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Chocolat - Waldorf-Ideen-Pool

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<strong>Chocolat</strong><br />

Bühnenstück nach dem Roman von Joanne<br />

Harris und dem Film von Lasse Halström<br />

(Regie) und Robert Nelson Jacobs (Drehbuch)<br />

Zur Aufführung an der Rudolf-Steiner-Schule<br />

Remscheid<br />

Axel Ziemke<br />

1


Regiekonzept<br />

Das vorliegende Stück ist eine Bühnenadaptation des Filmes „<strong>Chocolat</strong>“ von Lasse Halström (Regie)<br />

und Robert Nelson Jacobs (Drehbuch) unter der Verwendung des gleichnamigen Romans „<strong>Chocolat</strong>“<br />

von Joanne Harris. Aufgeführt werden soll das Stück als Elftklassspiel an der Rudolf-Steiner-Schule<br />

Remscheid. Vorgeschlagen hatte ich das Stück, weil es humorvoll und oft tiefgründig eine sehr<br />

schöne humanistische Botschaft vermittelt und, was leider immer die Conditio sine qua non eines<br />

Klassenspiels ist, viele – besonders auch weibliche – Rollen möglich macht.<br />

Die Inszenierung orientiert sich entsprechend an den Möglichkeiten und Wünschen der<br />

„Schauspieler“ (18 Mädchen und 12 Jungen), der Ausstattung der Schulbühne und dem Umstand,<br />

dass es nicht nur vor Erwachsenen, sondern auch vor den Schülern der kleineren Klassen aufgeführt<br />

werden soll. Eingebettet sein soll das Stück in ein „künstlerisch-kulinarisches“ Event.<br />

Das Bühnenbild soll „durchstehen“, um angesichts der vielen Szenenwechsel (die Vorlage ist nun mal<br />

ein Film) Umbauten zu vermeiden. Auf der Hauptbühne ist die „<strong>Chocolat</strong>erie“ zu sehen, vor der sich<br />

der „Markt“ der Stadt befindet. Eventuell wird die <strong>Chocolat</strong>erie auf einer Drehbühne installiert sein,<br />

so dass man wechselweise das Interieur („Laden“) oder von außen das Schaufenster („Markt“) sieht.<br />

Anderenfalls ist der Laden vom Markt durch eine niedrige Auslage getrennt. Die <strong>Chocolat</strong>erie hat<br />

einen Verkaufstisch, vor dem zwei bis drei Hocker stehen und Regale mit Schokoladenwaren,<br />

Kakaokannen und –tassen. Auf dem Tisch liegt ein drehbarer dekorativer Teller. Neben dem Laden<br />

sind entweder zwei Durchgänge oder eine Häuserfront zu sehen, die bündig mit dem Schaufenster<br />

der <strong>Chocolat</strong>erie abschließt und die mindestens links eine Türe aufweist, die zu den Schlafzimmern<br />

von Anouk und Vianne führt. Auf der linken Nebenbühne steht ein „Beichtstuhl“, auf der rechten ein<br />

Schreibtisch, der das „Büro“ des Bürgermeisters repräsentiert. Im Saal ist ein „Floß“ der Roma<br />

aufgebaut, das von der Bühne aus über einen Steg erreichbar ist. Die „Brandstiftung“ erfolgt anders<br />

als im Film nicht auf dem Boot der Roma, sondern in der <strong>Chocolat</strong>erie. Eine Nebelmaschine sorgt für<br />

Rauchentwicklung aus den Nebenräumen der <strong>Chocolat</strong>erie, die durch Flackerlicht der Beleuchtung<br />

unterstützt wird.<br />

Musikalisch wird das Stück von Roma- bzw. Manouche-Musik geprägt (entsprechend der<br />

Zugehörigkeit von Roux zu den Roma* bzw. ihrer französischsprachigen Teilethnie, den Manouches).<br />

Geeignet wäre „Jazz Manouche“, wie er auch im Soundtrack des Filmes vorkommt. Eine kleine<br />

Formation spielt zum Geburtstagsfest von Armande Voizin, zum Schokoladenfest am Ende des<br />

Stückes und eventuell als Intro. Sie spielt auf dem „Floß“. Im Stück selbst werden kleine Phrasen<br />

einzelner (kleiner) Instrumente eingebunden – abhängig von den instrumentellen Möglichkeiten des<br />

jeweiligen Schauspielers. Zu den Aschermittwochs- und Ostersonntagsmessen sind<br />

französischsprachige Chorale möglich.<br />

In der Pause und eventuell auch vor und/oder nach dem Stück werden Schokoladenspezialitäten<br />

angeboten. Es wäre zudem schön, wenn ab und zu auch auf der Bühne mit echten Zutaten gearbeitet<br />

würde. Die Dekoration der <strong>Chocolat</strong>erie wird allerdings zum größten Teil aus Fake-Produkten<br />

bestehen.<br />

*Der deutsche Sprachgebrauch von den „Sinti und Roma“ ist hier übrigens irreführend. Es handelt<br />

sich hier keineswegs um zwei Teilethnien oder „Untergruppen“. Als „Sinti“ bezeichnen sich die<br />

deutschsprachigen Roma. Umgekehrt bezeichnet allerdings der abwertend gebrauchte Begriff<br />

deutsche Begriff „Zigeuner“ ursprünglich keineswegs ausschließlich Angehörige der Roma, sondern<br />

jegliche nomadisch lebende Völker, die durch Deutschland zogen.<br />

2


Rollen<br />

Vianne Rocher,<br />

dunkelhaarige Frau, etwa 30 Jahre<br />

Anouk Rocher kleines Mädchen, maximal 12<br />

Comte de Reynaud<br />

Caroline Clairmont<br />

Luc Clairmont<br />

Armande Voizin<br />

Josephine Muscat<br />

Serge Muscat<br />

Roux<br />

Père Henri<br />

Guillaume Blerot<br />

Madame Audel<br />

Madame Drou<br />

Madame Arnauld<br />

Bürgermeister, etwa 45 Jahre<br />

Sekretärin des Bürgermeisters, etwa 35, Tochter von Armande<br />

Carolines Sohn, etwa 14 Jahre<br />

Mutter von Caroline, Vermieterin der <strong>Chocolat</strong>erie, 80 Jahre<br />

anfangs sehr neurotische Frau, Kleptomanin, etwa 30 Jahre<br />

ihr Mann, brutal und sehr einfach<br />

„Flussratte“, Roma, rothaarig, etwa 30 Jahre<br />

Junger Priester, etwa 30 Jahre<br />

alter Mann, etwa 65 Jahre, verliebt in Madame Audel<br />

ältere Dame, tragi-komischer Typ, etwa 60 Jahre, verliebt in Blerot<br />

ältere Dame, komischer Typ, etwa 60 Jahre<br />

ältere Dame, komischer Typ, etwa 60 Jahre<br />

Madame Poitou (Bäckerin)<br />

Monsieur Poitou (Bäcker)<br />

etwa 40 Jahre, die Frau mit den „Kakaodingern“<br />

ihr Mann, etwa 45 Jahre, der Mann mit den „Kakaodingern“<br />

Romamädchen<br />

maximal 12 Jahre<br />

3 Roma als Band (können in der Gegenbesetzung andere Rollen spielen)<br />

Musikstücke<br />

- Mindestens viermal spielt die Roma-Band: einmal als Intro, einmal zum Geburtstagsfest von<br />

Armande Voizin vor und einmal als Beginn nach der Pause, sowie zum Schokoladenfest als<br />

Finale. Dabei kann, muss es sich aber nicht dasselbe Stück handeln (ggf. in verschiedener<br />

Instrumentierung.) Soweit die Band ein richtiges Repertoire erarbeiten kann, wird auch die<br />

Pause über Musik gemacht. Optimaler Weise gibt es zwei verschiedene Bands, so dass die<br />

Musiker in der Gegenbesetzung Rollen spielen können. Die Länge der Stücke ist egal (nur<br />

nicht zu lang).<br />

- 3 Instrumentalstücke für Soloinstrumente Romamusik (2 davon optimaler Weise gespielt von<br />

Roux, ist aber nicht zwingend erforderlich): 1 Stück egal bei erster Begegnung mit Vianne, 1<br />

Stück eine Art Wiegenlied, 1 Stück, während Roux und Vianne „Liebe machen“, kann das<br />

Wiegenlied in anderer Instrumentierung sein. Alle nicht länger als 2 Minuten.<br />

- 2 Chöre, einer zur Aschermittwochsliturgie, einer zur Ostersonntagsliturgie. Die<br />

entsprechende Atmosphäre der Stücke ist wichtig, da sie auch zur Handlung passt. Beide<br />

nicht länger als zwei Minuten. Die Hauptrollen der jeweiligen Besetzung können teilweise<br />

nicht mitsingen.<br />

3


1. Szene (Beichtstuhl, <strong>Chocolat</strong>erie auf „Markt“)<br />

Père Henri, Vianne, Anouk, Armande Voizin, evtl. Chor<br />

Als Intro spielt die Manouche-Band, dann eventuell ein französischer Choral.<br />

Der Chor geht ab und Père Henri spricht neben dem Beichtstuhl zum Publikum.<br />

Henri (kindlich-pathetisch): Liebe Gemeinde. Die Zeit des Fastens ist herangekommen. Dies ist<br />

selbstverständlich eine Zeit der Enthaltsamkeit. Hoffentlich auch eine Zeit des Nachdenkens. Aber<br />

vor allem soll es für uns eine Zeit … eine Zeit aufrichtiger Reue sein. Es ist eine Zeit, in der man sich<br />

erheben und Stellung beziehen soll. Es ist keine Zeit, allein zu sein. Denn wir sind nicht allein. Denn<br />

Jesus Christus ist bei uns. Es ist eine Zeit, die Jesus Christus gehört. Wenn ihr über etwas nachdenkt,<br />

so kennt er eure Gedanken. Und wenn ihr euch enthaltet, so weiß er, wessen ihr euch enthaltet. Und<br />

wenn ihr wirkliche Reue zeigt, dann weiß er, wofür ihr Vergebung erfleht. Doch er sieht auch alles<br />

Unrechte, Unzüchtige, Unanständige, was ihr tut und denkt und empfindet. An diesem<br />

Aschermittwoch im Jahre des Herrn 1959, in unserem kleinen Städtchen Lansquenet-sous-Tannes …<br />

Licht wechselt von der Seiten- zur Hauptbühne. Die <strong>Chocolat</strong>erie steht auf „Markt“. Das Mobiliar der<br />

<strong>Chocolat</strong>erie ist mit schmutzigen, unordentlich übergeworfenen Tüchern verhängt.<br />

Vor der <strong>Chocolat</strong>erie sitzt Anouk. Rechts neben ihr steht die Urne der Großmutter. Etwas entfernt zwei<br />

Koffer. Im Laden sind Vianne und Armande zu sehen, die (lautlos) über die Miete verhandeln. Anouk<br />

spricht zum Publikum. (In der Schülervorstellung sagt sie „ihr“ statt „Sie“)<br />

Anouk: Hallo! Ich bin Anouk! Und das hier (sie zeigt neben sich auf die Seite, an der nicht die Urne<br />

steht) ist Pantoufle. Können Sie ihn sehen? (sie streichelt den Kopf der unsichtbaren Gestalt)<br />

Pantoufle ist ein Känguruh. (Traurig, streichelt das Bein.) Er hat ein verletztes Bein. (Flüstert laut mit<br />

vorgehaltener Hand zu Panoufle) Pantoufle, sag den Leuten guten Tag! (Lächelt zum Publikum) Haben<br />

Sie es gehört?<br />

(Sollte im Publikum jemand „nein“ sagen: Pantoufle, du musst lauter reden! … Haben Sie es jetzt<br />

gehört? Falls wieder ein Nein kommt: Er kann einfach nicht lauter. Falls ja: na siehst du, es geht doch.)<br />

Und das hier (sie zeigt auf die Urne) ist Grandmère, meine Großmutter. (Verdreht die Augen)<br />

Natürlich nur die Asche von Grandmère. Pantoufle, Grandmère, Maman und ich kommen gerade aus<br />

Andalusien. Davor haben wir in Rom gelebt. Und davor in Wien. Und davor in New York. Und davor in<br />

Padua. Und davor (pustet erschöpft), ach ich weiß nicht mehr. Jetzt sind wir jedenfalls hier. Und<br />

Maman spricht da drin gerade mit dieser Madame Voizin über die Miete für den Laden und die<br />

Wohnung da drüber …<br />

Armande Voizin kommt aus dem Laden, Vianne folgt ihr.<br />

Armande (streng): Und dass Sie mir den Laden ja in Ordnung halten! (ab)<br />

Vianne: Natürlich, Madame Voizin.<br />

Anouk: Maman, Pantoufle will wissen, wie lange wir dieses Mal hier bleiben.<br />

Vianne: Sag ihm, er braucht sich keine Sorgen zu machen.<br />

Anouk (flüstert zu Pantoufle): Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. (laut zu Vianne) Maman,<br />

erzählst du mir heute zum Schlafengehen die Geschichte von Grandmère und Grandpère?<br />

Vianne nimmt die Koffer und geht in die Türe oder den Durchgang links neben der <strong>Chocolat</strong>erie.<br />

4


Vianne: Ach nein, Anouk. Wir müssen jetzt erstmal auspacken und die Betten beziehen. Und morgen<br />

haben wir viel, viel Arbeit.<br />

Anouk nimmt die Urne und folgt ihr.<br />

Anouk: Ach Maman, nie erzählst du mir die Geschichte von Grandmère und Grandpère … Komm,<br />

Pantoufle, komm!<br />

2. Szene (<strong>Chocolat</strong>erie immer noch auf „Markt“)<br />

Vianne, Anouk und der Comte<br />

Vianne und Anouk schrubbt am Eingang den Fußboden. Anouk spielt vor der <strong>Chocolat</strong>erie mit ihrer<br />

Scheuerbürste Piratenschiff und schnippt mit den Fingern einen Gegenstand als Geschoss.<br />

Anouk: Fertig machen zum Feuern! Alle Leute sofort an Deck! Fertig! Zielen! Und Feuern!<br />

Der Comte geht auf die <strong>Chocolat</strong>erie zu. Der Gegenstand fliegt in seine Richtung und trifft<br />

(optimalerweise) seine Füße<br />

Comte (schaut Anouk strafend an): Verzeihen Sie die Störung!<br />

Vianne: Es ist mir ein Vergnügen! Verzeihen Sie, wenn ich Sie noch nicht herein bitte. Es ist noch sehr<br />

unordentlich!<br />

Anouk: Entschuldigung Monsieur! Piratenangriff!<br />

Comte (nüchtern): Natürlich! Und wer bist du?<br />

Anouk: Anouk. Und wie heißen Sie?<br />

Comte: Ich bin der Comte de Reynaud. Stets zu Ihren Diensten!<br />

Anouk: Ein echter Graf? So wie der Graf von Montechristo?<br />

Comte (schüttelt den Kopf, hebt den Finger): Ah-ah, der war kein richtiger!<br />

Vianne: Welchem Umstand verdanken wir die Ehre Ihres Besuches?<br />

Comte: Nun, als Bürgermeister von Lansquenet möchte ich Sie in unserem Städtchen begrüßen und<br />

Sie einladen, am Sonntag mit uns die heilige Messe zu feiern!<br />

Vianne: Das ist sehr nett von Ihnen. Aber eigentlich gehen wir nicht in den Gottesdienst. Trotzdem<br />

freuen wir uns, nahe bei der Kirche zu wohnen. Wir singen gerne zu den Glocken. Stimmt`s Anouk?<br />

Comte: Die Glocken sind aber eigentlich nicht dazu da, die Menschen zu unterhalten, Madame. Sie<br />

sind ein feierlicher Ruf, unseren Herren zu ehren …<br />

Vianne: Mademoiselle!<br />

Comte: Äh, ich bitte um Verzeihung?<br />

Vianne: Mademoiselle! Ich bin nicht verheiratet gewesen!<br />

(geht auf ihn zu)<br />

Vianne: Aber nennen Sie mich doch einfach Vianne! Ich hoffe sehr, Sie kommen übermorgen vorbei,<br />

wenn ich mein Geschäft eröffne!<br />

5


Comte: Ja, hm, ja, Sie eröffnen eine Patisserie. Während der heiligen Fastenzeit. Ich könnte mir einen<br />

besseren Zeitpunkt vorstellen!<br />

Vianne: Oh, es wird aber gar keine Patisserie sein!<br />

Comte: Was beabsichtigen Sie dann hier zu eröffnen?<br />

Vianne: Das ist eine Überraschung! Das sagte ich doch schon! Es war sehr nett von Ihnen, vorbei zu<br />

kommen.<br />

Sie reicht ihm die Hand. Black.<br />

3. Szene (Büro des Bürgermeisters)<br />

Caroline und der Comte<br />

Caroline tritt ein. Sie hält ein Blatt Papier in der Hand<br />

Comte (sitzt am Schreibtisch mit einem Foto seiner Frau, verschiedenen Unterlagen und hält einen<br />

