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7. Kammermusik Festival Hohenstaufen Evangelische Kirche ...

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II<br />

Samstag<br />

11 Uhr<br />

Verwundert werden Sie nun…<br />

… dieses Heftchen durchblättern und sich fragen, ob der<br />

Redaktör es schlichtweg nicht für nötig hielt, die Texte der<br />

Lieder abzudrucken. Seine Antwort dürfte in etwa auf ein<br />

Jein hinauslaufen: Ja, weil er die beiden Stimmkünstler<br />

kennt und meint, sie sängen recht wohlverständlich. Ja<br />

auch, weil im Schummerlicht der <strong>Kirche</strong> beispielsweise ein<br />

synchrones Augenmerk auf einen französischen Text, die<br />

dazu gehörige Übersetzung, auf Sängerin und Pianist ihm<br />

nicht ohne weiteres möglich erschien. Ja umso mehr, je<br />

nachdenklicher ihn die andere Blickrichtung machte: jene<br />

von der Bühne auf ein Publikum, das gemeinhin als besonders<br />

freundlich gilt, nun aber unerklärlicherweise kollektiv im<br />

Schummerlicht furchtbar angestrengt nach unten blickt…<br />

Nein wiederum, weil er sich sehr wohl allerhand Gedanken<br />

gemacht hat, letztlich allerdings sehr ängstlich wurde, als<br />

ihm die Rechnung aufging, dass andernfalls aus dem <strong>Festival</strong>-Heftchen<br />

ein nicht mehr heftbares dickes schweres<br />

Irgendwas geworden wäre. Und das wollten letztlich weder<br />

er noch die <strong>Festival</strong>planer.<br />

»Nur wer die Sehnsucht kennt…«<br />

Schubert-Lieder aus Wilhelm Meister<br />

634! – Sechshundertvierunddreißig! – Schuberts Lieder bilden<br />

einen Kosmos, der in seiner Dichte wie in seiner Dimensionierung<br />

nach wie vor schwer fassbar scheint und dessen<br />

Konsistenz es offenbar niemandem erlaubt, ohne Schutzhülle<br />

gänzlich in ihn einzudringen, es sei denn, er sucht die<br />

extreme Herausforderung und kümmert sich nicht um Nachwirkungen<br />

auf das verletzliche Gemüt oder den klaren<br />

Kopf… Wir wollen es wagen, auch wenn die Risiken nicht<br />

geringer werden mit der Tatsache, dass unsere zwei Sangeskünstler<br />

heute vormittag nur ein Achtzigstel des Schubertschen<br />

Liedschaffens auf die <strong>Festival</strong>bühne bringen.<br />

Denn diese acht Gesänge aus Goethes Wilhelm Meister haben<br />

es in sich: »Meine Erzeugnisse sind durch den Verstand<br />

für Musik und durch meinen Schmerz vorhanden;<br />

jene, welche der Schmerz allein<br />

erzeugt hat, scheinen am wenigsten die<br />

Welt zu erfreuen.« (Tagebuch, 2<strong>7.</strong> März<br />

1824)<br />

Mit Goethe befasste sich Schubert<br />

nachweislich seit 1814, vermittelt vermutlich<br />

durch seine Freunde Johann Mayr -<br />

hofer oder Josef von Spaun. Mit nahezu<br />

80 Vertonungen von Goethe-Gedichten<br />

(die erste Hälfte entstand bereits bis<br />

1816) ist der Weimarer Geheime Legationsrat<br />

der am häufigsten in Schuberts<br />

Liedschaffen vertretene Dichter. Ein Brief<br />

jedoch, den Spaun 1816 mit einer von<br />

Schubert selbst erstellten und ins Reine<br />

geschriebenen Auswahl von Liedern an<br />

Goethe schickte, blieb unbeantwortet (die<br />

Lieder wurden ›höflicherweise‹ retourniert),<br />

und für die Übersendung zweier<br />

prachtvoller Vorzugsexemplare von op. 19 durch den Komponisten<br />

im Jahr 1825 hatte der deutlich ältere Dichter nur<br />

eine lakonische Erwähnung in seinem Tagebuch übrig…<br />

Aus Schuberts Beschäftigung mit Goethes Lied-Gedichten<br />

aus dem 1795/96 erschienenen Bildungsroman Wilhelm<br />

Meisters Lehr- und Wanderjahre sind uns insgesamt 26<br />

Kompositionen aus den Jahren zwischen 1815 und 1826<br />

überliefert, darunter allerdings etliche Umarbeitungen und<br />

Fragmente, so dass sich die Anzahl der Gedichte auf 9 reduziert.<br />

Im September 1816 komponierte Schubert mit den drei<br />

Gesängen des Harfners seine erste zyklische Liedersammlung,<br />

die 1822 in überarbeiteter Form als Opus 12 herauskam;<br />

um den Jahreswechsel 1825/1826 entstanden dann<br />

die drei auf Mignon fokussierten Gesänge aus »Wilhelm<br />

Meister« op. 62. Nahezu alle Meister-Vertonungen befassen<br />

sich mit den beiden rätselhaften Hauptfiguren des Romans,<br />

der androgynen Mignon und dem etwas verwirrten Harfner,<br />

einem Bänkelsänger, wobei Schubert sämtliche Lieder der<br />

beiden vertont hat. Das ist erstaunlich: Während Philine als<br />

Harfner und<br />

Mignon,<br />

Zeichnung von<br />

Woldemar<br />

Friedrich,<br />

ca. 1883/84<br />

(Bildpostkarte)<br />

18 kammermusikfestivalhohenstaufen<br />

kammermusikfestivalhohenstaufen<br />

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