zubin Mehta, Sir Neville<br />

Marriner, Asher Fisch, David Stern and Sergiu<br />

Comissiona prägen seine musikalische<br />

Laufbahn. Zvi Plesser ist Preisträger vieler<br />

Wettbewerbe; er war Stipendiat der America-Israel<br />

Cultural Foundation. Als leiden -<br />

schaftlicher <strong>Kammermusik</strong>er war er Mitglied<br />

des Huberman String Quartet und ist Gründungsmitglied<br />

der Concertante. Zvi Plesser<br />

gastierte bei zahlreichen internationalen<br />

Musikfestivals (Marlboro Music <strong>Festival</strong>,<br />

Cervantino <strong>Festival</strong> in Mexico, Jerusalem<br />

International <strong>Festival</strong>, Kuhmo <strong>Festival</strong> in<br />

Finnland oder Rolandseck <strong>Festival</strong> in Bonn).<br />

Kürzlich ist er zum künstleri schen Leiter des<br />

»Voice of Music <strong>Festival</strong> in the Upper Galilee«<br />

berufen worden. Zvi Plesser studierte<br />

zunächste bei Zvi Harel in Israel und David<br />

Soyer in den USA. Seinen Abschluss machte<br />

er an der Julliard School in New York bei<br />

Zara Nelsova. Seit 1989 unterrichtet er an<br />

der Jerusalem Academy of Music and<br />

Dance und gab Meisterkurse an zahlreichen<br />

amerikanischen Universitäten.<br />

Rahel Maria Rilling, geboren in Stuttgart,<br />

erhielt ihren ersten Geigenunterricht im<br />

Alter von vier Jahren. Später studierte sie<br />

bei Wolf-Dieter Streicher in Stuttgart, bei<br />

Yair Kless in Tel Aviv, bei Michael Mücke in<br />

Berlin und bei Nora Chastain in Zürich/Winterthur.<br />

Von 2005 bis 2008 war sie Stimmführerin<br />

der 2. Violinen im Sinfonieorchester<br />

des NDR in Hamburg. Seit 2008 ist sie<br />

Konzertmeisterin im Bach-Collegium Stuttgart,<br />

bei der Kammersymphonie Berlin und<br />

beim Oregon Bach <strong>Festival</strong>. Seit 2010 spielt<br />

sie zudem regelmäßig bei den Berliner Philharmonikern.<br />

Neben ihrer regen kammermusikalischen<br />

Tätigkeit tritt sie als Solistin<br />

im In- und Ausland auf, u.a. mit dem<br />

Orchestra Sinfonica di Milano Giuseppe<br />

Verdi, dem Stuttgarter Kammerorchester,<br />

dem NDR Sinfonieorchester Hamburg, der<br />

Südwestdeutschen Philharmonie Konstanz<br />

und dem von Gustavo Dudamel geleiteten<br />

Orquesta Sinfonica Simon Bolivar in Caracas/Venezuela,<br />

wo sie auch regelmäßig<br />

Meisterkurse gibt. 2006 gründete sie das<br />

<strong>Kammermusik</strong> <strong>Festival</strong> <strong>Hohenstaufen</strong>. Rahel<br />