Stapel Papier in der Hand): Ich habe das Kapitel über das 18. Jahrhundert beendet. (schaut sie an)<br />

Madame Clairmont. Was ist?<br />

Caroline: Ihr Leserbrief, Monsieur le Comte. Der Abschnitt über die Familie und die Tradition! Er ist<br />

wunderbar!<br />

Comte: Oh, ach ja, ich danke Ihnen! (Reicht Ihr das Manuskript) Äh, ich lege Wert auf Ihre Meinung!<br />

(zögert) Darf ich fragen, ob Sie in letzter Zeit Kontakt zu Ihrer Mutter hatten?<br />

Caroline: Warum?<br />

Comte: Ich habe den Eindruck, Sie hat die Patisserie vermietet.<br />

Caroline: Oh! Nun, ich … habe eine Weile schon nicht mehr mit meiner Mutter gesprochen!<br />

Comte: Tut mir leid. Ich wollte nicht indiskret sein.<br />

Caroline: Oh, seien Sie nicht töricht! Vor Ihnen habe ich doch keine Geheimnisse! (zögert) Wie …<br />

gefällt es der Comtesse in Venedig?<br />

Comte (stammelt): Oh, der Comtesse? Oh ja, es geht ihr gut, danke … Jaja, es gefällt ihr ganz<br />

besonders gut … Venedig, ja.<br />

4. Szene (<strong>Chocolat</strong>erie auf „Markt“)<br />

Madame Audel, Drou, Arnauld, Monsieur Blerot, Vianne, Anouk, Caroline, Luc, evtl. Josephine<br />

Madame Audel, Drou und Arnauld gehen von links nach rechts über den Markt und bleiben vor der<br />

<strong>Chocolat</strong>erie stehen. (Evtl. folgt ihnen Josephine und klaut aus einer Handtasche ein Schminketui,<br />

welches sie später Vianne schenkt.) Blerot von rechts nach links.<br />

Madame Arnauld: Ich habe gehört, sie soll eine Radikale sein!<br />

Madame Drou: Man sagt, sie sei eine Atheistin!<br />

Madame Audel: Was ist denn das?<br />

6


Madame Drou: Weiß ich auch nicht!<br />

Sie sind im Weitergehen so mit dem Anblick der <strong>Chocolat</strong>erie beschäftigt, dass sie Herrn Blerot nicht<br />

bemerken und Madame Audel ihn anrempelt.<br />

Blerot (schamhaft lächelnd): Oh, es tut mir so leid!<br />

Audel (sehr freundlich lächelnd): Guten Tag. Monsieur Blerot!<br />

Blerot: Guten Tag, Madame Audel!<br />

Sie himmeln sich an. Die beiden Freundinnen schauen die beiden strafend an, nehmen Madame Audel<br />

in ihre Mitte und gehen nach rechts mit ihr ab. Monsieur Blerot geht nach links ab.<br />

Caroline kommt mit ihrem Sohn. Anouk kommt aus der Türe herausgerannt und stößt mit Caroline<br />

zusammen.<br />

Anouk: Warte auf mich, Pantoufle!<br />

Caroline (wütend): Oh! Kannst du nicht ein bisschen vorsichtiger sein!<br />

Anouk: Pardon, das wollte ich nicht, Madame!<br />

Vianne (tritt zu ihnen): Ach Sie Ärmste, hat es sehr wehgetan?<br />

Caroline: Nichts passiert, alles in Ordnung<br />

Vianne: Tut mir leid für meine Tochter, wirklich.<br />

Caroline: Machen Sie sich keine Umstände, es geht mir gut!<br />

Vianne: Nein, es macht mir keine Umstände, ich bin Vianne Rocher. (reicht ihr die Hand)<br />

Caroline (gibt ihr die Hand): Caroline Clairmont. Ich bin die Tochter Ihrer Vermieterin. Das hier ist<br />

mein Sohn Luc.<br />

Vianne: Ah, freut mich sehr. (nimmt Anouk in einen Arm) Und dieser kleine Wildfang ist meine Anouk.<br />

Anouk (nimmt Luc an die Hand und will ihn mit sich in die <strong>Chocolat</strong>erie ziehen): Komm, ich zeig dir<br />

was!<br />

Caroline (während Luc Anouk folgen möchte): Luc! (Er schaut zu ihr) Nein!<br />

Enttäuscht lassen die beiden Kinder einander los.<br />

Vianne (zu Luc): Darf ich dich und deine Maman morgen zur Eröffnung meiner <strong>Chocolat</strong>erie einladen?<br />

Caroline: Das muss wohl noch fünf Wochen warten. Es ist Fastenzeit.<br />

Vianne: Oh wie schade.<br />

Caroline: Es war nett, Sie kennen zu lernen. Wir müssen weiter. Auf Wiedersehen. (zu Luc) Komm,<br />

Luc<br />

Vianne: Auf Wiedersehen, Madame.<br />

Anouk: Bis bald!<br />

7


5. Szene (Büro des Bürgermeisters)<br />

Caroline, Comte<br />

Caroline bringt ein Tablett mit einer Kaffeekanne, einer Kaffeetasse, einem Croissant und einem Glas<br />

Marmelade.<br />

Caroline: Keinen Hunger Monsieur le Comte<br />

Comte: Es ist Fastenzeit, Madame Clairmont!<br />

Caroline: Aber irgendetwas müssen Sie doch essen!<br />

Caroline nimmt das Tablett und will es wieder mitnehmen<br />

Comte: Es ist gut, lassen Sie es stehen!<br />

Caroline ab. Der Comte arbeitet weiter, blickt zögerlich zum Marmeladenglas, kann letztlich nicht<br />

widerstehen, öffnet es, riecht genüsslich daran und stellt es nervös wieder weg.<br />

6. Szene (<strong>Chocolat</strong>erie auf Laden)<br />

Vianne, Anouk, Madame Poitou<br />

Madame Poitou tritt zögerlich ein: Oh, das ist ja gar keine Bäckerei.<br />

Vianne: Ich möchte Ihrem Mann doch keine Konkurrenz machen. Sie sind doch Madame Poitou, nicht<br />

wahr? Ich bin Vianne.<br />

Madame Poitou: Oh, guten Tag, Madame<br />

Vianne: Sie sind meine erste Kundin. Darf ich Ihnen ein Geschenk machen?<br />

Vianne führt sie zur Theke. Anouk dreht einen Teller auf dem Tisch<br />

Madame Poitou: Was ist das?<br />

Anouk: Was sehen Sie darin?<br />

Madame Poitou: Wie bitte?<br />

Vianne: Wie sieht es für Sie aus? Sagen Sie einfach das erste, woran Sie denken!<br />

Madame Poitou (fragend): Eine Frau, die auf einem wilden Pferd reitet? Oh, das ist eine dumme<br />

Antwort!<br />

Vianne: Oh nein. Dumme Antworten gibt es nicht. Das Pfefferkonfekt ist für Sie! (bietet ihr von einer<br />

Schale an, verführerisch) Ein kleiner Hauch Chillipfeffer – im Spiel gegen die Süße! Erregend und<br />

abenteuerlich! Probieren Sie!<br />

Madame Poitou kostet und schließt die Augen.<br />

Anouk: Maman, Pantoufle will gern raus, spielen gehen. Morgen müssen wir ja in die Schule.<br />

Vianne: Geh nur, mein Schatz<br />

Anouk: Komm, Pantoufle (ab)<br />

8


Madame Poitou (schüchtern): Könnten Sie eine Schleife darum tun. Dann kann ich so tun, als wären<br />

sie von meinem Mann!<br />

Vianne: Ja, natürlich! … (gibt ihr eine Tüte und beginnt damit, die Schleife um das Päckchen für Frau<br />

Poitou zu wickeln) Und dir hier, die sind für Ihren Mann. Naturbelassene Kakaobohnen aus<br />

Guatemala. Die wecken die Leidenschaft<br />

Madame Drou (lacht): Offensichtlich haben Sie meinen Mann noch nicht kennen gelernt.<br />

Vianne: Und Sie haben es offensichtlich noch nie damit versucht!<br />

Madame Drou: Na, wie Sie meinen. Auf Wiedersehen!<br />

Vianne: Auf Wiedersehen, Madame.<br />

7. Szene (<strong>Chocolat</strong>erie auf „Laden“)<br />

Vianne, Madame Audel, Madame Drou, Madame Arnauld<br />

Madame Audel, Madame Drou und Madame Arnauld treten ein. Josephine betrachtet von außen die<br />

Auslagen.<br />

Vianne: Bonjour, Mesdames. Ich bin Vianne.<br />

Madame Arnauld: Madame Arnauld, das sind meine Freundinnen Madame Audel und Madame Drou.<br />

Vianne möchte ihnen die Hand geben, zieht sie aber zurück, da die drei aufeinander einreden.<br />

Madame Drou: Und das ist meine Freundin, Madame Arnauld.<br />

Madame Audel: Das hat sie doch schon gesagt!<br />

Madame Drou: Du musst mir nicht immer widerspechen!<br />

Vianne: Es … freut mich sehr, Sie kennen zu lernen.<br />

Madame Audel: Die Freude ist ganz auf unserer Seite.<br />

Madame Drou: Ich weiß nicht, ob man das so sagen kann, mit der Freude.<br />

Madame Arnauld: Das sagt man doch nur so!<br />

Madame Drou: Ach so!<br />

Madame Audel (zu Madame Drou): Du bist es nämlich, die immer widerspricht.<br />

Madame Arnauld: Also, was ich damit sagen wollte, Madame … Madame …<br />

Vianne: Vianne<br />

Madame Arnauld: Ach ja, Madame Vianne. Diesen Schokoladenduft …<br />

Madame Drou (eifrig): Jaja, diesen Duft<br />

Madame Audel (genüsslich): Diesen Duft …<br />

Madame Arnauld: Nun unterbrecht mich doch nicht immer! Also diesen Duft, auf dem ganzen<br />

Marktplatz riecht man ihn!<br />

9


Madame Drou (vorwurfsvoll): Und sogar in der Kirche!<br />

Madame Audel (vorwurfsvoll): Während der Fastenzeit!<br />

Madame Drou (jammernd): Wo es so doch schon schwer genug ist …<br />

Vianne (holt ein Tablett mit einer Kanne und drei Tassen): Haben Sie schon einmal Kakao nach einem<br />

zweitausend Jahre alten amerikanischen Geheimrezept getrunken?<br />

Madame Audel (erstaunt): Zweitausend Jahre?<br />

Vianne: Möchten Sie eine Tasse?<br />

Die drei schauen sehnsüchtig auf die Kanne. Dann wieder schnell aufeinander.<br />

Zu dritt im Chor: Aber doch nicht während der Fastenzeit!<br />

Durcheinander: Auf keinen Fall! Nein! Nein!<br />

Madame Arnauld (übertönt die beiden anderen): Obwohl!<br />

Madame Drou (hoffnungsvoll): Obwohl?<br />

Madame Audel (hoffnungsvoll): Obwohl?<br />

Madame Arnauld: Ich meine, zweittausend Jahre.<br />

Madame Drou: Und aus Amerika!<br />

Madame Audel: Gab es vor zweitausend Jahren in Amerika eigentlich schon die Fastenzeit!<br />

Madame Drou: Nein, nein, die gab es noch gar nicht!<br />

Madame Audel: Dann kann es doch noch gar nicht verboten gewesen sein!<br />

Madame Arnauld: Nein, kann es nicht!<br />

Madame Drou: Nein, nein, kann es nicht!<br />

Vianne: Na dann probieren Sie doch.<br />

Die drei nehmen vorsichtig einen Schluck. Schweigen.<br />

Madame Audel (genussvoll): Mmmmmmmh!<br />

Madame Drou: (noch genussvoller): Ooooh!<br />

Madame Arnauld: (geradezu orgastisch): Mein Gott!<br />

Vianne (zu Josephine weisend): Will Ihre Freundin nicht herein kommen?<br />

Madame Arnauld (entsetzt): Das ist doch nicht unsere Freundin!<br />

Madame Audel: Nein, die gehört wirklich nicht zu uns!<br />

Madame Drou: Nein, nein, überhaupt nicht!<br />

Madame Arnauld: Das ist doch Josephine Muscat!!!<br />

Madame Drou (laut flüsternd): Die ist Kleptomanin!<br />

Alle drei brechen in Gelächter aus.<br />

10


Monsieur Blerot tritt ein.<br />

Madame Audet: Oh, Bonjour Monsieur Blerot<br />

Blerot: Bonjour Madame Audel<br />

Sie himmeln sich an. Madame Drou und Madame Arnauld schauen synchron misstrauisch von einem<br />

zum anderen<br />

Blerot (stammelt): Ich habe Sie … gerade gesehen … da dachte ich …. da wollte ich …<br />

Madame Audel (haucht): Ja?<br />

Madame Arnauld (trinkt hastig ihren Kakao aus): Nun müssen wir aber gehen.<br />

Madame Drou (trinkt ebenfalls aus): Jaja, wir müssen gehen.<br />

Madame Audel (hilflos): Aber …<br />

Madame Drou und Madame Arnauld (im Chor): Wir müssen gehen! Au revoir Messieursdames!<br />

Sie haken beide Madame Audel unter und gehen mit ihr ab.<br />

8. Szene (<strong>Chocolat</strong>erie auf „Laden“)<br />

Vianne, Monsieur Blerot, Josephine<br />

Blerot schaut Madame Audel verliebt hinterher.<br />

Vianne: Sie sind also Monsieur Blerot?<br />

Blerot (schreckt auf): Oh oh ja. Blerot. Guillaume Blerot.<br />

Vianne: Vianne (reicht ihm die Hand)<br />

Blerot (nimmt sie und gibt ihr einen Handkuss): Oh, es ist mir ein Vergnügen, ein sehr großes<br />

Vergnügen.<br />

Vianne (geht auf eine Tüte in der Auslage zu): Würden Sie vielleicht, hmmm. Würden Sie vielleicht<br />

gerne etwas kaufen? Für ihre Freundin?<br />

Blerot (verwirrt, erstaunt): Freundin sagen Sie?<br />

Vianne: Hmm, die reizende Dame, die Sie so freundlich begrüßt haben.<br />

Blerot: Oh …<br />

Vianne: Ihre Lieblingspralinen sind Schokoladenmuscheln. Da bin ich sicher!<br />

Blerot: Nein, ich darf es nicht. Ich kann es nicht. Madame Audel befindet sich in Trauer um ihren<br />

Gatten!<br />

Vianne (mitfühlend): Oh, das tut mir sehr leid! Und wann ist er von ihr gegangen?<br />

Blerot: Es war im Krieg. Eine deutsche Granate.<br />

Vianne (zögerlich): Naja, seit dem Krieg sind fast 15 Jahre vergangen. Also …<br />

11


Blerot: Oh nein, nicht dieser Krieg! Monsieur Audel ist am 12. Januar 1917 gefallen… Es war ein<br />

ziemlicher Schlag für Madame Audel.<br />

Vianne (ihre Verwunderung überspielend): Jaja, ganz offensichtlich.<br />

Blerot: Und … und auch ich befinde mich in Trauer. Und bei mir ist es erst vier Wochen her.<br />

Vianne: Oh, verzeihen Sie die dumme Idee mit den Pralinen. Ihre Frau …<br />

Blerot: Oh, nein, nein. Nicht meine Frau. Charly! Mein Hund. Er war 14 Jahre alt. Das sind 98<br />

Menschenjahre! (Blickt nachdenklich auf die Erde)<br />

Josephine tritt ein.<br />

Vianne: Hallo, Madame Muscat. Ich bin Vianne (reicht ihr die Hand).<br />

Josephine (ignoriert verwirrt die Hand und geht im Laden herum): Ich weiß … ich weiß.<br />

Vianne: Kann ich etwas für Sie tun?<br />

Josephine (verwirrt): Ich möchte es nur sehen! Nur sehen!<br />

Vianne: Gerne<br />

Blerot: Was sagten Sie doch gleich? Schokoladenmuscheln? Wie viel kosten die?<br />

Vianne: Vier Franc fünfzig Centimes das Päckchen.<br />

Holt es aus der Auslage oder irgendwie so, dass sie Josephine den Rücken zudreht. Blerot kramt in<br />

seiner Geldbörse. Josephine klaut währenddessen ein anderes Päckchen.<br />

Vianne: Bitte schön, Monsieur Blerot!<br />

Blerot: Oh danke, Vianne. Auf Wiedersehen!<br />

Vianne: Auf Wiedersehen, Monsieur Blerot.<br />

(Dreht sich wieder zu Josephine)<br />

Josephine: Ich möchte es nur sehen … Es ist teuer ... Ich verschwende kein Geld.<br />

