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7. Kammermusik Festival Hohenstaufen Evangelische Kirche ...

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ich, während ich den Pianisten spielen höre, in meiner Fantasie<br />

die Vorstellung eines idealen Orchesterklangs. Diesen<br />

Klang habe ich allerdings noch nie von einem Orchester gehört.<br />

Es hat mich gereizt, in einer sehr reduzierten Besetzung<br />

diesem Ideal in bestimmten Momenten näher zu kommen,<br />

unter anderem, in dem ich auch moderne Spieltechniken einsetzte.<br />

Die Stücke sind sehr zart, sehr ätherisch. Und was mir<br />

klanglich vorschwebte, sollte ebenso sein. Nur eben unter<br />

Einsatz von Mitteln, die mir aus meiner modernen Klangerfahrung<br />

erwachsen. […]<br />

Fakt ist, dass es eine große Skepsis gegenüber dem<br />

Genre ›Lied‹ gibt, weil im Lied ganz oft eine emotionale Äußerung<br />

im Verhältnis eins zu eins in Kunst übersetzt werden soll.<br />

Im Lied ist an und für sich keine theatralische Brechung dieser<br />

Emotionalität angelegt. Diese Skepsis erledigt sich aber<br />

meiner Ansicht nach von selbst, weil sich ein Sänger, der Lieder<br />

singt, ohnehin auf eine Bühne stellt und Theater macht.<br />

Inzwischen sind unsere theatralischen Gewohnheiten so weiterentwickelt,<br />

dass man diese Emotionalität nicht mehr direkt<br />

umzusetzen braucht, um sie trotzdem verstehbar zu machen.«<br />

»… einen Kopf – mit der Pistole davor«<br />

Brahms’ Klavierquartett c-Moll<br />

Der Kopfsatz von 1855 und ein langsamer Satz in cis-Moll<br />

von 1856 bilden aller Wahrscheinlichkeit nach die ersten Entwürfe<br />

zu einem Quartett, denen ein Finale folgte, das uns –<br />

wie auch der langsame Satz – »zu großem musikologischen<br />

Jammer« (Siegfried Oechsle) nicht überliefert ist. Brahms hat<br />

sich dann nachweislich seit 1869 wieder mit dem Werk beschäftigt;<br />

seine endgültige Gestalt erhielt es allerdings erst im<br />

Sommer 1875 im Urlaubsort Ziegelhausen bei Heidelberg, wo<br />

es auch in Anwesenheit von Clara Schumann probiert wurde.<br />

Kopfsatz und Scherzo gehen auf frühere Fassungen zurück,<br />

während Andante und das Finale der im November 1875 veröffentlichen<br />

c-Moll-Fassung jüngeren Datums sind.<br />

In einer für Brahms typischen ›Kokett-Ironie‹ kommentierte<br />

er die Zusendung des Manuskripts an seinen Verleger Sim-<br />

rock am 12. August 1875: »Nun ist das<br />

Schlimme, daß mir Peters für so ein Stück<br />

gern 1000 Taler gibt! Das ist es nicht wert –<br />

aber was geht das mich an! Ich rate nicht<br />

dazu und wasche meine Hände. Einen Vorteil<br />

hat das Stück. In welcher Weise Sie<br />

auch meinem Talent mißtrauen, dies kann<br />

ich entschuldigen. Halten Sie mich jetzt für<br />

altersschwach und philiströs oder meinen<br />

Sie gegenteils, jetzt erst lerne ich endlich<br />

einiges – dies Quartett ist zur Hälfte alt, zur<br />

Hälfte neu – es taugt also der ganze Kerl<br />

nichts!« Selbstverständlich nahm Simrock<br />

das Quartett sofort mit Kusshand.<br />

Im selben Brief äußerte sich Brahms<br />

aber auch deutlich rücksichtsloser, mit einer<br />

geradezu sui zidalen Werther-Stimmung,<br />

die sich nur noch in mühsam witzigen Sarkasmus<br />

kleidet: »Außerdem dürfen Sie auf dem Titelblatt ein<br />

Bild anbringen Nämlich einen Kopf – mit der Pistole davor.<br />

Nun können Sie sich einen Begriff von der Musik machen!<br />

Ich werde Ihnen zu dem Zweck meine Photographie schicken!<br />

Blauen Frack, gelbe Hosen und Stulpstiefeln können<br />

Sie auch anwenden, da Sie den Farbendruck zu lieben<br />

scheinen.«<br />

Der Kieler Brahms-Kenner Siegfried Oechsle meint dazu:<br />

»Dies mit der Liebe zu Clara Schumann zu verbinden, liegt<br />

anscheinend nahe und hätte – biographisch wörtlich genommen<br />

– zu bedeuten, dass Brahms sich in den Jahren<br />

1855/56 im Zustand tiefster Verzweiflung befand. Vor einer<br />

direkten Zuordnung von biographischem Wissen und kompositorischen<br />

Sachverhalten wäre indes zu warnen; denn<br />

Brahms’ späte Äußerungen bemühen einen literarischen<br />

Topos, der noch dazu durch das Mittel der Ironisierung auf<br />

Distanz gehalten wird. Überdies scheint Clara Schumann<br />

von den fatalen Entstehungsumständen kaum Ahnung<br />

besessen zu haben; denn sie kritisierte 1875 den hoch -<br />

pathetischen ersten Satz und regt mit einer fragwürdigen<br />

Ermunterung sogar eine Neukomposition an: ›Wie leicht fin-<br />

Brahms-Postkarte<br />

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kammermusikfestivalhohenstaufen<br />

kammermusikfestivalhohenstaufen<br />

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