gehört dem Streichquartett »Die Nixen«<br />

an, dessen Repertoire sowohl klassische<br />

<strong>Kammermusik</strong> als auch zum Teil selbst arrangierte<br />

Bearbeitungen von Jazz- und<br />

Popstücken umfasst. Rahel Rilling spielt<br />

eine Violine von Tomaso Balestrieri, Cremona,<br />

aus dem Jahre 176<strong>7.</strong> Sie lebt in Berlin.<br />

Sara Maria Rilling wurde in Stuttgart geboren.<br />

Nach erstem Klavierunterricht wechselte<br />

sie später zur Bratsche und studierte<br />

am Mozarteum in Salzburg bei Jürgen<br />

Geise, dann bei Stefan Fehlandt in Berlin<br />

und zuletzt bei Erich Krüger in Weimar. Sie<br />

ist Mitglied des Bach-Collegium Stuttgart<br />

und spielte u.a. im Israel Philharmonic<br />

Orchestra und im Deutschen Symphonie<br />

Orchester Berlin. Als Solobratscherin war<br />

sie u.a. im Ensemble Kanazawa (Japan), in<br />

der Kammerphilharmonie Berlin-Brandenburg<br />

und im Oregon Bach <strong>Festival</strong> Orchestra<br />

zu hören. Sara Rilling ist eine leidenschaftliche<br />

und gefragte <strong>Kammermusik</strong>erin.<br />

Als Solistin konzertierte sie u.a. mit dem Orchestra<br />

Sinfonica di Milano Giuseppe Verdi,<br />

der Südwestdeutschen Philharmonie Konstanz,<br />

dem Haydn Orchester Bozen oder<br />

dem weltberühmten Simon-Bolivar-Orchester<br />

in Venezuela. Sara Rilling versteht sich<br />

als musikalische Botschafterin: seit mehr als<br />

zehn Jahren arbeitet sie regelmäßig mit großem<br />

Erfolg in Venezuela, wo sie sich schon<br />

in den Anfangsjahren für Jugendprojekte<br />

engagierte, um Kindern aus den Armenvierteln<br />

durch Musik neue Perspektiven zu geben.<br />

In <strong>Hohenstaufen</strong> initiierte und leitet sie<br />

die Internationale <strong>Kammermusik</strong>akademie,<br />

eine Begegnungswoche zu Ostern für hochbegabte<br />

Musikstudenten aus aller Welt. Sie<br />

lebt als freischaffende Künstlerin in Berlin.<br />

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kammermusikfestivalhohenstaufen<br />

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Pauli<br />

Klavier<br />

Julia<br />

Sopran<br />

Der Pianist Paul Rivinius, Jahrgang 1970,<br />

erhielt seinen ersten Klavierunterricht im<br />

Alter von fünf Jahren. Seine Lehrer waren<br />

zunächst Gustaf Grosch in München, später<br />

dann Alexander Sellier, Walter Blankenheim<br />

und Nerine Barrett an der Musikhochschule<br />

in Saarbrücken. Nach dem Abitur studierte<br />

er zusätzlich Waldhorn bei Marie-Luise<br />

Neunecker an der Frankfurter Musikhochschule<br />

und setzte seine Klavierausbildung<br />

bei Raymund Havenith fort. 1994 wurde er<br />

in die Meisterklasse von Gerhard Oppitz an<br />

der Musikhochschule München aufgenommen,<br />

die er 1998 mit Auszeichnung<br />

abschloss. Als <strong>Kammermusik</strong>er profilierte<br />

sich Paul Rivinius mit dem 1986 gegründeten<br />

Clemente Trio, das nach mehreren Aus -<br />

zeichnungen 1998 den renommierten ARD-<br />

Musikwettbewerb in München gewann und<br />

anschließend als »Rising Star«-Ensemble in<br />

den zehn wichtigsten Konzertsälen der Welt<br />

gastierte, darunter die Carnegie Hall in New<br />

York und die Wigmore Hall in London. Außerdem<br />

musiziert er gemeinsam mit seinen<br />

Brüdern Benjamin, Gustav und Siegfried im<br />

Rivinius Klavier-Quartett. Zusammen mit<br />

Musikern des Deutschen Symphonie<br />

Orchesters Berlin bildet er das Akanthus<br />

Ensemble, und seit 2004 gehört er dem<br />

Mozart Piano Quartet an. Paul Rivinius lehrte<br />

viele Jahre als Professor für Kammer -<br />

musik an der Musikhochschule Hanns Eisler<br />

in Berlin und lebt heute in München.<br />

Julia Sophie Wagner debütierte im Jahr 2002<br />

mit den »Carmina Burana« im Herkulessaal<br />

in München. Seitdem arbeitet sie mit Orchestern<br />

wie dem Gewandhaus orchester Leipzig,<br />

Rundfunkorchester Berlin, MDR Leipzig,<br />

RTVE Madrid, RAI Turin, dem Orchestra del<br />

Maggio Musicale und dem Orchestra della<br />

Toscana, sowie mit bekannten Barock -<br />

ensembles zusammen. Auf der Opernbühne<br />

war sie zuletzt unter Howard Arman als<br />

Königin der Nacht zu erleben. Konzertreisen<br />

und Gastspiele führten sie von Europa über<br />

Amerika bis nach Südamerika und Japan,<br />

wo sie u.a. in der Berliner Philharmonie und<br />

im Teatro Colón Buenos Aires gastierte. Zuletzt<br />

gab Julia Sophie Wagner Liederabende<br />

in Deutschland und Japan und sang Mahlers<br />

»Rückert-Lieder« im Rahmen des Internationalen<br />

Gustav Mahler-<strong>Festival</strong>s des Gewandhauses<br />

zu Leipzig. Außerdem war sie zu<br />

Gast in Barcelona, wo sie in der Konzertserie<br />

zum 100. Jubiläum des Palau de la Musica<br />

den Sopranpart in Haydns »Jahreszeiten«<br />

übernahm. Mehrfach ging sie mit Helmuth<br />

Rilling und den Ensembles der Bachakademie<br />

in dieser Saison auf Tournee mit Bachs<br />

h-Moll-Messe, u.a. nach Südamerika. Einen<br />

Schwerpunkt bildet neben der Musik von<br />

Johann Sebastian Bach die <strong>Kammermusik</strong>.<br />

Julia Sophie Wagner studierte in Weimar, an<br />

der McGill University in Montreal bei Lucile<br />

Evans und in Leipzig bei Hans-Joachim-<br />

Beyer.<br />

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