Vianne: Ich errate die Lieblingssorte meiner Kunden.<br />

Sie nimmt eine der Schachteln, die Josephine gestohlen hat.<br />

Vianne: Die mögen Sie am liebsten. Bitte schön. Das geht auf`s Haus!<br />

Josephine (verwirrt, nimmt es nicht an): Ich glaube, das gibt Ärger … Das … gibt … Ärger ….<br />

(verlässt eilig die <strong>Chocolat</strong>erie, ohne das Päckchen mitzunehmen)<br />

12


9. Szene (Beichtstuhl)<br />

Père Henri, Comte<br />

Père Henri kehrt und singt dazu „Hound Dog“ von Elvis Prestley. Der Comte kommt unbemerkt dazu.<br />

Comte: Eine Bereicherung der Liturgie?<br />

Henri (erschrocken): Ich habe … eine Schwäche für amerikanische Musik, Monsieur Le Comte!<br />

Comte: Wie lange sind Sie nun schon bei uns, Père Henri?<br />

Henri: Es sind bald … fünf Wochen.<br />

Comte: Ihr Vorgänger, Père Michel, ist eine lange Zeit bei uns gewesen … genau fünf Jahrzehnte.<br />

Henri: Ja … nunja … Ich kann nur beten, dass ich dem guten Beispiel von Père Michel gerecht werde.<br />

Comte (reicht ihm eine Mappe): Oh ja, dafür bete ich auch! Ich habe in Ihrer Predigt, wie gewünscht,<br />

ein oder zwei Kleinigkeiten angemerkt.<br />

Henri (öffnet sie und schaut traurig auf den Text): Oh … vielen Dank.<br />

Comte: Nicht der Rede wert … Achso, und noch etwas: Wenn Sie die neue <strong>Chocolat</strong>erie noch nicht<br />

gesehen haben, sollten Sie da mal vorbei schauen. Es ist immer gut, seine Feinde zu kennen! …<br />

Finden Sie nicht?<br />

10. Szene (<strong>Chocolat</strong>erie auf Laden)<br />

Anouk, Vianne, Armande<br />

Anouk läuft mit der Schultasche zur Türe, Vianne hinterher<br />

Vianne: Und wo bleibt mein Kuss?<br />

Anouk leckt ihr über die Wange. Vianne wischt sie gespielt „empört“ ab. Anouk läuft davon und<br />

rempelt Madame Voizin, die gerade (am Stock) eintreten will.<br />

Armande: Pass doch gefälligst auf!<br />

Anouk: Entschuldigung! (ab)<br />

Vianne: Ach hallo! Guten Morgen!<br />

Armande (schaut sich skeptisch um): Was ist das für eine Ausstattung? Frühes mexikanisches Bordell?<br />

Hä?<br />

Armande geht auf einen Barhocker zu, Vianne will ihr helfen<br />

Armande (ärgerlich): Nein, wenn ich Hilfe brauche, dann werde ich es schon sagen!<br />

Vianne dreht ihren Teller: Was sehen Sie darin?<br />

Armande: Nichts! Überhaupt nichts!<br />

Vianne: Kommen Sie schon, das ist ein Spiel! Was sehen Sie?<br />

13


Armande: Ich sehe eine griesgrämige alte Frau, die zu müde ist, Spiele zu spielen!<br />

Vianne: Oh, ich habe genau das Richtige für Sie!<br />

Holt die Kakaokanne und bereitet eine Tasse.<br />

Armande: Ihrem kleinen Mädchen, macht es ihr etwas aus?<br />

Vianne: Etwas aus?<br />

Armande: Wie Sie mir ihr von einem Ort zum anderen ziehen?<br />

Vianne: Oh, Sie findet es großartig! Ich glaube, es ist gut für sie. Wissen Sie, sie kommt herum, lernt<br />

neue Menschen kennen.<br />

Streuselt etwas in die Tasse.<br />

Armande: Ihr Zimt sieht aber schimmlig aus!<br />

Vianne: Naja, das ist kein Zimt. Das ist eine besondere Sorte Chillipfeffer.<br />

Armande (etwas angewidert): Chillipfeffer in heißer Schokolade?<br />

Vianne (bejaht): Mm, der bringt Sie in Schwung! … Hier!<br />

Armande (kostet skeptisch, ist sichtlich beeindruckt, wie verwandelt): Es schmeckt so ähnlich … ich<br />

weiß es nicht … ach … (lacht leise)<br />

11. Szene (Beichtstuhl)<br />

Père Henri, Madame Drou<br />

Madame Drou: Oh, mon Père, ich mache mir solche Vorwürfe! Aber was sollte ich tun, wo diese<br />

charmante Frau so reizend zu mir war? Ich meine, ich habe nicht mal im Traum daran gedacht, bis es<br />

zu spät war, obwohl ich all das süße Zeug überhaupt nicht anrühren durfte … Ich meine, in den<br />

letzten zwei Jahren bin ich aufgegangen wie ein Hefekuchen, und wenn ich daran denke, dann<br />

möchte ich am liebsten sterben ….<br />

Henri: Zwei Ave Maria!<br />

Madame Drou: Selbstverständlich, mon Père.<br />

Henri: Und denken Sie daran, warum wir in der Fastenzeit enthaltsam sind! Nicht, um unsere<br />

Freunde zu beeindrucken. Nicht damit wir in die teuren Kleider passen, die im kommenden Sommer<br />

in Mode kommen.<br />

Madame Drou (schluchzend): Ja, ich bin eitel! Eine dumme eitle Frau!<br />

14


12. Szene (<strong>Chocolat</strong>erie auf „Laden“)<br />

Armande, Vianne, Monsieur und Madame Poitou<br />

Armande: … wir haben nackt in der Tanne gebadet. Im Morgengrauen, als ich wieder in meinem Bett<br />

lag, steckte meine Mutter den Kopf herein und sagte: Wach endlich auf, du Schlafmütze (lacht laut<br />

mit Vianne) Sie hatte keine Ahnung, dass ich weggewesen war!<br />

Henri betrachtet versonnen die Auslagen, sieht Armande. Sie macht „boh“ und er geht erschrocken<br />

weiter.<br />

Armande: Sind Sie sicher, dass da kein Schnaps drin ist?<br />

Vianne (verneint): M-m, was viel besseres!<br />

Armande: Geben Sie meiner Tochter mal was davon! Vielleicht tauen Sie damit ihr unterkühltes<br />

Wesen auf!<br />

Vianne: Sie und Caroline haben ein Problem?<br />

Armande: Haben wir ein Problem? Pfff! Sie hat mir verboten, dass ich meinen Enkel sehe! (verbittert)<br />

Er wird von mir fern gehalten!<br />

Vianne: Warum denn? (Armande antwortet nicht) Armande, warum denn?<br />

Armande (wegwerfend): Äääh, ich habe einen schlechten Einfluss auf ihn! … Weil ich es nicht gut<br />

finde, dass sie ihn wie einen dressierten Pudel behandelt! Ich schwöre, dieser Bengel geht noch nicht<br />

einmal pissen ohne ihre Erlaubnis! Seitdem ihr Mann gestorben ist, ist sie so geworden, so … Die Art,<br />

wie sie ihn behütet und übertrieben bemuttert … wenn sie ihn nur laufen und atmen lassen würde,<br />

ihn leben lassen würde! Aber sie macht sich immer nur Sorgen, dass er sich irgendwie<br />

überanstrengen könnte! … Da besteht allerdings keine Gefahr. Das arme Kind darf noch nicht einmal<br />

Fahrrad fahren.<br />

Vianne: Denken Sie … dass er sie gerne sehen würde?<br />

Madame und Monsieur Poitou treten hastig Hand in Hand ein.<br />

Madame Poitou: Haben Sie noch mehr von den Bohnendingern bitte?<br />

Vianne: Aber sicher! … Wie viel möchten Sie?<br />

Monsieur Poitou (vorsichtig): Zwei Tüten?<br />

Madame Poitou (entschlossener): Drei!<br />

Monsieur Poitou (vorsichtig): Oder gehen auch vier?<br />

Madame Poitou: Alle, die Sie haben!<br />

Vianne legt Ihnen eine Tüte hin: Die muss ich aber aus der Küche holen.<br />

Madame Drou reißt hastig die Tüte auf und füttert ihrem Mann eine Kakaobohne nach der anderen,<br />

was ihn sichtlich erregt. Vianne stellt einen Karton auf die Theke, Monsieur Drou reicht ihr einen<br />

Geldschein, nimmt den Karton und zerrt seine Frau aus der <strong>Chocolat</strong>erie<br />

Vianne ruft ihnen nach: Das Wechselgeld …<br />

15


13. Szene (Beichtstuhl, währenddessen dreht die Bühne auf „Markt“)<br />

Père Henri, Madame Audel<br />

Madame Audel: Und dann diese Pralinen. Sie standen heute Morgen vor meiner Türe. Zuerst wollte<br />

ich sie bis Ostern aufheben. Aber dann … Sie sind so unscheinbar, so winzig, so unschuldig. Ich<br />

dachte, nur eine einzige kleine Kostprobe könnte nicht so schlimm sein! Doch wie sich herausstellte<br />

waren sie gefüllt mit einer reichhaltigen, sündenvollen Füllung ….<br />

Père Henri: Zwei Ave Maria!<br />

Madame Audel: Ja natürlich, gern, mon Pére. Aber da ist noch etwas … Ich habe unkeusche<br />

Gedanken.<br />

Père Henri (entsetzt): In Ihrem Alter?<br />

Madame Audel: Ja. Es ist mir ja auch so peinlich. Ich ertappe mich immer wieder dabei, wie ich mir<br />

wünsche, dass die Pralinen ein Geschenk. Nun ja, ein Geschenk von Monsieur Blerot …<br />

Père Henri (unterbricht sie hastig): Äh, zehn Ave Maria …<br />

14. Szene (<strong>Chocolat</strong>erie auf „Markt“)<br />

Madame Arnauld, Madame Audel, Madame Drou, der Comte<br />

Die drei alten Damen betrachten die Auslagen<br />

Madame Arnauld: Das ist mal etwas anderes<br />

Madame Audel: Ja wirklich, etwas ganz anderes<br />

Madame Drou: Etwas nie Dagewesenes!<br />

Madame Arnauld: Sehen Sie doch nur<br />

Comte: Guten Tag, meine Damen<br />

Die drei im Chor: Guten Tag, Monsieur Le Comte<br />

Madame Drou (spitz): Wie geht es Madame Comtesse in Italien?<br />

Comte: Ah, Hmmm, Sie wir ihren Aufenthalt wahrscheinlich verlängern!<br />

Madame Drou (ironisch): Oh wie schön!<br />

Comte: Wie finden Sie den Laden hier?<br />

Madame Arnauld: Oh, die <strong>Chocolat</strong>erie?<br />

Madame Audel: Die finden wir eigentlich … äh<br />

Madame Drou: Ja, wie finden wir die doch gleich?<br />

Comte: Unverschämt! Nicht wahr? Diese Frau traut sich vielleicht was. Eröffnet eine <strong>Chocolat</strong>erie,<br />

genau zur Fastenzeit!<br />

Madame Audel: Oh ja!<br />

Madame Drou (vorwurfsvoll): Nein!<br />

16


Madame Audel (erschrocken): Oh nein!<br />

Comte: Schamlos! Ich habe Mitleid mit dieser armen (betont es) unehelichen (!) Tochter von ihr.<br />

Die drei Damen entsetzt im Chor: Nein?<br />

Comte (nickt): Doch! … Einen schönen Tag (ab)<br />

15. Szene (<strong>Chocolat</strong>erie auf Markt)<br />

Serge, Josephine, Vianne, Luc<br />

Serge Muscat und Josephine gehen vor der <strong>Chocolat</strong>erie vorbei. (Er voraus, sie folgt ihm.) Luc sitzt vor<br />

einer toten Taube (oder etwas Ähnlichem) und zeichnet es. Vianne tritt heraus und ruft ihr nach.<br />

Vianne: Josephine!<br />

Serge (tritt zwischen die beiden und mustert Vianne anzüglich von oben bis unten): Was wollen Sie<br />

von meiner Frau?<br />

Vianne: Sie sind Monsieur Muscat?<br />

Serge: Ja, höchstpersönlich! Worum geht es?<br />

Vianne: Ihre Frau hat das hier (Sie zeigt das Päckchen, das sie ihr schenken wollte) bei mir liegen<br />

lassen.<br />

Serge: Na schön. Geben Sie es her!<br />

Vianne: Nein, nein. Ich kann es ihr schon selbst geben.<br />

Serge: Von mir aus.<br />

Er geht weiter. Josephine ist panisch-unschlüssig, ob sie ihrem Mann folgen oder auf Vianne warten<br />

soll.<br />

Josephine (ängstlich): Was wollen Sie denn?<br />

Vianne: Sie haben das hier vergessen?<br />

Josephine: Was wollen Sie denn?<br />

Vianne: Ihre Freundin sein!<br />

Josephine: Ich habe keine Freunde (wendet sich ab, um ihrem Mann zu folgen) Serge!<br />

Vianne hält sie zurück: Tun Sie mir den Gefallen! Kosten Sie einen von diesen Rosentrüffeln und<br />

sagen Sie mir, ob ein Schluck zu viel Cointreau drin ist!<br />

Josephine schaut in Richtung ihres Mannes, nimmt das Päckchen, öffnet es hastig, riecht an der<br />

Praline und schiebt sie sich mit einem seligen Gesichtsausdruck in den Mund. Da ruft ihr Mann aus<br />

dem Off<br />

Serge: Josephine!<br />

Sie verschluckt sich, spuckt die Praline in ihre Hand<br />

Josephine (zu ihrem Mann): Ich komme gleich!<br />

17


Josephine hastig zu Vianne: Er redet über Sie. Er sagt, Sie sind unständig! Sie haben einen schlechten<br />

Einfluss, einen sehr gefährlichen Einfluss …<br />

Vianne (geht auf sie zu, streichelt sie): Es interessiert mich überhaupt nicht, was Ihr Mann über mich<br />

sagt!<br />

Josephine: Was? Nein, nicht Serge, nicht er! Der Comte, der Bürgermeister. Der redet über Sie!<br />

Josephine riecht nochmal an der Praline … und läuft panisch ihrem Mann hinterher.<br />

16. Szene (<strong>Chocolat</strong>erie auf „Markt“)<br />

Luc und Vianne<br />

Vianne steht unschlüssig da. Dann bemerkt sie Luc, geht auf ihn zu und schaut sich seine Zeichnung<br />

an.<br />

Vianne: Hallo Luc. Darf ich mal einen Blick darauf werfen?<br />

Luc: Oh, ähm, also ich bin …<br />

Vianne: Na los, zeig’s mir. Oh.<br />

Luc: Na ja, die Neigung des Kopfes stimmt nicht ganz.<br />

Vianne: Du zeichnest wundervoll. Wie viel verlangst du?<br />

Luc: Bitte?<br />

Vianne: Für ein Porträt! Wie viel würdest du dafür nehmen?<br />

Luc: Oh, hm, das könnte ich nicht. Ich bin kein wirklicher …<br />

Vianne: 50 Franc? Wäre das ein Angebot?<br />

Luc: Das wäre toll!<br />

Vianne: Ich möchte, dass du in meinen Laden kommst!<br />

Luc: Oh … es tut mir sehr leid, aber … aber der Comte hat es verboten. Er hat heute mit meiner<br />

Mutter geredet und mit vielen anderen.<br />

Vianne )schweigt betroffen, dann): Na schön, wie du willst.<br />

Luc: Ich finde es schade! Ich würde gern kommen.<br />

Vianne (steht auf): Danke, dass du mir dein Bild gezeigt hast. (geht auf die Türe der <strong>Chocolat</strong>erie zu,<br />

während Luc unschlüssig mit dem Stift auf seinem Zeichenblock herum hämmert.)<br />

Luc: Warten Sie! Ich komme. Morgen um drei, wenn meine Mutter beim Friseur ist.<br />

17. Szene (Büro des Bürgermeisters, währenddessen dreht die Bühne auf „Laden“)<br />

Vianne, Comte<br />

Vianne stürmt herein: Verstoße ich gegen irgendwelche Gesetze? … Sagen Sie, tue ich<br />

irgendjemandem weh?<br />

18


Comte: Habe ich das behauptet?<br />

Vianne: Was genau haben Sie den Leuten über mich erzählt?<br />

Comte: Nichts als die Wahrheit, Mademoiselle.<br />

Vianne: Na schön, wenn Sie jetzt von mir erwarten, dass ich klein beigebe und verschwinde, dann<br />

täuschen Sie sich gewaltig!<br />

Comte: Mademoiselle, lassen Sie uns doch wie erwachsene Menschen miteinander reden. Warum<br />

haben Sie sich denn ausgerechnet Lansquenet ausgesucht? Ein Laden wie dieser, so ein (ironisch)<br />

