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In der rS<br />

Um das Weitermachen attraktiverzumachen, wird im Auftrag des<br />

Armeechefs an Ideen gefeilt. Die Vorschläge sind umstritten. Vorgesehen<br />

wäre zum Beispiel, für Nachwuchskader ein Bildungskonto<br />

einzurichten,auf das sie nach dem Dienst zugreifen könnten: für die<br />

Studiengebühren, einen Sprachaufenthalt, eine Weiterbildung im<br />

Beruf.Daneben sollen die Hochschulen Leistungen, die im Militär<br />

erbracht werden, als Punkte verbuchen. Die Uni St.Gallen tut das<br />

bereits. Die Zugführer,die hinter Hofmanns Rücken noch immer<br />

die Kunst des Biwaks lehren, sammeln gleichzeitig ECTS-Punkte<br />

für ein allfälliges Studium in Betriebswirtschaft. Biwakieren geht<br />

über Studieren.<br />

Der nächste Rekrut salutiert, steht stramm und wartet, bis Hofmann<br />

das Gespräch beginnt. «Eine wichtige Frage ist die zu Ihrer<br />

Einstellungzur Armeeund zur Schweiz.» – «Zur Armee? Ja wassoll<br />

ich dazu sagen? (Pause) Weiss doch auch nicht, was ich dazu sagen<br />

soll. (Pause) Das ist echt schwierig.» – «Sehen Sie ein, dass es sie<br />

braucht? Oder sagen Sie: Das sehe ich überhaupt nicht ein?» – «Also,<br />

es gibt gute Sachen und schlechte Sachen. Man lernt ein bisschen<br />

Ordnung und so. Aber an einen Marsch zu müssen und dann am<br />

nächsten Morgen so früh geweckt zu werden und der ganze Stress.<br />

Auch heute zum Beispiel, ich meine die ganze Hetzerei. Da habe<br />

ich gedacht: Wofür eigentlich?» – «Okay.Und zur Schweiz?» – «Weiss<br />

auch nicht. (Pause) Ist gut.» Hofmann macht wieder ein paar Notizen<br />

in sein Formular und sagt: «Ausgeschlossen.» DerRekrut hatte,<br />

als Hofmann ihn nach Vorstrafen befragte,ohne Umschweifegesagt,<br />

dass er wegen Erpressung, Nötigung und Morddrohung vorbestraft<br />

sei. Darum wird sein Berufswunsch – Polizist – nicht in Erfüllung<br />

gehen. Und darum sei es natürlich auch unmöglich, ihn zu befördern,<br />

sagt Hofmann. Obwohl er eigentlich ein flotter Kerl sei.<br />

Rekrut Zehnder: Kadermaterial.<br />

Übung Sunrise –Biss bis zum Morgengrauen (W 6)<br />

Kurz vorzweiUhr morgens steuert Rekrut Zehnder den Posten 11<br />

an, der laut Karte am Rand des Waldstücks Wissholz liegen müsste.<br />

Zu den ersten der 14 Posten des Orientierungslaufs ist er gerannt,<br />

nun aber scheint die Vollpackung, Rucksack, Helm, Sturmgewehr,<br />

mit jeder Minute schwererzuwiegen. Trotzdem: Zehnder schreitet<br />

auch nach vier Stunden zügig durch die Dunkelheit. Seine Leistung<br />

ist bereits wieder überdurchschnittlich, obwohl er gerade noch mit<br />

dem Gedanken gespielt hatte, sich bei der Übung Sunrise ungeschickt<br />

und langsam anzustellen. Denn in dieser Nacht ist nur die<br />

zukünftige Elite des Militärs unterwegs –jene fünfzig Rekruten<br />

aus der ganzen Rekrutenschule 11, die für eine Offizierslaufbahn<br />

in Frage kommen.<br />

Auch Rekrut Sanchez trabt zielstrebig durch den schwarzen<br />

Wald. Er stempelt den Posten 14 ab und rennt dann sofort zurück<br />

zur Kaserne, um sich im Filmsaal der nächsten Aufgabe zustellen.<br />

Rennen, Tests am Computer lösen, rennen –sogeht das schon die<br />

ganze Nacht. Man will prüfen, wer den Strapazen einer Offiziersausbildung<br />

gewachsen ist. Nicht alle fünfzig Rekruten, die bei der<br />

Übung Sunrise dabei sind, werden später den Vorschlag zum Offizier<br />

bekommen. Etwa zehn fallen aus dem Rennen. Vielleicht jener<br />

Rekrut,der sich gleich zu Beginn im Wald verlaufen hat? Oder jener,<br />

der seine Karte nicht mit der Zange gelocht hat, weil er dachte,<br />

durch blosses Berühren des Holzpfostens werde ein Signal an die<br />

Zentrale gesendet?<br />

Sanchez und Zehnder,beide aus dem Zug Bivio, beide auf dem Weg<br />

zum Offizier,und doch könnten sie kaum unterschiedlicher sein:<br />

Sanchez, ein gelernter Gärtner,der nun im Sicherheitsdienst arbeitet,<br />

hat sich nämlich auf das Militär gefreut. Das war nicht immer<br />

so, vor zwei Jahren war ernoch dagegen, aber ein Kollege hat ihn<br />

umgestimmt. Undjetzt möchte er unbedingt Offizier werden, auch<br />

für den Jobkönnteihm dasnützlichsein. Aber dasLernen fällt ihm<br />

nicht leicht. Wenn die andern in den Ausgang gehen, bleibt er auf<br />

dem Zimmer und studiert die Reglemente.<br />

Zehnder hingegen wollte nie weitermachen.DerMaturandhatte<br />

geplant, im Herbst mit dem Medizinstudium zu beginnen, ausserdem<br />

nervt ihn die <strong>RS</strong>, diese «Tubelischule», inder alles fünfmal<br />

erklärt wird,bis der allerletzte es begriffen hat. Doch als Zehnder<br />

sich bei der Aushebung zur Infanterie einteilen liess, weil er die<br />

sportliche Herausforderung suchte, hatte er etwas nicht bedacht:<br />

Er ist indieser Rekrutenschule voller Handwerker und Verkäufer<br />

einer der wenigen mit Matur – das macht ihn automatisch zu Kadermaterial.<br />

Als Hauptmann Hofmann ihm beim Gespräch in der vierten<br />

Woche eröffnete, dass man ihn mindestens bis zum Unteroffizier<br />

zwingen könne, wollte er «auf Psycho machen»,umden Studienanfang<br />

nicht zu verpassen. Doch er schafft es einfach nicht, nicht<br />

sein Bestes zu geben. Auch diesmal nicht. «Und wenn ich schon ein<br />

Zwischenjahr einschalten muss», sagt er fast entschuldigend und<br />

leuchtet mit der Taschenlampe auf die eingeschweisste OL-Karte,<br />

«dann kann ich auch gleich Offizier werden und in diesem Jahr<br />

wenigstens Geld fürs Studium sparen.» Vorder Armeereform 2003<br />

dauerte es mit Unterbrechungen 66 Wochen,bis einer Leutnant war.<br />

Heute sind es 52 Wochen am Stück. Fast 48000 Franken verdient<br />

einer in dieser Zeit –das ist viel Geld für einen zukünftigen Studenten.<br />

Ausserdem ist Zehnders Mutter ziemlich stolz auf ihren Sohn.<br />

FolIo 3/2013

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