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7. Kammermusik Festival Hohenstaufen Evangelische Kirche ...

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IFreitag<br />

19 Uhr<br />

»… in Kindesnöthen«<br />

Mozarts Quartett d-Moll<br />

Das war knapp: Am 15. Januar 1785 lud Mozart in seine Wohnung<br />

in der Schulerstraße 845 (heute Domgasse 5), um seine<br />

sechs neuen Streichquartette zu präsentieren. Doch noch am<br />

Vortag arbeitete er an der Vollendung des letzten Werks der<br />

Serie. Es war jenes C-Dur-Quartett, dem später der Name Dissonanzen-Quartett<br />

aufgestempelt werden sollte und mit welchem<br />

das <strong>Hohenstaufen</strong>er <strong>Festival</strong> 2008 eröffnet wurde. Gäste<br />

der prominenten Wiener Zusammenkunft waren einige<br />

Freunde und der Widmungsträger der Quartette, Joseph<br />

Haydn. Einen Monat später gab es eine weitere derartige<br />

Hausmusik, die zu Haydns legendären Worten gegenüber<br />

Leopold Mozart führte: »ich sage ihnen vor gott, als ein ehrlicher<br />

Mann, ihr Sohn ist der größte Componist, den ich von<br />

Person und den Nahmen nach kenne: er hat geschmack und<br />

über das die größte Compositionswissenschaft.«<br />

Die sechs Haydn-Quartette sind etappenweise von 1782 bis<br />

1785 entstanden. In der Widmung an Haydn bezeichnete sie<br />

Mozart (beziehungsreich, wie zu lesen sein wird), als seine<br />

»sechs Kinder«, entstanden als »die Frucht einer langen und<br />

mühsamen Arbeit«. Im zweiten Quartett in d, dem einzigen in<br />

Moll in der Serie, begegnen wir einem Wechselbad der Stimmungen<br />

und Bewegungen: Steigen und Fallen hier, Unbeweglichkeit<br />

da, der »Gestus des Leidens«, aber auch Leidenschaft<br />

und Auflehnung bestimmen einerseits das Geschehen, welches<br />

im Andante mit seinem »Blick auf das verlorene Paradies«<br />

innehält: »Nirgends tickt ein Metrum. Die Zeit scheint<br />

stillzustehen.« (Wilhelm Seidel)<br />

Der heikle Umstand, dass historische Beschreibungen seitens<br />

der modernen Forschung flugs als komplett unhaltbar<br />

abgestempelt werden, sofern sie ›compositionswissenschaftlich‹<br />

nicht hundertprozentig gesichert, sehr wohl aber im Rahmen<br />

des Wahrscheinlichen verwurzelt sind, und die traurige<br />

Mutmaßung, die Musikwissenschaft könnte die alte Binsenweisheit<br />

vom Fünkchen Wahrheit längst verloren haben, hat<br />

den Lesern unzähliger Programmhefte oftmals wichtige,<br />

schöne, wertvolle, heitere, anrührende Erzählungen vorent -<br />

Mozart und Thomas Linley<br />

bei der Familie Gavard des Pivets<br />

in Florenz, 1770<br />

Anonymes Ölbild, Französische<br />

Schule, 18. Jahrhundert<br />

halten. Diesen engen Pfad wollen wir in <strong>Hohenstaufen</strong> gern<br />

verlassen. Denn in Anbetracht eines nur als wunderbar zu<br />

bestaunenden Zuwachs’ innerhalb unserer kleinen <strong>Festival</strong>-<br />

Künstlerfamilien muss die Schilderung der detaillierteren<br />

Entstehungsumstände des Mozartschen Quartetts unbedingt<br />

eine gebührende Erwähnung finden. Dazu mag man<br />

den eifrigen Forschern nicht einmal die Feder aufs Neue brechen,<br />

denn sie geben zwar unter großen Gewissensschmerzen,<br />

aber immerhin einvernehmlich zu, an der Sache könne<br />

tatsächlich was dran sein. Lesen wir also bei Georg Nikolaus<br />

Nissen, einem der ersten Mozart-Biografen, folgende Überlieferung<br />

(1828):<br />

»Zur Zeit, als seine Frau zum ersten Male in Kindesnöthen<br />

war, arbeitete er sogar an dem zweyten der sechs Quartetten,<br />

welche er 1785 Joseph Haydn widmete. Diese Umstände<br />

waren gewiss nicht zum Notendenken geeignet, da<br />

er nie am Claviere componirte, sondern die Noten zuvor<br />

schrieb und vollendete, und sie dann erst probirte; und dennoch<br />

belästigte ihn nichts, wenn er in dem Zimmer arbeitete,<br />

wo seine Frau lag. So oft sie Leiden äusserte, lief er auf sie<br />

zu, um sie zu trösten und aufzuheitern; und wenn sie etwas<br />

beruhigt war, ging er wieder zu seinem Papier. Nach ihrer eigenen<br />

Erzählung wurden der Menuett und das Trio gerade<br />

bey ihrer Entbindung [1<strong>7.</strong> Juni 1783] componirt.« – Das<br />

möge uns doch ruhig bewegend durch den Kopf und zu<br />

Herzen gehen, wenn unser <strong>Festival</strong> also mit einem von<br />

»Mozarts Kindern« beginnt…<br />

8 kammermusikfestivalhohenstaufen<br />

kammermusikfestivalhohenstaufen<br />

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