Spezialitätengeschäft wäre doch in einer großen Stadt viel erfolgreicher – und schicklicher. In<br />

Toulouse zum Beispiel, oder selbst in Agen.<br />

Vianne: Ich glaube nicht, dass die großen Städte das Vergnügen gepachtet haben. Jeder braucht<br />

etwas Genuss, etwas Sinnlichkeit, wenn er nicht vertrocknen will wie …<br />

Comte: Bitte?<br />

Vianne: Ich denke in diesem Dorf ist genug Platz für uns beide. Wir haben doch freies<br />

Unternehmertum, nicht wahr?<br />

Comte: Nun gut. Lassen Sie ich versuchen, Ihnen die Lage zu erklären: Der erste Comte de Reynauld<br />

hat damals alle radikalen Hugenotten von hier vertrieben. Sie und ihre Trüffel bedeuten eine<br />

wesentlich kleinere Herausforderung. Ihr Geschäft ist bis spätestens Ostern bankrott. Das verspreche<br />

ich Ihnen.<br />

Wütend wirft Vianne das Bild der Comtesse um und stürmt aus dem Büro. Der Comte hebt es auf und<br />

schaut es schwermütig an.<br />

18. Szene (<strong>Chocolat</strong>erie auf „Laden“)<br />

Vianne, Josephine<br />

Josephine (kommt zögerlich in den Laden): Bonjour Vianne<br />

Vianne (zunächst noch mit dem Gespräch mit dem Comte beschäftigt, dann immer mehr Josephine<br />

zugewandt): Bonjour Josephine<br />

Josephine: Ich habe neulich etwas vergessen, bei Ihnen zu bezahlen. Das tut mir leid. (Holt ihre<br />

Geldbörse heraus)<br />

Vianne: Das ist ein Geschenk gewesen<br />

Josephine: Nein. Die Menschen reden. Die Menschen erzählen Lügen über mich. Ich klaue nicht …<br />

nicht mit Absicht. (fängt an mit Weinen) Ich …<br />

Vianne (streichelt sie): Ja, ich weiß. Es ist schön, Sie zu sehen … Möchten Sie vielleicht eine<br />

Schokolade bei mir trinken?<br />

Josephine nickt stumm. Vianne schenkt Schokolade ein. Josephine holt ein kleines Schmuckkästchen<br />

heraus und gibt es ihr.<br />

Josephine: Das ist für Sie!<br />

19


Vianne (immer noch nachdenklich): Wirklich lieb von Ihnen! Danke! (Schaut es an) Es ist<br />

wunderschön!<br />

Josephine: Ich habe gehört, Sie gehen nicht zur Kirche?<br />

Vianne (schüttelt den Kopf): Das ist richtig.<br />

Josephine (lacht leise): Sie werden sich hier nicht lange halten … Die Leute reden … (Sie wirft fast die<br />

Tasse um) … Entschuldigung! … Ich benehme mich schlecht, oder?<br />

Vianne: Nein, kein Problem. Ist schon in Ordnung.<br />

Josephine (immer schneller): Hier benimmt man sich nicht daneben. Hier tut man das einfach nicht.<br />

Wussten Sie das schon? … Wenn man nicht zur Beichte geht, wenn man keine Lust hat und wenn<br />

man nicht seine Blumenbeete harkt … und wenn man nicht so tut … wenn man nicht so tut … als ob<br />

es nichts schöneres geben würde, als seinem Mann täglich drei warme Mahlzeiten zu servieren und<br />

ihm Kinder zu schenken und Staub zu saugen unter seinem Arsch, dann … dann wird man … dann<br />

wird man für verrückt erklärt (weint) Sie müssen denken, dass ich dumm bin, weil ich bei ihm bleibe.<br />

Vianne: Nein, ich denke nicht, dass Sie dumm sind …<br />

Josephine: Doch! Doch, genau das bin ich. Ich bin so schwach. Ich liebe meinen Mann nicht. Und ich<br />

lüge.<br />

Vianne: Nein. Ihr Leben könnte ganz anders aussehen, Josephine. Serge ist nicht der Herr der Welt …<br />

Josephine: Aber meiner Welt schon!<br />

Vianne: Glauben Sie das wirklich?<br />

Josephine: Ich weiß es.<br />

Vianne: Oh, dann stimmt das wohl. Dann muss es wahr sein. Ich hab mich geirrt. (Schweigen)<br />

Josephine: Ach, Sie machen einfach die wundervollste Schokolade.<br />

19. Szene (<strong>Chocolat</strong>erie auf „Laden“)<br />

Anouk, Vianne<br />

Anouk kommt mit verstrubbelten Haaren und unordentlichen Sachen herein.<br />

Vianne: Was ist denn los mit dir, mein Schatz?<br />

Anouk: Ich habe mich mit den Jungs geprügelt.<br />

Vianne: Warum denn das?<br />

Anouk: Sie haben Pantoufle beleidigt!<br />

Vianne: Und dann?<br />

Anouk: Dann haben sie sich entschuldigt. Und sie haben mich gefragt, ob es stimmt, dass ich keinen<br />

Vater habe. So ein Quatsch habe ich ihnen gesagt. Jeder hat einen Vater. Wir wissen eben bloß nicht,<br />

wer es ist.<br />

Anouk umarmt Vianne<br />

20


Anouk: Maman, Pantoufle will die Geschichte von Grandmère und Grandpère hören!<br />

Vianne: Aaach …<br />

Anouk: Sag‘ nicht, heute nicht. Immer sagst du heute nicht!<br />

Vianne: Also schön, also schön. Dein Großvater, George Rocher, war ein junger Apotheker in dem<br />

Städtchen Lannion. George war ehrlich, wohlhabend und er genoss das Vertrauen seiner Kunden.<br />

Doch George war nicht zufrieden. Er meinte, das Leben müsse mehr zu bieten haben als das<br />

Verabreichen von Lebertran. Im Frühjahr des Jahres 1927 führte die pharmazeutische Gesellschaft<br />

eine Forschungsreise nach Mittelamerika durch. Die medizinische Wirkung von Naturheilmitteln<br />

sollte untersucht werden. George war der eifrigste Teilnehmer. Doch seine Reise nahm eine<br />

unerwartete Wendung. Eines Abends bekam er naturbelassenen Kakao mit einer Prise Chillipfeffer zu<br />

trinken. Das gleiche Getränk, das die alten Maya während ihrer Zeremonien zu sich nahmen. Die<br />

Maya glaubten, Kakao hätte die Macht, verborgene Sehnsüchte freizusetzen. Und Schicksale zu<br />

offenbaren. Und so kam es, dass George Chiza bemerkte. George war als guter Katholik erzogen<br />

worden. Doch bei der Affäre mit Chiza umging er ein wenig die Regeln der christlichen<br />

Brautwerbung. Die Stammesältesten versuchten ihn zu warnen. Sie war eine Nomadin. Ihre Familie<br />

zog mit dem Nordwind von Ort zu Ort, verteilte die uralten Heilmittel und wurde nirgends sesshaft.<br />

Keine gute Voraussetzung für eine Verbindung. Aber George hörte nicht auf ihre Warnung. Zunächst<br />

hatte es den Anschein, als fänden George und Chiza ihr gemeinsames Glück in Frankreich. Doch der<br />

listige Nordwind hatte andere Pläne. Eines Morgens erwachte George und bemerkte, dass Chiza und<br />

das kleine Mädchen Vianne fortgegangen waren. Mutter und Tochter war es bestimmt, mit den<br />

uralten Rezepten aus Kakao von Ort zu Ort zu wandern. Sie reisten mit dem Wind, so wie Chizas<br />

Familie es seit Generationen getan hatte.<br />

Anouk: Und wird das immer so weiter gehen? (Black)<br />

20. Szene (<strong>Chocolat</strong>erie auf „Laden“)<br />

Armande, Luc, Vianne<br />

Armande ist eingetreten.<br />

Vianne: Ach, ich danke Ihnen, dass Sie gekommen sind, Armande.<br />

Armande (setzt sich auf den Hocker): Gut. Und was ist so wichtig, dass ich meinen Mittagsschlaf<br />

verschieben muss?<br />

Vianne: Ich habe frischen Schokoladenkuchen.<br />

Luc tritt ein. Armande starrt ihn gerührt an<br />

Luc: Großmutter! Guten Tag!<br />

Armande: Darf ich … äh … möchtest du vielleicht eine Tasse Schokolade?<br />

Luc: Nein … nein, ich möchte hier eigentlich nur … (zu Vianne) ein Porträt zeichnen?<br />

Armande (zu Vianne): Von wem?<br />

Vianne: Von Ihnen, ehrlich gesagt. (zu Luc) Ist das Licht gut, wo sie sitzt?<br />

Luc nickt.<br />

21


Armande: Ich habe etwas für dich, mein Junge. Ich trage es seit deinem letzten Geburtstag mit mir<br />

rum. Es ist ein Buch mit Gedichten.<br />

Luc: Oh! Vielen Dank.<br />

Armande: Gedichte gefallen dir nicht?<br />

Luc (verlegen): Oh nein, nein, nein. Doch, wirklich.<br />

Armande: Ich mag sie auch nicht. So eine Art von Gedichten ist es aber nicht.<br />

21. Szene (Beichtstuhl)<br />

Blerot, Père Henri<br />

Blerot: Und in einem Augenblick der Schwäche habe ich die Jungfrau Maria gebeten, für meinen<br />

Hund Charly zu bitten, dass er Eingang ins Himmelreich fände.<br />

Henri: Du weißt doch genau, dass ein Tier keine unsterbliche Seele besitzt.<br />

Blerot: Doch, ich weiß es, mon Père.<br />

Henri: Und dennoch verhöhnst du Gottes Gesetz?<br />

Blerot: Ich bin schwach. Und ein Sünder!<br />

Henri: Zwei Ave Maria und ein Vaterunser! Was noch?<br />

Blerot: Äh, mmh, ich … ich habe unreine Gedanken. Die Frau, der die <strong>Chocolat</strong>erie gehört …<br />

Henri (entsetzt): Vianne Rocher?<br />

Blerot: … sie hatte vorgeschlagen, dass ich Schokoladenmuscheln für die Witwe Audet kaufe. Und<br />

dann habe ich sie heimlich vor ihre Türe gestellt. Sie sollte nicht wissen, dass sie … Nunja, jedenfalls,<br />

irgendwie hat sie es dennoch erfahren Und als ich … als ich ihr dann auf dem Markt begegnete, da<br />

hat sie, da hat sie mir … einen Kuss gegeben. Und seitdem … Äh … Äh …<br />

Henri (hastig): Zehn Ave Maria. Zwanzig Vaterunser.<br />

22. Szene (<strong>Chocolat</strong>erie auf „Laden“)<br />

Armande, Vianne, Luc<br />

Armande liest Luc aus dem Büchlein vor, das sie ihm geschenkt hat: Ein ersoffener Bierfahrer wurde<br />

auf den Tisch gestemmt. Irgendeiner hatte ihm eine dunkellila Aster zwischen die Zähne geklemmt.<br />

Als ich von der Brust aus unter der Haut mit einem langen Messer Zunge und Gaumen herausschnitt,<br />

muss ich sie angestoßen haben, denn sie glitt in das nebenliegende Gehirn. Ich packte sie ihm in die<br />

Brusthöhle zwischen die Holzwolle als man zunähte. Trinke dich satt in deiner Vase! Ruhe sanft,<br />

kleine Aster!<br />

… das ist aber ziemlich ekelhaft, oder nicht?<br />

Luc (begeistert): Das finde ich auch!<br />

Vianne (zu Luc): Möchtest du ein Stück Kuchen?<br />

22


Luc (räuspert sich): Ich soll aber nichts essen.<br />

Armande: Mach dir nicht so viele Gedanken darüber, was du nicht sollst!<br />

Luc kostet ein Stück von dem Kuchen.<br />

Armande: Hm, lebe ein bisschen.<br />

Luc: Oh, ihr Friseurtermin ist fast vorbei. Ich muss jetzt gehen.<br />

Armande: Was ist mit meinem Porträt?<br />

Luc: Nächstes Mal! (im Hinausgehen) Danke für den Kuchen!<br />

Vianne lächelt glücklich.<br />

Armande (schaut sie etwas wütend an): Kucken Sie nur nicht so verdammt selbstzufrieden!<br />

(Black)<br />

23. Szene (<strong>Chocolat</strong>erie auf „Laden“, nachts)<br />

Vianne, Josephine<br />

Es klopft an der Tür der <strong>Chocolat</strong>erie. Vianne kommt und öffnet. Josephine steht mit einem Koffer<br />

davor.<br />

Josephine (weinend): Ich hab’s getan! Ich hab’s getan!<br />

Vianne: Was?<br />

Josephine: Er war so betrunken<br />

Vianne: Kommen Sie rein!<br />

Josephine: Er ist aufgewacht. Er ist aufgewacht und hat gesehen, wie ich gepackt habe. Dann wollte<br />

er hinter mir her. Aber ich hatte seine Füße zuvor mit einem Gürtel zusammen gebunden (lacht und<br />

weint gleichzeitig unmäßig) Bumm! (zeigt auf den Boden) Voll auf sein Gesicht! Voll auf sein<br />

aufgedunsenes rotes Gesicht ist er geknallt! (weint)<br />

Vianne streichelt sie und entdeckt dabei die Wunden von Serges Schlägen an ihrer Schläfe: Josephine,<br />

er hat Sie geschlagen. Wie hat er Sie so zurichten können? Das kann doch nicht wahr sein!<br />

Josephine: Ich habe ihm nicht die Schuld gegeben. Manchmal vergesse ich, vergesse ich sogar, was<br />

alles passiert ist (weint, Vianne tröstet sie)<br />

Vianne: Sie dürfen nie wieder zu ihm zurückkehren. Sie bleiben erstmal bei mir. Kommen Sie (nimmt<br />

ihren Koffer, Black)<br />

23


24. Szene (Büro des Bürgermeisters)<br />

Serge, Comte<br />

Serge (wütend): Ich bin ihr Retter! Erinnern Sie sich! Ihr Vater hatte mit den Deutschen kollaboriert!<br />

Und niemand wollte etwas mit ihr zu tun haben! Niemand außer mir! Das ist jetzt der Dank, den ich<br />

dafür bekomme?<br />

Comte: Serge, ich verstehe dich!<br />

Serge (wütend): Und was ich alles mit ihr mitgemacht habe? Sie immer wieder mit prallvollen<br />

Taschen zu erwischen, vollgestopft mit Zeug, das sie auf dem Markt geklaut hat. Mit Lippenstiften<br />

und Parfümflaschen und billigem Schmuck. Und in der Kirche haben mich alle angestarrt und über<br />

mich gelacht.<br />

Comte: Deine Wut ist durchaus verständlich!<br />

Serge (wütend): Wut? Die ganze Stadt wird sich über mich lustig machen!<br />

Comte: Das sollte nicht deine Sorge sein. Jetzt geht es darum, eure Ehe zu retten.<br />

Serge (weinerlich): Glauben Sie nicht, ich würde sie nicht lieben, Monsieur le Comte. Sonst würde ich<br />

sie ja auch nicht wieder haben wollen ... (wieder wütend) Auch wenn ich dann wieder jeden Morgen<br />

neben ihrem dämlichen Gesicht aufwachen muss.<br />

Comte: Serge! Hier muss es um das heilige Sakrament der Ehe gehen!<br />

Serge (beruhigt sich): Ja, natürlich, das Sakrament … das Sakrament der Ehe … das heilige Sakrament!<br />

Comte: Ja!<br />

25. Szene (<strong>Chocolat</strong>erie auf „Laden“, Tag)<br />

Vianne, Josephine, Comte<br />

Vianne arbeitet mit Josephine auf dem Tisch.<br />

Vianne: Tauch die Praline in die weiße Schokolade ein!<br />

Josephine: Ist es so richtig?<br />

Vianne: Gut! (Josephine schüttelt die Schokolade ab) Ja, schüttle sie, ein bisschen. Schön! Leg sie auf<br />

das Pergamentpapier! Das machst du wundervoll!<br />

Der Comte tritt ein, kämpft mit der Versuchung der Auslagen.<br />

Vianne: Ah, guten Morgen! (Bietet ihm die gerade fertig gewordenen Pralinen an) Kann ich Sie für ein<br />

paar Venusnippel interessieren?<br />

Comte (ist empört, kämpft aber gleichzeitig mit der Versuchung): Es geht das Gerücht um, dass Sie<br />

