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Abbott Times - ABBOTT Diagnostics

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2<br />

Editorial<br />

Das medizinische Labor …<br />

… ein Fabrikbetrieb mit Massenproduktion?<br />

Ein Forschungsbericht von einer Fallstudie aus dem<br />

Laborbereich eines Pharmaunternehmens (P. Streckeisen,<br />

Swiss Journal of Sociology 2008; 34: 115–24) hat mich zu<br />

diesem Editorial angeregt. In einem Teil des Laborbereichs,<br />

der in dieser Studie untersucht wurde, werden bestimmte<br />

Eigenschaften von Medikamenten, u. a. deren Wirkstoffkonzentration,<br />

ihre Stabilität in Abhängigkeit von der Lagerungszeit,<br />

Temperatur, Feuchtigkeit und die Freisetzung des<br />

Wirkstoffs in unterschiedlichen Medien, getestet. Diese<br />

Routineuntersuchungen fallen in großer Anzahl bis zur<br />

Marktzulassung eines Medikaments an, was eine weitgehende<br />

Automation der notwendigen Arbeitsabläufe zur<br />

Folge hatte. Die Spezialisierung der Tätigkeit geht so weit,<br />

dass es Labors gibt, die nur noch ein Testverfahren<br />

anwenden. Dieses Aufgabenprofil wird mit dem Begriff<br />

„high-throughput screening“ beschrieben. Die Automation<br />

hat die Analytik erleichtert, und die Ergebnisse können in<br />

kürzerer Zeit bereitgestellt werden. Die Befragung der<br />

LaborantInnen und deren kritische Antworten legen aber<br />

auch die Nachteile dieser Entwicklung offen. Die Automation<br />

hat die traditionelle Labortätigkeit stark reduziert. Dies<br />

hat zu einem Verlust der früheren Tätigkeitsvielfalt geführt<br />

und dadurch die Arbeit eintöniger gemacht. Dazu kommt<br />

eine zunehmende Regulierungsdichte mit Vorschriften, die<br />

strikt einzuhalten sind. So hat auch der Aufwand für<br />

Kontrollen und Dokumentation erheblich zugenommen.<br />

Die Unterstützung dieser Aufgaben durch entsprechende<br />

Software verstärkt diese Entwicklung zusätzlich. Auf der<br />

anderen Seite müssen die LaborantInnen mehr Verantwortung<br />

übernehmen, indem sie nicht nur die Analysen<br />

durchführen, sondern auch für die Auswertung, Kontrolle<br />

und Bewertung der Daten verantwortlich sind. Es wurde<br />

auch darauf hingewiesen, dass mit Automation und<br />

Informationstechnologie der Zeitdruck zugenommen hat.<br />

Von Ausbildern der LaborantInnen wurde vermerkt, dass<br />

für die aktuelle Labortätigkeit Fähigkeiten wie Organisation<br />

und Kenntnisse der Informationstechnologie gefragt sind.<br />

Sie räumten ein, dass die derzeitige Ausbildung den<br />

geänderten Anforderungen nicht gerecht wird. Die in dieser<br />

Studie mitgeteilten Erfahrungen und Entwicklungen zeigen,<br />

obschon sie aus einem ganz anderen Tätigkeitsfeld<br />

stammen, eine Reihe von Analogien zu der Situation im<br />

medizinischen Labor der Routinediagnostik. Dies möchte<br />

ich anhand von einigen Beispielen zeigen. Die Basisdiagnostik<br />

wird ebenfalls in Form des „high-throughput<br />

screening“ abgearbeitet, mit der Folge steigender Analysenzahlen.<br />

Dieses Vorgehen wurde ermöglicht durch die<br />

Einführung von „Multikanalanalysatoren“, die eine intralaboratorielle<br />

Zentralisierung der früheren Einzellaboratorien<br />

(Elektrolyt-, Eiweiß-, Enzym-, Substrat-, Hormonlabor u. a.)<br />

zu einer kompakten Einheit darstellen. Die früher generelle<br />

Einzelanforderung wurde weitgehend von der Blockanalyse<br />

mit weniger strenger Indikationsstellung abgelöst. Inwieweit<br />

der erst durch die Automation ermöglichte Informationsanstieg<br />

medizinisch sinnvoll ist, sollte kritisch hinterfragt<br />

werden. Sicher hat die Automation die reine analytische<br />

Tätigkeit auch im medizinischen Labor erleichtert, aber der<br />

Zeitdruck ist trotzdem angestiegen, da die Erwartungen an<br />

die Verkürzung der „response time“ und bei verkürzter<br />

Verweildauer die Zahl der behandelten Patienten und damit<br />

auch der Laboranforderungen immer weiter steigen. Neben<br />

Automation haben auch im medizinischen Labor zunehmende<br />

Regulierungsdichte, vermehrte Kontrollaufgaben<br />

und Dokumentationen Einzug gehalten – bei gleichzeitiger<br />

Verminderung der Tätigkeitsvielfalt. Andererseits führt die<br />

MTLA nicht nur Analysen durch, sondern übernimmt mit<br />

der technischen Validation und Plausibilitätskontrolle der<br />

Messwerte mehr Verantwortung. Die Frage, ob die derzeitige<br />

MTLA-Ausbildung den geänderten Anforderungen<br />

gerecht wird, lasse ich wegen mangelnder Information<br />

meinerseits offen. – Am Ende möchte ich noch auf den<br />

wichtigsten Punkt bei der „Industrialisierungsdiskussion“<br />

hinweisen, die Zentralisierungsmanie. Ein immer weitergehender<br />

Zusammenschluss von Laboratorien der medizinischen<br />

Routinediagnostik hat als logische Konsequenz,<br />

dass der noch als Frage formulierte Titel des Editorials<br />

irgendwann Realität wird (oder ist er es schon an einigen<br />

Stellen?), d. h. dass dann das medizinische Labor nur<br />

noch eine Fabrik mit Massenproduktion ist – mit Verlust der<br />

Wurzeln unseres Fachs, der Labormedizin. Ich darf aber<br />

daran erinnern, dass immer größer nicht immer besser ist,<br />

wie die aktuelle Pannenserie von Toyota belegt. <br />

Prof. Dr. Dr. Hermann Wisser, Stuttgart

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