02.11.2013 Aufrufe

Rosa Luxemburg Reader 2010 (PDF) - Die Linke.SDS Leipzig

Rosa Luxemburg Reader 2010 (PDF) - Die Linke.SDS Leipzig

Rosa Luxemburg Reader 2010 (PDF) - Die Linke.SDS Leipzig

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Historische Einordnung<br />

Reform und Revolution bei <strong>Rosa</strong> <strong>Luxemburg</strong><br />

von Stefan Bornost<br />

(aus der <strong>Luxemburg</strong> Liebknecht Broschüre des <strong>SDS</strong> / hier der link zum download:<br />

http://www.linke-sds.org/fileadmin/linke.sds/Publikationen/Broschure_neu.pdf)<br />

<strong>Die</strong> Debatte um Reform und Revolution ist ein heißer Anwärter auf den Titel „Größtes<br />

Missverständnis auf der <strong>Linke</strong>n“. <strong>Die</strong> Karikatur der Positionen sieht so aus: Auf der einen Seite<br />

stehen <strong>Linke</strong>, die das System stürzen wollen – auf der anderen Seite diejenigen, die<br />

Veränderungen im hier und jetzt wollen. Träumer versus Realisten.<br />

Das war und ist niemals der Kern der Diskussion gewesen. <strong>Linke</strong> begrüßen jede reale<br />

Reformen, welche die Lebensverhältnisse der Menschen verbessert. Wir sind keine Anhänger<br />

einer „Schlechter ist besser“-Theorie, in der die Menschen um so fortschrittlicher werden, je<br />

schlechter es ihnen geht. <strong>Die</strong> Realität spricht dagegen: In den Slums dieser Welt bringen die<br />

Armen sich öfter gegenseitig um, als zum Aufstand gegen die Reichen zu blasen. Damit<br />

revolutionäre Bewegungen entstehen, braucht es mehr als das drängende Gefühl von<br />

existenzieller Not oder politischer Unterdrückung der breiten Massen – die Menschen brauchen<br />

auch Selbstbewusstsein, um aus der Zuschauerrolle hinauszutreten und das Gefühl der<br />

Machtlosigkeit zu überwinden, welches der Kapitalismus in jedem einzelnen fördert.<br />

<strong>Die</strong>ses Selbstbewusstsein fällt nicht vom Himmel, sondern ist Resultat vorheriger Kämpfe um<br />

Verbesserungen und Veränderungen – Reformkampf eben. <strong>Die</strong>se klassische Formulierung des<br />

Verhältnisses von Reform und Revolution ist vor allem mit einem Namen verbunden: <strong>Rosa</strong><br />

<strong>Luxemburg</strong>.<br />

In der rechten Ecke: Eduard Bernstein vom Team Reformismus<br />

<strong>Rosa</strong> <strong>Luxemburg</strong> begann im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts, sich in die Debatten der<br />

SPD einzumischen. <strong>Die</strong> SPD von damals hatte außer dem Namen mit dem Haufen von heute<br />

wenig zu tun. Sie war das Kronjuwel der Zweiten Internationalen – die mächtigste und<br />

erfolgreichste Arbeiterpartei der Welt. Sie zählte eine Million Mitglieder, 110 Reichstags- und<br />

231 Landtagsabgeordnete, 11.000 Gemeindevertreter, 320 Magistrate. Schon 1899 gab die<br />

Partei über 73 Zeitungen mit einer Gesamtauflage von 400.000 Exemplaren heraus. 49 dieser<br />

Zeitungen erschienen täglich.<br />

Dazu führte die SPD eine Reihe von Arbeitermassenorganisationen – in den<br />

Konsumgenossenschaften waren 1,3 Millionen Menschen organisiert, in den sozialdemokratischen<br />

Gewerkschaftsverbänden sogar 2,6 Millionen Arbeiter. Dazu kamen<br />

sozialdemokratische Frauenverbände, Turnverbände und Sangesgruppen. <strong>Die</strong> Partei stand<br />

theoretisch auf Grundlage des radikalen marxistischen „Erfurter Programms“ von 1891, in dem<br />

von einem unversöhnlichen Klassenkampf von Arbeitern und Bürgertum die Rede war und der<br />

Sozialismus als Ziel festgeschrieben wurde. Darin heißt es, dass der „Klassenkampf zwischen<br />

Bourgeoisie und Proletariat immer erbitterter [wird] […] Der Abgrund zwischen Besitzenden<br />

und Besitzlosen wird noch erweitert durch die im Wesen der kapitalistischen Produktionsweise<br />

begründeten Krisen, die immer umfangreicher und verheerender werden, die allgemeine<br />

Unsicherheit zum Normalzustand der Gesellschaft erheben und den Beweis liefern, dass die<br />

Produktivkräfte der heutigen Gesellschaft über den Kopf gewachsen sind, dass das<br />

Privateigentum an Produktionsmittel unvereinbar geworden ist mit deren zweckentsprechender<br />

Anwendung und voller Entwicklung.“<br />

Doch hinter der knallroten Fassade tobte ein unterschwelliger Flügelkampf. Im Kern ging es<br />

dabei um Folgendes: Alle Flügel waren sich einig darüber, dass es Aufgabe der Partei sei, eine<br />

allmähliche und ständige Verbesserung der Lage der Arbeiterklasse im Rahmen des<br />

Kapitalismus zu erreichen. Wenn möglich, sollten parlamentarische Mehrheiten für Reformen<br />

genutzt werden. Außerdem sollten über gewerkschaftliche Kämpfe weitere Zugeständnisse<br />

durchgesetzt werden. Gestritten wurde darüber, ob sich die Strategie der SPD darin erschöpfen<br />

sollte. <strong>Die</strong> damaligen „Modernisierer“ um Eduard Bernstein bejahten dies – der Kapitalismus<br />

habe sich grundlegend gewandelt, große Krisen und Kriege seien nicht mehr zu erwarten.<br />

Deshalb ist der Übergang zum Sozialismus als das Ergebnis steter Reformbewegung denkbar –<br />

bis irgendwann eine Mandatsmehrheit der SPD dem Kapitalismus den Garaus macht. Bernstein<br />

5

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!