Madame Muscat Unterschlupf gewähren. Ist dem so?<br />

Vianne: Hört sich an, als ob sie entflohen wäre!<br />

Comte: Sie ist durchaus eine Flüchtige. Ais ihrem Ehegelübde, das von Gott gesegnet worden ist.<br />

24


Vianne (nickt scheinbar verständnisvoll): Josephine, komm doch mal kurz her! Lass seine<br />

Durchlauchtigkeit einen Blick auf dich werfen, hmm?<br />

Vianne (streicht Josephines Haar beiseite und zeigt die Wunde): Reicht Ihnen dieser Segen aus?<br />

(Comte schaut betroffen zu Boden) Es ist nicht das erste Mal!<br />

Comte: Es tut mir aufrichtig leid! (zu Josephine) Sie hätten zu mir kommen sollen!<br />

Josephine: Nein, ich bleibe hier, bei Vianne!<br />

Comte: Aber wie lange? Madame Rocher mag zwar ihre Freundin sein, aber sie ist eine Geschäftsfrau<br />

und muss ihren Laden führen und sich um ihr Kind kümmern. Genug Platz zum Wohnen gibt es hier<br />

auch nicht. Wie lange wird sie eine Fremde in ihrem Haus dulden?<br />

Josephine schaut ängstlich zu Vianne<br />

Vianne (zum Comte): Ich habe Josephine angeboten für mich zu arbeiten. (Gespielt bedauernd)<br />

Zurzeit sieht es nämlich gar nicht danach aus, dass mein Laden bis Ostern bankrott ist. (zu Josephine)<br />

Und was die Wohnsituation anbetrifft: Du kannst so lange bei uns wohnen, wie du willst. Es ist uns<br />

ein Vergnügen, dich bei uns zu haben.<br />

Comte (beirrt): Josephine, kommen Sie doch bitte mal mit in mein Büro, ich würde gerne unter vier<br />

Augen mit Ihnen reden.<br />

Josephine: Was Sie mir sagen wollen, können Sie mir auch hier sagen!<br />

Vianne (spöttisch besorgt): Ich serviere Ihnen auch gerne etwas. Ein Tässchen Schokolade würde<br />

Ihnen gewiss gut tun. Immer nur Wasser und Messwein. Sie sind ja schon ganz weiß um die Nase.<br />

Comte (wütend, fasst sich aber und wendet sich an Josephine): Ihr Mann muss dafür Buße tun, dafür<br />

werde ich sorgen!<br />

Josephine: Sagen Sie ihm, er soll am Kopf von jemand anderem Buße tun!<br />

26. Szenenfolge (Schnelle Szenenwechsel Beichtstuhl, Büro, <strong>Chocolat</strong>erie auf „Laden“)<br />

Comte, Serge, Vianne, Josephine, Armande, Luc, Monsieur Blerot, Monsieur Poitou, Madame Poitou,<br />

Madame Arnauld, Madame Audel, Père Henri<br />

Licht auf Büro, Marktplatz, Beichtstuhl<br />

Comte scheucht Serge von seinem Büro über die Bühne zum Beichtstuhl.<br />

Comte: Komm schon, da rüber!<br />

Serge: Monsieur Le Comte!<br />

Comte: An dir werde ich ein Exempel statuieren!<br />

Serge: Aber Monsieur le Comte<br />

Comte: Los, da rein!<br />

25


Comte schubst Serge in den Beichtstuhl, in dem Henri bereit sitzt und erschrocken aufspringt.<br />

Comte: Er ist bereit!<br />

Henri: Nun aber: Die Beichte muss in einem Zustand der Reue abgelegt werden!<br />

Comte zu Serge: Bist du in einem Zustand der Reue?<br />

Serge: Ja jajaja, Zustand der Reue!<br />

Comte: Er ist bereit!<br />

Licht auf <strong>Chocolat</strong>erie (Laden):<br />

Vianne und Josephine bei der Arbeit. Josephine mörsert Kakaobohnen oder ähnliches.<br />

Vianne: Du darfst sie aber auch nicht zu fein machen! Man muss sie in der Schokoladenmasse noch<br />

zerbeißen können.<br />

Monsieur Poitou: Bonjour Mesdames!<br />

Vianne (erfreut): Salut Pierre!<br />

Josephine (schüchtern): Salut!<br />

Monsieur Poitou (reicht Vianne einen Beutel mit Baguettes): Soll ich ab morgen ein Baguette mehr<br />

liefern? Meine Frau hat erzählt, dass Sie jetzt hier zu dritt wohnen?<br />

Vianne: Oh ja, sehr gern.<br />

Licht auf Beichtstuh<br />

Serge steht davor, Henri geht vor ihm auf und ab.l<br />

Serge: Zügellosigkeit, Hexerei, Abgötterei, Völlerei und Trunkenheit<br />

Henri: Sehr richtig! Und was sind die drei Voraussetzungen für eine Todsünde?<br />

Serge: Todsünde? Ist … eine Sünde …, die schwerwiegend ist …. und die man …. aus absichtlichem …<br />

Henri: Falsch! Die Todsünde ist eine Sünde, die von besonders schwerwiegender Natur ist und die in<br />

vollem Bewusstsein und aus eigenem freien Willen begangen wird.<br />

(Serge zerknirscht)<br />

Licht auf <strong>Chocolat</strong>erie (Laden):<br />

Vianne räumt in den Regalen herum.<br />

Luc zeichnet Armande.<br />

Sie nascht von einem Teller eine Praline.<br />

Luc: Du musst still sitzen, Grandmère!<br />

26


Armande: Garnichts muss ich!<br />

Vianne (liebevoll ermahnend): Armande!<br />

Licht auf Beichtstuhl:<br />

Madame Poitou: Die Kunden beschweren sich ja auch schon, wenn die Baguettes um 8 noch nicht<br />

fertig sind. Aber wir schaffen es einfach nicht mehr, um 5 aufzustehen, seitdem Pierre … diese<br />

Kakaobohnen isst.<br />

Père Henri: Und Sie können ihn nicht bewegen, wenigstens während der Fastenzeit auf dieses<br />

Süßzeug zu verzichten?<br />

Madame Poitou (erschrocken): Nein … (zögernd) ja doch, aber … aber seitdem ist alles wieder wie<br />

früher. So … so leidenschaftlich. Das kann doch nichts Böses sein, mon Père.<br />

Licht auf <strong>Chocolat</strong>erie:<br />

Vianne macht mit Josephine Kuvertüre<br />

Vianne: Und woher weißt du, ob die Kuvertüre so weit ist?<br />

Josephine: Zuerst prüft man, ob sie die Körpertemperatur hat. Dann taucht man den Spatel hinein,<br />

um zu überprüfen, ob die Kuvertüre gleichmäßig ist.<br />

(während dessen wechseln der Comte und später Serge hinter der Bühne auf die rechte Seitenbühne.<br />

Serge setzt sich dort an den Tisch, Comte stellt sich daneben)<br />

Licht auf rechte Seitenbühne:<br />

Serge sitzt vornübergebeugt am Tisch, führt den Mund zum Löffel knapp über dem Teller und schlürft<br />

die Suppe<br />

Comte: Wie oft denn noch? Gerade sitzen! Den Ellenbogen anheben! Der Löffel geht zum Mund und<br />

nicht der Mund zum Löffel! Den Löffel gerade halten! Schlürf nicht so!<br />

Licht auf Beichtstuhl:<br />

Madame Arnauld: Ich sage mir ja auch jedes Mal, das ist das letzte Mal. Aber dann bekomme ich<br />

wieder den Duft von heißer Schokolade in die Nase oder von diesen Mohnkuchen. Und diese<br />

Schokolade, die zerschmilzt auf der Zunge (sie schiebt sich eine Praline in den Mund und spricht<br />

schmatzend weiter), Gott vergib mir, die zerschmilzt auf der Zunge, so zart. Es ist so ein Glücksgefühl!<br />

Henri: Sie naschen doch nicht etwa … nicht etwa … im Beichtstuhl?<br />

Madame Arnauld (schmatzend): Nein, Gott bewahre, nie würde ich das tun!<br />

Henri: Lügen Sie doch nicht! Ich höre es doch! Ich rieche es doch!<br />

27


Licht auf <strong>Chocolat</strong>erie:<br />

Madame Audel sitzt mit Monsieur Blerot auf den Barhockern. Er hält ihr verführerisch eine Tüte mir<br />

Pralinen hin. Sie nimmt daraus eine – etwas schüchtern und verlegen, kostet und lächelt ihn an. Er<br />

lächelt zurück<br />

Licht auf Beichtstuhl<br />

Der Comte und Serge knien gefalteten Händen vor Henri, der jedem von ihnen eine Hostie in den<br />

Mund gibt.<br />

27. Szene (<strong>Chocolat</strong>erie auf „Laden“)<br />

Vianne, Josephine und Armande in der <strong>Chocolat</strong>erie<br />

Vianne schiebt Josephine, die Geste des Priesters imitierend, eine Praline in den Mund<br />

Vianne (zu Armande): Sie haben mir nie gesagt, was eigentlich das Problem ist zwischen Ihnen und<br />

Caroline!<br />

Armande: Weil es dich verdammt nochmal nichts angeht …. (schweigt einen Moment) Sie schämt sich<br />

wegen mir. Ich fluche, ich lese unanständige Bücher, ich esse und trinke, was mir gefällt, und die<br />

Sünde aller Sünden ist: Ich weigere mich ins „Les Mimosas“ zu gehen.<br />

Vianne: „Les Mimosas“?<br />

Josephine: Als Kinder nannten wir es immer das „Totenheim“. Es ist ein Heim für alte … Es ist in<br />

Toulouse.<br />

Armande: Caroline ist ganz vernarrt in die Idee, dass eine Krankenschwester meinen Stuhlgang in<br />

ihrem Schreibheft protokolliert.<br />

Anouk: Maman, Maman, komm schnell, sie haben in Lansquenet angelegt.<br />

Vianne: Ganz langsam, wer hat angelegt?<br />

Anouk: Piraten!<br />

28. Szene (Floß)<br />

Vianne, Anouk, Roux, ggf. Roma der Band und Mädchen<br />

Vianne und Anouk gehen zum Bootssteg (Steg zum Boot im Saal) hinab. Roux (oder eine anderer<br />

Roma) spielt noch auf einem Instrument<br />

Anouk (zu Vianne): Ich wette, das ist der Kapitän! (Sie rennt los)<br />

Vianne: Anouk, lass das sein!<br />

Vianne läuft ihr hinterher.<br />

Roux: Guten Tag, ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen, für uns alle, aufrichtig!<br />

Vianne: Wofür denn?<br />

28


Roux: Egal, für alles, was Sie uns vorwerfen.<br />

Vianne: Und wieso sollte ich das tun?<br />

Roux: Naja, weil wir Flussratten der allerletzte Dreck in der Gesellschaft sind. Mit furchtbaren<br />

Krankheiten und kriminellen Trieben.<br />

Vianne (lacht): Hört sich ja schrecklich an. Ist das wahr?<br />

Roux: Genau das denkt ihr braven Bürger doch von uns, nicht wahr?<br />

Vianne: Ich komme nicht von hier, Entschuldigung!<br />

Roux: Und was machen Sie dann hier? Wollen Sie uns erretten? Sie sind vom katholischen<br />

Sozialwerk? Französische Familienhilfe? Kommunistische Arbeiterliga? Welche Idee verkaufen Sie?<br />

(steht auf, legt sein Instrument weg)<br />

Anouk: Schokolade!<br />

Roux: Wie bitte? Schokolade?<br />

Anouk: Was ist das, eine Flussratte? Ist das sowas wie ein Pirat?<br />

Roux: Ja, könnte man sagen, könnte man.<br />

Holt einen Korb mit Ketten und anderem Schmuck.<br />

Roux: Willst du mal meine Schatztruhe sehen?<br />

Anouk und Vianne schauen<br />

Vianne: Lassen Sie mich raten. Die sind zu verkaufen.<br />

Roux: Volltreffer, genau das sind sie. Für lächerliche 30 Franc pro Stück<br />

Vianne lacht.<br />

Roux: Sie lachen? In Paris kann ich 50 dafür kriegen.<br />

Vianne: Dann gehen Sie doch nach Paris!<br />

Vianne und Anouk wollen gehen. Der Comte kommt oben am Steg vorbei.<br />

Vianne sieht ihn, zögert, dreht sich um: Wir nehmen zwei, bitte!<br />

Roux (erstaunt): Sie wollen zwei? (blickt zum Comte)<br />

Vianne: Ja, auf jeden Fall, bitte!<br />

Roux: Aber gern!<br />

Vianne (kramt in ihrer Geldbörse): Ich weiß nicht, ob ich es passend habe.<br />

Anouk: Die sind unheimlich schön!<br />

Roux: Irische Kostbarkeiten!<br />

Vianne gibt das Geld und geht.<br />

Roux: Hören Sie, ich sollte Sie lieber warnen. Wenn Sie sich mit uns anfreunden, machen Sie sich<br />

andere zu Feinden!<br />

29


Vianne: Ist das ein Versprechen? (zu Anouk) Komm!<br />

Roux: Das garantiere ich Ihnen!<br />

29. Szene (<strong>Chocolat</strong>erie auf „Laden“, ggf. auch auf Markt))<br />

Serge, Josephine<br />

Serge in einem sehr ordentlichen Anzug und mit einem Blumenstrauß klopft an Tür der <strong>Chocolat</strong>erie.<br />

Josephine (ohne ihn zu sehen): Tut mir leid, wir haben geschlossen.<br />

Sie sieht Serge und öffnet etwas zögerlich die Tür, er tritt ebenso zögerlich ein.<br />

Serge: Josephine, du hast dich verändert.<br />

Josephine: Ja, du auch.<br />

Serge (sehr steif): Ich möchte dir nur sagen, dass es mir wirklich leid tut. Alles tut mir leid. Aber, weißt<br />

du, ich bin anders geworden. Gott hat einen neuen Menschen aus mir gemacht … Ich wollte dich<br />

fragen … Ich bitte dich … Nimm meine Bitte um Vergebung an. (Reicht ihr die Blumen.)<br />

Josephine (gerührt, riecht daran): Ich nehme sie an.<br />

Serge: Ich verspreche dir. Ab sofort soll wirklich alles anders werden.<br />

Josephine (etwas verständnislos): Es ist doch schon alles anders geworden, Serge.<br />

Serge: Äh, naja, ich meine, wenn du nach Hause kommst.<br />

Josephine: Nach … Hause kommst? … Danke für deine Entschuldigung, die Blumen sind wunderschön.<br />

(will ihn hinaus schieben)<br />

Serge: Bitte, Josephine, in den Augen Gottes sind wir immer noch verheiratet!<br />

Josephine: Dann muss Gott wohl blind sein. (schiebt ihn hinaus und schließt die Tür)<br />

30. Szene (Büro)<br />

Der Comte sitzt an seinem Schreibtisch, steht auf und spricht zum Publikum:<br />

Comte(auf das Floß weisend): Diese Menschen sind gottlose, entwurzelte Vagabunden. Sie geben<br />

sich zweifelhaften Vergnügungen hin. Sie vergiften den Geist unseres friedlichen Städtchens. Und die<br />

Unschuld unserer Kinder! Wir können sie nicht zwingen, hier fortzuziehen. Das Flussufer ist<br />

öffentlicher Grund. Aber wir können ihnen begreiflich machen, dass sie hier nicht erwünscht sind.<br />

Niemand darf ihnen etwas verkaufen! Niemand darf ihnen Arbeit geben! Niemand darf mit ihnen<br />

sprechen!<br />

31. Szene (<strong>Chocolat</strong>erie auf „Laden“, Nacht)<br />

Serge, Josephine, Vianne<br />

Serge mit offenem Schlips, Hemd und Anzug klopft gegen die Türe der <strong>Chocolat</strong>erie, tritt sie ein.<br />

Taumelt besoffen in den Innenraum.<br />

30


Serge: Josephine … Josephine … du meinst du kannst mich einfach so verlassen. Du blödes Weib. Wer<br />

bist du überhaupt? Du kannst noch nicht einmal mit einer Bratpfanne umgehen. Du kannst noch<br />

nicht mal (tritt einen Hocker um) ein verdammtes Essen auf den Tisch bringen. Wo bist du?<br />

(„ruhiger“, fies) Komm her, ich will nur nochmal mit dir reden.<br />

Vianne (kommt aus dem Off): Schlaf erstmal deinen Rausch aus, Serge.<br />

Serge: Halt die Klappe, du Miststück. Du hast schon genug angerichtet!<br />

Vianne: Raus hier!<br />

Josephine folgt ihr. Serge auf sie zu. Packt sie und will sie aus der <strong>Chocolat</strong>erie ziehen.<br />

