32 In der rS Oberst Drexel, der Berufsoffizier,ist ein entschiedener Verfechter desMilizprinzips.«NurdankdieserDurchmischung kommen wir in 21 Wochen mit unseren Leuten so weit», sagt er.«Es gibt Armeen, die rekrutieren ihre Soldaten in den Gefängnissen –und entsprechend sind die auch aufgestellt.» «Allgemein» ist die Wehrpflicht in der Schweiz allerdings schon heute nur noch auf dem Papier.Seit dem Ende des Kalten Krieges wurde der Mannschaftsbestand der Armee von über 600 000 auf 400 000 und dann auf knapp 200000 reduziert, davon leisten 120000 aktiv Dienst, 80000 bilden die Reserve.Weniger als fünf Prozent der Aktivensind vollberuflich beim Militär. HauptadjutantReichmuth gehört zu den fünf Prozent; er ist seit 24 Jahren Instruktor. Wie schon bei der Nachtübung Sunrise vor zwei Tagen hat er sich im Filmsaal der Kaserne eingerichtet.Diesmal braucht er kein Papier,alle Computer laufen. «Einfach ein Kreuzchen hinter die richtige Antwort», ruft er in die Sitzreihen. «Nicht schwatzen, sonst gibt’s null Punkte.» «Sie, es geht nicht», gibt einer prompt zurück. Reichmuth seufzt. «Das Problem sitzt meistens vor der Tastatur.» Eine Aufgabe lautet: Welches ist der sicherheitspolitische Grundsatz der Schweiz? Antworten: a) Sicherheit durch Koordination; b) Sicherheit durch Kooperation; c) Sicherheit durch Neutralität. Eine andere: Welches sind aktuelle Bedrohungen und Gefahren für die Schweiz? Antworten: a) Rassismus; b) Kommunismus; c) Terrorismus. Richtig ist auch hier Antwort c. Laut Artikel 58 der Bundesverfassung hat die Armee drei Aufgaben: «Sie dient der Kriegsverhinderung und trägt bei zur Erhaltung des Friedens; sie verteidigt das Land und seine Bevölkerung. Sie unterstützt die zivilen Behörden bei der Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit und beider Bewältigung ausserordentlicher Lagen.» Die klaren Fronten von früher, als der mit roten Pfeilen symbolisierte Feind von Osten her unser Land bedrohte, gibt es nicht mehr.«Darum»,sagt Hauptmann Hofmann, «ist die Zwangsmittelausbildung im nonletalen Bereich so wichtig.» Beim AGA- Finale müssen die Rekruten zeigen, dass sie Verdächtige anhalten, kontrollieren und festnehmen können; das ist realistischer als der Kampf an der Front. In der Ebene am Fuss des Waffenplatzes stehen die künstlichen Ruinen für den Häuserkampf.Heute dienen sie als Posten für die Sanitätsübungen. «Druckverband habeich noch nie gemacht, Mann», klagt einer. «Dann hast du schon verloren, Mann», sagt sein Kollege.Auch Rekrut Gassmann hat seine liebe Mühe, Iselis Bein zu verarzten. Der Hobbyschwinger geht zu hastig ans Werk, der zarte Gazeverband verheddert sich in seinen Pranken und fällt zu Boden. Gassmann weiss: «Ich hab’s versaut.» Iseli verblutet, Gassmann ist durchgefallen. Ein Obergefreiter mit schwarzer Ray-Ban-Brille lehnt cool an derWand und macht sich Notizen.Gassmann muss morgen noch mal ran, wenn Iseli mit seinem blauen Fiat Punto Evo Sport mit schwarzer Motorhaube–«184 PS, megaFelgen» –längst durch Zürich kurvt. Bis zum Schiessen aus hundert Metern Distanz ist Rekrut Sanchez noch gut im Rennen. Er hat den gestrigen Tag, den Tagnach der Nachtübung Sunrise, einigermassen überstanden. «Ich habe mich einfach nie hingesetzt, sonst wäre ich gleich eingeschlafen.» Auch das Essen löffelte er stehend aus der Gamelle. Jetzt kniet er und zielt auf die Scheibe inhundert Metern Entfernung. Wird sie getroffen, kippt sie seitlich weg. Aber mit Sanchez’Konzentration ist es vorbei. Er schiesst und schiesst, und die Scheibebleibt hartnäckig stehen. Morgen, beim zweiten Versuch, wird es klappen. Er gehört nicht zu den 29 Rekruten der 2. Kompanie, die schon am nächsten Morgen nach Hause können. Rekrut Sanchez: Will weitermachen. Sportabzeichen –Ehrgeiz muss sein (W 7) In der Turnhalle riecht es nach Schweiss. DerEishockeyprofi Roos springt aus dem Stand 2,65 Meter und erhält von Zugführer Giovanoli ein anerkennendes «Hervorragend» – die Rekruten kämpfen umdas Sportabzeichen. Der Schwinger Gassmann hat einen verspannten Rücken und muss einen Medizinball werfen. Sechs Meter,immerhin. Iseli schmeisst seine Turnschuhe in die Eckeund stellt sich mit nackten Füssen vordie Kletterstange. Zentimeter um Zentimeter zieht er sich hoch. Beim Einrücken woger85Kilo. Als er sich letztes Wochenende zu Hause auf die Waage stellte, hatte er sechs Kilo abgenommen, obwohl ihm seine vielen Freunde ständigFresspäckli in die <strong>RS</strong> schicken. Gruppenführer Zumbach treibt die Rekruten gnadenlos die Stange hoch. «Der ist genauso eine Kampfsau wieich»,würdigt Iseli den Obergefreiten. Zumbach war beeindruckt, als sein Oberstufenlehrer für Tina Turner Personenschutz machen konnte und später eine Kampfsportschule eröffnete. Zumbach begann mit Jiu-Jitsu, Kickboxen und Thaiboxen. Er sei der Typ, der sich mit sauberer Uniform lustvoll in den Dreckwerfe, weiss Iseli. Fünf Disziplinen sind für das Sportabzeichenzuabsolvieren,die maximale Punktzahl ist 125. Das Abzeichen, ein kleines rechteckiges Stückchen Stoff,das sich an der Uniform befestigen lässt, wird ab 80 Punkten vergeben. So ein Abzeichen ist eine geile Sache, da FolIo 3/2013
Obergefreiter Sherifi: «Das Gewehr ist Ihre Freundin. Seien Sie gut zu ihr!»