Serge: Komm jetzt mit!<br />

Josephine: Nein, nein …<br />

Vianne packt ihn von hinten: Lass sie los.<br />

Serge, wirft sie auf den Boden: Du widerliche Schlampe!<br />

Serge setzt sich auf Vianne und würgt sie. Sie schreit erstickt. Josephine holt eine Pfanne und schlägt<br />

sie ihm von hinten über den Kopf. Er sinkt auf Vianne zusammen. Sie wirft ihn ab.<br />

Josephine: Sag nicht noch einmal, dass ich nicht mit einer Bratpfanne umgehen kann.<br />

Vianne lacht lauthals<br />

(Black)<br />

32. Szene (<strong>Chocolat</strong>erie auf „Laden“)<br />

Armande, Luc, Vianne<br />

Armande sitzt auf dem Barhocker, Josephine und Vianne räumen lachend auf und kehren.<br />

Armande: Sein Schädel ist wohl doch nicht so hart, wie wir dachten.<br />

Vianne: Es war, als würde eine Fliege zerklatschen.<br />

Armande: Das Schlimmste hast du hinter dir. Er weiß es jetzt, mit wem er es zu tun hat.<br />

Josephine: Oh ja, und ich weiß es auch!<br />

Luc (tritt ein): Hallo!<br />

Vianne: He, Luc!<br />

Armande: Wie viel Zeit haben wir?<br />

Luc: Sie ist ungefähr eine Stunde beim Friseur!<br />

Armande (erfreut): Oh!<br />

31


33. Szene (Büro des Bürgermeisters)<br />

Comte, Caroline<br />

Comte sitzt am Schreibtisch mit einem Packen Zettel<br />

Comte: Caroline? (Sie schaut herein) Störe ich Sie?<br />

Caroline: Ich habe einen Friseurtermin. Ich hatte nur meine Geldbörse vergessen.<br />

Comte: Oh Schade. Ich wollte Sie gerade um einen Gefallen bitten.<br />

Caroline: Aber gerne, ich kann den Termin auch absagen.<br />

Comte: Es geht um diese Zettel. Wir müssen Sie gut sichtbar in allen Geschäften aushängen. (Er hält<br />

ihr den Stapel hin.)<br />

Caroline nimmt den Stapel und liest: Boykottiert die Unmoral! In diesem Geschäft haben Zigeuner<br />

keinen Zutritt. - Sehr gut. Ehe man sich versieht rauben diese Zigeuner unsere Geschäfte aus oder<br />

nehmen sogar Arbeit an. Ich kümmere mich sofort darum. Madame Pierette und Madame Robert<br />

werden mir sicher beim Austragen helfen.<br />

34. Szene (<strong>Chocolat</strong>erie auf „Laden“)<br />

Luc, Armande, Vianne, Josephine, dann Caroline<br />

Luc reibt sich mit einem Löffel die Nase. (Oder ähnliches Kunststück?)<br />

Armande: Reiben! Reiben! Stärker! Jetzt vorsichtig (er setzt ihn an der Nase an) Na hält er?<br />

Es gelingt!<br />

Alle jubeln.<br />

Caroline kommt in den Laden, um Zettel zu verteilen. Alle schauen sie erschrocken an.<br />

Armande fasst sich recht schnell: Hallo Caroline! (Luc wischt sich den Mund ab.) Wenn du jemanden<br />

beschimpfen willst, dann beschimpfe mich! Ich verderbe meinen Enkel mit Kakao!<br />

Caroline: Oh, wie kannst du es wagen, Mutter?<br />

Armande: Es geht ihm gut, er ist glücklich, sieh ihn dir an!<br />

Luc: Maman, ich …<br />

Caroline: Und wie geht es dir, Mutter? … Fühlst du dich gut? (Armande etwas zerknirscht., weiter zu<br />

Vianne) Ich wette sie hat absichtlich vergessen, es Ihnen zu sagen!<br />

Armande: Caroline!<br />

Caroline: Warum zeigst du es Ihnen nicht, Mutter? (Hebt ihren Rock – oder zieht Ärmel hoch?) Hast<br />

du Angst davor? Zeig es doch!<br />

Sie zeigt es.<br />

32


Caroline: Sie spritzt Insulin! Sie hat Diabetes! Sehr weit fortgeschritten. Innerhalb eines Jahres kann<br />

sie blind werden!<br />

Armande: Ja, nenne mich doch drogenabhängig. Das klingt noch viel aufregender, nicht?<br />

Caroline: Und Sie beide, Sie füttern sie mit Süßigkeiten!<br />

Armande: Es gibt schlimmere Arten zu sterben!<br />

Caroline: Warum geben Sie ihr nicht einfach Rattengift? Hm? Dann geht es schneller?<br />

Armande: Caroline hat eine Schwäche für Theatralik!<br />

Caroline: Es ist unbedingt nötig, dass sie irgendwo lebt, wo man sich um sie kümmert!<br />

Armande: In diesem Totenheim? Dann wäre ich lieber in der Hölle!<br />

Caroline (sehr ernst): Da könntest du landen, Mutter! (zu Luc) Luc, du kommst mit!<br />

Luc: Aber ich will noch nicht gehen! (erhebt sich widerwillig)<br />

Josephine: Er ist glücklich hier. Es tut ihm gut!<br />

Caroline: Ich entscheide selbst, was meinem Sohn guttut, Madame Muscat! (zu Luc) Komm! (ab)<br />

Armande (zu Vianne): Gib mir noch eine Tasse! (als sie zögert) Es ist mein Leben! Lass mich den Rest<br />

noch genießen. Komm, mach sie voll!<br />

Vianne: Armande, warum hast du es mir nicht erzählt?<br />

Armande (wütend): Ist das eine <strong>Chocolat</strong>erie oder ist es ein Beichtstuhl? (steht auf, im Gehen) Und<br />

wehe, ihr bemitleidet mich!<br />

35. Szene (<strong>Chocolat</strong>erie auf „Laden“)<br />

Roux, Vianne, Romamädchen, dann Anouk<br />

Roux kommt mit einem kleinen Romamädchen an der <strong>Chocolat</strong>erie vorbei<br />

Vianne: Hallo!<br />

Roux: Hallo!<br />

Vianne: Ich habe gerade frische Mokkakugeln gemacht. Möchte vielleicht jemand kosten?<br />

Mädchen (am Eingang): Mein Bauch tut mir weh!<br />

Vianne: Oh, dafür habe ich genau das Richtige! Komm rein!<br />

Roux: Was ist mit „Boykottiert die Unmoral!“?<br />

Vianne (lacht): Kommen Sie rein!<br />

Vianne gibt dem Mädchen etwas Grünzeug: Ein altes Heilmittel. Vom Kakaobaum.<br />

Mädchen: Das schmeckt komisch!<br />

Vianne: Vielleicht will dein Vater auch mal kosten?<br />

33


Mädchen: Er ist nicht mein Vater, er ist mein Pony!<br />

Anouk (kommt und reicht ihr eine Dose mit Schokoladencreme): Hier, das ist viel besser als die<br />

Blätter!<br />

Mädchen: Das schmeckt gut!<br />

Anouk: Komm mit, Pantoufle will dich kennen lernen (beide ab) Das ist mein Känguruh!<br />

Vianne zu Roux, ihm eine Schachtel reichend: Greifen Sie zu, das ist Ihre Lieblingssorte!<br />

Roux: Warum sind Sie da so sicher?<br />

Vianne: Na los, probieren Sie!<br />

Roux (genießt): Mmmh, fantastisch!<br />

Vianne: Danke! Ich habe das Talent, Dinge zu erraten.<br />

Roux: Sehr gut, aber nicht meine Lieblingssorte!<br />

Vianne: Wie bitte?<br />

Anouk und das Mädchen kommen zurück. Roux wendet sich mit ihr zum Gehen.<br />

Roux: Na dann, vielen Dank!<br />

Roux (hantiert am Türschloss herum): Ich kann das reparieren, wenn Sie wollen?<br />

Vianne: Das wäre sehr nett von Ihnen … aber ich will Ihre Arbeit auf jeden Fall bezahlen!<br />

Roux: Gut, dann sind wir schon zu zweit! … Wiedersehen. Danke nochmal!<br />

36. Szene (Beichtstuhl)<br />

Henri, Comte<br />

Henri kehrt vor Beichtstuhl<br />

Comte: Sie macht sich lustig über uns! Jetzt lässt sie auch noch einen von diesen Flussleuten für sich<br />

arbeiten!<br />

Henri: Wo liegt das Problem? Immerhin lehrt Jesus Christus uns, dass …<br />

Comte (hält ihm eine Zeitung hin): Sehen Sie sich das an: Sie sucht in einer Annonce nach<br />

Jahrmarktsbuden und Straßenkünstlern für ein Schokoladenfest! Und das ausgerechnet<br />

Ostersonntag! Sie verhöhnt uns alle! Wann unternehmen Sie etwas dagegen? – (zeigt auf eine Stelle<br />

am Boden) Da ist noch etwas!<br />

Henri bückt sich, um „das“ aufzuheben.<br />

34


37. Szene (<strong>Chocolat</strong>erie auf „Laden“)<br />

Roux repariert die Türe. Vianne und Josephine arbeiten in der <strong>Chocolat</strong>erie. Sie rollen eine Art<br />

Blätterteig aus.<br />

Anouk (hat gerade vor der Türe einen Regenwurm ausgegraben): Maman, Maman, schau mal, ein<br />

Regenwurm, aus dem mache ich eine Pastete für Pantoufle!<br />

Sie kommt an den Tisch, nimmt etwas Blätterteig und wickelt den Regenwurm ein.<br />

Roux: Aus welcher Gegend von Australien kommt Pantoufle?<br />

Anouk: Aus einer kleinen Stadt in der Nähe von Sidney.<br />

Roux: Und was frisst er noch – außer Wurmpastete?<br />

Anouk: Blätter, Käfer und Würmer ohne Pastete natürlich.<br />

Roux: Und Schokolade?<br />

Anouk: Kängurus essen keine Schokolade.<br />

Roux: Hat er sie schon mal gekostet?<br />

Anouk (flüstert zu Pantoufle): Hast du schon mal Schokolade gekostet? (Hört in die gleiche Richtung)<br />

Er hat kein Interesse daran!<br />

Roux: Kein Interesse daran? Monsieur Pantoufle, Sie überraschen mich! Ein Weltenbummler wie Sie<br />

und keine Lust an einer neuen Geschmacksrichtung? Sie sollten sich wirklich was schämen!<br />

Josephine: Ich habe hier einen sehr schönen Trüffel, vielleicht will er den probieren?<br />

Anouk: Ihr verschwendet eure Zeit!<br />

Josephine: Oh, das tut mir leid!<br />

Roux: Woher wissen Sie, Monsieur Pantoufle, dass Sie keine Schokolade essen, wenn Sie sie nicht<br />

einmal probieren?<br />

Anouk: Isst du denn gerne Würmer?<br />

Roux: Wie bitte?<br />

Anouk: Woher weißt du das, wenn du noch nie einen gekostet hast?<br />

Roux nickt einsichtsvoll, nimmt den Regenwurm, hält ihn gut sichtbar vor sich und tut so, als ob er ihn<br />

essen würde (indem er ihn scheinbar aus der geschlossenen Hand schlürft). Er kostet, scheint zunächst<br />

nicht abgeneigt, während Anouk angeekelt das Gesicht verzieht.<br />

Anouk: Oääh!<br />

Roux (schluckt): Sehr zart! Würzig! … Ekelhaft.<br />

Roux geht nach draußen und vergräbt ihn wieder: Na komm, mein kleiner Freund, ab in die Freiheit!<br />

Anouk: He, du hast mich ja reingelegt!<br />

35


38. Szene (Beichtstuhl)<br />

Henri, Comte<br />

Henri stellt sich vor den Beichtstuhl und spricht zum Publikum. Der Comte sitzt im Beichstuhl auf dem<br />

Platz des Priesters mit einem Blatt in der Hand und formt seine Worte mit den Lippen mit:<br />

Henri: Der Teufel nimmt vielerlei Gestalt an. Zum Beispiel ist der Teufel der Sänger eines anstößigen<br />

Liedes, das ihr im Radio hört. Und manchmal ist er der Autor eines unzüchtigen Romans. Manchmal<br />

ist er der unschuldig anmutende Mann, der auf dem Schulhof lauert und eure Kinder fragt, ob er<br />

mitspielen darf. Und manchmal ist er derjenige, der Süßigkeiten anbietet. Nur Kleinigkeiten. Denn<br />

was könnte harmloser und unschuldiger wirken – als Schokolade?<br />

Henri blickt sich verunsichert zum Comte um, der bestätigend nickt.<br />

39. Szene (<strong>Chocolat</strong>erie auf „Laden“)<br />

Roux, Vianne<br />

Roux (probiert die Klinke): Ein wenig klemmt sie.<br />

Blerot kommt draußen vorbei.<br />

Vianne (zu ihm): He, Guillaume, ich habe neue Schokoladenmuscheln für Ihre Freundin! Kommen Sie<br />

doch mal rein!<br />

Blerot winkt, aber geht verlegen weiter.<br />

Roux: Das ist wegen mir. Ich sollte besser gehen.<br />

Vianne: Nein, nicht Ihretwegen. Ich denke …<br />

Anouk kommt herein gerannt.<br />

Vianne: Anouk, wo bist du gewesen? Ich habe mir Sorgen gemacht! (Sie läuft weiter) He?<br />

Anouk hockt sich in eine Ecke: Es ist genauso wie in den anderen Städten!<br />

Vianne hockt sich zu ihr: Anouk! Sag mir doch, was passiert ist.<br />

Anouk: Bist du eine Gehilfin des Teufels?<br />

Vianne: Ich weiß. Es ist nicht einfach, wenn man anders ist.<br />

Anouk: Warum können wir nicht in die Kirche gehen?<br />

Vianne: Gehe ruhig hin, wenn du möchtest. Aber das wird die Sache nicht einfacher machen.<br />

Anouk: Und warum kannst du nicht schwarze Schuhe tragen, wie die anderen Mütter?<br />

36


40. Szene (<strong>Chocolat</strong>erie auf „Laden“)<br />

Vianne und Armande<br />

Armande: Das ist schon ein Prachtstück, unser kleiner Edelmann. Kein Wunder, dass seine Frau auf<br />

und davon ist. Sie reist schon seit Monaten durch Italien, wusstest du das?<br />

Vianne: Armande, die ganze Stadt ist gegen mich! Was soll ich machen?<br />

Armande: Schmeiß `ne Party für mich!<br />

Vianne (lacht): Was?<br />

Armande: Am Mittwoch werde ich 80! Zeigen wir den Idioten, wenn wir schon untergehen, dann mit<br />

Stil!<br />

Vianne (lacht): Ja aber eine Party … Es geht dir nicht gut, das darfst du nicht vergessen!<br />

Armande: Schon gut, schon gut, schon gut! Aber wenn du das für mich machst, dann verspreche ich<br />

mich am nächsten Tag im Totenheim anzumelden – ohne mit der Wimper zu zucken!<br />

Vianne: Wenn ich hier am Marktplatz ein Fest gebe, dann traut sich doch keiner zu kommen!<br />

Armande: Dann feiern wir eben mit den Flussratten!<br />

Vianne (schüttelt den Kopf): Armande, hör zu …<br />

Armande: Nein Vianne, du hörst zu! Ich brauche dieses Fest! … Weißt du noch, was ich dir bei<br />

meinem ersten Besuch gesagt habe, als du mir auf den Hocker helfen wolltest? Wenn ich Hilfe<br />

brauche, dann sage ich es!<br />

41. Szene (Floß)<br />

Vianne, Roux, Band, Mädchen<br />

Roux (oder ein anderer) spielt sein Instrument.<br />

Vianne: Dieses Lied hat meine Mutter immer gesungen, wenn ich nicht schlafen konnte.<br />

Roux: Und hat’s geholfen?<br />

Vianne: Ich konnte trotzdem nicht schlafen - Aber ja, es hat geholfen.<br />

Roux: Was macht die Tür?<br />

Vianne: Sie klemmt!<br />

Roux: Tatsächlich … Wo steckt Anouk? Wie geht es ihr?<br />

Vianne: Es geht ihr besser … es geht ihr gut.<br />

Roux: Schön. Wie geht’s Ihnen?<br />

Vianne: Ich mache ein Fest.<br />

Roux: Wo?<br />

37


Vianne: Hier, auf dem Floß. Sie dürfen auch kommen.<br />

Roux (belustigt): Ach ja? Wer ist denn noch so eingeladen?<br />

Vianne: Ein paar Leute aus dem Dorf. Ich weiß nicht, wer kommen wird. Aber im Ernst: Können wir<br />

hier feiern?<br />

Roux: Wenn Sie das wirklich wollen. Gerne. Aber sagen Sie mal, warum interessiert Sie eigentlich,<br />

was diese engstirnigen Kleinbürger von Ihnen denken? Sie haben doch keine Angst vor denen?<br />

Vianne: Danke für das Angebot … (gibt ihm eine eingepackte Praline) … Hier, Ihre Lieblingssorte.<br />

Roux: Meine Lieblingssorte. Ist das wahr? … Danke.<br />

Vianne: Gern geschehen.<br />

Roux kostet, genießt: Ich bin begeistert! Aber nicht meine Lieblingssorte!<br />

Vianne lächelt und geht. Roux schaut Ihr etwas anzüglich hinterher.<br />

Roux: Irgendwann werde ich zu Ihnen kommen und Ihre Türe ein wenig ölen.<br />

Vianne dreht sich kurz um, lächelt und geht weiter<br />

42. Szene (Büro des Bürgermeisters)<br />

Comte, Caroline, dann Serge<br />

Comte sitzt am Schreibtisch: Caroline!<br />

Caroline kommt hastig herein.<br />

Comte: Caroline, wären Sie so freundlich, mir ….<br />

Caroline: Es tut mir leid, Monsieur le Comte, mein Sohn ist verschwunden, ich muss ihn suchen … (ab)<br />

Der Comte schaut ihr verständnislos hinterher und wendet sich dann wieder seiner Arbeit zu.<br />

Serge kommt hastig herein: Monsieur le Comte, Monsieur le Comte! Josephine, diese Schlampe …<br />

Comte (unterbricht und hebt beschwichtigend die Arme): Serge, lassen Sie das! Sie haben keine<br />

Chance. Sie können die Zeit nun einmal nicht zurückdrehen …<br />

Serge: Aber …<br />

Comte: Nein! Sie können da nichts erzwingen. Lassen Josephine in Ruhe.<br />

Serge: Aber Monsieur le Comte, es geht nicht nur um Josephine! Es geht um die Flussratten.<br />

Josephine, Vianne, die alte Voizin, die Poitous, die Audel, Blerot … Sie sind alle unten bei den<br />

Flussratten und … und feiern ein Fest …<br />

Comte verstummt betroffen, dann wütend zischend: Es muss etwas passieren, Serge, es muss<br />

unbedingt etwas passieren!<br />

38


43. Szene (Floß)<br />

Vianne, Anouk, Josephine, Roux, Blerot, Madame Audel, Monsieur und Madame Poitou und Armande,<br />

die Band<br />

Die Roma-Band spielt auf dem Floß. Währenddessen bauen Vianne, Josephine, Anouk, Luc, (ggf. je<br />

nach Platz Blerot, Madame Audel, Monsieur und Madame Poitou und Armande) Campingstühle und<br />

einen Campingtisch auf und servieren Schokoladenspezialitäten und Kakaogeschirr. Alle setzen sich.<br />

Anouk: Kommt Luc auch?<br />

Armande: Ich bin sicher, dass die was anderes vorhaben.<br />

Monsieur Poitou und Madame Poitou schauen sich etwas ängstlich um.<br />

Monsieur Poitou: Wenn das der Comte herausbekommt!<br />

Armande: Der Comte ist nicht hier. Er ist nicht eingeladen.<br />

Luc erscheint auf dem Steg, er läuft freudig nach unten und gibt ihr ein Paket: Herzlichen<br />

Glückwunsch, Großmutter!<br />

Kurz nach ihm taucht Caroline auf der Hauptbühne auf und schaut erstarrt dem Treiben zu.<br />

Armande: Auf der Einladung stand 5 Uhr!<br />

Luc: Ich hätte sie genauer lesen sollen.<br />

Armande: Wenn du es getan hättest, wüsstest du, dass man keine Geschenke mitbringen sollte.<br />

Luc: Mache dir nicht so viele Gedanken um das, was man nicht tun sollte.<br />

Sie packt das Porträt von sich aus, das Luc gezeichnet hat.<br />

Luc: Gefällt es dir?<br />

Armande (kämpft mit den Tränen): Du hast mich jünger gemacht. Sehr diplomatisch von dir!<br />

Armande und Vianne erblicken Caroline. Sie geht langsam und traurig ab.<br />

Vianne: Na los, lasst es euch schmecken!<br />

Alle genießen gut sichtbar.<br />

Anouk (zum Publikum): Wollen Sie auch etwas?<br />

Sie und Josephine nehmen Tabletts und reichen den zunächst sitzenden Zuschauern etwas.<br />

Vianne: Nehmen Sie nur! Und wenn es nicht reicht, draußen im Foyer ist noch mehr. Wir feiern die<br />

ganze Nacht! Wenigstens aber 20 Minuten.<br />

Band spielt wieder<br />

PAUSE (mit Schokoladenspezialitäten und ggf. mit Musik)<br />

39


44. Szene (Floß)<br />

Vianne, Anouk, Josephine, Roux und Armande, die Band<br />

Die Band spielt spätestens zur Rückkehr des Publikums in den Saal.<br />

Vianne und Roux tanzen, Luc und Anouk sitzen zusammen, ebenso Josephine und Armande. Die<br />

anderen aus dem Dorf sind schon gegangen.<br />

Armande: Vianne, Roux!<br />

Die Musik klingt aus. Die Musiker gehen ebenfalls über den Steg ab. Vianne und Roux kommen Arm in<br />

Arm zu Armande.<br />

Armande: Danke! Es war … Ich danke euch! Als junges Mädchen habe ich nie ein Geburtstagsfest<br />

gehabt. Nicht ein einziges Mal. Einmal bin ich zu einem Ball gegangen. Drüben in Montauban, mit<br />

einem Jungen von der Küste. Hui! (Sie wedelt sich Luft zu.) Damals hättet ihr mich mal sehen sollen.<br />

Er hat gesagt, ich sähe aus wie Greta Garbo, dieser Charmeur. Und wir taten beide so, als hätte er es<br />

ernst gemeint (kichert vor sich her) Aber natürlich war das kein Mann zum Heiraten … Aber was soll‘s.<br />

Zeit für mich ins Bett zu gehen. Ich bin ja schließlich nicht mehr die Jüngste. Luc, hilfst du mir beim<br />

Aufstehen.<br />

Luc steht auf und hilft Armande zusammen mit Vianne beim Aufstehen. Sie scheint noch etwas<br />

gebrechlicher als sonst.<br />

Luc: Geht es dir wirklich gut, Grandmère? Ich meine, ist es dir wirklich nicht schlecht oder so?<br />

Armande: Luc, du machst dir viel zu viele Gedanken für dein Alter. Du solltest mal Dampf machen<br />

und deine Mutter die Wände hochtreiben, anstatt einem alten Hund das Bellen beibringen zu<br />

wollen!<br />

Vianne: Ich bringe euch nach Hause.<br />

Armande (etwas wütend): Ach was, nun mach doch keinen Aufstand! Damit ruinierst du einen<br />

wundervoll dekadenten Abend! Diese langen Abschiedsszenen sind wirklich nicht mein Fall!<br />

Vianne: Oooch! (umarmt sie herzlich)<br />

Armande mit Luc ab.<br />

Josephine (nimmt Anouk an die Hand): Wir kommen mit! (flüstert Anouk etwas in die Ohren)<br />

Anouk: Gute Nacht, Maman! (fällt ihr in die Arme, küsst sie und geht mit Josephine ab)<br />

Vianne lässt sich auf einen der Campingstühle fallen.<br />

Vianne: Gefällt es dir, dass du dein zuhause immer mitnimmst, egal wo du hingehst, hm?<br />

Roux: Ja, wieso nicht? Für dich ist es viel schwerer. Jedes Mal fängst du wieder von vorne an.<br />

Vianne: Naja, vielleicht schaffe ich es ja dieses Mal!<br />

Roux: Wie meinst du das?<br />

Vianne: Vielleicht bleibe ich hier (Roux lächelt) Was?<br />

Roux (schüttelt den Kopf): Nein.<br />

Vianne: Hast du noch nie darüber nachgedacht, irgendwo … hinzugehören?<br />

40


Roux: Der Preis ist zu hoch. Sich den Erwartungen anderer anzupassen. Nein.<br />

Vianne: Ist das denn so furchtbar, wenn andere Menschen etwas von dir erwarten?<br />

Pause<br />

Roux: Wie kommt Anouk damit klar?<br />

Vianne: Womit?<br />

Roux: Immer herumzuziehen?<br />

Vianne: Nein, sie fühlt sich wohl. Sie geht unheimlich gut damit um. Sie … findet sehr schnell<br />

Freunde. Sie ist so ein ungewöhnliches Kind … (fängt an zu weinen) Sie hasst es! Sie hasst es!<br />

Roux reicht ihr die Hand. Sie steht auf. Sie umarmen sich und gehen in das „Zelt“ auf dem Floß.<br />

(Licht dimmt allmählich in den Black, während ein Soloinstrument ein romantisches Stück spielt)<br />

45. Szene (Floß/<strong>Chocolat</strong>erie auf „Markt“)<br />

Vianne, Roux, Josephine, Anouk, Blerot, Madame Audel, Monsieur und Madame Poitou<br />

<strong>Chocolat</strong>erie steht auf „Markt“. Aus dem Black beginnt ein rote-orangenes Flackern, das immer<br />

stärker wird. Aus der <strong>Chocolat</strong>erie kommt „Rauch“ (Nebelmaschine).<br />

Blerot, Madame Audel, Monsieur und Madame Poitou aus dem Off: (Feuer)<br />

Roux (kommt aus dem Zelt): Vianne<br />

Vianne (kommt aus dem Zelt, schreit): Anouk!<br />

Beide laufen zur <strong>Chocolat</strong>erie, gehen hinein. Nach einer Weile kommen Josephine, Anouk und Vianne<br />

wieder heraus.<br />

Black<br />

46. Szene (<strong>Chocolat</strong>erie auf Markt)<br />

Vianne, Roux<br />

Auslagen der <strong>Chocolat</strong>erie sind wieder mit den grauen Tüchern verhängt (schon seit der Pause?)<br />

Roux kommt und klopft an der Türe. Vianne kommt heraus und setzt sich stumm neben den Eingang.<br />

Roux: Ich wollte fragen, wie es euch geht.<br />

Vianne: Armande ist tot.<br />

Roux: Wie?<br />

Vianne: Armande ist tot. Heute Nacht. Luc hat sie nach Hause gebracht und bei ihr geschlafen. Als er<br />

sie wecken wollte, war sie schon ganz kalt.<br />

Beide schweigen.<br />

41


Vianne: Sie wollte sterben. Sie hatte für den gestrigen Abend alles minutiös geplant. Das Essen, die<br />

Getränke, die Gäste. Sie hat Luc bei sich gehabt. Und sogar seine Mutter nochmal gesehen. Und mich<br />

hat sie mit ihrem Versprechen sich zu bessern hinters Licht geführt.<br />

Wieder Schweigen<br />

Roux: Und dein Laden?<br />

Vianne: Es hätte schlimmer kommen können.<br />

Wieder Schweigen<br />

Vianne: Eigentlich bist du gekommen, weil du dich verabschieden willst.<br />

Wieder Schweigen<br />

Roux: Wir … können hier nicht bleiben.<br />

Vianne: Ich verstehe ...<br />

Roux: Es ist auch … das Feuer … das war, weil du dich mit uns eingelassen hast.<br />

Vianne: Unsinn! … Wo wollt ihr hin?<br />

Roux: Ich weiß nicht genau. Wahrscheinlich fahren wir flussabwärts und suchen uns da Arbeit. Erst im<br />

Gewächshaus, dann bei der Pfirsichernte …<br />

Wieder Schweigen<br />

Roux: Also …<br />

Vianne: Also?<br />

Roux: Vianne … ich<br />

Vianne (weint): Ich weiß, es tut mir leid! … Es tut mir leid.<br />

(Black)<br />

47. Szene (Beichtstuhl)<br />

Henri und der Comte stehen nebeneinander zum Publikum gewandt am Beichtstuhl.<br />

Henri (zum Publikum): Obgleich wir nicht wissen, welche Gedanken Armande Voizin zuletzt<br />

bewegten, so können wir doch hoffen, dass es Gedanken der Reue waren. Wir können hoffen, dass<br />

sie Gott gebeten hat, ihr die Genusssucht zu vergeben, die ihr Leiden verschlimmert und ihren Tod<br />

verursacht hat. Und wir können innehalten und unser eigenes Leben überdenken. Wir können<br />

denjenigen widerstehen, die uns in Versuchung führen wollen. Gepriesen sei derjenige, der der<br />

Versuchung widersteht!<br />

42


48. Szene (<strong>Chocolat</strong>erie auf „Markt“)<br />

Vianne, Josephine<br />

Vianne sitzt wieder vor der <strong>Chocolat</strong>erie. Josephine kommt langsam aus Richtung Beichtstuhl dazu<br />

und setzt sich neben sie.<br />

Josephine: Wie konnte Père Henri nur … Wie konnte er nur …<br />

Vianne: Es ist nicht nur Armande.<br />

Josephine: Wie bitte?<br />

Vianne: In China gehen die Leute in Weiß zu Beerdigungen. Sie verteilen in leuchtend rotes Papier<br />

gewickelte Geschenke. Das soll Glück bringen. Sie zünden Feuerwerkskörper an. Sie plaudern und<br />

lachen und tanzen und weinen. Und am Ende springen alle nacheinander über die Glut des<br />

Scheiterhaufens, auf dem die Leiche des Verstorbenen verbrannt worden ist. Das soll den<br />

aufsteigenden Rauch segnen.<br />

Josephine: Hast du schon mal in China gelebt?<br />

Vianne: Nein. Aber wir haben in New York viele Chinesen kennen gelernt.<br />

Josephine: Ich kann mir nicht vorstellen, wie man den Tod feiern kann.<br />

Vianne: Man feiert nicht den Tod. Man feiert das Leben. Das ganze Leben. Selbst am Ende.<br />

Josephine (denkt einen Moment nach und steht dann entschlossen auf): Komm, lass uns aufräumen!<br />

Nächstes Wochenende ist Ostern. Bis zum Schokoladenfest am Ostersonntag muss der Laden wieder<br />

halbwegs in Ordnung sein! Und es ist noch ganz viel vorzubereiten.<br />

Vianne: Wir gehen weg. Gleich morgen früh!<br />

Josephine schweigt betroffen: Es ist doch alles nicht so schlimm. Die Küche ist nicht mehr zu<br />

benutzen. Aber der Laden ist noch in Ordnung. Wir können dort alles vorbereiten. Und Anouk kann<br />

erstmal mit in meinem Zimmer schlafen<br />

Vianne: Das ist es nicht!<br />

Josephine: Ist es wegen Armande? Dafür bist du nicht verantwortlich!<br />

Vianne: Es wird Zeit, das ist alles! So bin ich nun mal!<br />

Josephine (schweigt, dann): Glaubst du überhaupt an das, was du mir gesagt hast? Glaubst du, ich<br />

könnte etwas Besseres aus meinem Leben machen? War das vielleicht alles nur ein Scherz?<br />

Vianne (erhebt sich): Ich muss jetzt packen!<br />

Josephine: Wenn du jetzt gehst, wird alles wieder so, wie es immer war!<br />

Vianne: Es ist genauso, wie es immer war!<br />

Josephine: Für mich nicht!<br />

(Josephine geht entschlossen in die <strong>Chocolat</strong>erie ab, Vianne langsam in die Türe links daneben.)<br />

43


49. Szene (Büro Comte / <strong>Chocolat</strong>erie auf „Markt“)<br />

Comte, Caroline, später Serge<br />

Comte sitzt am Schreibtisch, Caroline steht daneben, sie trägt noch ein schwarzes Kleid. Ihre Hände<br />

sind schwarz verschmiert.<br />

Comte (starrt das Bild seiner Frau an): Es tut mir so leid für Sie. Ich meine … wegen Ihrer Mutter<br />

Caroline: Es muss Ihnen nicht leid tun.<br />

Comte (blickt auf zu ihr): Was haben Sie mit Ihren Händen gemacht?<br />

Caroline: Ich habe Luc das alte Fahrrad meines verstorbenen Mannes aus dem Keller geholt.<br />

Comte (erstaunt): Heute?<br />

Caroline: Gerade heute.<br />

Comte blickt wieder irritiert auf das Bild seiner Frau.<br />

Caroline: Ich weiß, wie Sie sich fühlen.<br />

Comte schreckt auf: Verzeihung, wie bitte?<br />

Caroline: Ich nehme an, es ist nicht gerade einfach für sie, dass … die Comtesse nun fort ist.<br />

Comte: Ich kann mich wohl nie daran gewöhnen, egal wie viel Zeit vergeht … Aber ich … ich freue<br />

mich auf ihre Rückkehr!<br />

Caroline: Ich glaube nicht, dass jemand weniger von Ihnen halten würde, wenn Sie sagen würden,<br />

dass sie niemals zurückkommt … Gute Nacht, Paul.<br />

Caroline geht über die Bühne ab. Josephine kommt aus der <strong>Chocolat</strong>erie.<br />

Josephine: Caroline, ich muss unbedingt mit dir reden!<br />

Zögernd folgt sie ihr in die <strong>Chocolat</strong>erie.<br />

Ins Büro des Comte tritt (von rechtem Bühneneingang aus) Serge ein.<br />

Serge: Monsieur le Comte.<br />

Comte: Was gibt es?<br />

Serge: Es tut mir leid, dass ich Sie belästige ... Monsieur le Comte … es war doch richtig, es zu tun …<br />

natürlich war es richtig, da bin ich sicher … Es ist alles nur wegen Josephine und dieser ….<br />

Comte: Serge, wovon redest du eigentlich?<br />

Serge: Das Feuer, Monsieur le Comte. Ich weiß, dass ich das Richtige getan habe, aber … ich schaffe<br />

es einfach nicht, die Gesichter und die Schreie zu vergessen, ich …<br />

Comte: Das Feuer? … Das Feuer ist ein Werk Gottes gewesen.<br />

Serge: Das war … das war ich, Monsieur le Comte!<br />

44


Comte (ungläubig): Was?<br />

Serge: Sie haben mir doch gesagt … wissen Sie noch … Sie haben mir doch gesagt: Es muss etwas<br />

geschehen, Serge! Das haben Sie doch gesagt, nicht wahr?<br />

Comte (springt entsetzt auf): Es hätten Menschen sterben können! Dann hätte ihr Blut an deinen<br />

Händen geklebt! An … an meinen Händen?<br />

Serge: Soll ich … soll ich zu Père Henri gehen und um Vergebung bitten?<br />

Comte (starrt ihn fassungslos an, überlegt dann): Hör mir gut zu, Serge! Höre mir genau zu! Du musst<br />

diese Stadt sofort verlassen! Und darfst nie zurückkehren!<br />

Serge: Wieso sollte ich mein Zuhause verlassen?<br />

Comte (schreit): Weil ich dich dazu zwingen werde, deswegen! Bei dem, was du getan hast, kann dir<br />

niemand mehr helfen. Ich nicht und auch sonst niemand! Jetzt verschwinde! Oder willst du vielleicht<br />

zur Polizei gehen? Raus hier! Raus! Verschwinde!<br />

Serge rennt davon.<br />

Comte hält sich die Hände vor das Gesicht und stöhnt laut auf.<br />

50. Szene (<strong>Chocolat</strong>erie auf „Markt“, dann auf „Laden“)<br />

Vianne, Anouk, Josephine, Caroline, Luc, Monsieur und Madame Poitou, Monsieur Blerot, Madame<br />

Audel<br />

Vianne tritt mit Anouk aus der Türe oder dem Durchgang links neben der <strong>Chocolat</strong>erie. Sie trägt in der<br />

einen Hand einen Koffer und unter dem anderen Arm die Urne mit der Asche ihrer Mutter.<br />

Anouk: Pantoufle will nicht gehen! Er hat ein krankes Bein!<br />

Vianne: Anouk, komm schon!<br />

Anouk: Ich will nicht! Ich will nicht schon wieder woanders hin!<br />

Vianne: Los jetzt!<br />

Anouk: Ich hasse dich!<br />

Vianne: Das ist dein gutes Recht! Aber jetzt geh! (Schubst sie vorwärts)<br />

Anouk: Au!!!<br />

Vianne (wütend): Na dann geh doch endlich! (Schiebt sie vor sich her)<br />

Anouk: Lass mich los! (Sie reißt sich los und stößt dabei die Urne aus Viannes Arm. Sie fällt herunter<br />

und geht auf, so dass die Asche auf der Straße verstreut wird.)<br />

Beide sind erschrocken und starren auf die Asche. Anouk kniet sich nieder und häuft sie mit den<br />

Händen wieder hinein. Vianne schaut ihr erstarrt zu dabei.<br />

Anouk: Entschuldige Maman. Es tut mir leid. Sei nicht traurig, Maman. In der nächsten Stadt wird es<br />

bestimmt besser. Hab ich recht, Maman? … Das weiß ich. Es wird richtig schön. Wirklich. Ich bin jetzt<br />

so weit, hörst du?<br />

45


Vianne sinkt auf die Erde nieder und verbirgt das Gesicht in den Händen.<br />

Die Darsteller der folgenden Szene (Josephine, Caroline, Luc, Blerot, Madame Audel, Monsieur und<br />

Madame Poitou) drehen die Bühne auf „Laden“, räumen die Tücher weg, räumen die Auslagen in die<br />

Regale, sind am Tisch mit der Fertigung von Schokoladenwaren beschäftigt.<br />

Improvisierte Gespräche<br />

Vianne blickt auf. Sie und Anouk schauen beeindruckt zu. Die Darsteller schauen ab und zu von ihren<br />

Arbeiten auf und lächeln ihnen zu.<br />

Josephine geht auf Vianne mit einer Schale Mandelsplitter zu.<br />

Josephine: Wie sehen diese Mandeln aus? … Sind sie fein genug gehackt?<br />

Vianne nickt, den Tränen nah.<br />

Josephine: Sind sie gut so, Vianne?<br />

Sie nickt noch einmal. Josephine nimmt die beiden in den Arm und führt sie in das Innere des Ladens.<br />

Die Darsteller drehen die Bühne wieder auf „Markt“.<br />

51. Szene (<strong>Chocolat</strong>erie auf Markt)<br />

Madame Arnauld, Madame Drou, später Josephine<br />

Die beiden Damen kommen am Fenster der <strong>Chocolat</strong>erie vorbei.<br />

Madame Drou: Was sind das denn alles für Leute in dem Laden?<br />

Madame Arnauld: Unglaublich. Nicht nur die Rocher, dieses Zigeunerliebchen und unsere kleine<br />

Kleptomanin, sondern …<br />

Madame Drou: Ooaah … Ich traue meinen Augen nicht. Das ist doch nicht etwa …<br />

Madame Arnauld: Uuuuh …. Doch das ist …<br />

Madame Drou: Die Audel!!!<br />

Madame Arnauld: Die Audel! Unglaublich!<br />

Madame Drou: Ich habe es doch schon immer gewusst. So tun als ob sie fasten würde und dann<br />

schlägt sie sich dort den Bauch mit Schokolade voll!<br />

Madame Arnauld: Ach was! Schokolade! Das ist die Fleischeslust! Seit sie mit diesem Blerot<br />

zusammen ist!!! Die Fleischeslust!<br />

Madame Drou: Nein, es ist die Schokolade!<br />

Madame Arnauld: Fleischeslust!<br />

Madame Drou: Schokolade!<br />

Madame Arnauld: Fleischeslust!<br />

Madame Drou: Schokolade!<br />

46


Madame Arnauld: Egal. Es ist jedenfalls eine Schande! Niiiiiiiiiiiiemals würde ich …<br />

Madame Drou: Nein, niiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiemals …<br />

Madame Arnauld: Niemals!!!<br />

Josephine tritt mit einem Teller Trüffel aus dem Laden: Oh, bonjour Mesdames! Darf ich Ihnen einen<br />

Trüffel anbieten. Sie sind gerade fertig geworden. Vielleicht können Sie mir sagen, ob sie gut<br />

geworden sind?<br />

Madame Drou: Och, öh …<br />

Madame Arnauld: Hmm<br />

Madame Drou: Ach nein …<br />

Madame Arnauld: Ach ja …<br />

Madame Drou: Wieso ach ja?<br />

Madame Arnauld: Äh … weißt du … die Fastenzeit …<br />

Madame Drou: Die Fastenzeit?<br />

Madame Arnauld: Also die Fastenzeit …<br />

Madame Drou (vorsichtig): … ist ja fast vorbei?<br />

Madame Arnauld: Jaja. Und irgendjemand muss das Zeug ja kosten.<br />

(nimmt einen Trüffel)<br />

Madame Drou: Und wer wenn nicht wir.<br />

(nimmt auch einen Trüffel)<br />

Madame Arnauld: Wo wir doch die ersten Kunden waren.<br />

(nimmt noch einen Trüffel)<br />

Madame Drou: … und immer zu Ihnen gehalten haben<br />

(nimmt noch einen Trüffel)<br />

Josephine: Vielleicht können Sie uns helfen. Wir können jede Hand für das Fest gebrauchen.<br />

Madame Arnauld: Aber natürlich!<br />

(nimmt noch einen Trüffel)<br />

Madame Drou: Aber gerne!<br />

(nimmt auch noch einen)<br />

Josephine (tritt wieder ein): Dann treten Sie doch ein.<br />

(Black)<br />

47


52. Szene (Büro des Bürgermeisters)<br />

Henri, Comte<br />

Henri liest aus seinem Predigtmanuskript.<br />

Henri: Christus ist auferstanden. Liebe Brüder, lasst auch für uns dieses Osterfest eine (senkt die<br />

Stimme) Wiedergeburt sein. Lasst uns alle danach streben …<br />

Comte: Nein! Neinneinneinnein! Sie dürfen das Wort „Wiedergeburt“ nicht fallen lassen! Sie müssen<br />

es hervorheben. Lasst auch für uns dieses Fest eine (hebt die Stimme) Wiedergeburt sein! Sehen Sie,<br />

wir wollen doch unsere Gemeindemitglieder anspornen, ihr moralisches Bewusstsein neu zu<br />

erwecken! Sehr schön, versuchen Sie es nochmal.<br />

Henri: Ich glaube, wir sind das jetzt oft genug durchgegangen. Lassen Sie es jetzt gut sein. Ich bin sehr<br />

müde!<br />

Comte (verblüfft, fasst sich aber schnell wieder): Schön, lassen Sie die Predigt hier. Ich habe vielleicht<br />

noch ein, zwei Vorschläge für Sie!<br />

Henri: Danke Monsieur le Comte, aber …<br />

Comte: Nein, nur ein oder zwei Vorschläge (reißt ihm das Blatt aus der Hand) nur hier oder da eine<br />

kleine Änderung. Ich meine, wir wollen doch, dass es morgen in der Kirche perfekt ist, oder? Hm?<br />

Henri: Öh … ja … (traurig) also dann bis morgen.<br />

Henri ab. Comte läuft auf und ab und macht Notizen auf den Zettel.<br />

Comte (zu sich): Wir müssen widerstehen! Wir müssen den oberflächlichen irdischen Verlockungen<br />

widerstehen … Oh, nein, nein … Wir müssen uns lossagen von den oberflächlichen, irdischen<br />

Verlockungen unseres sterblichen Fleisches …<br />

Blickt zur Bühne und sieht dabei Vianne mit Caroline aus dem Laden kommen und die Auslagen<br />

betrachten.<br />

Comte (stöhnt auf) Caroline! (Sinkt auf die Knie und blickt nach oben) All meine Mühe war vergebens!<br />

Black, Comte wechselt auf linke Nebenbühne, Licht auf linke Nebenbühne.<br />

53. Szene (Beichtstuhl, <strong>Chocolat</strong>erie auf „Markt“ oder „Laden“)<br />

Comte auf den Knien neben dem Beichtstuhl in Richtung Publikum, die Hände gefaltet, Blick nach<br />

oben in einen Scheinwerfer.<br />

Comte: Ich habe bereitwillig gelitten! Gefastet! Wochenlang kaum etwas gegessen … Es tut mir leid.<br />

Mein Leiden bedeutet gar nichts. Es ist nur … (blickt zum Boden, beginnt zu weinen) Ich fühle mich so<br />

verloren! Ich weiß nicht, was ich machen soll. Sag mir, was ich machen soll. (Blickt einen Moment<br />

nach oben, wird schlagartig ernst mit wuterfülltem Gesicht. Steht entschlossen auf.)<br />

Black, dann Licht auf die Hauptbühne. Comte geht zur Türe der <strong>Chocolat</strong>erie. Beginnt an ihr zu rütteln.<br />

Öffnet die nicht verschlossene Seitentüre. Lärm im Inneren. Der Comte taucht in der Auslage auf.<br />

Zerschlägt mit der Hand Schokoladenwaren. Führt dabei irgendwann die Hand zum Mund. Leckt kurz<br />

48


daran, dann immer intensiver, nimmt erst eine, dann immer mehr Schokolade aus der Auslage und<br />

verschlingt sie immer verrückter lachend und sich benehmend. Das Licht dimmt weg.<br />

54. (<strong>Chocolat</strong>erie auf „Markt“ oder „Laden“)<br />

Henri, Vianne, Comte<br />

Comte liegt in der Auslage der <strong>Chocolat</strong>erie, Henri kommt vorbei, bleibt erstaunt stehen, klopft an der<br />

Türe neben der <strong>Chocolat</strong>erie. Kurz danach erscheint Vianne über / neben der Auslage, weckt ihn und<br />

reicht ihm ein Glas mit einer teeartigen Flüssigkeit. Falls man einen Dialog hören kann, dann wie<br />

folgt, sonst pantomimisch angedeutet<br />

Vianne: Trinken Sie das! … Trinken Sie das! Danach fühlen Sie sich besser … Es wird keiner etwas<br />

erfahren, ich verspreche es Ihnen … Na los, trinken Sie!<br />

(Falls man den Dialog nicht hören kann, steht der Comte mit Viannes Hilfe auf und verlässt die<br />

<strong>Chocolat</strong>erie. Am Eingang der weitere Dialog.)<br />

Comte: Es tut mir so leid!<br />

Vianne: Ich verrate es niemandem! … Sie sollten sich lieber umziehen. Es ist Ostersonntag!<br />

Comte: Die Predigt, ich habe sie nicht beendet.<br />

Henri: Ich lasse mir was einfallen.<br />

55. Szene (Beichtstuhl)<br />

Henri, evtl. Chor<br />

Henri neben Beichtstuhl zum Publikum. Eventuell singt zunächst der Chor.<br />

Henri: Ich bin nicht sicher, was das Thema meiner heutigen Predigt sein sollte … Möchte ich zu euch<br />

über das Wunder der göttlichen Verwandlung unseres Herrn sprechen? Nein, eigentlich nicht. Ich<br />

möchte nicht über seine Göttlichkeit sprechen. Ich spreche lieber über seine Menschlichkeit. Ich<br />

meine, naja, wie er hier auf Erden gehandelt hat. Seine Freundlichkeit, seine Toleranz. Seht ihr, dies<br />

möchte ich euch dazu sagen: Ich meine, ob wir gute Menschen sind, misst keiner daran, ob wir etwas<br />

unterlassen. Ob wir auf etwas verzichten. Wem wir widerstehen. Und wen wir ausschließen. Ich<br />

meine, Güte misst sich daran, ob wir jemanden anerkennen. Ob wir etwas erschaffen. Und ob wir<br />

jemanden bei uns aufnehmen.<br />

56. Szene (<strong>Chocolat</strong>erie auf „Markt“, Floß)<br />

Die Band spielt ca. 2 Minuten vom Floß aus. Alle außer der Band, Roux und Serge sind auf der Bühne.<br />

Vianne und Josephine servieren Schokolade. Alle Pärchen flirten miteinander oder tanzen. Auch der<br />

Comte und Caroline. Ggf. führen Schauspieler der Gegenbesetzung kleine Kunststückchen auf.<br />

Vom Floß kommt Roux auf die Bühne. Vianne hält ein Tablett mit Kakao in der Hand. Beide sehen sich<br />

lange an. Sie reicht ihm auf dem Tablett eine Tasse Kakao. Die Musik hört auf.<br />

Roux: Endlich hast du herausbekommen, was ich am meisten mag: Heiße Schokolade.<br />

49


Vianne: Ich wusste es!<br />

Anouk kommt und umarmt Roux.<br />

Roux (zu Vianne): Und wie geht es Pantoufle?<br />

Anouk: Oh, er ist weg. Letzte Nacht hat er sich von mir verabschiedet. Sein Bein ist wieder gesund. Er<br />

ist weiter gezogen. Er hatte solche Sehnsucht nach fremden Städten und fernen Ländern ... nach<br />

anderen Menschen, denen er helfen kann, und nach dem Duft von … von … ach, ich weiß nicht.<br />

Musik setzt wieder ein. Alle gehen im herunterdimmenden Bühnenlicht langsam ab. Die Pärchen Arm<br />

in Arm. Wenn die Bühne leer ist, hört auch die Musik auf. Black.<br />

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